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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 17.05.2006
Aktenzeichen: 3 Q 54/06
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AsylVfG § 78 Abs. 4 S. 4
Um den Anforderungen des § 78 Abs 4 S 4 AsylVfG an die Darlegung einer Frage grundsätzlicher Bedeutung Rechnung zu tragen, muss der Antragsteller die von ihm für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage genau bezeichnen und außerdem angeben, weshalb die Frage über den Einzelfall hinaus der Fortentwicklung des Rechts oder der einheitlichen Rechtsanwendung dient. Darüber hinaus ist darzulegen, dass die Frage in dem angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist.
Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 4. November 2005 - 10 K 196/04.A - wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe:

Dem Antrag des Klägers, eines serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigen serbisch-rumänischer Volkszugehörigkeit, auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 4.11.2005, mit dem das Verwaltungsgericht seine Klage mit dem Antrag abgewiesen hat,

"Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 25.6.2004 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthaltsG vorliegt, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthaltsG vorliegen",

kann nicht entsprochen werden.

Der Kläger, der 1996 oder 1997 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und im Juni 2004 einen Asylantrag gestellt hat, hat im verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren vorgebracht, von zwei Onkeln, die Polizisten seien, wegen seiner Weigerung, ebenfalls Polizist zu werden, unter anderem mit einer Entsendung in den Kosovo "an die Front" bedroht worden zu sein. Von der Teilnahme an Wehrübungen habe er sich durch Zahlung von entsprechenden Geldbußen quasi freigekauft. Er befürchte, im Fall einer Rückkehr von seinen Onkeln, die ja als Polizisten über die entsprechenden Möglichkeiten verfügten, aufgespürt, eingesperrt, misshandelt und doch noch in den Kosovo geschickt zu werden. Außerdem wisse er nicht, wo er in seinem Heimatland hingehen sollte, da er dort über keine Existenzgrundlage verfüge und sich dort auch nicht ausreichend medizinisch behandeln lassen könne. Er leide ausweislich vorgelegter Atteste an schwer einstellbarer arterieller Hypertonie, an Epilepsie mit konvex-fokalen Anfällen und einer depressiven Verstimmung.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem oben angegebenen Urteil abgewiesen und unter Bezugnahme auf die Gründe des Ablehnungsbescheides sowie seiner Entscheidung in einem von dem Kläger betriebenen Eilrechtsschutzverfahren betreffend die in dem Ablehnungsbescheid enthaltene Abschiebungsandrohung ausgeführt, auch nach der aktuellen Auskunftslage lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Serbien-Montenegro mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 60 Abs. 1 AufenthaltsG drohe. Staatliche Repressionen, wie unter dem Regime Milosevic üblich, fänden in seiner Heimat nicht mehr statt. Die Lage der Minderheiten habe sich - zumindest was die rechtliche Situation anbelange - deutlich verbessert. Allerdings stecke die tatsächliche Umsetzung der neuen Regelungen zum Minderheitenschutz noch in den Anfängen. Massive und systematische Verletzungen von Menschenrechten, wie sie unter dem Regime Milosevic vor allem in Polizeigewahrsam vorgekommen seien, seien seit dem 5.10.2000 nicht mehr gemeldet worden. Dennoch komme es immer wieder zu Verstößen gegen Menschenrechte (vor allem gegen das Recht auf Unversehrtheit der Person in Polizeigewahrsam und Strafvollzug). Anders als früher würden diese jedoch - soweit bekannt und nachweisbar - disziplinarisch beziehungsweise strafrechtlich geahndet. Auch die von dem Kläger geschilderten Schikanen, denen er vor seiner Abreise seitens seiner Onkel ausgesetzt gewesen sei, böten keine ausreichenden Anhaltspunkte, um eine Verfolgungsgefahr im Sinne der rechtlichen Maßstäbe zu bejahen, zumal seine Befürchtung, als Polizist oder Militärangehöriger im Kosovo eingesetzt zu werden, angesichts der dortigen politischen Gegebenheiten jeglicher Grundlage entbehre. Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthaltsG lägen ebenfalls nicht vor. Auch insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG Bezug genommen. Hinsichtlich der von dem Kläger geltend gemachten Erkrankungen sei insbesondere ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthaltsG nicht gegeben. Eine die Voraussetzungen dieser Bestimmungen erfüllende existentielle Gesundheitsgefährdung im Falle einer erzwungenen Rückkehr nach Serbien-Montenegro sei nicht zu erwarten. Die bei dem Kläger diagnostizierten Erkrankungen seien in Serbien-Montenegro behandelbar. Wegen des dort praktizierten Gesundheitssystems sei zudem davon auszugehen, dass der Kläger auch als unter Umständen mittelloser Rückkehrer in seinem Heimatland die notwendige medizinische Versorgung und die notwendigen Medikamente auch tatsächlich erhalten könne. Psychische Erkrankungen würden in Serbien-Montenegro aufgrund des dort vertretenen medizinischen Ansatzes vorwiegend medikamentös behandelt. Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, sei gewährleistet. Der Kläger müsse sich grundsätzlich auf die in seinem Herkunftsland üblichen Therapiemethoden verweisen lassen, auch wenn sie den in Deutschland geltenden medizinischen und psychotherapeutischen Standards nicht entsprächen. Ein von dem Kläger vorgelegter Kurzbericht des Behandlungszentrums für Folteropfer in Berlin über eine Evaluationsreise nach Kosovo und Sandzak, wonach eine Behandlung traumatisierter Menschen nicht gewährleistet sei, rechtfertige keine andere Beurteilung, da eine solche Erkrankung bei dem Kläger nicht vorliege. Der den Kläger behandelnde Arzt Dr. med. L. habe in seinem Attest vom 30.10.2005 allerdings ausgeführt, der Kläger leide unter Depressionen, selbstunsicherer Persönlichkeit sowie Angststörungen und habe bereits suizidale Krisen erlebt und erneut gedroht, sich umzubringen. Nach Einschätzung des Arztes ereigneten sich die psychischen Zusammenbrüche des Klägers regelmäßig und glaubhaft in Situationen, in denen sich eine Trennung von seinen Angehörigen anbahne. Wegen der selbstunsicheren Persönlichkeit sei damit zu rechnen, dass er eine Abschiebungssituation nicht verkraften würde, in Panik geriete und sich suizidieren könnte, zumal er bereits 2001 einmal auf den Gleisen des Frankfurter Hauptbahnhofs in suizidaler Absicht aufgegriffen worden sei. Hierbei handele es sich jedoch nicht um zielstaatsbezogene, sondern um inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die von der Ausländerbehörde im Falle einer Abschiebung des Klägers zur berücksichtigen seien.

