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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 02.08.2005
Aktenzeichen: 3 Y 12/05
Rechtsgebiete: VwGO, GKG 2004


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 155 Abs. 1 Satz 3
GKG 2004 § 40
GKG 2004 § 52 Abs. 1
Trägt ein Antragsteller im Kapazitätsprozess dem Umstand, dass er aller Voraussicht nach mit einer für ihn nicht verlässlich abschätzbaren Vielzahl von "Mitbewerbern" um eine hinter der Bewerberzahl unter Umständen deutlich zurückbleibenden Zahl zusätzlich festgestellter Studienplätze "konkurriert" dadurch Rechnung, dass er sich darauf beschränkt, seine vorläufige Zulassung zum Studium nach Maßgabe des Ergebnisses eines der Universität aufzugebenden Losverfahrens zu beantragen, so hält der Senat diesen streitwertmäßig deutlich hinter dem Begehren auf vorläufige Verpflichtung zur unmittelbaren Zulassung zurückbleibenden Antrag unabhängig an der Zahl der Mitbewerber grob pauschalierend mit 1000 Euro für bedeutungsangemessen bewertet. (Änderung der bisherigen Rechtsprechung)
Tenor:

Unter entsprechender Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 24. November 2004 - 1 NC 771/04 - wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 1.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Mit am 4.10.2004 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner/die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, den Antragsteller an einem vom Gericht anzuordnenden Vergabeverfahren (Losverfahren) über die Vergabe zusätzlicher Studienplätze im Studiengang Psychologie für das erste Fachsemester zum Wintersemester 2004/05 zu beteiligen und ihn vorläufig beginnend mit dem ersten Fachsemester, im Wintersemester 2004/05 zuzulassen, falls er ausgewählt wird beziehungsweise das Los auf ihn fällt.

Unter dem 22.11.2004 hat der Antragsteller mitgeteilt, er habe mittlerweile an einer anderen Universität einen Studienplatz in dem gewünschten Studiengang erhalten, und seinen Antrag zurückgenommen.

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren durch Beschluss vom 24.11.2004 eingestellt, dem Antragsteller die Verfahrenskosten auferlegt und den Streitwert auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Mit seiner am 25.4.2005 bei Gericht eingegangenen Beschwerde begehrt der Antragsteller die Herabsetzung des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwertes auf 300,-- Euro, hilfsweise auf einen erheblichen geringeren als den festgesetzten Betrag. Er macht geltend, aufgrund der 2004 in Kraft getretenen Änderungen des Gerichtskostenrechts - Erhöhung der Anzahl der in Eilrechtsschutzverfahren anfallenden Gebühren, Anhebung des von zahlreichen Gerichten zugrunde gelegten Auffang- beziehungsweise Regelstreitwertes -, die zu einer erheblichen Verteuerung der einzelnen Verfahren geführt hätten, der zur Erfolg versprechenden Rechtsverfolgung gebotenen bundesweiten Antragstellung bei allen den gewünschten Studiengang anbietenden Universitäten (bei Psychologie zwischen 10 und 16, bei Humanmedizin 33 Hochschulstandorte), der zunehmenden Handhabung der Universitäten, sich in Kapazitätsprozessen durch eigene Rechtsanwälte vertreten zu lassen, und der verbreiteten Praxis der Verwaltungsgerichte, den Studienbewerbern die Verfahrenskosten selbst dann aufzuerlegen, wenn sich die Kapazitätsberechnung als falsch erwiesen und dass gerichtliche Verfahren zur Feststellung zusätzlicher im Wege einer Verlosung zu vergebender Studienplätze geführt hat, stiegen die von einem Studienbewerber zu tragenden Verfahrenskosten ins Unermessliche und seien kaum noch finanzierbar. Die bisher praktizierte Streitwertrechtsprechung sei nicht sachgerecht, unverhältnismäßig und verletze die Grundrechte aus den Artikeln 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 Satz 1 und 19 Abs. 4 GG.

Die Antragsgegnerin hat sich in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II. Die zulässige Beschwerde ist zum überwiegenden Teil begründet. Nach § 52 Abs. 1 GKG 2004 ist der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers (Antragsteller - § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG 2004 - ) für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000,-- Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG 2004).

