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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 17.10.2006
Aktenzeichen: 2 W 19/06
Rechtsgebiete: BauNVO, BauGB, LBO 2004


Vorschriften:

BauNVO § 1 Abs. 3 Satz 2
BauNVO § 4 Abs. 3 Nr. 2
BauGB § 31 Abs. 1
LBO 2004 § 61 Abs. 1 Nr. 4c
LBO 2004 § 61 Abs. 1 Nr. 4d
Hat die Bauaufsichtsbehörde ein Nutzungsverbot (§ 82 Abs. 2 LBO 2004) tragend mit materiellrechtlichen Erwägungen begründet, ist im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle der Entscheidung unter dem Aspekt ordnungsgemäßer Ausübung des Entschließungsermessens über die Feststellung der sonst den Erlass einer solchen Verfügung rechtfertigenden formellen Illegalität der Nutzung hinaus eine inhaltliche Überprüfung der Tragfähigkeit der angestellten rechtlichen Erwägungen geboten.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit von Anlagen des Mobilfunks (Mobilfunkbasisstation) in durch Bebauungsplan förmlich festgesetzten Wohngebieten sind wegen der in § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO aller bisherigen Fassungen der Baunutzungsverordnung angeordneten (statischen) Übernahme die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des konkreten Bebauungsplans geltenden Bestimmungen über die Baugebiete (Art der baulichen Nutzung) als Norminhalt zugrunde zu legen.

Die Zulässigkeit der Anlagen in einem durch Bebauungsplan unter Geltung der Fassungen der Baunutzungsverordnung vor 1990 festgesetzten allgemeinen Wohngebiet ergibt sich bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulassung (§ 31 Abs. 1 BauGB) aus § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1962/68/77, wonach dort ausnahmsweise nicht störende Gewerbebetriebe zugelassen werden können.

Die Frage eines in diesem Sinne störenden Charakter der Sendestation ist, was die Strahlenwirkungen bei Betrieb der Antennen anbelangt, ungeachtet der (bewusst) darin nicht enthaltenen Vorsorgekomponente einzelfallbezogen abschließend unter Zugrundelegung der Vorgaben der auf der Grundlage der Empfehlungen der Strahlenschutzkommission (SSK) zum Schutz vor hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung beim Mobilfunk (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung) erlassenen, bestimmte Schutzpflichten des Anlagenbetreibers normierenden 26. BImSchV zu beantworten.

Gleichzeitig wird insoweit auch mit Blick auf das baurechtliche Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme (§§ 15 BauNVO, 22 BImSchG) unter Strahlungsgesichtspunkten die Zumutbarkeitsschwelle für die Nachbarschaft (abschließend) festgelegt. Daher findet auch über das baurechtliche Rücksichtnahmegebot im Rahmen des § 31 Abs. 1 BauGB, was die Strahlungswirkungen angeht, keine weitere "Feinabstimmung auf der zweiten Stufe" statt, die dann für sich genommen über die Grenzwertbildung nach der 26. BImSchV hinaus zur städtebaulichen Unzulässigkeit unter diesem Aspekt führen könnte.

Zu den Voraussetzungen für die Erteilung einer "isolierten" Ausnahme (§ 31 Abs. 1 BauGB) für eine nach § 61 Abs. 1 Nr. 4c und Nr. 4d LBO 2004 verfahrensfreie Mobilfunkanlage durch die Gemeinden (§ 68 Abs. 3 LBO 2004).


Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22.6.2006 - 5 F 13/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren sowie unter entsprechender Abänderung der Festsetzung in dem zuvor genannten Beschluss auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin unterhält ein Mobilfunknetz und betreibt in dessen Rahmen seit Juli 2005 eine Sendeanlage (sog. Mobilfunkbasisstation), bestehend aus Antennenträger auf dem Dach sowie einem Betriebsraum im Keller des Gebäudes auf der Parzelle Nr. 319/2 in Flur 39 der Gemarkung V (Anwesen S.straße Nr.1). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines nach Angaben der Antragsgegnerin im Jahre 1968 in Kraft getretenen Bebauungsplans, der hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet (WA) festsetzt. Nachdem es seit September 2005 zu zahlreichen, zum Teil massiven Beschwerden gegen die Sendeanlage aus der Nachbarschaft unter Geltendmachung gesundheitlicher Beeinträchtigungen gekommen war, legte die Antragstellerin auf Aufforderung der Antragsgegnerin eine vom 22.6.2005 datierende so genannte Standortbescheinigung der damaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP, heute: Bundesnetzagentur) vor. Eine von Mitarbeitern der Bundesnetzagentur im Rahmen eines EMVU-Prüfauftrags am 7.10.2005 im Beisein von Vertretern der Antragsgegnerin (Bauaufsicht) durchgeführte messtechnische Überprüfung des Sendestandortes ergab keine Mängel, insbesondere die Einhaltung gebotener Abstände und der Grenzwerte nach der 26. BImSchV über elektromagnetische Felder.