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil nimmt der Kläger Bezug auf sein bisheriges Vorbringen sowie auf die Behörden- und die Gerichtsakten und macht außerdem geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 a, Abs. 2 bis 7 AufenthaltsG seien entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erfüllt. Ihm drohten bei seiner Rückkehr in sein Heimatland Misshandlungen durch die Polizeibehörden. Der Kläger wiederholt in diesem Zusammenhang sein bisheriges Vorbringen und führt aus, das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass es in Serbien und Montenegro immer wieder noch zu Verstößen gegen Menschenrechte kommt. Insbesondere seien vor allem Verstöße gegen das Recht auf Unversehrtheit der Person in Polizeigewahrsam und im Strafvollzug bekannt. Dass diese Verstöße disziplinarisch beziehungsweise strafrechtlich geahndet würden, könne keine Milderung der Umstände darstellen. Es könne ihm nicht zugemutet werden, Menschenrechtsverletzungen erst hinzunehmen, um sie dann strafrechtlich ahnden zu lassen. Auch könne die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass aufgrund der von ihm geschilderten Schikanen durch seine beiden Onkel keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestünden, dass ihm bei einer Rückkehr in seine Heimat keine Verfolgungsgefahr durch den Staat, insbesondere durch die dortigen Polizeibehörden bestünde, keinen Bestand haben. In solchen Fällen könne es keine weiteren Zeugen oder Unterlagen geben, die ein solches Verhalten durch die innerstaatlichen Behörden dokumentieren könnten. Dass solche Vorkommnisse unter Ausschluss jeglicher Zeugen stattgefunden hätten, liege auf der Hand. Ihm dann entgegenzuhalten, dass sich aus seinen Berichten keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ergäben, dass eine Verfolgungsgefahr im Sinne der rechtlichen Maßstäbe vorliege, könne nicht nachvollzogen werden. Seine Situation sei insoweit besonders prekär, weil es sich bei den Polizeibeamten, die ihm drohten, um Familienmitglieder handele. Von diesen gehe eine erhöhte Gefahr aus, dass sie die angekündigten Misshandlungen in die Tat umsetzen werden. Denn gerade die Tatsache, dass sie verwandt seien, nötige die beiden Beamten, die Drohungen in die Tat umzusetzen, damit sie sich nach außen hin von dem "Verräter" distanzierten. Obwohl der Krieg seit wenigen Jahren beendet sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass nun ein friedliches Zusammenleben in Serbien und Montenegro ohne weiteres möglich sei. Ferner überzeugten auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht, dass seine Befürchtungen, als Polizist oder Militärangehöriger im Kosovo eingesetzt zu werden, jeglicher Grundlage entbehrten. Von einer entspannten Situation im Kosovo könne nicht gesprochen werden. Ausschreitungen zwischen Serben und Kosovaren seien möglicherweise zu befürchten. Des Weiteren sei in Serbien und Montenegro eine medizinische Versorgung seiner Erkrankungen nicht möglich, Eine adäquate Behandlung der ihm attestierten Erkrankungen in der Heimat sei nicht gewährleistet. Ein von dem Auswärtigen Amt am 24.8.2005 veröffentlichter Hinweis teile mit, dass eine medizinische Versorgung in Serbien und Montenegro nicht gewährleistet sei und habe insbesondere darauf hingewiesen, dass das Land nicht einmal über ausreichende Medikamente verfüge, um Patienten angemessen medizinisch zu versorgen. Eine Veränderung dahingehend, dass etwa einen Monat nach diesem Hinweis eine medizinische Behandlung in Serbien und Montenegro ohne weiteres möglich sei, könne nicht nachvollzogen werden. Somit lägen nicht nur die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 a AufenthaltsG, sondern auch die des § 60 Abs. 2 und 7 AufenthaltsG vor. Er werde von staatlichen Organisationen verfolgt, es bestehe eine konkrete Gefahr der Folterung im Sinne des Abs. 2 und es bestehe des weiteren auch eine erheblich konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit im Sinne des Abs. 7.

