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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: 1 L 147/04
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3
Zu der Frage einer Fördermittelbewilligung bei nachträglich eingetretener Insolvenz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 1 L 147/04

Datum: 09.12.2004

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bewilligung einer Zuwendung.

Am 29. Januar 2001 beantragte die "C-GmbH - ÖPA -" einen Zuschuss von 4.823,00 DM für eine - im weiteren zeitlichen Ablauf auch erfolgte - Beteiligung an der "Internationalen Fachmesse Pflanzen, Gartenbautechnik, Floristenbedarf, Verkaufsförderung" vom 1. bis 4. Februar 2001 in Essen. Die Gesamtkosten für die Teilnahme bezifferte die ÖPA auf 9.645,64 DM.

Mit Schreiben vom 1. Februar 2001 bestätigte das Landesförderinstitut Sachsen-Anhalt als Rechtsvorgänger der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) den Eingang des Förderantrags mit der Bemerkung, dass eine abschließende Bearbeitung erst möglich sei, wenn die Haushaltsmittel für das Jahr 2001 zur Verfügung stünden.

Durch den "Staatsanzeiger für das Land Sachsen-Anhalt" vom 23. April 2001, S. 299, erhielt die Beklagte davon Kenntnis, dass "in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der ÖPA GmbH, C-GmbH, am 11. April 2001 die vorläufige Verwaltung des Geschäftsbetriebs angeordnet worden ist".

Am 10. Oktober 2001 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass das Amtsgericht Stendal am 1. Oktober 2001 über das Vermögen der ÖPA das Insolvenzverfahren eröffnet und ihn zum Insolvenzverwalter bestellt habe.

Mit Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2001 wurde der Förderantrag der ÖPA abgelehnt: Gemäß § 44 LHO dürften Zuwendungen solchen Empfängern bewilligt werden, bei denen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gesichert erscheine und die in der Lage seien, die Verwendung der Mittel bestimmungsgemäß nachzuweisen. Dem Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 1. Oktober 2001 sei zu entnehmen, dass über das Vermögen der ÖPA das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die Fördervoraussetzungen seien damit nicht erfüllt.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch: Es sei nicht ersichtlich, welchen Einfluss die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf einen Zuschuss haben solle, der für die Beteiligung an einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfindenden Messe begehrt werde. Im Zeitpunkt der Fördermittelbeantragung hätten sämtliche Voraussetzungen zur Gewährung der Zuwendung vorgelegen. Die spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe bei der Entscheidung der Beklagten außer Betracht zu bleiben. Im Übrigen werde der Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin fortgeführt.

Durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 31. Mai 2002 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Mit seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen seine im verwaltungsbehördlichen Verfahren gemachten Ausführungen wiederholt und beantragt,

unter Aufhebung der Bescheide vom 18. Dezember 2001 und 31. Mai 2002 die Beklagte zu verpflichten, den Antrag der Fa. C-GmbH vom 24. Januar 2001 auf eine Zuwendung zur Förderung der Beteiligung an der Messe "IPM 2001" in Essen in der Zeit vom 1. bis 4. Februar 2001 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat unter Vertiefung ihrer Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 17. Dezember 2003 hat das Verwaltungsgericht A-Stadt - 3. Kammer - die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Förderantrag der ÖPA unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden: Die Förderung der ÖPA sei ermessensfehlerhaft abgelehnt worden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung, ob einem Unternehmen die begehrte Zuwendung zustehe, sei derjenige der Subventionsantragstellung. Mithin seien nachträglich eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage und damit vorliegend die Insolvenz der ÖPA bei der behördlichen Entscheidung nicht zu berücksichtigen. Die Messebezuschussung habe nach der Förderrichtlinie im Übrigen eine Anschubfunktion. Diese Wirkung sei erreicht, wenn sich das Unternehmen, das sich den Messekunden präsentiere, mit seinen Produkten vorstelle und damit die Voraussetzungen für eine verbesserte Akquisition von Aufträgen geschaffen habe. Auch unter dem Gesichtspunkt der Absatzchancenerhöhung sei der nach wie vor in ihrem Geschäftsbereich tätigen ÖPA die begehrte Förderung nicht zu versagen.