Am 9.2.2006 suchte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin um die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 31 Abs. 1 BauGB für die in beigefügten Planunterlagen konkretisierte Sendestation nach. Anschließende Verhandlungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung durch Änderung der Anlage oder Verlegung ihres Standortes blieben erfolglos.

Mit Datum vom 16.3.2006 wies die Bundesnetzagentur einen von Anwohnern gegen die Standortbescheinigung ihrer Rechtsvorgängerin (RegTP) vom 22.6.2005 erhobenen Widerspruch zurück.

Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag auf Zulassung einer Ausnahme mit Bescheid vom 7.4.2006 ab, untersagte der Antragstellerin gleichzeitig versehen mit Sofortvollzugsanordnung den Sendebetrieb der Anlage mit Wirkung vom 8.5.2006 und drohte ihr für den Fall der Nichtbefolgung das "Zwangsmittel der Ersatzvornahme durch Abschaltung der Mobilfunkanlage" an. In der Begründung heißt es, die bauordnungsrechtlich genehmigungsfreie Anlage bedürfe der im Ermessen der Behörde stehenden Erteilung einer Ausnahme. Bei der insoweit vorzunehmenden Einzelfallprüfung sei neben der Wertung des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO zu berücksichtigen, dass der Nutzungszweck des Wohngebiets erhalten bleibe und dass der gewerbliche Zweck einer Mobilfunkstation den Charakter einer Ausnahmeerscheinung in dem Gebiet behalten müsse. Nachbarschutz erschöpfe sich nicht in der Einhaltung der Grenzwerte und Sicherheitsabstände nach der 26. BImSchV. Die Frage der Verträglichkeit im Einzelfall sei vielmehr im Rahmen der geltenden und weiter zu entwickelnden Grundsätze zum Rücksichtnahmegebot zu beantworten. Dieses gehe über den Gesundheitsschutz hinaus und solle im Einzelfall Mobilfunk und Wohnnutzung in ein "konfliktfreies Verhältnis" bringen. Nach diesem Maßstab stelle sich die konkrete Anlage als für die "direkte Wohnbebauung in der Nachbarschaft rücksichtslos" dar. Dabei könne offen bleiben, ob die von den Nachbarn behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen auf die von der Mobilfunkanlage ausgehenden elektromagnetischen Strahlen zurückzuführen seien. Nach dem Rücksichtnahmegebot sei die Intensität der Sendestrahlung in räumlicher Hinsicht und bezogen auf die direkten Nachbargebäude zu optimieren. Der Antragstellerin sei es zuzumuten, die Antennen so einzurichten, dass der konzentrierte Strahlungsteller so in den Raum gelegte werde, dass er nicht direkt auf Wohnbereiche in unmittelbarer Nachbarschaft einwirke. Hierdurch werde verhindert, dass sich deren Bewohner wie "Bestrahlungsobjekte" vorkämen. Der immissionsschutzrechtliche Sicherheitsabstand von lediglich etwa 7 m werde dem Rücksichtnahmegebot nicht gerecht. Da die Antragstellerin über weitere Anlagen in der Umgebung verfüge und sie auf Alternativstandorte zurückgreifen könne, sei unter sachgerechter Abwägung mit ihren Interessen eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB abzulehnen und der weitere Betrieb zu untersagen. Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wurde in gesonderter Begründung auf das öffentliche Interesse an einer Herstellung "gebietsverträglicher Zustände" und die Interessen direkt betroffener Nachbarn in der konkreten Standortsituation hingewiesen.