Ausgehend von der letztgenannten Bestimmung beziehungsweise ihrer - abgesehen von dem Betrag - inhaltsgleichen Vorgängerregelung (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) haben die bislang für Hochschulzulassungsrecht zuständig gewesenen Senate des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, vgl. Beschlüsse vom 19.5.1999 - 1 Y 2/99 - und vom 6.9.2004 - 2 X 242/04 - und ihnen folgend auch der erkennende Senat, Beschluss vom 14.3.2005 - 3 Y 7/05 -, in Einklang mit der Rechtsprechung anderer Gerichte, vgl. zum Beispiel Zimmer/Schmidt, Der Streitwert im Verwaltungs- und Finanzprozess, 1991, Rdnr. 157; vgl. im übrigen auch Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, Nr. 18.1, bei der Streitwertfestsetzung in Hochschulzulassungsstreitigkeiten generell auf den Auffangwert zurückgegriffen und von der früher vorgenommenen Differenzierung nach der Zahl der Mitbewerber um die behaupteten Studienplätze Abstand genommen. Ebenso haben sie es abgelehnt, in Eilrechtsschutzverfahren einen Abschlag vom "Hauptsachewert" vorzunehmen, vgl. zur bisherigen Rechtsprechung ausführlich OVG des Saarlandes, Beschluss vom 19.5.1999 - 1 Y 2/99 -.

Nach nochmaliger eingehender Überprüfung hält der Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr uneingeschränkt fest. Allerdings ist er der Ansicht, dass der Ansatz des Auffang- oder Regelwertes (§ 52 Abs. 2 GKG 2004) von 5.000,-- Euro nach wie vor in Verfahren sachgerecht ist, in denen ein Antragsteller beantragt, die Universität zu verpflichten ihn - unmittelbar - zum Studium in dem von ihm gewünschten Studiengang zuzulassen. Auch hält er es weiterhin für nicht gerechtfertigt, bei Anträgen der vorgenannten Art danach zu differenzieren, ob die Verpflichtung "endgültig" in einem Hauptsacheverfahren oder "vorläufig" in einem einstweiligen Anordnungsverfahren beantragt wird, und in den letztgenannten Fällen der "Vorläufigkeit" der erstrebten Verpflichtung mit einem Abschlag vom Auffang- beziehungsweise Regelwert Rechnung zu tragen. Denn zumindest in aller Regel nimmt die im Anordnungsverfahren ausgesprochene vorläufige Zulassung zum Studium die Hauptsache weitgehend vorweg, da vollendete Tatsachen geschaffen werden, OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.2.1996 - 1 Y 11/96 -.

Zu unterscheiden ist jedoch nach Ansicht des Senats zwischen Anträgen, die auf unmittelbare - vorläufige oder endgültige - Zulassung zum Studium abzielen und solchen, in denen sich ein Antragsteller wie vorliegend von vornherein darauf beschränkt, die vorläufige Verpflichtung der Universität zu beantragen, ihn an einer ihr aufzugebenden Auslosung von zusätzlich zur festgesetzten Höchstzahl festgestellten Studienplätzen zu beteiligen und ihn für den Fall zuzulassen, dass nach seinem in der Auslosung erzielten Rangplatz einer der zusätzlich zu verteilenden Studienplätze auf ihn entfällt. Der Senat hat zunächst keine Bedenken, ein rechtlich schützenswertes Interesse eines Studienplatzbewerbers an einer Sachentscheidung über ein Anordnungsbegehren dieses Inhalts anzuerkennen, vgl. auch BVerwG, Urteile vom 17.12.1982 - 7 C 93/81 - Buchholz 421.21 Nr. 8; und - 7 C 99/81 - Buchholz 421.21 Nr. 9, beide zitiert nach Juris.

Hochschulzulassungsstreitigkeiten, in denen die Vergabe so genannter "verschwiegener" Studienplätze erstrebt wird, führen häufig, wenn nicht sogar typischerweise zu dem Ergebnis, dass eine vergleichsweise geringe Zahl zusätzlicher Studienplätze festgestellt wird, um deren Vergabe eine relativ große Anzahl antragstellender Studienplatzbewerber "konkurriert", vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 16.1.1990 - 7 C 11/88 - zitiert nach Juris.

