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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 11.08.2006
Aktenzeichen: 2 W 18/06
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 25 Abs. 5
Zur Frage, welche Anforderungen an die Integration von - hier: in Deutschland geborenen, geduldeten - Ausländern zu stellen sind, die ihre Rückkehr ins Heimatland unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für unzumutbar halten und eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG begehren.
Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 30. Mai 2006 - 10 F 18/06 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 30.5.2006 - 10 F 18/06 -, mit dem ihr Antrag auf vorläufige Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zurückgewiesen wurde, hat keinen Erfolg.

Zur Begründung ihrer Beschwerde haben die Antragsteller im Wesentlichen ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine Integration der Antragsteller in die deutschen Lebensverhältnisse verneint, indem es schwerpunktmäßig auf fehlende Integrationsleistungen der Antragsteller zu 1. und 2. abgestellt habe. Damit sei die Integration der Antragsteller zu 3. bis 6. in Abhängigkeit von der Integration der Antragsteller zu 1. und 2. gesehen worden. Die Unverhältnismäßigkeit einer Verpflichtung zur Ausreise müsse jedoch für jeden der Antragsteller gesondert und unter Abwägung sämtlicher Umstände im Einzelfall geprüft werden, und zwar unter Berücksichtigung u.a. des Lebensalters, der Prägung durch die deutschen Lebensverhältnisse, der Möglichkeit einer Integration in einen fremden Staat aufgrund des Lebensalters. Mithin sei die gesamte Entwicklung jedes einzelnen Antragstellers zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme eine Verletzung des in Art. 8 EMRK verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden seien und denen ein Leben im Land ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug hätten, nicht zuzumuten sei. Da die Antragsteller zu 3. bis 6. im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen seien, sei gerade ihre Integration im Bundesgebiet von besonderer Bedeutung. Daher sei - unabhängig von der Integration der Eltern - zu prüfen, ob es ihnen zumutbar sei, das Bundesgebiet zu verlassen und in einen für sie fremden Staat auszureisen. Insbesondere für sie komme daher ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen aus § 25 V AufenthG i. V. m. Art. 8 EMRK in Betracht. Außerdem sei zu rügen, dass das Verwaltungsgericht eine erfolgreiche Integration der Antragsteller zu 1. und 2. bereits deshalb nicht angenommen habe, weil sie sich wirtschaftlich und beruflich nicht in die hiesigen Lebensverhältnisse hätten integrieren können, ohne ihre Bemühungen um eine wirtschaftliche Integration zu berücksichtigen. Schließlich habe der Antragsteller zu 1. nachgewiesen, dass er eine Arbeitsstelle antreten könne und auch eine Klage auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis eingereicht. Entscheidend sei aber, dass die fehlende wirtschaftliche Integration der Antragsteller zu 1. und 2. zu Lasten der übrigen Antragsteller gewertet worden sei. Falls eine sachgerechte Einzelfallprüfung für jeden der Antragsteller im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen werde, spreche einiges für einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zumindest für die Antragsteller zu 3. bis 6.

Auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung, durch die der Rahmen der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 146 IV 6 VwGO festgelegt wird, hat es bei dem erstinstanzlich gefundenen Ergebnis zu bleiben. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, haben die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können. Vorab kann auf die überzeugenden Ausführungen des Gerichts Bezug genommen werden. Diese werden auch nicht durch die Beschwerdebegründung durchgreifend in Frage gestellt.

Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist ihnen eine Rückkehr in ihr Heimatland nicht wegen ihrer Integration in die deutschen Lebensverhältnisse unzumutbar. Die Integration der Antragsteller zu 1. und 2. ist zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht nicht gelungen, denn sie haben beruflich nicht Fuß fassen können und sind zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes nach wie vor auf öffentliche Leistungen angewiesen. Ob und inwieweit die Arbeitsbereitschaft des Antragstellers, der eine befristete Teilzeitarbeitsstelle antreten könnte, aber durch die Versagung einer Arbeitserlaubnis daran gehindert ist, als Integrationsleistung zu berücksichtigen ist, kann dahinstehen, da diese Stelle jedenfalls nicht ausreichte, den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen.

Davon, dass die in Deutschland geborenen Antragsteller zu 3. bis 6., die Kindergarten bzw. Schule besuchen und nach dem Antragstellervortrag besser deutsch als die Sprache ihres Heimatlandes sprechen, insoweit altersgemäß integriert sind, kann ausgegangen werden. Für die Beurteilung ihrer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse kommt es aber noch auf weitere Aspekte an, nämlich u.a. auf Grund und Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland, ihren Aufenthaltsstatus und auch auf die zu erwartenden Schwierigkeiten bei einer Integration in das Heimatland. Hierbei ist zu sehen, dass die Antragsteller zu 3. bis 6. ebenso wie ihre Eltern in Deutschland Asylverfahren erfolglos durchführten und zu keinem Zeit über ein Aufenthaltsrecht verfügten. Sie mussten also damit rechnen, dass sie alle Deutschland verlassen und ihren Aufenthalt wieder in ihrem Heimatland nehmen müssten. Damit kann nicht gesagt werden, dass sich ihr Aufenthalt verfestigt hätte. Dass eine Integration der Antragsteller zu 3. bis 6. im Heimatland an unüberwindlichen Schwierigkeiten scheitern müsste, ist nicht ersichtlich. Denn sie werden Deutschland nur im Familienverbund verlassen und daher bei der Eingewöhnung in die veränderten Umstände auf die Hilfestellungen ihrer Eltern zählen können. Außerdem sprechen sie ihre Heimatsprache - wenn auch nicht so gut wie deutsch - und können hierauf aufbauen. Schließlich sind keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die ein Leben im Heimatland als unzumutbar erscheinen ließen. Dem steht auch nicht die von den Antragstellern zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen. In dem entschiedenen Fall ging es um die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, dessen Ehefrau und Kinder in Deutschland lebten. In diesem Zusammenhang wies das Bundesverwaltungsgerichts darauf hin, dass es dem in Art. 8 II EMRK verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch im Hinblick auf die Folgen für den Ausländer widersprechen könne, durch behördliche Maßnahmen die Voraussetzungen für sein weiteres Zusammenleben mit seiner im Vertragsstaat ansässigen Familie zu beseitigen. Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes komme danach etwa bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden seien und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug hätten, nicht zuzumuten sei. Abgesehen davon, dass es im Falle der Antragsteller nicht um eine Trennung der Familie geht, fehlen vorliegend Besonderheiten, die für sie ein Leben im Heimatland als unzumutbar erscheinen ließen.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 154 II VwGO zurückzuweisen.

Der Streitwert folgt für das Beschwerdeverfahren aus §§ 63 II, 47, 53 III Nr. 1 i.V.m. 52 II GKG 2004, wobei die Halbierung des Auffangwertes gerechtfertigt erscheint.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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