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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: 3 Y 21/05
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114 Satz 1
a) Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussicht in tatsächlicher Hinsicht, dass eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt, so ist eine vorweggenommene Beweiswürdigung nur in engen Grenzen zulässig.

b) Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der Klage ist in derartigen Fällen nur dann mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zu vereinbaren, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die im Raum stehende Beweiserhebung zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (im Anschluss an BVerfG, Beschlüsse vom 7.5.1997 - 1 BvR 296/96 -, NJW 1997, 2745, und vom 14.4.2003 - 1 BvR 1998/02 -, NJW 2003, 2976).


Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22. November 2005 - 6 K 39/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 22.11.2005, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, dem Kläger Prozesskostenhilfe für das am 28.1.2005 eingeleitete Klageverfahren betreffend die Anfechtung von Gebührenforderungen des Beklagten zu gewähren, bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass das Klagebegehren nicht die gemäß den §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu fordernde hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Soweit der Kläger sich gegen die Gebührenbescheide vom 3.4.2002, 2.5.2002 sowie 5.8.2002 wendet, mit denen rückständige Rundfunkgebühren für den Zeitraum von 11/2001 bis einschließlich 05/2002 eingefordert werden, ist davon auszugehen, dass diese Bescheide mangels rechtzeitiger Widerspruchserhebung Bestandskraft erlangt haben und auch für die Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schon in Anbetracht der seit Eintritt dieser Bestandskraft verstrichenen Zeit kein Raum mehr ist. Das hat der Senat im Einzelnen in seinem Beschluss vom 13.5.2005 - 3 W 6/05 - betreffend die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von vorläufigem Rechtsschutz gegen die Vollstreckung aus den vorgenannten Bescheiden dargelegt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Das Vorbringen des Klägers in dem vorliegenden Rechtsbehelfsverfahren gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Der Einwand des Klägers, er habe seinerzeit rechtzeitig vor Auslaufen der damaligen Gebührenbefreiung zum Ende des Monats Oktober 2001 einen Antrag auf Verlängerung der Befreiung gestellt, über den nie entschieden worden sei, hätte im Wege des rechtzeitigen Widerspruchs gegenüber den Gebührenbescheiden vom 3.4.2002, 2.5.2002 und 5.8.2002 vorgebracht werden müssen. Das ist ausweislich der Verwaltungsakten nicht geschehen. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren keine Umstände aufgezeigt, die auf eine rechtzeitige Widerspruchserhebung gegen die genannten Bescheide schließen lassen. Im Übrigen hat er im Vollstreckungsverfahren mit Schreiben vom 20.7.2003 um Stundung des geforderten Betrages gebeten und nicht auf einen rechtzeitig gestellten Befreiungsantrag oder auf eine gewährte Befreiung verwiesen. Beanstandet hat er lediglich - verspätet - die Gebührenforderung im Bescheid vom 5.8.2002 wegen einer ihm mittlerweile gewährten Befreiung. Hierzu ist freilich zu bemerken, dass diese Befreiung auf den Antrag des Klägers vom 29.5.2002 hin mit Wirkung vom 1.6.2002 gewährt wurde und dieser Umstand durch Gewährung einer Gutschrift ab 06/02 im Bescheid vom 5.8.2002 berücksichtigt ist. Festzuhalten ist danach, dass Einwände gegen die den Bescheiden vom 3.4.2002, 2.5.2002 und 5.8.2002 zugrunde liegenden Gebührenforderungen verspätet sind und der diese Forderungen betreffende Teil der Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet.

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Anfechtung des Gebührenbescheides vom 3.12. 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.1.2005. Allerdings ist insoweit mit Blick auf die möglicherweise missverständliche Formulierung in der erstinstanzlichen Entscheidung klarzustellen, dass hinreichende Erfolgsaussicht dieses Teiles der Klage nicht voraussetzt, dass die rechtzeitige Stellung eines Antrages auf (Verlängerung der) Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bereits im Prozesskostenhilfeverfahren nachgewiesen ist. Hinreichende Erfolgsaussicht verlangt nicht, dass der Prozesserfolg gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist; eine bei überschlägiger Prüfung offene Prozess-Situation genügt, da die Rechtsverfolgung ermöglicht und nicht vorweg genommen werden soll.

Vgl. zum Beispiel Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 166 Rdnr. 4 m.w.N..

Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussicht in tatsächlicher Hinsicht, dass eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt, so ist eine vorweggenommene Beweiswürdigung nur in engen Grenzen zulässig. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der Klage ist in derartigen Fällen nur dann mit dem Gebot der Rechtschutzgleichheit zu vereinbaren, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die im Raum stehende Beweiserhebung zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird.

BVerwG, Beschlüsse vom 7.5.1997 - 1 BvR 296/94 -, NJW 1997, 2745, und vom 14.4.2003 - 1 BvR 1998/02 -, NJW 2003, 2976.

Ein solcher Sachverhalt ist indes hier gegeben. Vorliegend spricht nämlich nichts dafür, dass sich die hier in Rede stehende Behauptung des Klägers, er habe bereits im Februar 2002 einen Antrag auf Verlängerung der ihm bis einschließlich Mai 2005 gewährten Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gestellt, im Hauptsacheverfahren als zutreffend erweisen wird. Der von dem Kläger mit seiner Klageschrift in Kopie vorgelegte Rückschein eines Einschreibens an eine Bedienstete des Sozialamtes A-Stadt-Dudweiler, das dort am 11.2.2004 eingegangen ist, ist kein Beleg für die Stellung eines Befreiungsantrages zu dem betreffenden Zeitpunkt. Der Rückschein bestätigt lediglich, dass an dem fraglichen Tag ein Schreiben des Klägers beim Sozialamt in A-Stadt-Dudweiler eingegangen ist, sagt jedoch nichts über den Inhalt dieses Schreibens und ihm eventuell beigefügter Anlagen aus. Auch das Schreiben (vom 6.2.2004), das dem Verwaltungsgericht mittlerweile vom Sozialamt A-Stadt-Dudweiler übermittelt worden ist, enthält keinerlei Hinweise darauf, dass ihm ein Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht beigefügt war. In ihm sind lediglich eine Krankenversicherungsangelegenheit und eine - seinerzeit noch ausstehende - Sozialhilfezahlung angesprochen. Zudem hat die betreffende Sachbearbeiterin des Sozialamt A-Stadt-Dudweiler, an die das Schreiben gerichtet war, der Berichterstatterin des Verwaltungsgerichts telefonisch mitgeteilt, dass das Schreiben vom 6.2.2004 eine Sozialhilfeangelegenheit und nicht die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zum Gegenstand gehabt habe. In gleicher Weise hat sie sich gegenüber dem Kläger mit einem Schreiben vom 15.9.2004 geäußert, das dieser freilich nicht erhalten haben will. In dem letztgenannten Schreiben ist weiter ausgeführt, bei der Sachbearbeiterin für Rundfunkgebührenbefreiung liege, wie eine Rückfrage ergeben habe, ebenfalls kein Verlängerungsantrag vor. Bei diesen Gegebenheiten fehlt jeder objektive Grund für die Annahme, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung im Hauptsacheverfahren die Richtigkeit der Behauptung des Klägers bestätigen wird. Das gilt auch im Hinblick auf die von dem Kläger geäußerte Kritik an der Qualifikation und Arbeitsleistung der betreffenden Sachbearbeiterin des Sozialamtes A-Stadt-Dudweiler. Im Übrigen hat der Kläger selbst in einem Schreiben vom 18.7.2004 an die GEZ - im Widerspruch zu seiner späteren Behauptung (Antragstellung im Februar 2002) - noch von der Stellung eines Befreiungsantrags am 18.3.2004 gesprochen. Auch hierfür fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Soweit der Kläger geltend macht, die Würdigung des Verwaltungsgerichts, das den Angaben der Sachbearbeiterin des Sozialamtes A-Stadt-Dudweiler größere Bedeutung beimesse, als dem von ihm vorgelegten Rückschein seines Einschreibens, werfe die Frage auf, welcher Sinn überhaupt darin bestehe, kostenträchtige Einschreiben mit Rückschein zu versenden, ist zu bemerken: Die Versendung eines Schreibens als Einschreiben gegen Rückschein ermöglicht die Bestätigung, dass die Sendung an dem auf dem Rückschein vermerkten Zeitpunkt vom Empfänger entgegengenommen wurde. Der Rückschein enthält jedoch keine Aussage über den Inhalt der Sendung. Daher hilft die Vorlage des Rückscheines dem Absender dann nicht weiter, wenn wie hier Streit darüber entsteht, ob in der betreffenden Postsendung neben dem unstreitig eingegangenen Schreiben noch eine weitere Eingabe (hier: der Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) enthalten war.

Soweit der Kläger gegenüber der Forderung nach Stellung von Anträgen auf Verlängerung der Gebührenbefreiung auf seine dem Beklagten bekannte unveränderte wirtschaftliche und soziale Situation verweist, ist unter Hinweis auf die diesbezüglichen Ausführungen im Senatsbeschluss vom 13.5.2005 - 3 W 6/05 - zu wiederholen: Es gibt keine Grundlage für einen Anspruch, aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung generell und auf Dauer von der Rundfunkgebührenpflicht befreit zu werden. Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 Befreiungsverordnung wird Befreiung längstens für jeweils drei Jahre gewährt. Die Stellung von Verlängerungsanträgen erscheint auch zumutbar, nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass der Beklagte die betreffenden Teilnehmer rechtzeitig vor Ablauf einer gewährten Befreiung an die Stellung eines Verlängerungsantrages erinnert. Im Übrigen sind verschiedene Umstände denkbar, die eine Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Teilnehmers bewirken können. Auch das rechtfertigt die Befristung von Befreiungen unter Eröffnung der Möglichkeit von Verlängerungen.

Hat das Verwaltungsgericht danach zutreffend die hinreichenden Erfolgaussichten des Begehrens des Klägers verneint, muss es bei der erstinstanzlichen Entscheidung verbleiben.

Gerichtsgebühren werden für das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht erhoben; Kosten werden nicht erstattet (zu letzterem vgl. §§ 166 VwGO, 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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