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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 28.02.2003
Aktenzeichen: 2 W 12/03
Rechtsgebiete: AuslG, AAV, VwGO, GKG


Vorschriften:

AuslG § 10 II
AuslG § 13
AuslG § 28 III 1
AuslG § 28 III
AuslG § 72 I
AAV § 4 II
VwGO § 154 II
GKG § 13 I
GKG § 14
GKG § 20 III
GKG § 25 II
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
2 W 12/03

(zuvor:9 W 56/02)

In dem Verfahren

wegen einstweiligen Rechtsschutzes (Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung und Abschiebungsandrohung)

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch die Richter am Oberverwaltungsgericht Sauer und Dr. Philippi und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schwarz-Höftmann am 28.Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 28. November 2002 - 5 F 66/02 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den vorbezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 9.9.2002 gegen den die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung ablehnenden und ihre Abschiebung androhenden Bescheid des Antragsgegners vom 6.8.2002 angeordnet wurde, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Antragsgegner begründet seine Beschwerde damit, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses bestünden. Die Akte spreche nicht für die Annahme des Gerichts, dass die Antragstellerin im November 2001 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sei mit der Folge, dass § 28 III 1 AuslG bereits deshalb nicht anwendbar sei. Zwar habe sie eine jeweils befristete Aufenthaltserlaubnis mit der Auflage "Nur gültig für die Tätigkeit als Lehrkraft zur Erteilung muttersprachlichen Unterrichts" über einige Jahre gehabt. Bei dem Verlängerungsantrag vom November 2000 sei jedoch aus nicht bekannten Gründen aus der Aufenthaltserlaubnis eine Aufenthaltsbewilligung geworden. Ferner stütze sich die weitere Annahme des Gerichts, die Antragstellerin habe von Anfang an das Studium der Computerlinguistik angestrebt, lediglich auf das Schreiben der Universität vom 28.6.2002. Entsprechende Vorsprachen oder Anträge bei der Ausländerbehörde seien hingegen nicht dokumentiert. Insbesondere werde dem Hinweis auf ein vorliegendes Doppelstudium und den entwicklungspolitischen Absichten der Bundesrepublik Deutschland bei der Zulassung ausländischer Studenten im Ausgangsbescheid keine Beachtung geschenkt. Selbst wenn eingeräumt werde, dass der Deutschkurs für ein Hauptstudium ausländischer Studenten unerlässliche Voraussetzung sei, bleibe die vom Verwaltungsgericht nicht bedachte Tatsache, dass die Antragstellerin eine Hochschulausbildung in der Türkei abgeschlossen habe und nicht ersichtlich sei, warum sie für das gewählte Studium privilegiert sein solle.

Auch unter Berücksichtigung dieses Beschwerdevorbringens hat es bei dem Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung zu bleiben. Nach der im vorliegenden Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung stellt sich der Bescheid des Antragsgegners als rechtswidrig dar, so dass der hiergegen gerichtete Rechtsbehelf der Antragstellerin voraussichtlich Erfolg haben wird. Es spricht viel dafür, dass sie einen Anspruch auf die begehrte Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung hat. Dies rechtfertigt die Aussetzung des Sofortvollzugs der ablehnenden Entscheidung des Antragsgegners.

Die Antragstellerin hatte zunächst ab dem 17.12.1996 befristete Aufenthaltserlaubnisse und vom 15.9.1998 bis 30.9.2001 Aufenthaltsbewilligungen, wobei alle Aufenthaltsgenehmigungen mit der Nebenbestimmung "Nur gültig für die Tätigkeit als Lehrkraft zur Erteilung muttersprachlichen Unterrichts" versehen waren. Auf ihren Antrag vom 24.9.2001, mit dem sie erstmals als Zweck des Aufenthalts "Studium ab SS 2001" angab, erhielt sie sodann vom Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Saarbrücken eine Aufenthaltsbewilligung mit der Nebenbestimmung "Nur gültig zum Deutschkurs/ Studienkolleg" mit Gültigkeit bis 4.6.2002. Den nach Wohnortwechsel nunmehr an den Antragsgegner gerichteten Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vom Juni 2002 mit der Angabe des Aufenthaltszwecks "Studium Erziehungswissenschaften ... danach Computerlinguistik" lehnte der Antragsgegner unter Berufung auf § 28 III AuslG ab, da mehrere Wechsel des Aufenthaltszwecks stattgefunden hätten und eine Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den neuen Zweck vor einer Ausreise nicht zulässig sei. Die genannte Vorschrift trägt die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners indes nicht.

Es lässt sich allerdings im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht feststellen, dass dem Begehren der Antragstellerin - wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist - der Wechsel des Aufenthaltszwecks schon deshalb nicht entgegen stehen kann, weil sie bis 39.9.2001 eine Aufenthaltserlaubnis gehabt habe und § 28 III AuslG daher nicht anwendbar sei. Denn ihr wurde, wie der Antragsgegner zutreffend dargelegt hat, nach dem 15.9.1998 tatsächlich keine Aufenthaltserlaubnis mehr erteilt. Ob sie, falls sie weiterhin für die Erteilung muttersprachlichen Unterrichts eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 II AuslG i.V.m. § 4 II AAV hätte beanspruchen können, deswegen mit Blick auf § 28 III AuslG so zu behandeln wäre, als ob sie diese Aufenthaltserlaubnis im Zeitpunkt der Stellung des ersten auf einen Wechsel des Aufenthaltszwecks gestützten Verlängerungsantrags vom 24.9.2001 tatsächlich gehabt hätte, kann dahinstehen, nachdem weder konkret dargetan noch ersichtlich ist, wielange sie tatsächlich muttersprachlichen Unterricht noch erteilt hat, und sie selbst angegeben hat, bereits seit März 2001 den Deutschkurs besucht zu haben.

Es spricht aber alles dafür, dass § 28 III AuslG auch dann, wenn auf die der Antragstellerin bis zum 30.9.2001 - für die Lehrtätigkeit - tatsächlich erteilte Aufenthaltsbewilligung abzustellen wäre, nach den Erkenntnissen des vorliegenden Verfahrens dem geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin nicht entgegenstünde.

Auszugehen ist von § 28 III 1 AuslG, wonach einem Ausländer in der Regel vor seiner Ausreise die Aufenthaltsbewilligung nicht für einen anderen Aufenthaltszweck erneut erteilt oder verlängert werden kann. Die Antragstellerin hat unstreitig den Zweck ihres Aufenthalts gewechselt, allerdings entgegen der Meinung des Antragsgegners wohl nicht dreimal, sondern nur einmal. Wie das Verwaltungsgericht auch überzeugend dargelegt hat, spricht alles dafür, dass die Antragstellerin, deren Vortrag durch die Bescheinigung des Akademischen Auslandsamtes der Universität des Saarlandes gestützt wird, von Anfang an das Studium der Computerlinguistik angestrebt hat und der Deutschkurs ebenso wie das Semester Erziehungswissenschaften deshalb als Bestandteile des angestrebten Studiums aufzufassen sind. Wie sich aus Nr. 28.5.0.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz (AuslG-VwV) ergibt, ist der Aufenthaltszweck in der Weise zu bestimmen, dass er sämtliche Ausbildungsphasen einschließt (Satz 1); dazu gehören u.a. Sprachkurse, insbesondere zur Studienvorbereitung (Satz 2). Dass ein Deutschkurs für studienwillige Ausländer - meist - eine Notwendigkeit ist, hat auch der Antragsgegner der Sache nach in seiner Beschwerdebegründung eingeräumt. Anhaltspunkte dafür, dass gerade die Antragstellerin den Deutschkurs ohne konkrete Studienabsichten begonnen hätte, sind nicht ersichtlich. Auch soweit sich die Antragstellerin im Sommersemester 2002 im Fach Erziehungswissenschaften immatrikuliert hat, hat sie dies plausibel damit begründet, dass sie sich dadurch die Möglichkeit verschaffte, bereits vor der erst zum Wintersemester 2002/2003 möglichen Aufnahme des Studiums der Computerlinguistik an Lehrveranstaltungen in diesem Fach teilzunehmen. Für die Richtigkeit, diesem lediglich formalen Studienbeginn in Erziehungswissenschaften bei gleichzeitig tatsächlichem Beginn des angestrebten Studiums keine Bedeutung beizumessen, streitet übrigens auch Nr. 28.5.2.4.2.3 AuslG-VwV, wonach kein Fachrichtungswechsel vorliegt, wenn aus organisatorischen, das Studium betreffenden Gründen (z.B. Aufnahme nur zum Wintersemester) nach Ablauf der Studienvorbereitungsphase die Aufnahme des angestrebten Studiums nicht sofort möglich ist und daher die Zeit durch ein Studium in einem anderen Studiengang im Umfang von einem Semester überbrückt wird.