Dieses Vorbringen, das den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden Zulassungsverfahren begrenzt, rechtfertigt es nicht, die Berufung in Anwendung des allein geltend gemachten Tatbestandes des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zuzulassen. Es entspricht bereits nicht den Anforderungen, die § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG an die Darlegung einer Frage grundsätzlicher Bedeutung rechtlicher oder tatsächlicher Art stellt. Um diesen Anforderungen Rechnung zu tragen, muss der Antragsteller die für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage genau bezeichnen und außerdem angeben, weshalb die Klärung der Frage über den Einzelfall hinaus der Fortentwicklung des Rechts oder der einheitlichen Rechtsanwendung dient. Darüber hinaus ist darzulegen, dass diese Frage in dem angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist vgl. zum Beispiel Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG § 78 Rdnr. 603, wonach es der schlüssigen Darlegung der fallübergreifenden Bedeutung der aufgeworfenen Frage bedarf; außerdem Renner, AuslR, 8. Auflage 2005, § 78 Rdnr. 15; Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 124 a VwGO Rdnr. 84, zur Darlegungspflicht bei einem auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Berufungszulassungsantrag in Allgemeinverfahren.

Daran fehlt es hier. Der Kläger beschränkt sich in der Begründung seines Zulassungsantrages darauf, der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht entgegenzutreten. Die von ihm in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen beziehen sich dabei ausschließlich konkret auf seine eigene individuelle Betroffenheit. Eine Frage von über diesen Einzelfall hinausweisender Bedeutung wird an keiner Stelle seines Vorbringens bezeichnet geschweige denn ein Klärungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Fortentwicklung des Rechts oder einheitlichen Rechtsanwendung aufgezeigt.

Im Übrigen entspricht es der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vgl. zum Beispiel Beschluss vom 15.3.2005 - 1 Q 9/05 -, dass das Vorliegen von Abschiebungshindernissen im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthaltsG wegen einer von dem jeweiligen Ausländer gegenüber seiner Abschiebung eingewandten gesundheitlichen Beeinträchtigung nur einer Beurteilung anhand der jeweiligen Fallumstände, das heißt, des konkreten Krankheitsbildes und eventuell benötigter Medikamente, zugänglich ist, die nicht "abstrakt" für eine Vielzahl von Fällen gleichsam vorab vorgenommen werden kann und dem Rechtsstreit von daher keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu verleihen vermag.

Ob der hier gegebene Einzelfall vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend beurteilt worden ist, hat indes Bedeutung nur für diesen, was nach der Gesetzeslage die Zulassung der Berufung in Asylstreitigkeiten nicht rechtfertigen kann. Die Rechtsmittelbeschränkung in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz (§ 78 AsylVfG) verdeutlich vielmehr, dass - anders als in Allgemeinverfahren - (vgl. insoweit § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), nicht jedem beim Verwaltungsgericht unterlegenen Asylbewerber allein unter Geltendmachung der angeblichen "Unrichtigkeit" der erstinstanzlichen Entscheidung die Berufungsmöglichkeit eröffnet werden und dass damit gerichtlicher Rechtsschutz in diesem Bereich grundsätzlich auf eine Instanz beschränkt bleiben soll.

Von einer weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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