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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Urteil verkündet am 23.06.2005
Aktenzeichen: 2 R 17/03
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG § 60 Abs. 7 Satz 2
AufenthG § 60a
Eine landesweite Kollektivverfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen im (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation kann bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe ungeachtet der sich im Gefolge von Terroranschlägen in der jüngeren Vergangenheit verschärfenden Spannungen und Vorbehalte nicht festgestellt werden. Insofern lässt sich nach dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachweisen, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Gruppe der Tschetschenen die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu.

Ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien das Vorliegen der genannten Voraussetzungen für die Annahme einer "regionalen Gruppenverfolgung" anzunehmen ist, bleibt offen. Selbst bei Anlegung des in der Rechtsprechung für die Fälle der so genannten Vorverfolgung im Heimatland entwickelten "herabgestuften" Prognosemaßstabs für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung steht den aus Tschetschenien stammenden Bürgern der Russischen Föderation russischer Volkszugehörigkeit aber auch ethnischen Tschetschenen in anderen Regionen der Russischen Föderation eine auch unter wirtschaftlichen Aspekten zumutbare und für die Betroffenen tatsächlich erreichbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung, die mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutzes vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, einen Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausschließt.

Auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen in diesen Fällen nicht vor. Insoweit ist, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angeht, zusätzlich die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat zu beachten. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie beispielsweise den Empfehlungen verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde liegen, hat der Bundesgesetzgeber danach auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet.


Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die eigenen Angaben zufolge aus Tschetschenien stammenden Kläger zu 1) und 2) sind miteinander verheiratet. Die Klägerin zu 1) ist Russin, der Kläger zu 2) nach seinem Vortrag tschetschenischer Volkszugehöriger. Bei der Klägerin zu 3) handelt es sich um eine gemeinsame Tochter.

Die Klägerinnen zu 1) und 3) reisten im August 2000 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten die Anerkennung als Asylberechtigte. Im Rahmen einer an 22.8.2000 durchgeführten persönlichen Anhörung führte die Klägerin zu 1) aus, sie habe bis zu ihrer Ausreise am 2.8.2000 in Snamenskaja gelebt. Damals sei ein Freund des Klägers zu 2), den sie an Silvester 1999/2000 zum letzten Mal gesehen habe und der "den Tschetschenen geholfen" habe, zu ihr gekommen und habe ihr mitgeteilt, dass sie das Land verlassen müsse. Sie habe sich in Moskau am Bahnhof mit dem Kläger zu 2) treffen sollen. Sie sei dann mit ihrer Schwester und den Kindern nach Moskau und von dort mit dem Bus über Polen nach Deutschland gefahren. Ihre Heimat hätten sie wegen des Krieges und wegen der schlechten Lebensverhältnisse verlassen. Sie und der Kläger zu 2) hätten sich große Sorgen um das Leben des Kindes gemacht. "Solche wie sie" würden in Russland nicht gebraucht. Die Russen gäben ihnen die Schuld dafür, dass ihre Kinder in Tschetschenien umkommen. In Russland bekämen Flüchtlinge weder eine Wohnung noch irgendeine Art von Hilfe.

Die Einreise des Klägers zu 2) erfolgte am 14.12.2000. Auch er stellte einen Asylantrag und führte zur Begründung aus, er sei im Waisenhaus aufgewachsen, weshalb er lediglich Russisch spreche. Es habe viele russische Kontrollen gegeben und man komme in Teufels Küche, wenn man als junger Tschetschene von den Russen erwischt werde. Tschetschenien habe er am 1.12.2000 verlassen und sei nach einem mehrtägigen Zwischenaufenthalt in Moskau über Brest in Weißrussland mit einem LKW nach Deutschland gefahren. Er habe häufig Brot und Lebensmittel für sein Volk zur Verfügung gestellt und sein Heimatland verlassen, um nicht im Gefängnis zu landen oder umgebracht zu werden. Die Russen hielten alle Tschetschenen für Mörder und Banditen und glaubten nicht, dass es Tschetschenen gebe, die sich an dem Krieg nicht beteiligten. Er habe gesehen, wie russische Soldaten die Bevölkerung mit Panzern überfahren und den Leichen anschließend die Goldzähne herausgezogen hätten. In so einem Land wolle er nicht mehr leben und auch nicht darauf warten, bis seine Familie "an der Reihe sei". Wenn man von den Russen angehalten werde, könne man das schon als Problem bezeichnen. Ihn - den Kläger zu 2) - hätten sie in der Metro verhaftet und weil er keine Papiere gehabt habe, seien die wildesten Vermutungen angestellt worden. Er sei mitgenommen, auf dem Polizeirevier drei Tage festgehalten und dabei auch geschlagen worden. Das gehöre zur Normalität. Dann habe ein "besonders netter Polizist" gesagt, dass er etwas Geld bezahlen müsse, um frei zu kommen, was er getan habe. Damals habe er Glück gehabt, dass man nicht herausbekommen habe, dass er Tschetschene sei. Er habe keine andere Wahl gehabt, als nach Deutschland zu kommen.

Mit Bescheid vom 8.6.2001 lehnte die Beklagte die Asylanträge der Kläger als offensichtlich unbegründet ab. Gleichzeitig wurde das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG verneint und die Kläger wurden zur Ausreise binnen einer Woche aufgefordert. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihnen die Abschiebung in die Russische Föderation oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. In dem Ablehnungsbescheid heißt es unter anderem, die Kläger hätten mit keinem einzigen Satz politische Verfolgung geltend gemacht. Auch die angebliche tschetschenische Volkszugehörigkeit des Klägers zu 2) und die geschilderte Ausreise aus Tschetschenien seien nicht glaubhaft. Alle Kläger hätten russische Vornamen und sprächen nicht Tschetschenisch. Aufgrund der Gesamtumstände und der Widersprüche in ihren Darlegungen sei "als sicher" anzunehmen, dass die Kläger russische Volkszugehörige seien und nicht aus Tschetschenien stammten.