Dieser Situation tragen viele Verwaltungsgerichte, darunter auch das Verwaltungsgericht des Saarlandes, dadurch Rechnung, dass sie der betreffenden Hochschule die Durchführung eines Los- und auf dessen Grundlage eines Verteilungsverfahrens aufgeben. Kann danach die Anordnung eines Los- und anschließenden Verteilungsverfahrens zulässiger Inhalt einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Kapazitätsprozessen sein, so ist kein Grund dafür ersichtlich, der einen Antragsteller daran hindern könnte, eine Entscheidung dieses Inhaltes von vorneherein zu beantragen. Auch wenn berücksichtigt wird, dass Rechtsgrundlage für ein dahingehendes Begehren letztlich der Zulassungsanspruch aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 2 GG ist und dieser Anspruch durch den Auswahlmodus nicht geprägt, sondern lediglich in seiner Realisierung beeinflusst wird, BVerwG, Urteil vom 8.2.1980 - 7 C 93.77 - E 60, 25, 37, folgt hieraus nicht, dass der Antragsteller gezwungen wäre, stets seine unmittelbare Zulassung zu beantragen und - im Regelfalle einer "bloßen" Anordnung eines Los- und anschließenden Verteilungsverfahrens - ein teilweises oder bei großer Mitbewerberzahl und hieraus resultierenden lediglich geringen Loschancen sogar ein vollständiges Unterliegen mit entsprechenden Kostenfolgen in Kauf zu nehmen.

Ist danach ein Anordnungsbegehren mit dem Ziel, der Universität vorläufig die Durchführung eines Los- und eines an dessen Ergebnis anknüpfenden Vergabeverfahrens aufzugeben, zulässig, so hält es der Senat für ermessensgerecht, einen dahingehenden Anordnungsantrag streitwertmäßig deutlich geringer zu veranschlagen als einen Antrag auf vorläufige unmittelbare Zulassung zum Studium. Denn es ist nicht zu verkennen, dass ein Antragsteller mit der vorläufigen Anordnung eines Los- und anschließenden Vergabeverfahrens in aller Regel deutlich weniger erhält als mit einer seinem Antrag auf unmittelbare Zulassung zum Studium entsprechenden Anordnung. Wie bereits angesprochen wird die zuerkannte Loschance von den Verwaltungsgerichten oft sogar als so gering bewertet, dass dem Antragsteller in Anwendung von § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO sämtliche Verfahrenskosten auferlegt werden, vgl. zum Beispiel Verwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 16.2.2005 - 1 NC 89/04 u.a..

Dass die Loschancen je nach Anzahl der Mitbewerber unterschiedlich groß ausfallen können, gibt freilich keine Veranlassung, bei der Bewertung eines von vornherein auf vorläufige Anordnung eines Los- und anschließenden Vergabeverfahren abzielenden Begehrens danach zu differenzieren, wie viele Antragsteller um die zusätzlich festgestellten Studienplätze konkurrieren. Das ergibt sich zum einen bereits aus § 40 GKG 2004. Danach ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgeblich, die den Rechtszug einleitet. Hiervon ausgehend wäre es nicht sachgerecht, das Interesse des ersten Antragstellers hoch zu veranschlagen mit der Erwägung, dass im Zeitpunkt des Einganges seines Antrages noch keine "Konkurrenz" vorhanden ist, und dasjenige des letzten Antragstellers bei einer Vielzahl von "Mitbewerbern" niedrig mit der Begründung, seine Aussichten, auf der Grundlage der Verlosung einen Studienplatz zu erhalten, seien gering. Denn letztlich erhalten der erste und der letzte Antragsteller in dem angeordneten Losverfahren die gleichen Chancen. Zum anderen würde sich die Frage der Handhabung der Streitwertfestsetzung bei Veränderung der "Mitbewerberzahl" während des Verfahrens stellen. Derartige Umsetzungsprobleme widersprechen der bei der Streitwertfestsetzung aus Praktikabilitätsgründen anzustrebenden Pauschalierung, vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 19.5.1999 - 1 Y 2/99 -.

Trägt ein Antragsteller - wie hier - in Verfahren der vorliegenden Art dem Umstand, dass er aller Voraussicht nach mit einer für ihn nicht verlässlich abschätzbaren Vielzahl von "Mitbewerbern" um eine hinter der Bewerberzahl unter Umständen deutlich zurückbleibende Zahl zusätzlich festgestellter Studienplätze "konkurriert", dadurch Rechnung, dass er sich darauf beschränkt, seine vorläufige Zulassung nach Maßgabe des Ergebnisses eines der Universität aufzugebenden Losverfahrens zu beantragen, so hält der Senat diesen streitwertmäßig deutlich hinter dem Begehren auf vorläufige Verpflichtung zur unmittelbaren Zulassung zurückbleibenden Antrag unabhängig von der Zahl der Mitbewerber grob pauschalierend mit 1.000,-- Euro für bedeutungsangemessen bewertet. Er setzt daher diesen Betrag unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung und unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren fest.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG 2004).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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