Es ist also festzuhalten, dass ein Wechsel des Aufenthaltszwecks von der Lehrtätigkeit zum Studium stattgefunden hatte und der Antragstellerin daher auf ihren Antrag vom 24.9.2001 eine Aufenthaltsbewilligung nur nach Maßgabe des § 28 III 1 AuslG erteilt werden durfte. Da keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles nach Aktenlage ersichtlich sind, hätte sie somit vor einer Ausreise wohl keine Aufenthaltsbewilligung erhalten dürfen. Daraus schließt der Antragsgegner jedoch zu Unrecht, dass die Antragstellerin auch auf ihren an ihn gerichteten Antrag vom Juni 2002 keinen Anspruch auf Verlängerung der unter dem 24.9.2001 erteilten Aufenthaltsbewilligung haben könne. Zwar finden gemäß § 13 AuslG auf die Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. Gleichwohl sind Differenzierungen schon der Sache nach geboten. Dies hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend dargelegt; darüber hinausgehende Ausführungen sind nicht veranlasst.

Der Antragsgegner verkennt bei seiner Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung die besondere - allerdings nicht in ihren konkreten Studienplänen begründete - Situation der Antragstellerin, die sich vom Regelfall im Sinne des § 28 III 1 AuslG deutlich unterscheidet.

Die Antragstellerin hat glaubhaft dargetan, dass sie sich vor Umsetzung ihrer Studienpläne bei der damals zuständigen Ausländerbehörde nach deren ausländerrechtlicher Zulässigkeit erkundigt und von ihr eine positive Antwort erhalten habe. Dass sich dies nicht den Verwaltungsunterlagen entnehmen lässt, belegt nicht, dass es eine solche Abklärung nicht gegeben hatte. Vielmehr spricht für die Richtigkeit des Vortrags der Antragstellerin zum einen, dass sie trotz ihrer Angabe im Antrag vom 24.9.2001 (Bl. 42 Verwaltungsunterlagen: "Grund: Aufenthaltszweck geändert. Studium ab SS 2001") die begehrte Aufenthaltsbewilligung tatsächlich erhielt, und zum anderen, dass sie ihre feste Anstellung als Lehrerin in der Türkei kündigte, um das gewünschte Studium aufnehmen zu können, und dabei auch ihre Ersparnisse zu ihrem Lebensunterhalt während des Studiums einsetzte.

Ist nach allem aber nach den im vorliegenden Eilverfahren gegebenen Erkenntnismöglichkeiten davon auszugehen, dass die Antragstellerin im Vertrauen auf die Richtigkeit der erhaltenen Auskunft und die Zulässigkeit der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung nachhaltige Dispositionen getroffen hat, so unterscheidet sich der vorliegende Fall gerade durch das vorausgegangene behördliche Handeln der zuvor zuständigen Ausländerbehörde grundlegend vom Regelfall des § 28 III 1 AuslG. Der Antragsgegner verkennt, dass insofern der Grundsatz von Treu und Glauben und Vertrauensschutzgesichtspunkte durchaus auf eine vom Regelfall abweichende Fallgestaltung hinweisen können vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 14.12.2001 - 1 W 7/01 - und bei der Entscheidung über eine Aufenthaltsgenehmigung auch zu prüfen ist, ob die Ermessensfreiheit der Ausländerbehörde wegen eines vorausgegangenen behördlichen Handelns nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bzw. aus Gründen des Vertrauensschutzes eingeschränkt ist.

BVerwG, Beschlüsse vom 25.7.1990, InfAuslR 1990, 300 und vom 11.2.1988, InfAuslR 1988, 167, m.w.N.

Ist nach allem davon auszugehen, dass der Bescheid des Antragsgegners rechtswidrig ist, so haben die privaten Interessen der Antragstellerin, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Rechtsbehelf von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, gegenüber den bereits gesetzlich durch § 72 I AuslG betonten öffentlichen Interessen an einer grundsätzlichen Ausreise eines Ausländers, dessen Antrag auf Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt worden ist, Vorrang.

Die Beschwerde des Antragsgegners war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 II VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 II, 20 III, 14, 13 I GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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