Nach Zulassung der Berufung der Beklagten trägt diese über ihr bisheriges Vorbringen hinaus vor: Sie habe die nach Vorlage des vollständigen Förderantrags eingetretene Insolvenz der ÖPA bei ihrer Entscheidung über die Fördermittelbeantragung berücksichtigen müssen. Bei Verpflichtungsklagen sei grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts maßgebend. Aus dem materiellen Recht folge nichts Abweichendes. Der Zuwendungszweck bestehe im Übrigen vorliegend nicht nur in der Erleichterung des Zugangs und damit der Teilnahme an Messen. Vielmehr sei die in Rede stehende Förderung auf eine Erhöhung der Absatzchancen der Unternehmen gerichtet. Dies setze ein dem Grunde nach wettbewerbsfähiges Unternehmen voraus. Daran fehle es bei einer Insolvenz des antragstellenden Unternehmens. Es entspreche im Übrigen ihrer ständigen Verwaltungspraxis, Förderanträge abzulehnen, wenn der Antragsteller bereits bei Antragstellung insolvent sei oder bis zur Entscheidung über den Antrag insolvent werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts A-Stadt - 3. Kammer - vom 17. Dezember 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger verweist auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Die Versagung der Fördermittel in dem Bescheid des Landesförderinstituts vom 18. Dezember 2001 und dessen Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Begründetheit der auf eine Neubescheidung gerichteten Verpflichtungsklage des Klägers beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats.

Aus dem Verfahrensrecht (§ 113 Abs. 5 VwGO) folgt, dass einer Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage nur stattgegeben werden darf, wenn der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die mit der Klage begehrte Verpflichtung hat. Ob ein solcher Anspruch besteht, ergibt sich aus dem materiellen Recht. Danach beantwortet sich auch die Frage nach der zu berücksichtigenden Sach- und Rechtslage (BVerwG, U. 18.07.2002 -, 3 C 54.01 -, NVwZ 2003, S. 92; U. v. 11.02.1999 - 2 C 4.98 -, Buchholz 239.2 § 28 SVG Nr. 2). Vorliegend einschlägiges materielles Recht ist mangels eines Rechtsanspruchs auf die von dem Kläger begehrte Förderung (vgl. Nr. 2.2. der "Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen an kleine und mittlere Unternehmen zur Beteiligung an Messen und Ausstellungen" (RdErl. des MW v. 03.01.2000 - 43, MBL. LSA 2000, S. 225) dessen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung auf der Grundlage der behördlichen (willkürfreien) Vergabepraxis. Ein früherer Beurteilungszeitpunkt als der der mündlichen Verhandlung des Senats lässt sich daraus nicht herleiten. Der Förderrichtlinie selbst kommt schon vom Ansatz her keine Bedeutung für die Bestimmung des vorliegend maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes zu. Diese Richtlinie wirkt als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift nur intern. Förderrichtlinien sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Rechtsnormen und unterliegen deshalb auch keiner eigenständigen Auslegung wie Rechtsvorschriften. (U. v. 23.04.2003 - 3 C 25.02 -; BVerwGE 104, 220, 222; U. v. 17.01.1996 - 11 C 5.95 -, NJW 1996, S. 1766). Sie binden die Verwaltung im Außenverhältnis nur unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), und zwar in dem Sinne, in dem sie - jedenfalls mit Billigung oder Duldung ihres Urhebers - tatsächlich angewandt werden. Von rechtlicher Bedeutung ist damit allein die (willkürfreie) behördliche Handhabung der Förderrichtlinien im Rahmen der behördlichen Vergabepraxis (BVerwG, B. v. 18.08.1992 - 3 B 76.92 -). Diese Vergabepraxis aber berücksichtigt auch die nach Fördermittelbeantragung eintretende Insolvenz eines Unternehmens (zu einem gesetzlich geregelten Fall, in dem die Sach- und Rechtslage des Antragszeitraums als maßgeblich bestimmt wird vgl. BVerwG, U. v. 09.12.1971 - C 6.69 -, BVerwGE 39, 135, 139).

Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz, wonach für die Beurteilung des Klagebegehrens auf den Zeitpunkt der Fördermittelbeantragung abzustellen ist, überzeugt nicht. Die von ihr angeführte Rechtsprechung (BVerwG, U. v. 18.07.2002, a. a. O.; U. v. 07.05.1975 - 7 C 37,38.73 - , NJW 1975, 1850) betrifft die Frage, welche Folgerungen sich aus einer Änderung der Rechtslage für den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt ergeben. Dies ist vorliegend nicht von Bedeutung, weil sich die Rechtslage nicht geändert hat und es nur um die Frage geht, ob spätere, nach Beantragung der Fördermittel eingetretene Änderungen von tatsächlichen Umständen bei der behördlichen Entscheidung berücksichtigt werden können. Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen zu bejahen.

Beurteilt sich demnach die Begründetheit des Förderbegehrens des Klägers nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats, durfte die Beklagte die Versagung der Fördermittel auf die Insolvenz der ÖPA stützen.

Die auf dieser Grundlage erfolgte Ermessensbetätigung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Ihre unter Hinweis auf die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 1 des - auch in der Förderrichtlinie in Bezug genommenen - Mittelstandsförderungsgesetzes angestellte Erwägung, dass mit der in Rede stehenden Förderung die (zukünftige) Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen gestärkt und gefestigt werden soll und somit eine Förderung von insolventen Unternehmen nicht durchgeführt werde, ist nicht sachwidrig. Die Erwägung findet sowohl eine Stütze in Nr. 1.2 der VV zu § 44 LHO, wonach Zuwendungen nur solchen Empfängern bewilligt werden dürfen, bei denen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gesichert erscheint und die in der Lage sind, die Verwendung der Mittel bestimmungsgemäß nachzuweisen, als auch in der Förderrichtlinie selbst, in der der Zuwendungszweck über die Erleichterung des (bloßen) Zugangs zu Messen und Ausstellungen hinaus ergänzend auch auf die (zukünftige) Erhöhung von Absatzchancen zielt. Dass die Beklagte dabei im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens die Absatzchancen der insolventen ÖPA negativ eingeschätzt hat, ist ersichtlich unbedenklich.

Darauf, dass dem Vorbringen des Klägers entsprechend der Betrieb der ÖPA auch nach der Insolvenzeröffnung fortgeführt worden ist, kommt es nicht an. Vor dem Hintergrund, dass die öffentlichen Fördermittel begrenzt sind und bei der Vergabe ein möglichst effektiver Mitteleinsatz zu gewährleisten ist, hält sich vielmehr die Entscheidung der Beklagten, schon allein aus der durch Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 1. Oktober 2001 festgestellten Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der ÖPA deren (zukünftige) mangelnde Wettbewerbsfähigkeit herzuleiten und die Förderungswürdigkeit des Unternehmens zu verneinen, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens.

Die Versagung der Fördermittel durch die Beklagte steht auch nicht im Widerspruch zum gesetzlich bestimmten Förderungszweck (vgl. hierzu BVerwGE 58, 45, 51; U. v. 17.01.1996 - 11 C 5.95 - , NJW 1996, S. 1766). Nach der Bestimmung des Zuwendungszwecks im Haushaltsplan des Landes Sachsen-Anhalt 2001 (vgl. Einzelplan 08, Kapitel 08 02, Titel 683 79) und den Erläuterungen hierzu ist die hier in Rede stehende Fördermaßnahme auf eine Erhöhung des Absatzes von Unternehmen gerichtet, die an einer Messe teilnehmen. Die Förderung soll damit erkennbar wettbewerbsfähigen Unternehmen zugute kommen. Die Wettbewerbsfähigkeit der ÖPA hat die Beklagte jedoch rechtsfehlerfrei verneint.

Die Beklagte hat auch keine (willkürliche) Ungleichbehandlung zu Lasten des Klägers vorgenommen. Denn nach ihrem Vortrag, an dessen Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, entspricht es ihrer ständigen Vergabepraxis, beantragte Zuwendungen abzulehnen, wenn der Antragsteller bis zur Entscheidung über den Förderantrag insolvent wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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