Die Entscheidung ist den Klägern am 11.6.2001 zugestellt worden; mit Eingang am 18.6.2001 haben sie Klage erhoben und ihre Feststellungsbegehren hinsichtlich des § 51 Abs. 1 AuslG und (hilfsweise) des § 53 AuslG weiter verfolgt. Auf ihren Antrag hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

Die Kläger haben ihr Vorbringen bekräftigt und geltend gemacht, die geschilderten Lebensmitteltransporte durch den Kläger zu 2), der sich überwiegend bei verschiedenen Bekannten und teilweise auch bei den tschetschenischen Kämpfern aufgehalten habe, seien "auf Anweisung" an verschiedene Orte, meist zu Verstecken in umliegenden Wäldern und Bergen gegangen. Das sei mehrmals pro Woche der Fall gewesen, so dass davon ausgegangen werden könne, dass dies den Sicherheitskräften auch bekannt geworden sei. Unabhängig davon würden Tschetschenen aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit landesweit erheblich diskriminiert und verfolgt, was sich beispielsweise aus einem Lagebericht der Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH) vom Januar 2001 ergebe. Danach litten Tschetschenen in ganz Russland besonders stark unter einem weit verbreiteten Rassismus der Staatsorgane. Zu den gebräuchlichsten Formen der Schikanierung gehöre die selektive Durchsetzung von Niederlassungsbedingungen nach dem so genannten Propiska-System, das nur de jure abgeschafft sei. Das führe dazu, dass sich Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens nicht niederlassen, nicht arbeiten, keine Immobilien besitzen und nicht am kostenlosen öffentlichen Gesundheitssystem teilnehmen könnten. Tschetschenen müssten ständig damit rechnen, unter Umständen mehrmals täglich auf offener Straße durchsucht, willkürlich festgenommen und anschließend festgehalten zu werden. Hierbei komme es auch zu Misshandlungen. Im Ergebnis sei es Tschetschenen nicht möglich, irgendwo in der Russischen Föderation ein menschenwürdiges Leben zu führen.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 22.5.2002 hat der Kläger zu 2) ergänzend ausgeführt, er habe seine Heimat verlassen, weil er ständig verfolgt worden sei. Auch die Klägerinnen zu 1) und 3) seien bedroht worden. Die "Personen" seien teils in Zivil, teils in Uniform gekommen. Nach seinen Vermutungen habe es sich um den russischen Geheimdienst gehandelt und die Verfolgung habe im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die tschetschenischen Rebellen gestanden. Er habe die Partisanen mit Lebensmitteln, Kleidern und sonstigen Sachen versorgt. Er habe dies aus reinem Patriotismus getan. Ab und zu habe er auch an kriegerischen Auseinandersetzungen teilgenommen und Waffen transportiert. Diese habe er zum Teil im Austausch gegen russische Gefangene erhalten; teilweise seien sie bei russischen Militärangehörigen gekauft worden. Er habe sich meist in dem Dorf Bamut-Samaschki in der Region Urus-Martan sowie im Argun-Gebirge aufgehalten und bei tschetschenischen Rebellen oder in Wäldern übernachtet. Kleider, Lebensmittel und Waffen seien an einen Lieferpunkt gebracht worden und der Leiter dieser Operationen habe "umfangreiche Informationen" über ihn und andere Mithelfer schriftlich festgehalten. Er - der Kläger zu 2) - vermute, dass all diese Informationen nach der Entdeckung des Treffpunktes schon im ersten Tschetschenienkrieg in die Hände der Russen gefallen seien und dass der russische Geheimdienst daher über seine Aktivitäten für die tschetschenischen Rebellen Bescheid gewusst habe. Die Familie habe er zuletzt zum Jahreswechsel 1999/2000 gesehen und nur geheim besuchen können, da er befürchtet habe, verhaftet zu werden. Er selbst sei in Tschetschenien nie verhaftet worden, habe allerdings von der Klägerin zu 1) Informationen erhalten, dass nach ihm gesucht und nach seinem Aufenthaltsort gefragt worden sei. Diese sei bedroht und beschimpft worden, weil sie mit einem Moslem zusammen lebe. Zwar sei er ab und an bei Kontrollpunkten überprüft worden. Eingehenden Kontrollen habe man aber durch Geldzahlungen ohne weiteres entgehen können. Die im Verwaltungsverfahren erwähnte kurzzeitige Verhaftung in der U-Bahn-Station sei in Moskau erfolgt, nachdem er Tschetschenien bereits wegen des Krieges verlassen gehabt habe. Er sei nicht wegen seines kaukasischen Aussehens festgenommen worden, sondern weil er keine Papiere habe vorweisen können. Damals habe seine Volkszugehörigkeit nicht interessiert und die Polizisten hätten diesbezüglich auch keine Nachforschungen angestellt. Bei seinem Vor- und Familiennahmen handele es sich um typisch moslemische Namen.

Die Klägerin zu 1) gab an, sie habe gewusst, dass der Kläger zu 2) "die Tschetschenen" mit Kleidern und Lebensmitteln versorgt habe. Genaueres könne sie dazu aber nicht sagen. Ihr sei auch bekannt, dass er Probleme mit russischen Sicherheitskräften beziehungsweise dem russischen Geheimdienst gehabe habe. Sie sei "von diesen Leuten" zum Teil mehrfach am Tag aufgesucht und nach ihrem Mann und seinem Aufenthaltsort gefragt worden. Da sie das aber selbst nicht gewusst habe, sei sie bedroht und in übelster Art und Weise beschimpft worden.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8.6.2001 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Russische Föderation vorliegen,

hilfsweise,

festzustellen, dass einer Abschiebung in die Russische Föderation Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG entgegenstehen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beteiligte hat sich erstinstanzlich nicht geäußert.

Mit Urteil vom 22.5.2002 - 12 K 70/01.A - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, es könne dahinstehen, ob der Kläger zu 2) wegen der von ihm behaupteten Unterstützung tschetschenischer Rebellen oder in Anknüpfung an seine Volkszugehörigkeit politisch motivierter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder bei Rückkehr zu befürchten habe. Unabhängig davon könnten die Kläger jedenfalls auf das übrige Staatsgebiet der Russischen Föderation verwiesen werden, in dem insbesondere der Kläger zu 2) vor an eine tschetschenische Volkszugehörigkeit anknüpfenden staatlichen Verfolgungsmaßnahmen sicher sei. Zwar bestehe zwischen Russen und zwischen Bevölkerungsteilen mit kaukasischer Herkunft vielerorts ein distanziertes und angespanntes Verhältnis. Viele Russen trauten Angehörigen dieser durch "südliches" Aussehen im Straßenbild auffallenden Bevölkerungsgruppe eine Neigung zur Kriminalität bis hin zum Auftragsmord zu. Dieser Kriminalisierung insbesondere tschetschenischer Flüchtlinge werde von russischen Politikern und Medien massiv und bewusst Vorschub geleistet, ohne dass allerdings Ausschreitungen bekannt geworden seien. Es habe zwar Diskriminierungen und Benachteiligungen gegeben, die aber weitgehend auf das Gebiet Moskaus und weiterer russischer Großstädte beschränkt gewesen seien. In anderen Teilen der Russischen Föderation, insbesondere in solchen mit einer Bevölkerung mehrheitlich kaukasischen Ursprungs wie Dagestan und Inguschetien, lebten die tschetschenischen Volkszugehörigen, von denen sich zwei Drittel außerhalb Tschetscheniens aufhielten, weitgehend unbehelligt. Zwar bestehe angesichts der wegen der Ereignisse in Tschetschenien aufgeheizten Atmosphäre eine besondere Gefährdung solcher Personen, die sich bisher in der Tschetschenienfrage engagiert hätten.

Davon sei aber bei den Klägern nicht auszugehen. Auch der Kläger zu 2) sei nach Überzeugung der Kammer durch die behaupteten Unterstützungshandlungen für die Rebellen nicht derart ins Blickfeld russischer Behörden geraten, dass bei ihm von einem erhöhten Gefährdungsrisiko im Rückkehrfall ausgegangen werden könne. Auch bei seiner Verhaftung in Moskau sei kein Zusammenhang mit bewaffneten Aktivitäten hergestellt oder vermutet worden. Die Kläger seien auch nicht anderweitig gehindert, sich außerhalb Tschetscheniens in der Russischen Föderation niederzulassen. Zwar hätten die wirtschaftlich interessanten Metropolen angesichts der Flüchtlingsflut und des Zuwanderungsdrucks ein vitales Interesse daran, einen weiteren ungeregelten Zuzug von Flüchtlingen zu begrenzen und daher werde ungeachtet der verfassungsrechtlichen Freizügigkeitsgarantie ein Zuzug von aus den südlichen Republiken stammenden Personen durch Verwaltungsvorschriften verhindert beziehungsweise erschwert. Die Kläger seien allerdings nicht gehalten, ihren Aufenthalt in solchen Großstädten zu nehmen. Eine Registrierung sei außerhalb von Großstädten auf der Grundlage der regional geltenden Auflagen grundsätzlich möglich beziehungsweise sei die Registrierungspflicht in einigen Regionen nach Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit offiziell abgeschafft worden und auch tatsächlich nicht mehr in Kraft. Etwas anderes ergebe sich insbesondere auch nicht aus dem internen, hinsichtlich seiner Authentizität ohnehin nicht belegten Befehl Nr. 541 des Innenministeriums. Dieser betreffe ausschließlich Moskau sowie andere Städte der Russischen Föderation, in denen die polizeilichen Anmeldemöglichkeiten für Tschetschenen einzuschränken beziehungsweise einzustellen seien. Einer Abschiebung der Kläger in die Russische Föderation stünden auch keine Hindernisse im Sinne des § 53 AuslG entgegen.

Zur Begründung der zugelassenen Berufung beziehen sich die Kläger auf ihr bisheriges Vorbringen und tragen weiter vor, nach den Erkenntnissen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) aus dem Jahre 2002 hätten nur sehr wenige Flüchtlinge aus Tschetschenien in Russland einen Flüchtlingsstatus erhalten. Die Ablehnungen seien damit begründet worden, dass es sich bei dem Vorgehen der russischen Einheiten in Tschetschenien um eine "Anti-Terror-Kampagne" handele. Die Binnenvertriebenen, denen ein Flüchtlingsstatus eingeräumt worden sei, zumeist Russen, hätten sich auf Nachstellungen durch islamisch-fundamentalistische Gruppen berufen. Trotz der offiziellen Abschaffung werde das so genannte "Propiska-System" landesweit durch restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken weiter angewandt. In Inguschetien sei die soziale Infrastruktur dem Zustrom der Binnenflüchtlinge nicht gewachsen. Infolge von Spannungen mit der örtlichen Bevölkerung sei es bereits zu Ausweisungen gekommen. Zuletzt hätten die inguschetischen Behörden die Registrierung aller neu eintreffenden Flüchtlinge aus Tschetschenien ausgesetzt. Zudem sei in den letzten Monaten eine Tendenz der Behörden der russischen Föderation zu verzeichnen, in Inguschetien direkt zu intervenieren. Inguschetien stelle daher entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts keine Fluchtalternative für die Kläger dar. In Dagestan stehe man der Aufnahme weiterer Binnenvertriebener sehr zurückhaltend gegenüber.

Die Republiken Dagestan, Kabardino-Baktarien und Karatschei-Tscherkessien seien selbst regelmäßig mit Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen konfrontiert. Die Regionen Stawropol und Krasnoda seien mehrfach vom Verfassungsgerichtshof der Russischen Föderation wegen Verstößen gegen die Bestimmungen über die Freizügigkeit und die Wahl des Aufenthalts- und Wohnorts zur Verantwortung gezogen worden. In beiden Regionen gebe es starke russisch-nationalistische Gefühle. Nur ethnische Russen hätten eine Chance, hier aufgenommen zu werden. In Nordossetien-Alanien, das mehrheitlich von christlich-russischen Osseten bewohnt sei und sich in einer wirtschaftlich trostlosen Lage befinde, seien es restriktive örtliche Verwaltungspraktiken, die tschetschenischen Binnenvertriebenen den Aufenthalt unmöglich machten. In den übrigen Teilen der russischen Föderation, auch außerhalb von Moskau und St. Petersburg, lebten größere Gruppen von Tschetschenen traditionell nicht außerhalb der nordkaukasischen Republiken und der größeren Städte. Zwar befänden sich unbestritten in Moskau 100.000 Tschetschenen. Das habe aber nichts mit der Frage zu tun, ob dort tschetschenische Flüchtlinge ihren Wohnsitz nehmen könnten. Berichten zufolge habe das Innenministerium der Föderation im November 1999 eine nicht öffentliche Weisung ausgegeben, Binnenvertriebenen aus Tschetschenien keine Identitätsdokumente auszustellen. In vielen Regionen Russlands sähen sich Tschetschenen mit polizeilichen Schikanen größeren Ausmaßes konfrontiert. Nach Erkenntnissen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) gebe es eine zentrale Tschetschenenkartei, da gegen alle in Russland lebenden Tschetschenen eine kollektive Schuldzuweisung vorgenommen werde. In Inguschetien finde inzwischen eine vom russischen Innenministerium geleitete Vertreibungsaktion gegenüber den Migranten aus Tschetschenien statt. Den Flüchtlingen in den Lagern würden Ultimaten gestellt und Versorgungsleitungen würden gekappt. In vergleichbarer Situation befänden sich die tschetschenischen Flüchtlinge im russischen Binnenland, wie das Beispiel eines Lagers bei Twer zeige. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse gingen die Verwaltungsgerichte in Schleswig und in Neustadt/Weinstraße vom Fehlen einer inländischen Fluchtalternative für tschetschenische Flüchtlinge aus.

Danach werde das Registrierungswesen als Hauptinstrument gegen die Flüchtlinge eingesetzt, das in verschiedenen Gebieten Russlands durch zusätzliche Verordnungen verschärft werde. Das wohl ausschlaggebende Instrument sei ein interner Befehl des Innenministeriums vom 17.9.1999 über Anti-Terror-Maßnahmen. Auf dieser Grundlage würden unter dem Vorwand der Ausweiskontrolle durch russische Milizen gezielt Tschetschenen verfolgt. Angesichts der anti-tschetschenischen Hetze werde es für Tschetschenen zunehmend schwerer, in der Anonymität von Großstädten illegal eine Bleibe zu finden. Nach Ansicht des VG Neustadt/Weinstraße könnten die Flüchtlinge aus Tschetschenien zwar in einer Vielzahl von Fällen in den großen Städten Russlands illegal leben und das Lebensnotwendige verdienen. Darauf könnten sie indes rechtlich nicht verwiesen werden. Orte, an denen ein legaler Aufenthalt möglich sei, seien von den Auskunftsstellen bisher nicht konkret benannt worden. Die Suche danach sei daher letztlich mit einem unkalkulierbaren und unzumutbaren Risiko verbunden. Dort habe sich durch die Wahl des "kremlfreundlichen" Geheimdienstgenerals Sjasikow im April 2002 ein Machtwechsel mit konkreten Auswirkungen auf die Flüchtlingssituation vollzogen. Auch amnesty international gehe allgemein von einer fehlenden Rückkehrmöglichkeit in die russische Föderation aus, da es praktisch in allen Teilen Russlands zu Übergriffen komme. Nach der Moskauer Geiselnahme vom 23. bis 26.10.2002 sei es auch an den wenigen davor als Fluchtalternative in Betracht kommenden Orten für tschetschenische Flüchtlinge nicht mehr möglich, sich niederzulassen. Das gelte auch für die Wolgaregion.

Die Kläger beantragen,

unter die Beklagte Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22.5.2002 - 12 K 70/01.A - sowie unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 8.6.2001 zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in die Russische Föderation vorliegen,

hilfsweise,

dass einer Abschiebung in die Russische Föderation Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 8 und 10 AufenthG entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, die Kläger könnten auf eine inländische Fluchtalternative in der Wolgaregion der Russischen Föderation verwiesen werden. Da sie sich nicht in der tschetschenischen Sache engagiert hätten, müsse ihre Sicherheit in diesem Landesteil Russlands nicht in Frage gestellt werden. Unter Berücksichtigung des Maßstabs beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohten den Klägern auch keine anderen Nachteile und Gefahren an diesem Zufluchtsort. Zwar könne eine Konfrontation mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht ausgeschlossen werden, doch seien diese in Tschetschenien nicht weniger gravierend im Hinblick auf die in der Region wegen andauernder Kampfhandlungen herrschende humanitäre Notlage. Etwaige Gefahren erreichten auch nicht die Schwelle des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (nunmehr § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).

Der Beteiligte hat sich auch im Rechtsmittelverfahren nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der zugehörigen Verwaltungsunterlagen und der im Sitzungsprotokoll sowie in der Anlage dazu genannten Auszüge aus der bei Gericht geführten Dokumentation "Russische Föderation" verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Sache konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Die an ihn gerichtete ordnungsgemäße Ladung war mit einem dem § 102 Abs. 2 VwGO entsprechenden Hinweis versehen.

Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten (Bundesamt) vom 8.6.2001 zu Recht abgewiesen, soweit darin die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG abgelehnt worden ist. Diese Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des inzwischen an die Stelle des ehemaligen ausländergesetzlichen Abschiebungsverbots getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu. Die in dieser im Wesentlichen den bisherigen Regelungsgehalt fortschreibenden, an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention (GK) angelehnten Vorschrift genannten tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot hat das Verwaltungsgericht im Falle der Kläger in dem angegriffenen Urteil zutreffend verneint; sie liegen auch aus heutiger Sicht (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht vor. Die Kläger wären bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugungen durch eines der in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannten potentiellen Verfolgungssubjekte an Leib und Leben bedroht.

In dem Zusammenhang mag dahinstehen, ob es sich bei dem Kläger zu 2) - entsprechend seinen Behauptungen - um einen tschetschenischen Volkszugehörigen handelt. Dies hat die Beklagte in ihrer Entscheidung dezidiert und unter Angabe beachtlicher Gründe, insbesondere aber wegen des Fehlens jeglicher Kenntnisse der tschetschenischen Sprache, verneint. Diesen Umstand hat der Kläger zu 2) - wenig nachvollziehbar - damit erklärt, dass er nach dem Tod seines früh verstorbenen Vaters ("Ruslan Jusupov") von seiner Mutter ("Ludmilla B.") in einem Waisenhaus abgegeben worden und dann dort aufgewachsen sei. Eine nähere Aufklärung dieser Tatsachenfrage war in der mündlichen Verhandlung nicht möglich, da der nicht persönlich erschienene Kläger zu 2) nach den Angaben der Klägerin zu 1) vor mehreren Wochen spur- und kommentarlos verschwunden ist und sein aktueller Aufenthaltsort trotz entsprechender Suche auch durch die eingeschaltete Polizei nicht ermittelt werden konnte. Für die vorliegende Entscheidung kann die Richtigkeit der Angaben des Klägers zu 2) zu seiner Volkszugehörigkeit indes im Ergebnis unterstellt werden. Auch vor dem Hintergrund ergibt sich für ihn kein Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG.

Für eine individuell erlittene politische Verfolgung vor dem Verlassen des Heimatlandes bieten der Sachvortrag der Kläger bei deren Anhörung beim (damaligen) Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und das Vorbringen im gerichtlichen Verfahren keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Darlegungen der Kläger zu einem erlittenen Verfolgungsschicksal des Klägers zu 2) aufgrund seiner angeblichen Teilnahme an den Kämpfen der tschetschenischen Rebellen gegen russische Einheiten genügen den von der Rechtsprechung für die Glaubhaftmachung eines Verfolgungsschicksals in Asyl- und Flüchtlingsverfahren entwickelten Anforderungen nicht. Danach ist der Schutzsuchende aufgrund ihm obliegender prozessualer Mitwirkungspflichten gehalten, von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich die Voraussetzungen seines Anerkennungsanspruchs ergeben. Bleibt sein Vorbringen hinter diesen Anforderungen zurück, so kann er bereits deshalb nicht als Asylberechtigter (Art. 16a GG) beziehungsweise - hier - als Schutzbedürftiger im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG anerkannt werden. Zwar kann wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten bereits der Tatsachenvortrag des Asylbewerbers zu einer Anerkennung führen, das aber nur dann, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die erforderliche Überzeugungsgewissheit seiner Wahrheit vermittelt wird. Das in freier Würdigung des Sachverhalts entscheidende Gericht (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) darf einer aus Sicht des Betroffenen positiven Entscheidung dabei nur einen von ihm als feststehend erachteten, nicht hingegen einen von ihm lediglich als mehr oder weniger wahrscheinlich angesehenen Sachverhalt zugrunde legen. Das Vorbringen eines Asylbewerbers (Schutzsuchenden) kann nach diesen Maßstäben als unglaubhaft beurteilt werden, wenn es erhebliche nicht überzeugend aufgelöste Widersprüche und/oder Steigerungen im Vortrag enthält.

Letzteres ist vorliegend der Fall. Dabei ist hervorzuheben, dass sich der Senat auch zu diesen Schilderungen aus dem schon zuvor genannten Grund keinen persönlichen Eindruck von der Glaubhaftigkeit des Sachvortrags beziehungsweise von der persönlichen Glaubwürdigkeit des Klägers zu 2) verschaffen konnte. Nach dem von daher allein als Beurteilungsgrundlage zur Verfügung stehenden Akteninhalt handelt es sich bei dem Vortrag des Klägers zu 2) um den klassischen Fall eines sich aus Anlass negativer Entscheidungen in die vermeintlich "richtige" Richtung steigernden Vorbringens. War der Kläger zu 2) anfänglich nach seinen Schilderungen ein friedlicher Tschetschene, der mit dem Krieg nichts zu tun haben wollte, lediglich "Brot und Lebensmittel" für sein Volk zur Verfügung gestellt hatte und sich wunderte, dass bei den Russen alle Tschetschenen quasi unter dem Verdacht des Terrorismus standen, so stellte er sich im erstinstanzlichen Verfahren als aktiver tschetschenischer Freiheitskämpfer dar, der - so die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - selbst Waffen beschafft und transportiert und an Kampfhandlungen auf Seiten der Partisanen gegen die Russen teilgenommen haben wollte. Der Vortrag scheint daher nach dem Akteninhalt insgesamt in sich unschlüssig und damit unglaubhaft. Gegen die Glaubhaftigkeit spricht auch die Behauptung des Klägers zu 2), dass seine Aktivitäten bei der angeblichen Verhaftung in Moskau glücklicher Weise - wohlgemerkt trotz der behaupteten tschetschenischen Volkszugehörigkeit - "nicht aufgefallen" seien. Die geschilderte Verhaftung in Moskau erscheint insgesamt wenig überzeugend. Dabei will der Kläger zu 2) wegen fehlender Papiere mitgenommen und insgesamt drei Tage lang festgehalten worden sein, wobei die Polizisten "die wildesten Vermutungen" hinsichtlich seiner Person angestellt haben sollen. Legt man den Vortrag des Klägers zu 2) in der Sitzung des Verwaltungsgerichts zugrunde, wo er sich zum - je nach Perspektive - Freiheitskämpfer beziehungsweise Terroristen "entwickelt" hatte, der zudem durch den russischen Geheimdienst namentlich enttarnt und von diesem auch gesucht worden sein will, so scheint es sehr unglaubhaft, dass er nach der Verhaftung in Moskau keine Probleme gehabt haben sollte. Dass die Einlassung der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass sie einerseits "rollentypisch" von dem Kläger zu 2) nicht in dessen Aktivitäten eingeweiht worden sei und dass dieser andererseits in Deutschland zunächst nicht habe "die Karten auf den Tisch legen" wollen, nicht geeignet ist, die Glaubwürdigkeitsbedenken zu zerstreuen oder gar die Annahme eines den eingangs genannten Anforderungen genügenden glaubhaften Sachvortrags zu rechtfertigen, bedarf keiner Vertiefung. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Kläger ihre Heimat verlassen haben, um der dortigen bekannt äußerst trostlosen, weder ihnen noch insbesondere der Klägerin zu 3) eine vernünftige Perspektive bietenden allgemeinen Lage zu entgehen. Die Annahme einer politischen Verfolgung im Verständnis des Flüchtlingsrechts (§ 60 Abs. 1 AufenthG) rechtfertigt das offensichtlich nicht.

Neben der zeitlichen Dimension des Falles ist bemerkenswert die ethnische Zuordnung der Klägerin zu 1). Zumindest bei ihr handelt es sich um eine (rein) russische Volkszugehörige. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes rechtfertigt aber die Frage, ob Tschetschenen russischer Volkszugehörigkeit in der Russischen Föderation eine inländische Fluchtalternative offen steht, nicht (einmal) die Zulassung der Berufung, da sie sich bereits nach der allgemeinen Auskunftslage ohne weiteres bejahen lässt. Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung ergeben sich auch nicht auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger im vorliegenden Verfahren. Diese gehen danach im Berufungsverfahren selbst von einer Möglichkeit russischer Volkszugehöriger aus, beispielsweise in den Regionen Stawropol und Krasnodar Aufnahme zu finden. Sie weisen ferner in anderem Zusammenhang darauf hin, dass es sich bei den Binnenvertriebenen aus Tschetschenien, denen ein Flüchtlingsstatus durch die russischen Migrationsbehörden eingeräumt worden ist, "zumeist um Russen" gehandelt habe, die sich auf Nachstellungen durch islamische Fundamentalisten berufen hätten. Wie auszuführen sein wird, ist eine inländische Fluchtalternative selbst für tschetschenische Volkszugehörige, also vorliegend erst recht für die nach ihrem Vortrag nie von den russischen Sicherheitskräften behelligte Klägerin zu 1), zu bejahen. Auch wenn man - wie die Klägerin zu 1) das in der mündlichen Verhandlung reklamiert hat - den Blick auf den Umstand einer unterschiedlichen Ethnie bei den Klägern zu 1) und 2) richtet, so bleibt aus Sicht des Senats jedenfalls festzuhalten, dass die russische Volkszugehörigkeit der Klägerin zu 1) im Vergleich zu einer Familie rein tschetschenischer Herkunft die Chancen eines anderweitigen Unterkommens in Russland zumindest verbessert. Auch dem Kläger zu 2) drohte in Ansehung einer - nach dem eingangs Gesagten immer unterstellten - tschetschenischen Volkszugehörigkeit im Rückkehrfall keine politische Verfolgung (§ 60 Abs. 1 AufenthG).

Auszuschließen ist zunächst eine Verfolgung aller tschetschenischen Volkszugehörigen im (gesamten) Staatsgebiet der Russischen Föderation und zwar sowohl für den Ausreisezeitpunkt der Klägerin als auch für die heutige Situation. Das vorhandene Auskunftsmaterial rechtfertigt bei Anlegung der hierzu in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten strengen Maßstäbe nicht die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung. Ungeachtet des im Gefolge der Kriegsereignisse in Tschetschenien insbesondere seit dem Jahre 1999 erneut zugespitzten, bekanntermaßen sehr angespannten Verhältnisses zwischen der (ethnisch) russischen Bevölkerung und den im Kaukasus beheimateten Volksgruppen, insbesondere den Tschetschenen, kann mit dem vorliegenden Auskunftsmaterial weder ein staatliches (russisches) Verfolgungsprogramm mit dem Ziel einer physischen Vernichtung und/oder der gewaltsamen Vertreibung aller Tschetschenen aus dem Staatsgebiet nachgewiesen werden, noch lassen bekannt gewordene Einzelverfolgungsmaßnahmen mit Blick auf die zahlenmäßige Größe der die bei weitem größte der im Nordkaukasus beheimateten Ethnien stellenden Tschetschenen die Feststellung einer die Annahme einer landesweiten Gruppenverfolgung gebietenden Verfolgungsdichte zu. Weder Anzahl noch Intensität der für die sonstigen Bereiche der Russischen Föderation bekannt gewordenen Übergriffe gegen Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind mit den gezielten Angriffen auf Leib und Leben der Zivilbevölkerung in Tschetschenien selbst vergleichbar.

Weniger klar erscheint die Beantwortung der Frage, ob bezogen auf das Territorium von Tschetschenien bei einer auf dieses Gebiet beschränkten Betrachtung das Vorliegen der genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung bejaht werden muss. Hierfür mag es trotz anders lautender obergerichtlicher Entscheidungen aus jüngerer Vergangenheit insbesondere seit Beginn der erneuten, von der russischen Führung als "antiterroristische Operation" bezeichneten militärischen Auseinandersetzungen ab Ende 1999, die nach weitgehender "Zurückeroberung" des tschetschenischen Territoriums durch russisches Militär in einen bis heute, also auch nach dem Abschluss der offenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahre 2003, andauernden Guerilla-Krieg mündeten, Anhaltspunkte geben. Diese Beurteilung wird insbesondere dadurch erschwert, dass sich die von russischer Seite als "innere Angelegenheit" betrachtete, gemeinhin als Zweiter Tschetschenienkrieg bezeichnete und unstreitig mit regelmäßig äußerst grausamen Maßnahmen der Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung Tschetscheniens (sog. "Säuberungsaktionen") einhergehende Vorgehensweise weitgehend "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" vollzieht. Die Bestimmung eines aus der Relation der Zahl der potentiell Betroffenen und der Zahl der dokumentierten Übergriffe zu ermittelnden individuellen Gefährdungspotentials ist von daher nur schwer möglich. Einigkeit besteht aber allgemein darüber, dass die Menschenrechtslage in Tschetschenien bis heute ungeachtet anders lautender offizieller regierungsseitiger Verlautbarungen für die von einer Vielzahl von Rechtsverletzungen in Form von willkürlichen Verhaftungen, Entführungen, "Verschwinden", Misshandlungen, Vergewaltigungen und Ausraubungen betroffene Zivilbevölkerung der Region als "äußerst besorgniserregend" bezeichnet werden muss. Ob die Vorgänge und Verhältnisse die Annahme einer begrenzten Kollektivverfolgung (aller) Tschetschenen in ihrer Heimatregion rechtfertigen, kann im Ergebnis für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings dahinstehen.

Selbst wenn man aber insoweit das Vorliegen einer "regionalen Gruppenverfolgung" ethnischer Tschetschenen im Sinne der angesprochenen höchstrichterlichen Rechtsprechung seit dem Ausbruch des die vorherige faktische Autonomie Tschetscheniens beendenden Zweiten Tschetschenienkrieges unter Hintanstellung der Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für Tschetschenen schon bei Ausbruch der Kampfhandlungen - unterstellt und mithin trotz individuell unverfolgter Ausreise in seinem Fall den für die Konstellation der Vorverfolgung im Asyl- und Flüchtlingsrecht geltenden "herabgestuften" Prognosemaß für die Feststellung einer Rückkehrgefährdung im Verständnis des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugrunde legt, so könnte das Anerkennungsbegehren des Klägers zu 2) keinen Erfolg haben. Ihm stünde in diesem Fall, wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend und in Übereinstimmung mit der insoweit ersichtlich einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden hat, zumindest eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zur Verfügung. Der Kläger zu 2) wäre im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation ungeachtet einer tschetschenischen Volkszugehörigkeit zum einen "hinreichend sicher" vor politischer Verfolgung und hätte zum anderen dort auch "grundsätzlich die Möglichkeit zum Überleben". Das hätte nach dem zuvor Gesagten - ihre Verfolgungsgefährdung in Tschetschenien immer unterstellt - erst recht für die russische Klägerin zu 1) zu gelten. Dies schließt mit Blick auf den im Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität des Schutzes vor politischer Verfolgung im Zufluchtsstaat, hier in der Bundesrepublik Deutschland, den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus.

Dabei mag es zutreffen, dass - wie die Kläger behaupten und wofür nach den vorliegenden Dokumenten einiges spricht - bestimmte territoriale Einheiten des Föderationsgebiets, speziell etwa das nach der "Wahl" des moskautreuen Regierungschefs Sjasikow durch einen Politikwechsel in der Behandlung tschetschenischer Flüchtlinge gekennzeichnete und auch wirtschaftlich allenfalls noch begrenzt aufnahmefähige Inguschetien, im gegenwärtigen Zeitpunkt keine zumutbare Fluchtalternative für Tschetschenen (mehr) bieten. Ob das in dieser Allgemeinheit auch für die von den Klägern im Berufungsverfahren unter Hinweis auf Erkenntnisse des UNHCR angeführten weiteren Regionen der Russischen Föderation, etwa Kabardino-Balkarien, Dagestan, Karatschei-Tscherkessien, Stawropol und Krasnodar sowie für Nordossetien-Alanien gilt, ist nach den vorgetragenen Gründen zumindest zweifelhaft, bedarf aber hier keiner abschließenden Beurteilung. Bei diesen Regionen handelt es sich - zusammen gesehen - allenfalls um einen kleineren Teil des Territoriums der Russischen Föderation und nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls davon auszugehen, dass in den verbleibenden Gebieten eine Gefährdung des Klägers zu 2) oder allgemein in das Heimatland zurückkehrender tschetschenischer Volkszugehöriger zwar nicht mit Sicherheit, aber doch jedenfalls mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass selbst bei der unterstellten Anwendbarkeit des aus Sicht der Kläger günstigen (herabgestuften) Prognosemaßstabs die Rückkehrer jedenfalls "hinreichend sicher" sind.

Das gilt auch, wenn man - wovon alle Quellen übereinstimmend, wenngleich in unterschiedlichen Ausmaßen, berichten - davon ausgeht, dass das in der Verfassung der Russischen Föderation garantierte Recht auf Freizügigkeit, insbesondere hinsichtlich der Wahl des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltsortes, in der Praxis ungeachtet der 1993 durch das so genannte Föderationsgesetz eingeführten vereinfachten Registrierungsmöglichkeiten an zahlreichen Orten der Russischen Föderation nicht gleichermaßen uneingeschränkt in Anspruch genommen werden kann, und der Zuzug von Vertriebenen des Tschetschenienkriegs - auch wegen Ressentiments gegen Personen kaukasischer Herkunft - jedenfalls was eine an den Wohnsitznachweis geknüpfte Dauerregistrierung angeht, stark erschwert wird. Nach Überzeugung des Senats lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass es tschetschenischen Volkszugehörigen außerhalb der zuvor erwähnten "Problemzonen" in der Russischen Föderation "flächendeckend" nicht möglich wäre, unter Inanspruchnahme der geschilderten rechtlichen Garantien in der ein oder anderen Weise einen gesicherten Aufenthalt zu begründen. In dem Zusammenhang hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.6.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL an vielen Orten der Russischen Föderation eine Vielzahl von Unterstützungsstellen für betroffene Binnenflüchtlinge insbesondere aus Tschetschenien unterhält, mit deren Hilfe auch in einer Reihe von Fällen willkürlicher behördlicher Verweigerung der Aufenthaltsberechtigung erfolgreich entgegengetreten werden konnte. Die teilweise rechtswidrigen behördlichen Praktiken in bestimmten Teilen Russlands sind ferner mehrfach von Seiten des russischen Menschenrechtsbeauftragten und durch das Oberste Verfassungsgericht Russlands im Rahmen von Entscheidungen zugunsten registrierungswilliger Bürger beanstandet worden.

Das belegt allein die unstreitig in die Hunderttausende gehende Zahl der in der Russischen Föderation dauerhaft verbliebenen Binnenflüchtlinge aus Tschetschenien, von denen trotz einer allgemeinen politischen Zielsetzung, die Rückkehr nach Tschetschenien zu befördern, nicht bekannt ist, dass sie, sieht man einmal von dem Sonderfall der Nachbarrepublik Inguschetien ab, derart drangsaliert oder unter Druck gesetzt würden, dass ein Verbleib an den jeweiligen Zufluchtsorten in nennenswerter Zahl zwangsweise beendet würde. Glaubhaften Berichten zufolge hält sich gegenwärtig nur noch ein Drittel der ehemaligen Bevölkerung in Tschetschenien auf; der Rest ist geflohen und lebt überwiegend in anderen Gebieten der Russischen Föderation, davon etwa 50.000 allein in der Region Wolga. Dem steht ganz offenbar auch eine in weiten Teilen der Föderation ansiedlungsfeindliche Anwendung des neuen Registrierungsinstrumentariums in gesetzlich gerade nicht (mehr) vorgesehener Anwendung der früheren Praxis in der Sowjetunion nicht entgegen. Angesichts der vielfachen Verweise auf einen jeweils nicht registrierten Aufenthalt von Tschetschenen in Gebieten der Russischen Föderation muss aber auch davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen in vielen Fällen, möglicherweise mit Blick auf die historischen Dimensionen des Konflikts zwischen Russen und Kaukasiern durchaus verständlich, wenn sie eine "Bleibe" beispielsweise bei Bekannten und Verwandten oder auch nur in einem von Kaukasiern geprägten Umfeld gefunden haben, wenig Neigung zeigen, den Kontakt mit staatlich-russischen Stellen zu suchen.

Das Gesagte gilt allem Anschein nach sogar für die - letztlich wohl aus wirtschaftlichen Gründen - nicht nur gegenüber tschetschenischen Volkszugehörigen, sondern allgemein "zuzugsfeindlichen" russischen Großstädte Moskau und St. Petersburg, bei denen es sich um die Wirtschaftsmetropolen des Landes mit allen unter wirtschaftlich angespannten Verhältnissen üblichen - positiven wie negativen - Begleiterscheinungen handelt, jedenfalls aber - und schon das schließt den Anerkennungsanspruch aus - für die ländlich geprägten ("unproblematischen") Bereiche des Territoriums der Russischen Föderation. Nicht einmal die in ihren Stellungnahmen bekanntermaßen nicht "flüchtlingsfeindlichen" Menschenrechtsorganisationen gehen von einer "flächendeckenden" Verweigerung der Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung bei Tschetschenen aus. So war es beispielsweise den Klägern des am selben Tag verhandelten insofern - gerade auch hinsichtlich der gemischt-ethnischen, russisch-tschetschenischen Ehe - gleich gelagerten Parallelverfahrens 2 R 16/03 nach deren eigenem Vorbringen sogar in Moskau, wo unstreitig eine große Zahl ethnischer Tschetschenen lebt, möglich, über zwei Jahre hinweg Unterkunft und ein zumindest den Lebensunterhalt sicherstellendes wirtschaftliches Auskommen zu finden.

Der von den Klägern schriftsätzlich angesprochene, angeblich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkriegs beziehungsweise der Inangriffnahme der antiterroristischen Operationen in der Region ergangene "Befehl" Nr. 541 des früheren russischen Innenministers Ruschajlo vom 17.9.1999 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach der Erkenntnislage muss mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem "Befehl" um eine Fälschung handelt.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung der Kläger auf eine inländische Fluchtalternative lässt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass es insbesondere in Moskau und in anderen Großstädten Russlands, die aufgrund ihrer Struktur für terroristische Aktivitäten besonders sensible Bereiche und "anfällige Ziele" darstellen, gegenüber Personen kaukasischer Herkunft vergleichsweise vermehrt zu Personenkontrollen und, gerade bei fehlender Legitimierung, auch zu weitergehenden polizeilichen Maßnahmen kommt. Auch unter hiesigen rechtsstaatlichen Aspekten müssen es selbst ansonsten individuell zunächst "unverdächtige" Personen, die einer abgrenzbaren Gruppe angehören, von der im Vergleich zu anderen Bevölkerungskreisen eine erhebliche erhöhte Gefährdung für die Gesamtbevölkerung ausgeht, hinnehmen, dass sie in statistisch vermehrtem Maße im Interesse der Sicherheit aller Staatsbürger Kontrollen und Untersuchungen mit den damit verbundenen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen, etwa erkennungsdienstlicher Behandlung, unterzogen werden. Dass es allgemein auch in Russland eine überproportional hohe Verflechtung von Tschetschenen mit der organisierten Schwerkriminalität gibt und dass insbesondere durch Angehörige dieses Volkes unter Berufung auf ein angebliches Recht zum "Gegenterror" schwerste Terrorakte mit einer Vielzahl unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung begangen wurden, ist bekannt. Davon ausgehend ist es jedem Staat nicht nur zuzugestehen, sondern es erscheint aus Gründen der inneren Sicherheit geradezu angezeigt, diesen Personenkreis durch seine Sicherheitskräfte "im Auge zu behalten". Jedenfalls nicht gerechtfertigt erscheint es, in dem Zusammenhang pauschal vom "Wohnungsdurchsuchungen aus rassistischen Gründen" zu sprechen. Dass es bezogen auf die erwähnt große Zahl der in den als Fluchtalternative in Betracht kommenden Gebieten in der Russischen Föderation lebenden Tschetschenen ausweislich der Dokumentation in Einzelfällen zu Übergriffen von Sicherheitskräften gegenüber den Betroffenen und auch zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas mit der Folge spontaner Aktionen aus der russischen Bevölkerung heraus gegenüber unschuldigen Tschetschenen gekommen ist, soll hier nicht gerechtfertigt werden, lässt aber andererseits insbesondere auch vor dem Hintergrund der Neuregelung hinsichtlich potentieller Verfolgungssubjekte in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG nicht den Schluss zu, dass für jeden einzelnen tschetschenischen Rückkehrer eine landesweit beachtlich wahrscheinliche und nicht durch staatliche Sicherheitskräfte zu beherrschende Gefährdung bestünde, Opfer einer solchen Maßnahme zu werden.

Auch die wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer gegenüber dem Flüchtlingsschutz im Aufnahmeland vorrangigen inländischen Fluchtalternative sind gegeben. Dass die Rückkehrer keine einfachen, sondern unter vielen Aspekten schwierige Lebensverhältnisse vorfinden werden, ist, wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nicht in Abrede zu stellen. Es findet sich in der Dokumentation kein Bericht darüber, dass es in den nach Auffassung des Senats als solche in Betracht kommenden Bereichen der Russischen Föderation, in denen insgesamt Hunderttausende von vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien geflohenen oder auch bereits zuvor nach Russland umgezogenen Tschetschenen als Binnenflüchtlinge eine Bleibe gefunden haben, gerade unter diesem Personenkreis zu gravierenden Versorgungsengpässen oder gar zu personenübergreifenden Hungersnöten oder vergleichbaren überindividuellen humanitären Katastrophen gekommen wäre. Daher ist die grundsätzliche Möglichkeit zum Überleben zu bejahen und es spricht nichts Durchgreifendes für die Prognose, dass den Klägern im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an den alternativen Orten auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums drohte, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führen könnte. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es schließlich entgegen der Auffassung der Kläger nicht darauf an, dass die mögliche Existenzsicherung unter Umständen - wie das bei einer Vielzahl von Bürgern der Russischen Föderation der Fall ist - durch Betätigungen im Bereich der so genannten "Schattenwirtschaft" bewerkstelligt wird.

Des ungeachtet erschiene ohnedies zweifelhaft, ob - gegebenenfalls - das Fehlen eines wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative im konkreten Fall angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation in der Heimatregion Tschetschenien bei Wegzug der Kläger im Jahre 2000 und auch heute überhaupt als verfolgungsbedingt und - nur dann - erheblich für die rechtliche Beurteilung eingestuft werden könnte. Derartige am verfolgungssicheren Ort drohende, nicht durch eine politische Verfolgung bedingte Gefahren schließen diesen Ort als inländische Fluchtalternative nur aus, wenn eine gleichartige existenzielle Gefährdung am Herkunftsort nicht bestünde.

Dass die Kläger die als Fluchtalternativen in Betracht kommenden Gebiete der russischen Föderation schließlich - was im Rechtssinne die Annahme einer den Anspruch aus § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausschließenden inländischen Fluchtalternative voraussetzt - auch tatsächlich erreichen können, unterliegt aus Sicht des Senats ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei kommt es hier nicht auf die von den Klägern in dem Zusammenhang unter Hinweis auf die Einrichtung so genannter Filtrationslager thematisierten angeblich eingeschränkten Möglichkeiten an, aus Tschetschenien "herauszukommen", was den Klägern offenbar ohne Schwierigkeiten gelungen ist. Entscheidend ist vielmehr die Frage einer nach den Modalitäten zumutbaren Einreisemöglichkeit in die Russische Föderation. Eine solche besteht grundsätzlich. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts konnte keiner der erhobenen Vorwürfe einer willkürlichen Freiheitsentziehung, Erpressung oder gar Misshandlung von in die Russische Föderation zurückkehrenden "unauffälligen" tschetschenischen Volkszugehörigen verifiziert werden. Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt der Sachvortrag der Kläger nicht auf, wobei allgemein festzuhalten bleibt, dass ein bloßer Verweis auf fehlende Reisedokumente in dem Zusammenhang nicht ausreicht, da solche - die geschuldete Mitwirkung des Ausländers unterstellt - regelmäßig beschafft werden können. Für eine generelle und "standhafte" Weigerung der russischen Stellen in Deutschland, eigenen Bürgern entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen die für die Wiedereinreise notwenigen Personaldokumente auszustellen, bestehen insbesondere mit Blick auf die in der Dokumentation befindlichen Berichte über erfolgreiche Rückführungen in die Russische Föderation keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Schließlich kann auch vor dem Hintergrund des in der Russischen Föderation eingeführten befristeten Erfordernisses des Umtauschs von Inlandspässen nicht von einer nach der Rückkehr bestehenden Verpflichtung der Kläger zu einer zumindest vorübergehenden erneuten Rückkehr nach Tschetschenien selbst ausgegangen werden. Dabei mag dahinstehen, ob die Kläger überhaupt im Besitz der nach dem am 6.2.1992 in Kraft getretenen russischen Staatsbürgerschaftsgesetz beziehungsweise der Begrenzung ihrer Gültigkeitsdauer bis zum 1.1.2004 umtauschpflichtigen "alten" sowjetischen Pässe waren. Nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial ist davon auszugehen, dass selbst bei umtauschpflichtigen Bürgern der Russischen Föderation im vorgenannten Verständnis die dafür notwendigen behördlichen Formalitäten - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme wiederum von Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen in Russland nicht nur am Ort einer Registrierung, sondern auch am Wohnort vorgenommen werden können. Daher kann in der Gesamtschau nicht angenommen werden, dass das neue Russische Passrecht zwingend zur Folge hat, dass sich Passbewerber zum Umtausch oder zur Neuausstellung eines Inlandspasses an den Ort ihrer letzten Registrierung - im Falle der Kläger also nach Tschetschenien - begeben müssen.

Hat damit das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Hauptantrag zu Recht abgewiesen, so bleibt mit Blick auf das hilfsweise geltend gemachte Verpflichtungsbegehren festzustellen, dass auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 bis 8 beziehungsweise 10 AufenthG nicht erfüllt sind. Das gilt, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, insbesondere hinsichtlich des an die Stelle des bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG getretenen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nach dem von einer Abschiebung abgesehen werden soll, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit besteht. Insoweit ist, was die Geltendmachung einer Gefährdung durch die allgemeine wirtschaftliche Versorgungslage angeht, zusätzlich auf die vom Bundesgesetzgeber beibehaltene - vorliegend beachtliche - Sperrwirkung nach den §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a AufenthG für die Berücksichtigungsfähigkeit von so genannten Allgemeingefahren für die Bevölkerung oder auch nur Bevölkerungsgruppen im Herkunftsstaat hinzuweisen. Darüber hinausgehende humanitäre Gesichtspunkte, wie sie letztlich den Empfehlungen des UNHCR und verschiedener Menschenrechtsgruppen, gegenwärtig auf eine Rückführung von tschetschenischen Volkszugehörigen in die Russische Föderation zu verzichten, zugrunde liegen, hat der Bundesgesetzgeber auch am Maßstab des Verfassungsrechts in zulässiger Weise den hierfür zuständigen politischen Entscheidungsträgern überantwortet; sie haben daher für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine Bedeutung.

Der nicht weiter substantiierte und auch nicht durch die Vorlage ärztlicher Atteste konkretisierte Hinweis ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass sich die Klägerin zu 1) in psychotherapeutischer Behandlung befinde und dass ihre eine maximal dreiwöchige Kur bewilligt worden sei, bietet offensichtlich keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass in ihrem Fall ein individuelles zielstaatsbezogenes und daher im vorliegenden Verfahren im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG berücksichtigungsfähiges Abschiebungshindernis aus medizinischen Gründen besteht.

Einer Rückführung der Kläger in die Russische Föderation stünde auch nicht das sich - nunmehr - aus dem § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG i.V.m. den Bestimmungen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebende Verbot entgegen, wonach niemand durch seine Abschiebung der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden darf. Insbesondere Art. 3 EMRK schützt ebenso wie das Asylrecht im Ansatz nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 83b Abs. 1 AsylVfG (a.F.) und 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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