Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 05.10.2005
Aktenzeichen: 3 Q 11/05
Rechtsgebiete: AuslG, StAG


Vorschriften:

AuslG §§ 85 ff
AuslG § 86
AuslG § 86 Nr. 1
StAG § 8
StAG § 8 Abs. 2
StAG § 10
StAG § 11
StAG § 11 S. 1 Nr. 1
StAG § 12
StAG § 12a
StAG § 12b n.F.
Zum Begriff der ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse im Einbürgerungsrecht.
Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. Februar 2004 - 12 K 29/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 8.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das ihre Klage auf Aufhebung der Bescheide vom 4.9.2001 und 6.5.2002 und Verpflichtung des Beklagten zur Einbürgerung abgewiesen wurde, bleibt erfolglos; der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Zur Begründung kann im Wesentlichen auf die überzeugenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen werden, denen die Kläger nichts Durchgreifendes entgegensetzen.

Vorab ist festzustellen, dass das Verpflichtungsbegehren der Kläger zum nunmehr maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt hierzu etwa Hess.VGH, Urteil vom 19.8.2002 - 12 UE 1473/02 -, NVwZ 2003, 762 ff = Inf.AuslR 2002, 484 mangels Übergangsvorschriften, die die Geltung früheren Rechts für bereits eingeleitete Einbürgerungsverfahren vorschreiben, von den durch das Zuwanderungsgesetz (siehe Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I S. 1950) getroffenen Rechtsänderungen erfasst sind. Die Vorschriften der §§ 85 ff des außer Kraft getretenen AuslG finden sich mit Wirkung vom 1.1.2005 in den §§ 8, 10, 11, 12, 12a und b StAG n.F. wieder.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Kläger mangels ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache i.S.d. § 86 Nr. 1 AuslG (heute § 11 S. 1 Nr. 1 StAG) keinen Anspruch auf Einbürgerung gemäß § 85 AuslG (heute § 10 StAG) haben und hat dies insbesondere aus dem mehrmaligen Nichtbestehen von Sprachtests und der mangelnden Kompetenz, den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Text, einen Zeitungsartikel, verständlich vorzulesen und Fragen inhaltlicher Art zu beantworten, hergeleitet; auch im übrigen sei eine Kommunikation während der Verhandlung nur sehr eingeschränkt möglich gewesen; ferner hat es aus gleichen Gründen die Voraussetzungen einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG verneint.

Demgegenüber bezweifeln die Kläger in ihrem Zulassungsvorbringen, dass der zwingende Ausschlussgrund mangelnder ausreichender deutscher Sprachkenntnisse im Sinne des § 86 Nr. 1 AuslG (a.F.) gegeben sei, da hierzu nicht die Fähigkeiten zu lesen und zu schreiben gehörten; eine ausreichende Kenntnis der Schriftsprache könne nicht verlangt werden.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Die erstinstanzlich auch unter Bezugnahme auf StAR-VwV Nr. 86.1.1 und 8.1.2.1.1 (GmBl 2001, 122 ff) gezogenen Schlussfolgerungen und getroffene Gesamteinschätzung unterliegen auch aus Sicht des Senats keinen ernstlichen Richtigkeitszweifeln und stehen in Einklang mit anderer obergerichtlicher Rechtsprechung und Kommentarliteratur hierzu Hess.VGH, Urteil vom 19.8.2002 - 12 UE 1473/02 -, a.a.O. und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.1.2005 - 13 S 2549/03, EzAR-NF 073 Nr. 1, die beide weitergehend nicht nur Lese- und Verständniskompetenz, sondern - prinzipiell - auch schriftliche deutsche Sprachkenntnisse fordern; Hailbronner/Renner, Komm. zum StAG, 4. Aufl., § 11 Rdnrn. 2 ff., § 8 Rdnrn. 52 ff.; Renner, Komm. zum Ausländerrecht, 7. Aufl., Nachtrag zum Staatsangehörigkeitsrecht, § 86 Rdnrn. 15 ff.

Die Verwaltungsvorschrift Nr. 86.1.1 (Begriffsbestimmung) verlangt, dass sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben einschließlich der übrigen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurechtzufinden vermag und mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden kann. Dazu gehört auch, dass der Einbürgerungsbewerber einen deutschsprachigen Text alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann. Auf Behinderungen, die dem Einbürgerungsbewerber das Lesen und Sprechen nachhaltig erschweren, ist Rücksicht zu nehmen. In Nr. 8.1.2.1 StAR-VwV zu der Ermessenseinbürgerungsvorschrift des § 8 StAG heißt es: "Der Einbürgerungsbewerber muss sich in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet haben, insbesondere über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen." Nr. 8.1.2.1.1. entspricht im wesentlichen der StAR-VwV Nr. 86.1.1. und enthält lediglich folgende Änderungen: "Die Fähigkeit, sich auf einfache Art mündlich verständigen zu können, reicht nicht aus. Bei den Anforderungen an die deutschen Sprachkenntnisse ist zu berücksichtigen, ob sie von dem Einbürgerungsbewerber wegen einer körperlichen oder geistigen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllt werden können."

