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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 26.03.2007
Aktenzeichen: 3 A 30/07
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1 Satz 4 c
Da die yezidische Religion nicht vor den Augen Ungläubiger ausgeübt werden darf, kommt es bei genereller Betrachtung nicht zu einem schwerwiegenden religiösen Konflikt im Sinne der Öffentlichkeitserweiterung der Qualifikationsrichtlinie.
Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.1.2007 - 2 K 234/06.A - wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

Dem Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11. Januar 2007 - 2 K 234/06.A -, mit dem das Verwaltungsgericht der Klägerin Abschiebungsschutz versagt hat, kann nicht entsprochen werden.

Die Klägerin, die der yezidischen Religionsgruppe angehört und ihren Glauben nach der Anhörung durch das Verwaltungsgericht durch Fasten und Beten zuhause praktiziert, stützt ihren Zulassungsantrag auf die von ihr vorgetragene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).

Als erste Grundsatzfrage stellt die Klägerin zur Entscheidung des Senats, ob irakischen Staatsangehörigen yezidischer Religionszugehörigkeit im Irak Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinn von § 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG in Form von Gruppenverfolgung droht.

Die aufgeworfene Frage bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren; sie lässt sich anhand der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zur religiösen Gruppenverfolgung im Irak und der im Wesentlichen übereinstimmenden Auskunftslage mit Blick auf die Zahl der Yeziden und die Zahl der Verfolgungsschläge im Erkenntnismaterial ohne Weiteres beantworten.

Rechtlich zugrunde zu legen ist die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dem aktuellen Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15/05 - zur Frage der Christenverfolgung im Irak. Danach ist mit allgemeiner Geltung die Frage der religiösen Gruppenverfolgung durch Private nach den gleichen Anforderungen zu prüfen, die bereits für die staatliche Gruppenverfolgung gelten. Die Nachstellungen nichtstaatlicher Akteure müssen zusammen, um eine private Gruppenverfolgung mit der Regelvermutung individueller Betroffenheit annehmen zu können, das Erfordernis der Verfolgungsdichte erfüllen. Anzahl und Intensität der Verfolgungsmaßnahmen müssen festgestellt werden und zu der Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden. Auf den Maßstab der Verfolgungsdichte kann nicht verzichtet werden; insbesondere nicht durch Feststellung einer vorgetragenen "Antistimmung". In einem neueren Beschluss vom 5.1.2007 - 1 B 59/06 - betrachtet das Bundesverwaltungsgericht die Maßstäbe der Gruppenverfolgung, insbesondere das Erfordernis der Verfolgungsdichte als durch die höchstrichterliche Rechtsprechung grundsätzlich geklärt. Dem schließt sich auch der Senat an, und nach diesen Maßstäben ist die Frage der Gruppenverfolgung der Yezidinnen und Yeziden zu behandeln.

Auszugehen ist davon, dass die yezidische Religion eine monotheistische Religion ist, deren Entstehungsgeschichte vermutlich etwa 4.000 Jahre zurückreicht.

UNHCR, Gutachten vom 9.1.2007 für das VG Köln.

Die Religion weist gegenüber Christentum und Islam einige Besonderheiten auf, die auch asylrechtlich von Bedeutung sind. Eine Konversion zum Yezidentum ist nicht möglich, der Religion ist das Element der Missionierung fremd.

Gutachten von amnesty international an VG Köln vom 16.8.2005, Seite 2.

Die religiösen Rituale der Yeziden dürfen nicht vor den Augen Ungläubiger praktiziert werden, so dass die yezidische Religion auch bereits als Geheimorganisation bezeichnet worden ist.

amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005, Seite 2.

Für fundamentalistische oder streng gläubige Moslems werden die Yeziden als Ungläubige oder Teufelsanbeter angesehen.

amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005, Seite 2.

Unter dem Regime von Saddam Hussein war die Lage der Yeziden ungünstig: Einerseits wurden sie wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit von der arabischen Bevölkerung diskriminiert, andererseits kam es immer wieder zu Übergriffen wegen ihrer Religionszugehörigkeit.

Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 16.1.2006.

Es kam zu Zwangsarabisierung und Zwangsumsiedlungen von Yeziden amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005.

Seit dem Sturz der Regierung von Saddam Hussein sind keine staatlichen Zwangsmaßnahmen gegen Yeziden zur Vertreibung, Enteignung und Arabisierung mehr zu befürchten.

amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005.

Insgesamt hat sich die Situation der Yeziden nach dem Sturz des Regimes aber auch nicht wesentlich verbessert.

UNHCR, Hintergrundinformation zur Gefährdung von Angehörigen religiöser Minderheiten im Irak von Oktober 2005.

Staatliche Repressionen müssen die Yeziden zwar nicht mehr befürchten.

UNHCR, Hintergrundinformation von Oktober 2005.

In der irakischen Verfassung wird die yezidische Religion geschützt.

Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.1.2007, S. 20.

Indessen muss der gesellschaftliche Wandel im Irak seit Saddam Hussein gesehen werden. Aufgrund der Rückbesinnung der irakischen Mehrheitsbevölkerung auf traditionell-islamische Werte und der Radikalisierung konservativ-muslimischer Kreise sind die Yeziden im Irak als nicht-moslemische Minderheit gewalttätigen Übergriffen und Bedrohungen ausgesetzt.

UNHCR, Hintergrundinformation von Oktober 2005.

Die Rückbesinnung der islamischen Gesellschaft auf islamische Werte wird auch in neuesten Einschätzungen aus 2007 übereinstimmend von UNHCR und dem Auswärtigen Amt festgestellt.

UNHCR, Gutachten vom 9.1.2007 für VG Köln, Seite 8, dort für den Gesamtirak; ebenso Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.1.2007, Seite 23.

Mithin sind die Yezidinnen und Yeziden im Irak Übergriffen aus der Mitte der irakischen Gesellschaft ausgesetzt.

Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.1.2007, Seite 23.

Dementsprechend ist auch die freie Religionsausübung der Yeziden mit dem Risiko von Übergriffen verbunden.

amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 16.1.2006, S. 4.

Zu einer religiösen Anerkennung der Yeziden kommt es - wenn auch aus nationalpolitischen Gründen - im Nordirak.

Europäisches Zentrum für Kurdische Studien, Gutachten vom 27.11.2006, S. 7.

Dort bemühen sich auch die kurdischen Behörden um den Schutz der yezidischen Minderheit.

UNHCR, Gutachten vom 9.1.2007, S. 5.

Die Yezidinnen und Yeziden sind also entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht landesweit "Freiwild" geworden.

Maßgebend für die Frage der religiösen Gruppenverfolgung ist wie dargelegt die Verfolgungsdichte.

Für die Frage der Verfolgungsdichte ist zunächst auf die Größe der Religionsgruppe einzugehen. Nach neuen Schätzungen aus dem Jahr 2007 gehören der Religionsgruppe der Yeziden weltweit etwa 800.000 Menschen an.

UNHCR, Gutachten vom 9.1.2007, S. 1

In manchen Ländern bilden die Yeziden eine verschwindend kleine Gruppe so wie in der Türkei mit 363 Yeziden, bei der die Verfolgungsdichte auch ohne Quantifizierung feststellbar ist.

vgl. zur Gruppenverfolgung der Yeziden in der Türkei BVerwG, Beschluss vom 5.1.2007 - 1 B 59/06 -.

Im Irak lebt dagegen etwa die Hälfte aller Yeziden und zwar nach neuen Schätzungen zwischen 400.000 und 550.000 Menschen.

UNHCR, Gutachten vom 9.1.2007, Seite 1; ähnliche Zahlen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.1.2007 mit 200.000 bis 600.000 Yeziden.

Ausgehend von den neuesten Zahlen von UNHCR mit 400.000 bis 550.000 Yezidinnen und Yeziden im Irak geht der Senat für die Verfolgungsdichte von einer Durchschnittszahl von 475.000 Menschen aus. 75 % der irakischen Yeziden leben gegenwärtig trotz der früheren Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen von Saddam Hussein in ihren ursprünglichen Wohnorten, in Modelldörfern im traditionellen Siedlungsgebiet Jebel Sinjar, einer Gebirgsregion westlich von Mossul.

UNHCR, Gutachten vom 9.1.2007, Seite 1; ebenso amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005, Seite 2; zur Sicherheitssituation in den traditionellen yezidischen Dörfern Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 12.9.2005, Seite 7.

Dieser Zahl der Yeziden als Religionsgruppe von rund 475.000 Menschen sind nunmehr die asylerheblichen Eingriffe gegenüberzustellen.

Aus dem Erkenntnismaterial, auf das die Klägerin vom Oberverwaltungsgericht an Hand einer Liste hingewiesen wurde, ergeben sich landesweite Zahlen der Übergriffe auf Yeziden, die in der Größenordnung zwischen 60 und 137 Eingriffen relativ dicht beieinander liegen und deshalb keiner Ergänzung durch ein Gutachten bedürfen.

Die geringsten Zahlen von Übergriffen referiert das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht von 2007, das von mehreren Dutzend Mordfällen an Yeziden berichtet, was der Senat relativ hoch mit 60 Mordopfern ansetzt.

Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.1.2007, Seite 23.

Amnesty international geht von etwas höheren Eingriffszahlen aus. Unter Berufung auf yezidische Quellen werden zunächst 25 Morde und 50 Gewaltverbrechen an Yeziden im Irak insgesamt festgestellt und sodann acht einzelne Mordfälle referiert amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005, Seite 5.

Insgesamt werden also 83 Mordfälle und Gewaltverbrechen an Yeziden im Irak dargestellt.

UNHCR geht erkennbar von denselben Quellen aus, berichtet insgesamt von 25 Morden und 50 Gewaltverbrechen an Yeziden im Irak und referiert 8 Einzelfälle mit dem Gesamtergebnis von ebenfalls 83 Opfern.

UNHCR, Hintergrundinformation von Oktober 2005, Seite 8.

Der VGH Baden-Württemberg geht in seinem neueren Urteil vom 16.11.2006 - A 2 S 1150/04 -, Seite 21 und Seite 16 des Umdrucks, sowohl von den Zahlen von UNHCR mit 83 Gewalttaten aus als auch von weiteren einzeln referierten 19 Mordanschlägen (Seite 16 des Umdrucks), wobei ein Mordanschlag dem weltlichen Oberhaupt der Yeziden galt, der das Attentat leicht verletzt überlebte. Insgesamt stellt der VGH Baden-Württemberg landesweit 102 Gewalttaten gegen die Volksgruppe der Yeziden fest.

Noch etwas höhere Zahlen der Übergriffe referiert die Schweizerische Flüchtlingshilfe in ihrer Auskunft vom 16.1.2006. Dort werden neben 25 Morden und 50 Gewalttaten an Yeziden noch weitere 34 Ermordungen referiert, was landesweit zu 109 gewalttätigen Übergriffen führt.

Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 16.1.2006, Seite 3.

Zusätzlich werden noch 28 Drohbriefe an Yeziden aufgeführt, die angesichts der Lage im Irak durchaus asylerheblich ernst zu nehmen sind.

Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 16.1.2006, Seite 3.

Dies führt zu insgesamt 137 festgestellten asylerheblichen Übergriffen gegen Yezidinnen und Yeziden landesweit.

Der Senat geht für die Verfolgungsdichte von der höchsten Feststellung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von landesweit 137 Eingriffen aus. Bezogen auf die Gesamtzahl der im Irak lebenden Yeziden von 475.000 Menschen ergibt sich damit eine Anschlagsdichte von 1:3467. Damit sind die Anforderungen an eine Gruppenverfolgung im Sinne der dargelegten aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus 2006 und 2007 nicht erfüllt. Die Anschlagsdichte lässt eine Regelvermutung, dass jedes Mitglied der yezidischen Religionsgruppe verfolgt wird, nicht zu. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei einer wie hier größeren Gruppe eine Verfolgungsdichte von etwa einem Drittel als im Ansatz für die Regelvermutung der eigenen Verfolgung ausreichend angesehen, die aber auf entsprechender Tatsachengrundlage konkret belegt werden muss.

