Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 01.04.2004
Aktenzeichen: 1 L 234/03
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 82
VwGO § 91
VwGO § 58 II 1
Die Berichtigung des Rubrums kommt nur in Betracht, wenn die Bezeichnung des Klägers oder der sonstige Inhalt der Klageschrift mehrdeutig sind.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 1 L 234/03

Datum: 01.04.2004

Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Verwaltungsgebühren für die Gewässerüberwachung durch den Beklagten.

Mit Bescheiden vom 03. Dezember 1998 zog der Beklagte den Kläger für die behördliche Überwachung der Abwassereinleitung aus der Kläranlage A-Stadt und der Einleitungsstellen "M-Einleitung A-Stadt" und P-graben jeweils zur Zahlung von Verwaltungskosten und Laborkosten heran. Den von der Wasserwerke S. GmbH am 21. Dezember 1998 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02. März 1999, der der Wasserwerke S. GmbH am 03. März 1999 zugestellt wurde, zurück.

Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers für den "Trinkwasserverband Landkreis A-Stadt" am 02. April 1999 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 1999 hat er um Berichtigung des Rubrums gebeten und erklärt, die Klage werde vom Kläger erhoben.

Er hat beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 03. Dezember 1998

M-Einleitung A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146488-7), Laborkosten i. H. v. 1.810,-- DM,

M-Einleitung A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146485-2), Verwaltungskosten i. H. v. 685,-- DM,

Kläranlage A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146493-3), Laborkosten i. H. v. 6.705,-- DM,

Kläranlage A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146490-9), Verwaltungskosten i. H. v. 685,-- DM,

P-graben A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146540-9), Laborkosten i. H. v. 2.060,-- DM und

P-graben A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146529-8), Verwaltungskosten i. H. v. 685,-- DM

in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. März 1999 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Mai 2003 abgewiesen: Die Klage sei unzulässig, weil der Widerspruch gegen die Bescheide vom 03. Dezember 1998 mangels Vorlage einer Vollmacht nicht wirksam erhoben worden sei. Es könne offen bleiben, ob der Umstand, dass der Beklagte den Widerspruch auch als unbegründet zurückgewiesen habe, den Schluss rechtfertige, der Widerspruch sei in der Sache beschieden worden, weil die formgerechte Erhebung des Widerspruchs - anders als die Wahrung der Widerspruchsfrist - wegen der notwendigen Klarheit prozessualer Erklärungen ein zwingendes Zulässigkeitserfordernis für die Klage sei.

Mit der dagegen vom Senat zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, die Klage habe nicht als unzulässig abgewiesen werden dürfen, weil sich der Beklagte auf die Klage in der Sache eingelassen habe.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 14. Mai 2003 abzuändern und die Bescheide des Beklagten vom 03. Dezember 1998

M-Einleitung A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146488-7), Laborkosten i. H. v. 1.810,-- DM,

M-Einleitung A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146485-2), Verwaltungskosten i. H. v. 685,-- DM,

Kläranlage A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146493-3), Laborkosten i. H. v. 6.705,-- DM,

Kläranlage A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146490-9), Verwaltungskosten i. H. v. 685,-- DM,

P-graben A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146540-9), Laborkosten i. H. v. 2.060,-- DM und

P-graben A-Stadt (Kassenzeichen 3301-146529-8), Verwaltungskosten i. H. v. 685,-- DM

in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. März 1999 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein Vorverfahren entbehrlich sei, wenn sich die Behörde auf die Klage in der Sache einlasse, finde im Gesetz eine Stütze nicht.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen.

1) Zwar ist die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits deshalb unzulässig, weil dem Klageverfahren nicht ein ordnungsgemäß durchgeführtes Vorverfahren vorangegangen war. Der im Widerspruchsverfahren vorliegende Mangel der Vollmacht ist - ungeachtet der Frage, ob er vorliegt - unbeachtlich, weil sich der Beklagte im gerichtlichen Verfahren zur Sache eingelassen hat. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht davon aus, die Einlassung in der Sache helfe nur über die Versäumung der Klagefrist, nicht aber über Mängel in der Form des Widerspruchs hinweg. Bedarf es der Nachprüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes in einem Widerspruchsverfahren vor Erhebung der Klage dann nicht, wenn sich die Behörde im Klageverfahren zur Sache einlässt, so gilt entsprechendes erst recht, wenn das Widerspruchsverfahren durchgeführt und durch eine Sachentscheidung abgeschlossen wird, obwohl der Widerspruch an einem formellen Mangel leidet.

2) Gleichwohl erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig, weil der Kläger die einmonatige Klagefrist (vgl. § 74 Abs. 1 VwGO) nicht gewahrt hat. Die beim Verwaltungsgericht binnen eines Monats nach der am 03. März 1999 erfolgten Zustellung des Widerspruchsbescheides am 02. April 1999 erhobene Klage ist vom Trinkwasserzweckverband "Landkreis A-Stadt" und nicht vom Kläger erhoben worden. Da der Kläger unzweideutig bezeichnet und die Klageschrift auch im Übrigen keinen Anhaltspunkt bietet, dass der Kläger und nicht der Trinkwasserzweckverband "Landkreis A-Stadt" Kläger sein soll, kommt auch eine Berichtigung des Rubrums nicht in Betracht. Die Rubrumsberichtigung setzt voraus, dass der bestimmende Schriftsatz mehrdeutig ist und der richtige Beteiligte trotz namentlicher Falschbezeichnung unschwer zu erkennen ist (vgl. BVerwG, NVwZ 1983, 29 <30>); Ortloff in: Schoch/Schmidt-Aßmann <Hrsg.>, VwGO, zu § 82 Rdnr. 4). Solche Anhaltspunkt liegen hier bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung nicht vor. Die Klageschrift weist unzweideutig den Trinkwasserzweckverband als Kläger aus. Die Tatsache, dass in der Klageschrift im Anschluss an die Bezeichnung des Trinkwasserzweckverbandes "Landkreis A-Stadt" als dessen Verbandsvorsitzender Herr B genannt worden ist, der durch die Geschäftsführerin der Wasserwerke S. GmbH vertreten werde, ist ungeeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Bezeichnung des Klägers zu wecken, weil Herr B bis September 1999 in Personalunion Verbandsvorsitzender sowohl des Klägers als auch des Trinkwasserzweckverbandes "Landkreis A-Stadt" gewesen ist und beide Verbände die Geschäftsführung durch die Wasserwerke S. GmbH wahrnehmen lassen. Auch die weiteren Angaben in der Klageschrift lassen eine andere Deutung, als dass der Trinkwasserzweckverband Landkreis A-Stadt Kläger sein soll, nicht zu. So wird der Streitgegenstand nur mit dem Wort "Anfechtung" umschrieben und die der Klageschrift nicht beigefügten Bescheide nur nach Datum und Kassenzeichen benannt.

Kommt eine Berichtigung des Rubrums nicht in Betracht, so handelt es sich um eine subjektive Klageänderung (Parteiwechsel) auf der Klägerseite, die anders als die Klageänderung auf der Beklagtenseite (vgl. dazu: BVerwG, DVBl. 1993, 563) nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurückwirkt. Der Parteiwechsel auf der Klägerseite führt bei der Anfechtungsklage zur Zulässigkeit der Klage nur, wenn die Klagefrist auch für den neu eintretenden Kläger gewahrt ist. Daran fehlt es, weil der Kläger selbst erst mit dem Schriftsatz vom 18. Mai 1999 und somit nach Ablauf der Klagefrist Klage erhoben hat, indem er bat, den Kläger anstelle des Trinkwasserzweckverbandes Landkreis A-Stadt im Wege der Berichtigung des Rubrums als Partei zu führen.

Die einmonatige Klagefrist gemäß §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 1 VwGO ist mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides in Lauf gesetzt worden, obwohl die Rechtsbehelfsbelehrung mit der Wendung, gegen "diesen Bescheid ..." könne Klage erhoben werden, unzutreffend ist, weil damit der unrichtige Eindruck erweckt wird, Gegenstand der Klage sei nicht der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), sondern allein der Widerspruchsbescheid. Eine solche fehlerhafte Belehrung setzt gleichwohl nicht die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Lauf, weil die Belehrung über den Gegenstand der Anfechtungsklage nicht zum notwendigen Inhalt einer Rechtsbehelfsbelehrung i. S. d. § 58 Abs. 1 VwGO gehört (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.1988 - 6 C 56/87 -, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 54). Zwar ist eine Rechtbehelfsbelehrung auch dann unrichtig, wenn sie - wie hier - einen unrichtigen Zusatz enthält. Ein fehlerhafter Zusatz löst jedoch nur dann die Rechtsfolge des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO aus, wenn er geeignet ist, beim Betroffenen einen beachtlichen Irrtum über die formellen Voraussetzungen des Rechtsbehelfs auszulösen, der geeignet ist, dem Betroffenen die Rechtsverfolgung zu erschweren oder sie zu vereiteln. Die fehlerhafte Belehrung darüber, dass Gegen-stand der Anfechtungsklage der Widerspruchsbescheid ist, ist nicht geeignet, die Rechtsverfolgung zu erschweren, weil das Gericht auf einen entsprechend der Belehrung gestellten Klageantrag verpflichtet ist, gemäß § 86 Abs. 3 VwGO auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.09.1988 - 6 C 56/87 -, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 54; OVG SH, NVwZ 1992, 385; a. A. BayVGH, NVwZ 1987, 901 <902> = DVBl. 1987, 698). Anderes mag gelten, wenn Widerspruchsbehörde und Ausgangsbehörde anderen Körperschaften angehören (vgl. Hess.VGH, NJW 1983, 242). Hier indes sind Ausgangs- und Widerspruchsbehörde identisch.

Beachtliche Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i. S. d. § 60 Abs. 1 VwGO liegen ebenfalls nicht vor. Der Vortrag des Klägers, der bevollmächtigte Rechtsanwalt habe trotz einer Korrektur der Parteibezeichnung in der Klageschrift vom 01. April 1999 versehentlich die unkorrigierte Seite versandt, macht deutlich, dass er seinen Sorgfaltspflichten nicht in hinreichendem Maß genügt hat. Dieses Verschulden seines Prozessbevollmächtigten muss sich der Kläger als eigenes zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück