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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 16.12.2008
Aktenzeichen: 1 L 144/08
Rechtsgebiete: BhV, GG, VwGO


Vorschriften:

BhV § 6 Abs. 1 Nr. 2 lit. b
BhV § 12 Abs. 1
BhV § 12 Abs. 2
GG Art. 33 Abs. 5
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4
Um die Erfüllung der aus Art. 33 Abs. 5 GG erwachsenden Anforderungen (Fürsorgepflicht) im Übergangszeitraum der Fortgeltung der BhV zu gewährleisten, sind die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Falle ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit vorläufig im Rahmen des § 12 Abs. 2 BhV zusätzlich zu den in § 12 Abs. 1 genannten Aufwendungen zu berücksichtigen und weitere derartige Aufwendungen nach den Kriterien der Notwendigkeit und Angemessenheit zu erstatten, sobald der Gesamtbetrag der Eigenbehalte gemäß § 12 Abs. 1 BhV und der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel die maßgebende Belastungsgrenze des § 12 Abs. 2 BhV im jeweiligen Kalenderjahr überschreitet (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2008 - Az.: 2 C 2.07 -).
Gründe:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 27. August 2008 hat keinen Erfolg.

Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich nicht wegen der von der Beklagten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO geltend gemachten Abweichung der angefochtenen Entscheidung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. Juni 2008 in dem Verfahren 2 C 2.07 (DVBl. 2008, 1442).

Eine Abweichung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht in einer Rechtsfrage anderer Auffassung ist, als sie eines der in der Vorschrift genannten Gerichte vertreten hat, also seiner Entscheidung einen (entscheidungserheblichen) abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit dem in der Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatz nicht übereinstimmt (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 19. April 2007 - Az.: 1 L 32/07 -, veröffentlicht bei juris [m. w. N.]). Eine nur unrichtige Anwendung eines in obergerichtlicher bzw. höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten und vom Tatsachengericht nicht infrage gestellten Rechtsgrundsatzes stellt hingegen keine Abweichung im Sinne des Zulassungsrechtes dar; insbesondere kann eine Divergenzrüge nicht gegen eine rein einzelfallbezogene, rechtliche oder tatsächliche Würdigung erhoben werden. Gleiches gilt, wenn das Verwaltungsgericht aus nicht (ausdrücklich) bestrittenen Rechtssätzen nicht die gebotenen (Schluss-)Folgerungen zieht, etwa den Sachverhalt nicht in dem hiernach erforderlichen Umfang aufklärt und damit unbewusst von der divergenzfähigen Entscheidung abgewichen ist. Das Darlegungserfordernis gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 4, 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO verlangt daher bezogen auf die Divergenzrüge, dass die sich widersprechenden Rechtssätze des verwaltungsgerichtlichen Urteiles einerseits und der Entscheidung des übergeordneten Gerichtes andererseits im Zulassungsantrag aufgezeigt und gegenübergestellt werden. Diese Gegenüberstellung der voneinander abweichenden Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen ist zur ordnungsgemäßen Erhebung der Divergenzrüge unverzichtbar. Für die ordnungsgemäße Darlegung einer Divergenzrüge ist es somit nicht ausreichend, wenn sich die Antragsschrift lediglich auf die Geltendmachung dahingehend beschränkt, das Verwaltungsgericht habe aus der divergenzfähigen Rechtsprechung nicht die gebotenen Schlüsse gezogen oder sei bei der einzelfallbezogenen Tatsachenfeststellung und -würdigung zu einem anderen Ergebnis gelangt als die in Bezug genommene obergerichtliche bzw. höchstrichterliche Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen. Zwar bedarf es in der angefochtenen Entscheidung nicht notwendigerweise einer ausdrücklichen Divergenz, sofern das Verwaltungsgericht zumindest auf der Grundlage eines bestehenden "prinzipiellen Auffassungsunterschieds" hinreichend erkennbar einen fallübergreifenden (abstrakten) Rechtssatz gebildet hat, der objektiv von der Rechtsprechung des Divergenzgerichtes abweicht. Eine solche Annahme ist allerdings nur dann berechtigt, wenn die Entscheidungsgründe dies ohne weitere Sachaufklärung unmittelbar und hinreichend deutlich - durch "stillschweigendes Aufstellen" - erkennen lassen. Mithin muss sich ein nicht ausdrücklich formulierter divergenzfähiger Rechtssatz des Verwaltungsgerichtes als abstrakte Grundlage der Entscheidung eindeutig und frei von vernünftigen Zweifeln aus den Entscheidungsgründen selbst ergeben und klar formulieren lassen. Hingegen reicht es wegen der für die Divergenzrüge unerheblichen Möglichkeit einer bloßen fehlerhaften einzelfallbezogenen Rechtsanwendung nicht aus, wenn sich der abweichende abstrakte Rechtssatz nur durch eine interpretierende Analyse der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung herleiten lässt (siehe zum Vorstehenden insgesamt: OVG LSA, a. a. O. [jeweils m. w. N.]).

In Anlegung der aufgezeigten Maßstäbe hat die Beklagte eine zulassungsbegründende Abweichung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung von dem angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes nicht dargelegt. Dem Vorbringen mangelt es bereits an der gebotenen Gegenüberstellung einander widersprechender Rechtssätze des verwaltungsgerichtlichen Urteiles einerseits und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes andererseits. Vielmehr zitiert die Beklagte auf Seite 3 und 4 ihrer Antragsschrift lediglich umfangreich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, ohne hiernach aufzuzeigen, von welchem abstrakten Rechtssatz das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll. Soweit die Beklagte auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes eingeht, handelt es sich lediglich um ein Begründungselement. Zudem stehen die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes sachlich nicht im Widerspruch zu den Entscheidungsgründen des bundesverwaltungsgerichtlichen Urteiles.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich ausgeführt, dass die weitere Anwendbarkeit der Leistungsausschlüsse und Leistungseinschränkungen voraussetzt, dass die jeweilige Regelung - abgesehen vom Gesetzesvorbehalt - nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, insbesondere nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, soweit sie als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Der hier maßgebliche Ausschluss der Beihilfegewährung für die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 lit. b) BhV wird nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gerade den Anforderungen der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht nicht in vollem Umfang gerecht, weil die BhV insoweit keine Regelung zur Vermeidung unzumutbarer Härten enthalten. Um die Erfüllung der verfassungsrechtlichen Anforderungen im Übergangszeitraum zu gewährleisten, sind daher die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Falle ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit vorläufig im Rahmen des § 12 Abs. 2 BhV zusätzlich zu den in § 12 Abs. 1 genannten Aufwendungen zu berücksichtigen und weitere derartige Aufwendungen nach den Kriterien der Notwendigkeit und Angemessenheit zu erstatten, sobald der Gesamtbetrag der Eigenbehalte gemäß § 12 Abs. 1 BhV und der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel die maßgebende Belastungsgrenze des § 12 Abs. 2 BhV im jeweiligen Kalenderjahr überschreitet.

Letztlich macht die Beklagte - nicht divergenzbegründend - geltend, das Verwaltungsgericht wende die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze nicht oder nicht richtig an. Unabhängig davon vermag der Senat nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung gegen die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze verstoßen hat. Die vom Verwaltungsgericht missverständlich als "weitere Beihilfe" bezeichnete Leistung soll keinen Beihilfeanspruch im Rechtssinne darstellen, sondern ersichtlich den vom Bundesverwaltungsgericht in der o. g. Entscheidung unter Ziffer 7. der Entscheidungsgründe begründeten Erstattungsbetrag. Danach hat ein Beamter zwar keine Beihilfeansprüche für geltend gemachte Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Allerdings kann er einen Antrag nach § 12 Abs. 2 BhV stellen. Ergibt die Einbeziehung dieser Aufwendungen für sich genommen oder zusammen mit Eigenbehalten gemäß § 12 Abs. 1 BhV in diesem Kalenderjahr eine Überschreitung der Belastungsgrenze, so ist dem Beamten der darüber liegende Betrag zu erstatten. Hierauf bezieht sich das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich (siehe Seite 11 f. der Urteilsabschrift) und spricht der Klägerin - unter Klageabweisung im Übrigen - auch nur in diesem Umfange einen Erstattungsanspruch zu. Insofern stellt sich die Bezeichnung "weitere Beihilfe" lediglich als unbeachtliche falsa demonstratio dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 52 Abs. 1, 40, 47 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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