BVerwG, Urteil vom 30.4.1996 - 9 C 170/95 -.

Die kritische Verfolgungsdichte mag allenfalls niedriger anzusetzen sein, etwa bei einer Verfolgungsdichte von einem Zehntel, bei dem immerhin 90 % der Gruppe verschont bleibt. Dagegen hält die vom Senat festgestellte tatsächliche Verfolgungsdichte der Yeziden landesweit im Irak von 1:3467 einen sicheren Abstand zu der kritischen Verfolgungsdichte. Eine Regelvermutung zugunsten einer Verfolgung jedes Yeziden kann nicht aufgestellt werden. Auch bei einer ergänzenden qualitativen Betrachtung lässt sich nicht feststellen, dass die relativ große Gruppe der Yeziden im Irak durch die referierten asylerheblichen Anschläge in eine ausweglose Lage gebracht würde. Zum einen zwingt die geringe Verfolgungsdichte nicht zu einer landesweiten Geheimhaltung der Religion. Zum anderen erlaubt ihre Religion wie dargelegt keine öffentliche Ausübung vor den Augen Ungläubiger, führt die Gläubigen also nicht ihrerseits in einen unausweichlichen Konflikt mit der Mehrheitsbevölkerung. Im Nordirak wird ihre Religion sogar wie dargelegt anerkannt. Das religiöse Existenzminimum der Yeziden ist nach allem nicht landesweit verletzt.

Die Anhänger der yezidischen Religion werden nicht in eine ausweglose Lage gebracht.

Das Erkenntnismaterial unterscheidet sich nicht wesentlich in der Tatsachengrundlage der Übergriffe auf Yeziden, wohl aber in den rechtlichen Schlussfolgerungen zur Verfolgung, die teilweise nicht der Rechtsprechung entsprechen.

Das Auswärtige Amt geht auf den Gesichtspunkt der Gruppenverfolgung von Yeziden nicht ein.

Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.1.2007, Seite 23.

Das Deutsche Orient-Institut verneint eine landesweite, für alle Siedlungsgebiete der Yeziden geltende Gefahr der Gruppenverfolgung und verweist auf sehr viele yezidische Dörfer, in denen kein Sicherheitsproblem besteht und die Yeziden unangefochten und normal leben können, insbesondere in den traditionellen Wohngebieten der Yeziden.

Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 12.9.2005, Seite 6/7.

Einen differenzierten Standpunkt zur Verfolgungsfrage der Yeziden im Irak hat UNHCR. Für den Zentralirak geht diese Institution davon aus, dass die Yeziden zunehmend unter Anpassungsdruck an die islamische Bevölkerung geraten und die zunehmenden Schwierigkeiten Verfolgungsintensität erreichen können; die indirekte Bejahung der Gruppenverfolgung lässt die Rechtsprechungsanforderungen an die Verfolgungsdichte aber außer Betracht.

Vgl. UNHCR, Gutachten vom 2.8.2006 an VG Ansbach, Seite 2.

In einem neueren Gutachten von 2007 für die Lage der Yeziden im Nordirak wird eine Verfolgung in den größeren Städten des Nordiraks nur abhängig vom Einzelfall bejaht und in den ländlichen Gebieten das Risiko noch etwas geringer eingeschätzt; das yezidische Lalish-Zentrum als religiöses Zentrum wird von Milizen bewacht.

UNHCR, Gutachten vom 9.1.2007 an VG Köln, Seite 6 und 7.

Gerade dieses letztere Gutachten von UNHCR nach dem Stand von Januar 2007 spricht mit Gewicht gegen den unbelegten Vortrag der Klägerin, die Situation der Yeziden habe sich in den letzten Monaten dramatisch verschlimmert.

Das Europäische Zentrum für Kurdische Studien geht sogar von einer religiösen Anerkennung der Yeziden im Nordirak aus politischen Gründen aus.

Europäisches Zentrum für Kurdische Studien, Gutachten vom 27.11.2006, S. 7.

Amnesty international geht von einer besonderen Gefährdung der Yeziden aus, ohne die Frage der Gruppenverfolgung ausdrücklich zu bejahen.

amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005, Seite 6.

Ähnlich zurückhaltend ist die Schweizerische Flüchtlingshilfe in ihrer Auskunft von 2006: Danach werden die Angehörigen der yezidischen Religionsgruppe zusehends mit Bedrohungen und Übergriffen konfrontiert und die Lage der Yeziden in den kurdischen Gebieten gilt als sicherer.

Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft vom 16.1.2006, Seite 3 und zu den kurdischen Gebieten Seite 6.

Das vom Senat ausgewertete bis in das Jahr 2007 reichende Erkenntnismaterial enthält mithin keine Stellungnahme, die übereinstimmend mit den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die Verfolgungsdichte eine Gruppenverfolgung der Yeziden im Gesamtirak oder im Nordirak bejaht und weiterhin keinen Bericht über eine aktuelle dramatische Verschlimmerung, der mit Zahlen belegt wäre.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass in der neueren Rechtsprechung der Instanzgerichte das OVG Greifswald in zwei Beschlüssen zwar die individuelle Verfolgung eines besonders gefährdeten religiösen Würdenträgers der Yeziden einleuchtend bejaht hat, aber eine Gruppenverfolgung der Yeziden im Irak allgemein offen gelassen hat.

OVG Greifswald, Beschluss vom 1.2.2006 - 1 L 121/02 - zu dem yezidischen Würdenträger sowie Beschluss ebenfalls vom 1.2.2006 - 2 L 321/02 - zur offen gelassenen Frage der Gruppenverfolgung der Yeziden.

Der VGH Baden-Württemberg hat in einem aktuellen Urteil vom 16.11.2006 - A 2 S 1150/04 -, Seite 21/22 des Umdrucks übereinstimmend mit dem Senatsstandpunkt entschieden, dass die Verfolgungsdichte in quantitativer Hinsicht nicht geeignet ist eine Verfolgung der Yeziden als religiöse Gruppe zu belegen.

Nach allem ist die Frage der religiösen Gruppenverfolgung im Irak unter Beachtung der Maßstäbe der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus 2006 und 2007 nach dem von dem Senat ausgewerteten in der Größenordnung der Übergriffe im Wesentlichen übereinstimmenden Erkenntnismaterial eindeutig zu verneinen; die Verfolgungsdichte der Yezidinnen und Yeziden im Irak hält einen sicheren Abstand zur kritischen Verfolgungsdichte.

Mithin bleibt die Grundsatzrüge der Gruppenverfolgung der Yeziden im Irak ohne Erfolg.

Als zweite grundsätzliche Frage stellt die Klägerin zur Entscheidung des Gerichts, ob irakischen Staatsangehörigen yezidischer Religionszugehörigkeit deswegen im Irak politische Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 b der EU-Qualifikationsrichtlinie droht, weil sie ihren Glauben nicht mehr öffentlich betätigen dürfen und sich nach außen hin nicht als yezidische Religionsangehörige zu erkennen geben dürfen.

Die Grundsatzrüge bleibt erfolglos.

Zum einen führt die Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 nach der Rechtsprechung des Senats zumindest im vorliegenden Fall ersichtlich zu keinem anderen Ergebnis als die bisherige Rechtslage.

Nach der Rechtsprechung des Senats Beschluss des Senats vom 7.3.2007 - 3 Q 166/06 -, Seite 3-5 des Umdrucks ist der Schutzbereich der asylrelevanten Religionsfreiheit durch Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie zwar von dem privaten auf den öffentlichen Bereich erweitert worden.

So auch überzeugend Marx, AsylVfG, 6. Auflage 2005, § 1 Rdnr. 2006.

Artikel 10 Abs. 1 b der Qualifikationsrichtlinie lautet:

Der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.

Der Schutzbereich ist damit auf religiöse Riten im öffentlichen Bereich erweitert worden, die der Glaubensüberzeugung der betreffenden Religion entsprechen. Gerade dabei ist aber bei genereller Betrachtung die Glaubensüberzeugung der Yeziden zu beachten, dass ihre religiösen Rituale nicht vor den Augen Ungläubiger praktiziert werden dürfen.

zu letzterem amnesty international, Gutachten vom 16.8.2005, Seite 2.

Mithin schreibt bei der hier im Rahmen der Grundsatzrüge allein gebotenen generellen Betrachtung die yezidische Religion keine religiösen Riten vor den Augen der moslemischen Öffentlichkeit vor, sondern verbietet sie. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Grundsatzrüge ein genereller Konflikt zwischen einem Öffentlichkeitsanspruch der Religion und einer feindlichen islamischen Öffentlichkeit nicht besteht.

Offensichtlich wird das gefundene Ergebnis insbesondere durch Art. 9 Abs. 1 a der Qualifikationsrichtlinie. Danach ist Verfolgungshandlung nicht jede Verletzung von Menschenrechten, sondern nur eine "schwerwiegende Verletzung". Die Richtlinie zielt nach der Rechtsprechung des Senats darauf ab, den Verfolgungsbegriff möglichst eng zu fassen.

Beschluss des Senats vom 7.3.2007 - 3 Q 166/06 -; überzeugend Marx, AsylVfG, 6. Auflage 2005, § 1 Rdnr. 100.

Mithin setzt eine Verletzung der Qualifikationsrichtlinie insoweit voraus, dass ein schwerwiegender religiöser Konflikt entsteht. Da die yezidische Religion aber nicht vor den Augen Ungläubiger ausgeübt werden darf, ist ein schwerwiegender Konflikt bei genereller Betrachtung insofern auszuschließen. Mithin führt die Anwendung der unmittelbar geltenden europäischen Qualifikationsrichtlinie hier ersichtlich zu keinem anderen Ergebnis als die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Es liegt also mangels Klärungsbedarfs keine Rüge vor, die nur in einem Berufungsverfahren geklärt werden könnte.

Unabhängig davon ist die Rüge aber im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat nämlich nicht nur die generelle Lage der Yeziden beurteilt, sondern selbstständig tragend auch auf die konkrete Gefährdungssituation der Klägerin selbst abgestellt (Urteil Seite 13). Danach tritt die Klägerin bei der allein häuslichen Ausübung ihres Glaubens im Irak nach außen nicht in Erscheinung, so dass sie auch keine besondere Aufmerksamkeit der Islamisten gerade auf ihre Person lenkt. Des Weiteren leben nach der konkreten Betrachtung des Verwaltungsgerichts noch zahlreiche yezidische Familienmitglieder der Klägerin, etwa ihr Vater und mehrere Geschwister, im Irak, so dass die Klägerin im Fall einer Rückkehr nicht auf sich allein gestellt wäre und insgesamt keiner erhöhten Gefährdung ausgesetzt ist. Mit Blick auf ihre persönliche Glaubensausübung und ihre individuelle Familiensituation hat das Verwaltungsgericht eine konkrete Verfolgung der Klägerin mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Dementsprechend beruht das Urteil tragend auf einer Einzelfallwürdigung des Verfolgungsschicksals der Klägerin, die allein der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts unterliegt und mit der Grundsatzrüge nicht angegriffen werden kann.

Nach allem bleiben die erhobenen Grundsatzrügen erfolglos.

Mit Blick auf die Rückführungsproblematik weist der Senat vorsorglich daraufhin, dass nach der Beschlusslage der Innenministerkonferenz derzeit lediglich in Deutschland verurteilte Straftäter und Straftäterinnen in den Irak zurückgeführt werden, andere Iraker aber nicht.

Beschlussniederschrift über die 182. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 16./17.11.2006 in Nürnberg, TOP 8, Rückführungen in den Irak.

Von einer weiteren Begründung der Nichtzulassungsentscheidung wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).

Für die erstrebte Rechtsmittelzulassung ist danach kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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