Eine Entscheidung über den am 18.4.2006 gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch der Antragstellerin liegt noch nicht vor. Ihrem Aussetzungsantrag gegen den Bescheid hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22.6.2006 entsprochen und die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen das Nutzungsverbot wiederhergestellt beziehungsweise - hinsichtlich des vollstreckungsrechtlichen Teils - angeordnet. In der Begründung heißt es, die Verfügung der Antragsgegnerin sei offensichtlich rechtswidrig. Die bauordnungsrechtlich verfahrensfreie Mobilfunksendestation unterliege den bodenrechtlichen Anforderungen der §§ 29 ff. BauGB. Auch verfahrensfreie Vorhaben bedürften allerdings einer Ausnahmegenehmigung nach den §§ 68 Abs. 2 LBO 2004, 31 Abs. 1 BauGB. Zwar sei die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 mit Blick auf das Alter des Bebauungsplans hier nicht anwendbar, die Anlage aber als "nicht störender Gewerbebetrieb" nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1968 ausnahmsweise im allgemeinen Wohngebiet zulässig. Eine störende Eigenschaft im städtebaulichen Verständnis könne nicht aus den mit ihrem Betrieb einhergehenden Immissionen hergeleitet werden. Hinsichtlich der Strahlenbelastung seien die Grenzwerte der 26. BImSchV maßgebend. Würden diese - wie hier - eingehalten, könne weder von einem störenden Gewerbe im Sinne der Baunutzungsverordnung noch von einer im Rahmen des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots unzumutbaren Beeinträchtigung der Nachbarschaft ausgegangen werden. Bei der Ermessensentscheidung über die in der Baunutzungsverordnung ausdrücklich vorgesehene Ausnahme seien allein städtebauliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die hier eine Versagung nicht rechtfertigen könnten. Im Rahmen des Rücksichtnahmegebots komme dem Optimierungsgedanken keine entscheidende Bedeutung zu, so dass eine Rücksichtslosigkeit nicht allein damit begründet werden könne, dass sich durch eine Modifikation der schon jetzt die Grenzwerte wahrenden Einrichtung eine für die Nachbarn geringere Strahlenbelastung erzielen lasse. Für den Fall einer Beurteilbarkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB ergebe sich dessen ausnahmsweise Zulässigkeit aus den §§ 34 Abs. 2, 31 Abs. 1 BauGB, 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990. Mobilfunkanlagen seien mangels eigenständigen Nutzungszwecks keine Hauptanlagen. Die funktionale Unterordnung unter das von einem Baugebiet unabhängige fernmeldetechnische Versorgungs- und Infrastruktursystem genüge, um die Mobilfunkbasisstation als Nebenanlage zu qualifizieren. Auch auf dieser Grundlage sei eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung erforderlich gewesen, die aus den aufgeführten Gründen von der Antragsgegnerin nicht getroffen worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie eine vollumfängliche Zurückweisung des Aussetzungsantrags begehrt.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22.6.2006 - 5 F 13/06 - ist zulässig, aber unbegründet. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren bestimmende Beschwerdebegründung gebietet keine abweichende Beurteilung des Eilrechtsschutzbegehrens der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat ihrem Antrag zu Recht entsprochen.

Auch auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens muss davon ausgegangen werden, dass der Rechtsbehelf der Antragstellerin gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 7.4.2006 unter Ziffer 2. enthaltene Nutzungsuntersagung (§ 82 Abs. 2 LBO 2004) in der Hauptsache aller Voraussicht nach Erfolg haben wird, was die Wiederherstellung seiner aufschiebenden Wirkung rechtfertigt.

Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand kann nicht davon ausgegangen werden, dass die mit Eingang bei der Antragsgegnerin am 9.2.2006 beantragte Ausnahme (§ 31 Abs. 1 BauGB) von Festsetzungen des Bebauungsplans über die in seinem Geltungsbereich zugelassene Art der baulichen Nutzung nach Maßgabe des § 68 Abs. 3 Satz 2 LBO 2004 wegen Nichteinhaltung der dort bestimmten Entscheidungsfrist für die Gemeinden von zwei Monaten bereits als erteilt gilt. Die ablehnende Entscheidung wurde der Antragstellerin ausweislich eines bei den Akten befindlichen Sendeberichts am 7.4.2006 per Telefax übermittelt. Dass dabei den sich aus § 19 Abs. 5 SVwVG - bei Verbindung mit dem Grundverwaltungsakt für die Entscheidung insgesamt - ergebenden formellen Anforderungen an eine Bekanntgabe durch förmliche Zustellung nicht Rechnung getragen wurde, dürfte mit Blick auf die Vorschriften über die Heilung von Zustellungsmängeln (Zustellungsfiktion) nach §§ 1 SVwZG, 8 BVwZG im Ergebnis ohne Bedeutung bleiben.

Wie das Verwaltungsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, wurde das Nutzungsverbot hinsichtlich des durch § 82 Abs. 2 LBO 2004 eröffneten Entschließungsermessens für den Erlass von der Antragsgegnerin in Anlehnung an die Ausführungen zur in dem Bescheid enthaltenen Ablehnung eines Ausnahmeantrags (§ 31 Abs. 1 BauGB) der Antragstellerin tragend mit materiellrechtlichen Erwägungen begründet. Da im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle derartiger Entscheidungen eine inhaltliche Überprüfung der Tragfähigkeit dieser Erwägungen geboten ist, bedarf es hier keiner weiteren Befassung mit der Frage, inwieweit bereits die formelle Illegalität einer baulichen Nutzung, das heißt das Fehlen einer vor Nutzungsaufnahme einzuholenden behördlichen Zulassungsentscheidung, eine ausreichende Grundlage für den Erlass einer Nutzungsuntersagung (§ 82 Abs. 2 LBO 2004) darstellt. Mit Blick auf die ausstehende Entscheidung der zu einer eigenständigen Ermessensausübung aufgerufenen Widerspruchsbehörde ist freilich in dem Zusammenhang auf Folgendes hinzuweisen: Zwar ergibt sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht nach gegenwärtigem Erkenntnisstand - bei Einhaltung der Größenvorgabe von bis zu 10 cbm (Bruttorauminhalt) für die in dem Haus S.straße Nr. 1 untergebrachte "Versorgungseinheit" der Sendeanlage aus dem eigens für derartige Fälle erlassenen § 61 Abs. 1 Nr. 4c und Nr. 4d LBO 2004 die Verfahrensfreiheit des Vorhabens. Des ungeachtet besteht für die den Anlagenbegriff des § 29 BauGB erfüllende und damit den Anforderungen des Bodenrechts unterliegende Einrichtung ein eigenständiges Zulassungserfordernis durch Erteilung einer durch die geltende Fassung der Landesbauordnung erstmals in die Kompetenz der Städte und Gemeinden gestellten (isolierten) Ausnahme (§§ 68 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 LBO 2004 i.V.m. 31 Abs. 1 BauGB). Deren wegen gleichzeitiger Ablehnung eines entsprechenden Antrags der Antragstellerin Nichtvorliegen dürfte allerdings mit Blick auf den (ausnahmsweise) unschwer positiv zu beurteilenden Zulassungsanspruch der Antragstellerin allein den Erlass oder gar die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Durchsetzung einer Nutzungsuntersagung "durch Abschaltung der Mobilfunkanlage" hier nicht rechtfertigen.

Ausgehend von einer Verbindlichkeit des von der Antragsgegnerin für ihre Entscheidung angeführten, das Baugrundstück erfassenden, insoweit hinsichtlich der Nutzungsart die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets (§ 4 BauNVO) enthaltenden Bebauungsplans aus den 1960iger Jahren ergibt sich die (ausnahmsweise) Zulässigkeit der Sendestation der Antragstellerin zwar nicht aus dem § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990. Diese Bestimmung ist wegen der in § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO aller bisherigen Fassungen angeordneten (statischen) Übernahme der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des konkreten Bebauungsplans geltenden Bestimmungen der Baunutzungsverordnung über die Baugebiete (Art der baulichen Nutzung) als Norminhalt (§ 10 BauGB) auf vor dem Jahr 1990 erlassene Bebauungspläne nicht anwendbar. Von daher bedarf es hier keiner Klärung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht abschließend beantworteten, von einzelnen Obergerichten unterschiedlich beurteilten Frage, ob sendetechnische Anlagen des Mobilfunks der vorliegenden Art überhaupt dem schon wegen unterschiedlicher Bezugsgrößen inhaltlich über den in § 14 Abs. 1 BauNVO verwandten hinausgehenden Begriff der "Nebenanlage" zugeordnet werden können.

Die Zulässigkeit in einem durch Bebauungsplan unter Geltung der Fassungen der Baunutzungsverordnung vor 1990 festgesetzten allgemeinen Wohngebiet ergibt sich aus § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1962/68/77, wonach dort ausnahmsweise nicht störende, das heißt die einem allgemeinen Wohngebiet nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers eigene Wohnruhe einhaltende Gewerbebetriebe zugelassen werden können. Das gilt insbesondere auch für die zumindest insoweit nicht dem § 14 BauNVO (1962/68/77) unterfallenden und daher einer eigenständigen bauplanungsrechtlichen Regelung nach den §§ 2 bis 13 BauNVO unterliegenden eigenständigen Regelung Mobilfunkbasisstationen der vorliegenden Art. Von der insoweit eröffneten Ausnahmemöglichkeit geht ausweislich der Beschwerdebegründung vom 19.7.2006 die Antragsgegnerin selbst aus.

Soweit die Antragsgegnerin dann weiter wohl schon in tatbestandlicher Hinsicht, in der Argumentation zentral aber unter Hinweis auf das ihr im Rahmen der Entscheidung über die Ausnahme nach § 68 Abs. 3 Satz 1 LBO 2004 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB eingeräumte Ermessen die Auffassung vertritt, die konkrete Anlage sei aufgrund der Ausrichtung ihrer Antennen und der Lage der hiervon ausgehenden "Strahlungsteller" in Bezug auf die Wohnbereiche von Nachbaranwesen "gebietsunverträglich und störend" beziehungsweise "störend, rücksichtslos, gebietsunverträglich", kann dem nicht gefolgt werden.

Die Frage nach einer solchen Qualifizierung ist, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, jedenfalls was die von der Antragsgegnerin in den Blick genommenen Strahlenwirkungen bei Betrieb der Antennen der Sendeanlage anbelangt, ungeachtet der (bewusst) darin nicht enthaltenen Vorsorgekomponente einzelfallbezogen abschließend unter Zugrundelegung der Vorgaben der 26. BImSchV zu beantworten. Nach § 2 der 26. BImSchV dürfen die in Anhang 1 der Verordnung festgelegten Grenzwerte der elektrischen und magnetischen Feldstärken nicht überschritten werden und bei gepulsten elektromagnetischen Feldern darf zusätzlich der Spitzenwert das 32fache der dort genannten Werte nicht überschreiten.

Die Grenzwerte dieser Verordnung werden bezogen auf umliegende Wohnnutzung deutlich unterschritten und die daraus in Anwendung der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV)hergeleiteten Sicherheitsabstände in den Hauptstrahlrichtungen der Antennen (hier 7,59 m) wurden bei Montage der Anlage beachtet.Das ist durch mehrere Messungen vor Ort bestätigt worden und zwischen den Beteiligten letztlich unstreitig. Von daher bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob entsprechende Feststellungen (Messergebnisse) in einer bestandskräftigen Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur beziehungsweise ihrer Vorgängerin (RegTP), die als Verwaltungsakte selbständig anfechtbar sind und vorliegend von einzelnen Nachbarn - im Ergebnis erfolglos - auch mit einem Widerspruch angegriffen worden sind, eine für das bauaufsichtsbehördliche Verfahren verbindliche, das heißt darin nicht weiter in Frage zu stellende Beantwortung dieser tatsächlichen Fragen enthalten.

Bei Einhaltung der einer Vermeidung von Gesundheitsgefahren dienenden Grenzwerte der auf der Grundlage der Empfehlungen der Strahlenschutzkommission (SSK) zum Schutz vor hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung beim Mobilfunk (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung) erlassenen, bestimmte Schutzpflichten des Anlagenbetreibers normierenden 26. BImSchV kann nicht von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Immissionsschutzrechts (§ 3 BImSchG) und dem entsprechend unter dem Aspekt der Strahlungswirkung auch nicht von einer störenden Wirkung dieser gewerblichen Nutzung im bauplanungsrechtlichen Verständnis (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) ausgegangen werden. Gleichzeitig wird insoweit - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - auch mit Blick auf das baurechtliche Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme (§ 15 BauNVO) unter Strahlungsgesichtspunkten die Zumutbarkeitsschwelle für die Nachbarschaft (abschließend) festgelegt. Der einschlägige § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konkretisiert auf für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungspflichtige Anlagen die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft und ist damit insoweit auch für das Baurecht verbindlich. Eine Unzumutbarkeit derartiger Sendeanlagen speziell der von ihr ausgehenden Strahlungswirkungen für die Nachbarn mit der Folge einer Verletzung des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots lässt sich daher bei Einhaltung der Vorgaben der 26. BImSchV nicht begründen. Da die Einwände der Nachbarschaft und ihnen folgend die Argumentation der Antragsgegnerin lediglich auf diesen Aspekt zielen, das heißt eine anderweitige Unzumutbarkeit der Einrichtung nicht geltend gemacht wird und im Übrigen auch nicht erkennbar ist, scheidet die Annahme einer Verletzung des baurechtlichen Rücksichtnahmegebotes hier aus. Insoweit stehen nicht "bauplanungsrechtliches Verfahren und immissionsschutzrechtliches Verfahren selbständig nebeneinander" und es findet daher auch - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - über das Rücksichtnahmegebot im Rahmen des § 31 Abs. 1 BauGB, was die Strahlungswirkungen angeht - keine weitere "Feinabstimmung auf der zweiten Stufe" statt, die dann für sich genommen über die Grenzwertbildung nach der 26. BImSchV zur städtebaulichen Unzulässigkeit unter diesem Aspekt führen könnte.

Mit der nach dem Akteninhalt wohl im Hintergrund der Argumentation der Nachbarn, deren Einwände für die Antragsgegnerin Anlass zum Einschreiten waren, stehenden - nicht durchgreifenden - Sicht, dass die erwähnten immissionsschutzrechtlichen Vorgaben unzureichend seien, hat sich die Rechtsprechung in einer Vielzahl von Entscheidungen befasst. Da die Antragsgegnerin dieser Sicht in ihrer Entscheidung indes nicht gefolgt ist, braucht dem hier nicht weiter nachgegangen zu werden. Allein die Tatsache, dass die Auswirkungen elektromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanlagen noch nicht abschließend erforscht sind und von diesen ausgehende Gesundheitsgefährdungen für die Nachbarn nach dem Stand der Wissenschaft gegenwärtig nicht mit Absolutheit ausgeschlossen werden können, rechtfertigt es nicht, solche Anlagen mit den Mitteln des Städtebaurechts von Wohngebieten generell fernzuhalten. Inwieweit den Gemeinden Möglichkeiten eröffnet sind, im Wege besonderer städtebaulicher Vorgaben Einfluss auf die Standorte von Mobilfunkanlagen auf ihrem Gebiet zu nehmen, bedarf aus Anlass des vorliegenden Falles keiner Vertiefung.

Ist insgesamt von einer nicht störenden gewerblichen Nutzung im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO und daher auch von einer ausnahmsweisen Zulässigkeit der Mobilfunkanlage (Basisstation) im für den Bereich festgesetzten allgemeinen Wohngebiet auszugehen, so spricht ferner alles dafür, dass sich das der Antragsgegnerin insoweit durch § 31 Abs. 1 BauGB eröffnete Ermessen zugunsten der Antragstellerin auf Null reduziert und damit zu einem Zulassungsanspruch (Ausnahme) verdichtet. Auch für die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin kann aus den genannten Gründen nicht von einem "störenden" und auch nicht von einem im Verständnis des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots "rücksichtslosen" Vorhaben ausgegangen werden.

