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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 30.04.2007
Aktenzeichen: 3 Q 130/06
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 7
Auch wenn derzeit nach den strengen Rechtsprechungsmaßstäben eine Extremgefahr für den Irak nicht besteht, scheidet eine Abschiebung nach Bagdad derzeit aus.
Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 23.5.2006 - 2 K 24/06.A - wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe:

Dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 23.5.2006 - 2 K 24/06.A -, mit dem das Verwaltungsgericht dem Kläger Abschiebungsschutz versagt hat, kann nicht entsprochen werden.

Der Kläger, der der arabischen Volksgruppe angehört und aus Bagdad stammt (Erstanhörung vom 10.6.2003, Seite 3, Asylakte Bl. 21/23), stützt seinen Zulassungsantrag auf die von ihm vorgetragene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) in mehrfacher Hinsicht.

Die erste Grundsatzrüge betrifft die Frage, ob sich die politische Lage im Irak nach dem 20.3.2003 grundlegend verändert und die Baath-Regierung unter Führung von Saddam Hussein ihre politische und militärische Herrschaft über den Irak vollständig und endgültig verloren hat, was der Kläger in Frage stellt.

Diese Frage hat der Senat bereits in dem dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten rechtskräftigen Grundsatzurteil vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 - im Sinne einer endgültigen Änderung geklärt. Damit übereinstimmend hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in zwei Urteilen von 2004 den Sturz von Saddam Hussein als endgültig angesehen und sich auf den Standpunkt gestellt, dass mit einer Fortsetzung der bisherigen Verfolgung durch den Diktator nicht mehr zu rechnen ist.

BVerwG, Urteil vom 11.2.2004 - 1 C 23.02 - und Urteil vom 25.8.2004 - 1 C 22.03 -.

Nach dem Ende 2006 eingetretenen Tod von Saddam Hussein ist die Endgültigkeit des Regimesturzes offenkundig und ein neuer Klärungsbedarf nicht mehr gegeben.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Frage des effektiven Schutzes nach der Genfer Flüchtlingskonvention aufwirft, hat der Senat bereits übereinstimmend mit dem Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der Frage eines effektiven Schutzes keine selbstständige, verfolgungsunabhängige Bedeutung zukommt.

Grundsatzurteil des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 -, Seite 24 des Umdrucks, ebenso BVerwG, Beschluss vom 26.1.2006 - 1 B 135.05 -, im Sinne einer fehlenden Entscheidungserheblichkeit der Frage der stabilen Schutzmacht bei nicht festgestellter Verfolgung.

Ein neuer Klärungsbedarf ist insoweit nicht erkennbar.

Mit seiner zweiten Grundsatzrüge stellt der Kläger die Frage zur Entscheidung des Senats, ob und inwieweit derzeit vom Bestehen einer extremen allgemeinen Gefährdungslage im Sinne der verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 AufenthG für den Irak auszugehen ist, da sich das Land nach Ansicht des Klägers in einem Bürgerkrieg befindet.

Auch diese Frage ist in dem den Prozessbevollmächtigten bekannten rechtskräftigen Grundsatzurteil des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 - verneinend geklärt. Dort ist als tragende Begründung - übereinstimmend mit der Ansicht des Klägers im vorliegenden Verfahren - ausgeführt, dass zwar im Irak ein Untergrundkrieg mit täglichen Anschlägen und furchtbaren menschlichen Folgen stattfindet. Eine Rückkehr in den Irak, insbesondere in den Zentralirak, ist mit außerordentlichen Problemen verbunden. Dennoch kann - was im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausschlaggebend ist - nicht festgestellt werden, jeder irakische Rückkehrer werde sehenden Auges der Gefahr des alsbaldigen Todes oder schwerster Verletzungen ausgeliefert.

Zu diesem Rechtsprechungsmaßstab BVerwG, Urteil vom 16.6.2004 - 1 C 27.03 -.

Nach neuerem Erkenntnismaterial liegt keine grundsätzliche Änderung des Untergrundkrieges vor. Insbesondere hat in einer Schätzung von 2007 der Chef der UN-Mission im Irak die Zahl der tödlichen Opfer des Untergrundkriegs im Jahr 2006 mit rund 34.452 Menschen angegeben Frankfurter Rundschau vom 17.1.2007 - im Pressespiegel vom 17.1.2007 -, was sich innerhalb der Maximalschätzung des Senats der Opfer von bis zu 100.000 Menschen in dem Grundsatzurteil hält Urteil des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6 /06 -, Seite 54 des Umdrucks.

Da der vom Senat im Herbst 2006 festgestellte Untergrundkrieg sich derzeit im Frühjahr 2007 nicht grundlegend gewandelt hat, ist ein neuer Klärungsbedarf vom Rechtsstandpunkt des Senats aus zu verneinen.

Mit Blick auf die beträchtliche Rückführungsproblematik verweist der Senat insofern auf die Beschlusslage der Ständigen Konferenz der Innenminister.

Beschlussniederschrift über die 182. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 16./17.11.2006 in Nürnberg, TOP 8, Rückführungen in den Irak, Beschlussziffer Nr. 2.

Danach kommt eine Rückführung von ausreisepflichtigen irakischen Staatsangehörigen nur dann in Betracht, wenn sie in Deutschland wegen Straftaten verurteilt worden sind. Auch die Straftäter werden indessen nicht nach Bagdad abgeschoben, sondern ausschließlich auf dem Luftweg in den Nordirak zurückgeführt. Eine Abschiebung des Klägers in seine Heimatstadt Bagdad scheidet mithin nach der derzeitigen Beschlusslage aus.

Für die erstrebte Rechtsmittelzulassung ist nach allem kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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