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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 15.03.2006
Aktenzeichen: 2 W 1/06
Rechtsgebiete: GG, AufenthG
Vorschriften:
GG Art. 6 | |
AufenthG § 25 Abs. 5 Satz 1 |
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 29. Dezember 2005 - 10 F 28/05 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Änderung der Behördenbezeichnung im Rubrum hinsichtlich der Antragsgegnerseite ist wegen einer im Zuge der so genannten Kommunalisierung erfolgten Übertragung der ausländerbehördlichen Aufgaben (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) auf die Landkreise, den Stadtverband B-Stadt und die Landeshauptstadt B-Stadt veranlasst.
I. Die Antragstellerin ist serbisch-montenegrinische Staatsangehörige aus dem Kosovo, stammt aus K und gehört zur ethnischen Minderheit der Ashkali. Sie reiste am 8.9.1998 unter ihrem Mädchennamen B gemeinsam mit ihrer Mutter B B und dem 1983 geborenen Bruder B B in die Bundesrepublik ein. Von ihnen und dem Vater der Antragstellerin, Herrn B B, betriebene Asylverfahren blieben ohne Erfolg. In einem im Jahre 2000 eingeleiteten Folgeantragsverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht Koblenz das - damalige - Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, im Falle des Vaters wegen "erheblicher psychischer Probleme" das Vorliegen eines individuellen zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festzustellen. Ein diesbezüglich später ergangener Widerrufsbescheid des Bundesamts vom 16.12.2003 wurde unter Hinweis auf das unveränderte Vorliegen des Abschiebungshindernisses beim Vater der Antragstellerin auf dessen Klage hin aufgehoben.
Unter dem 26.8.2004 erteilte die Kreisverwaltung Birkenfeld der zuvor geduldeten Antragstellerin eine bis zum 25.8.2005 befristete Aufenthaltsbefugnis. Mit Datum vom 15.2.2005 wurde ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des zwischenzeitlich in Kraft getretenen § 25 Abs. 5 AufenthG mit entsprechender Laufzeit ausgestellt. Im November 2004 reiste die Antragstellerin in den Kosovo, heiratete dort am 26.11.2004 in B (Gjilan) Herrn D M. und erhielt mit Datum vom 17.6.2005 durch die UN-Verwaltung im Kosovo (UNMIK) ein zwei Jahre gültiges Reisedokument auf den neuen Namen, in dem die Provinz als Ort des dauerhaften Aufenthalts genannt wird.
Mit Schreiben vom 14.7.2005 beantragte die Antragstellerin die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und wies "der Vollständigkeit halber" darauf hin, dass ihr an Schizophrenie leidender Vater inzwischen auch an Leukämie erkrankt sei. Die Aufenthaltsbefugnis sei ihr vor diesem Hintergrund erteilt worden. Nunmehr sei der Vater erst recht auf den Beistand und die Unterstützung innerhalb der Familie angewiesen.
Mit Bescheid vom 18.8.2005 lehnte der Antragsgegner eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab, forderte die Antragstellerin zur Ausreise bis spätestens 18.9.2005 auf und drohte ihr für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung an. In der Begründung heißt es, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen lägen nicht vor. Die schwere Erkrankung des Vaters sei nicht in Abrede zu stellen. Es sei aber nicht zu erkennen, dass die permanente Anwesenheit der Antragstellerin in der Bundesrepublik unbedingt erforderlich sei. Dies zeige bereits die Ausreise im November 2004 zum Zwecke der Heirat. Der Ehemann halte sich weiter im Kosovo auf. Da ein Nachzug nicht möglich sei, bestünden stärkere familiäre Bindungen an das Heimatland. Die Antragstellerin könne ihren Vater auch künftig in Deutschland besuchen.
Gegen die am 19.8.2005 zugestellte Verfügung erhob die Antragstellerin am 24.8.2005 Widerspruch, über den - ersichtlich - noch nicht entschieden ist.
Am 24.10.2005 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Rechtsbehelfs unter erneutem Verweis auf die Erkrankungen des Vaters, die bereits der Erteilung der Aufenthaltsbefugnis im Jahre 2004 zugrunde gelegen hätten. Aufgrund der Schwere der Krankheiten sei aus ärztlicher Sicht eine engmaschige Betreuung unter Beibehaltung der sozialen Rahmenbedingungen und Bezugspersonen dringend erforderlich. Durch eine Abschiebung der Antragstellerin, die als Bezugsperson und Dolmetscherin den Vater zu sämtlichen Arztterminen begleite, bestehe die Gefahr, dass sich sein Gesundheitszustand erheblich verschlechtere. Aufgrund der engen Bindung zwischen ihr und dem Vater, der bereits zwei Söhne im Krieg verloren habe, sei ihr ein weiteres Bleiberecht in Deutschland zu gewähren.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 29.12.2005 zurückgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt, da das Ausreisehindernis der Passlosigkeit mittlerweile durch die Erteilung eines Reisedokuments der UNMIK beendet sei, stehe § 26 Abs. 2 AufenthG einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entgegen. Die Beziehung zum Vater begründe kein rechtliches Ausreisehindernis. Allein das Vorliegen der Erkrankungen rechtfertige nicht die Annahme einer Beistandsgemeinschaft im ausländerrechtlichen Sinne. Eine solche sei nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Weswegen und in welchem Umfang der Vater gerade auf die Unterstützung der Antragstellerin angewiesen sei, sei nicht ersichtlich. Von einer regelmäßigen Betreuung in der Vergangenheit könne auch nicht ausgegangen werden, weil die Antragstellerin im November 2004 zum Zwecke der Heirat in den Kosovo zurückgekehrt sei. Da ein Nachzug des Ehemannes nach Deutschland nicht möglich sei, sei anzunehmen, dass die Antragstellerin auch künftig häufiger in ihre Heimat zurückkehren werde, um die eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen, und sich daher nicht regelmäßig um den Vater kümmern könne.
Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 6.1.2006 zugestellt. Zur Begründung der am 13.1.2006 eingelegten Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, sie wohne zusammen mit den Eltern im selben Haus und sei die Kontaktperson des Vaters "zur Welt außerhalb des Hauses". Wo er hingehe, sei sie dabei. Sie fahre ihn, begleite ihn bei allen Arztbesuchen und übersetze sowohl bei Frau Dr. S als auch bei der notwendigen Behandlung in der Onkologie in Idar-Oberstein. Bei ihrer - der Antragstellerin - endgültigen Rückkehr bestehe die Gefahr, dass es beim Vater zu einem "grippalen Zusammenbruch" mit den ärztlich attestierten Folgen, insbesondere zu verstärkt autoaggressivem bis hin zu suizidalem Verhalten, komme.
Der Antragsgegner verweist auf seinen Ablehnungsbescheid.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29.12.2005 - 10 F 28/05 -, mit dem ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18.8.2005 zurückgewiesen wurde, muss erfolglos bleiben. Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren abschließend bestimmende Vorbringen in der Beschwerdebegründung vom 6.2.2006 rechtfertigt keine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Beurteilung ihres Eilrechtsschutzbegehrens.
Die Antragstellerin wendet sich weiterhin gegen die der Ablehnung ihres Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch den Antragsgegner und der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugrunde liegende Verneinung des Bestehens eines rechtlichen Abschiebungshindernisses auf der Grundlage des Art. 6 GG. Auch nach dem Beschwerdevortrag kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen auf der Grundlage des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zusteht. Diese Bestimmung eröffnet der Ausländerbehörde die Möglichkeit zu Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis bei Bestehen unter anderem eines rechtlichen Ausreisehindernisses in Fällen, in denen dem Ausländer nach früherer Rechtslage wegen individueller Umstände des Einzelfalls eine Aussetzung der Abschiebung nach § 55 Abs. 3 AuslG (Duldung) zuzubilligen war.
Insoweit war zwar anerkannt, dass - und nichts anderes gilt für die nunmehrige Regelung - die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts aus Art. 6 GG (Ehe und Familie) auch bei volljährigen Kindern bleibeberechtigter Ausländer, zu denen der Vater der Antragstellerin aufgrund des ihm zuerkannten krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses (§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, heute entsprechend § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) gehört, unter strengen Voraussetzungen im Einzelfall eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung zu begründen vermag. Das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Vorrangigkeit der Verpflichtung des Staates zum Schutze der Familie in diesen Fällen vor einwanderungspolitischen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts zutreffend beschrieben und deren Vorliegen im Falle der Antragstellerin nachvollziehbar verneint.
Auch wenn man aufgrund des sicherlich schweren multiplen Krankheitsbildes des Vaters von einem familiären Betreuungsbedarf insbesondere bei den angesprochenen Arztbesuchen ausgeht und die geschilderte Betreuung durch die Antragstellerin sicher als "sinnvoll" anzusehen hat, lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen, warum diese notwendige Betreuung dauerhaft nur durch die Antragstellerin leistbar sein sollte, was die zwingende Voraussetzung für die ausnahmsweise Zubilligung eines derartigen Anspruchs ist.
Der Sachvortrag der Antragstellerin lässt insbesondere völlig offen, warum der notwendige Beistand nicht auch durch die Mutter, die danach ebenfalls bei der Familie wohnt, erbracht werden kann. Diese war nach den Angaben der Antragstellerin im Asylverfahren - wie der Vater - vor dem Verlassen des Kosovo Lehrer(in), so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese der Situation völlig "hilflos" gegenüber stünde und als Betreuungsperson für ihren Ehemann nicht in Frage käme. Dazu fehlt jeglicher Vortrag der Antragstellerin. Ferner spricht der vom Verwaltungsgericht zutreffend angesprochene Umstand eines längeren Heimataufenthalts der Antragstellerin ab November 2004 ebenfalls mit Gewicht dafür, dass die Betreuung des damals in Deutschland verbliebenen Vaters grundsätzlich auch anderweitig gewährleistet werden kann. Daher kann auch nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht von einer unabweisbaren Angewiesenheit des Vaters auf den Beistand (gerade) der Antragstellerin und damit einer familiären Beistandsgemeinschaft mit anspruchsbegründender Wirkung für sie im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden. Auf mögliche Besuchsrechte wurde ebenfalls bereits hingewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 2, 47 GKG 2004, wobei eine Halbierung des Auffangstreitwerts gerechtfertigt erscheint.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
Ende der Entscheidung
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