Für die Gewährung einer im Bebauungsplan - hier durch die Gebietsfestsetzung, die nach dem Vortrag der Beteiligten keine entsprechenden Einschränkungen enthält (§§ 1 Abs. 4 BauNVO 1962, 1 Abs. 5 BauNVO 1968, heute: § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO 1990) - ausdrücklich zugelassenen Ausnahme bedarf es darüber hinaus, anders als für eine in vor dem Jahre 1990, bei Verneinung der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 auch danach durch Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohngebieten mit insoweit nicht eingeschränktem Ausnahmekatalog (§ 3 Abs. 3 BauNVO) notwendige Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von der Einhaltung des Plans, nicht des Vorliegens einer atypischen Sondersituation. Die in den §§ 2 ff. BauNVO in den Baugebieten jeweils ausnahmsweise für zulässig erklärten baulichen Nutzungen unterscheiden sich von der im jeweiligen Baugebiet zulässigen Regelbebauung allerdings (aber auch nur) dadurch, dass sie nach den städtebaulichen Grundvorstellungen des Verordnungsgebers den Gebietscharakter nicht prägen sollen und daher in dem jeweiligen Gebiet quantitativ deutlich hinter den regelmäßig zulässigen Nutzungsformen zurückbleiben müssen, so dass durch die Erteilung von Ausnahmen der vom Planer beziehungsweise der Baunutzungsverordnung vorgegebene Gebietscharakter nicht zum "Umkippen" gebracht werden darf. Die eine Ausnahme rechtfertigende Besonderheit besteht also vom städtebaulichen Ansatz her allein darin, dass ein Vorhaben nur dann mit dem Gebietstypus des jeweiligen Baugebiets zu vereinbaren ist, wenn es quantitativ deutlich hinter der Regelbebauung zurückbleibt und von daher keine prägende Wirkung auf die Gebietseigenart entfaltet. Weder dem Akteninhalt noch dem Vorbringen der Beteiligten lässt sich (ansatzweise) entnehmen, dass durch die Errichtung der streitigen Sendeanlage in dem betroffenen Wohngebiet die Elemente gewerblicher Nutzung in diesem Sinne in den Vordergrund träten. Nach der Größe der Antennen und dem Erscheinungsbild erscheint es vielmehr nahezu ausgeschlossen, dass hierdurch dem Wohngebiet eine solche Prägung auferlegt würde.

Gesichtspunkte, die eine Ausübung des Ausnahmeermessens (§ 31 Abs. 1 BauGB) zum Nachteil der Antragstellerin aus dabei allein relevanten städtebaulichen Gründen (§ 40 SVwVfG) heraus rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben. Sonstige in dem Zusammenhang relevante Umstände sind weder von der Antragsgegnerin vorgetragen noch sonst erkennbar. Insbesondere liegen keine besonderen optischen, städtebaulich relevanten Störungen vor und die Antragsgegnerin hat ausdrücklich betont, dass Beeinträchtigungen des Ortsbildes für ihre Entscheidung "nicht erheblich" gewesen seien. Eine aus anderen, speziell nachbarschutzrechtlichen Gesichtspunkten, etwa einer optisch erdrückenden Wirkung, herzuleitende Rücksichtslosigkeit der Anlage für die Eigentümer der Nachbargrundstücke ist nicht ersichtlich und eine negative Betroffenheit immissionsschutzrechtlich und entsprechend bodenrechtlich schutzwürdiger Nachbarbelange kann aus den zuvor genannten Gründen bei Einhaltung der Grenzwertvorgaben der 26. BImSchV nicht festgestellt werden. Daher kommt als rechtmäßige Ermessensentscheidung im Rahmen des § 31 Abs. 1 BauGB nur die von der Antragstellerin begehrte Zulassung der Ausnahme in Betracht. Jeder Eigentümer eines Grundstücks im Geltungsbereich eines Bebauungsplans - so auch die hier betroffenen Nachbarn - muss damit rechnen, dass auf einem Grundstück eine nach dem Plan als Ausnahme zulässige Nutzung realisiert wird, die aus Gründen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums grundsätzlich auch von ihm hinzunehmen ist. Schließlich ist auch im Rahmen einer Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahme (§ 31 Abs. 1 BauGB) für Mobilfunkanlagen zu berücksichtigen, dass der Bund nach der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 87f GG verpflichtet ist, im Bereich der Telekommunikation "flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen" zu gewährleisten.

Insgesamt vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe daher weder die Versagung der beantragten Ausnahme (§ 31 Abs. 1 BauGB) noch den Erlass eines sofort vollziehbaren Nutzungsverbots zu rechtfertigen, weshalb die zutreffende Entscheidung des Verwaltungsgerichts, auch mit Blick auf den vollstreckungsrechtlichen Teil der Verfügung vom 7.4.2006, zu bestätigen und die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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