Die Fähigkeit, Texte auf Deutsch lesen und verstehen zu können, wird auch in den landesrechtlichen Erlassen des Ministerium für Inneres und Sport - B 2 vom 22.12.1999 und 30.1.2001 - verlangt.

Die o.g. Verwaltungsvorschriften des Bundes zu den §§ 85, 86 AuslG und zu § 8 StAG unterscheiden sich mithin weder hinsichtlich der Erforderlichkeit der Nachprüfung noch bezüglich des Verfahrens und des Inhalts der Feststellung von ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen, wobei das Erfordernis ausreichender Deutschkenntnisse für die Ermessenseinbürgerung implizit bei der Frage der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse lediglich in der selben Weise - positiv - vorgeschrieben ist, wie § 86 Nr. 1 AuslG (§ 11 S. 1 Nr. 1 StAG) für die Anspruchseinbürgerung das Fehlen solcher Kenntnisse - negativ - als Ausschlussgrund enthält. Mit dem gesetzgeberischen Zweck des § 8 StAG ist es grundsätzlich vereinbar, wenn die Einbürgerungsbehörde verpflichtet wird, (nur) zu berücksichtigen, ob die Anforderungen an die deutschen Sprachkenntnisse von dem Einbürgerungsbewerber wegen einer körperlichen oder geistigen Krankheit oder Behinderunng nicht erfüllt werden können vgl. Hess.VGH, Urteil vom 19.8.2002, a.a.O..

Der Ausschlussgrund nicht ausreichender Sprachkenntnisse in § 86 Nr. 1 AuslG ist eingefügt worden, weil ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache als Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in Deutschland und für die Fähigkeit einer Beteiligung am politischen Willensprozess (etwa für die Ausübung des Wahlrechts) für erforderlich gehalten wurden hierzu etwa Renner, Ausländerrecht, Nachtrag zur 7. Aufl. § 86 Rdnrn. 15 ff..

Der für die Frage ausreichender Sprachkenntnisse maßgebende Zeitpunkt ist derjenige der gerichtlichen Entscheidung. Dabei ermittelt das Gericht den Kenntnisstand des Bewerbers grundsätzlich selbst und in eigener Verantwortung, ist aber bei seiner Entscheidungsfindung nicht gehindert, sich Tests oder Prüfung bei Dritten zu bedienen hierzu etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.1.2005 - 13 S 2549/03 -, a.a.O..

Beides hat das Verwaltungsgericht in Anlehnung an die als Norminterpretation dienenden bzw. ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften in nicht zu beanstandender Weise getan. Das Verwaltungsgericht hat das vorherige mehrmalige Nichtbestehen von Sprachtests gewürdigt und in der mündlichen Verhandlung versucht, durch Kommunikation und Vorlage eines Zeitungsartikels eigene Feststellungen zum Umfang der Sprachkenntnisse zu treffen. Der vorgelegte Text entsprach normalen Anforderungen was Satzbau, Grammatik und Inhalt anbelangt, die der Kläger zu 1) nicht erfüllt hat; das Sprachvermögen der Klägerin zu 2) ist nach dessen unbestrittener Aussage noch geringer.

Der Ausschlussgrund des § 86 AuslG beziehungsweise § 11 S. 1 Nr. 1 StAG ist somit gegeben, sodass eine Anspruchseinbürgerung der Kläger nicht in Betracht kommt. Da mangelnde deutsche Sprachkenntnisse nach dem Gesagten auch im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG berücksichtigt werden können, die Behörde Sonderfälle individueller Einschränkungen der Sprachkompetenz mangels deren Erkennbarkeit bzw. entsprechenden Vortrags verneint hat und für die Annahme des erforderlichen öffentlichen Interesses i.S.d. § 8 Abs. 2 StAG auch ausreichende deutsche Sprachkenntnis grundsätzlich für erforderlich hält, hat das Verwaltungsgericht ferner zutreffend die Voraussetzungen einer Ermessenseinbürgerung verneint.

Nach allem ist der Zulassungsantrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung folgt derjenigen des Verwaltungsgerichts und beruht gemäß der Übergangsregelung des § 72 GKG n.F. auf § 13 Abs. 1 GKG a.F. i.V.m. Ziff. II.41.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. von Januar 1996, DVBl. 1996, 205 ff..

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück