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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 08.12.2005
Aktenzeichen: 1 L 333/03
Rechtsgebiete: WG LSA


Vorschriften:

WG LSA § 32
WG LSA § 38
Der in der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 15 Abs. 1 WHG zum Ausdruck gekommene Gesetzeszweck, welcher in § 32 WG LSA umgesetzt worden ist, gebietet es trotz der Defizite, wie sie beim Vollzug des Wassergesetzes der DDR aufgetreten sind, ein altes Wasserrecht nur dann als aufrechterhalten anzusehen, wenn das Verfahren mit einer den Fortbestand des Rechts verfügenden Entscheidung abgeschlossen worden ist.

Die durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition des Inhabers eines vormals bestehenden Altrechtes kann durch eine verfassungskonforme erweiternde Auslegung des § 38 WG LSA ausreichend berücksichtigt werden. § 38 WG LSA lässt in seiner Ausgestaltung als Restitutionsvorschrift eine Auslegung dahingehend zu, dass die Vorschrift auch die Fälle erfasst, in denen ein altes Recht nach § 32 WG LSA deshalb erloschen ist, weil der konkrete Vollzug der Wassergesetze der DDR nicht zur Aufrechterhaltung der alten Wasserrechte in einem geordneten Verfahren geführt hat.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 1 L 333/03

Datum: 08.12.2005

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung eines wasserrechtlichen Altrechts, hilfsweise die Erteilung einer Bewilligung, welche dem wasserrechtlichen Altrecht entspricht. Er ist Eigentümer einer am Mühlgraben, der von der Weißen Elster gespeist wird, belegenen, Anfang des 18. Jahrhunderts errichteten Mühle in F. Im Jahr 1921 wurde dem vormaligen Eigentümer der Mühle, Herrn G, das Recht sichergestellt, Wasser zum Betrieb der Mühle aus der Weißen Elster durch den Mühlgraben zu entnehmen, den Wasserstand an der Mühle aufzustauen und das Wasser zum Betrieb der Mühle zu gebrauchen. Das Recht wurde am 07. Dezember 1922 im Wasserbuch eingetragen. Der Vater des Klägers wurde im Jahre 1954 Eigentümer des Mühlengrundstückes. Am 01. Juli 1966 wurden die Inhaber alter Wassernutzungsrechte durch eine Bekanntmachung in der Tageszeitung "Freiheit", Ausgabe Zeitz, aufgefordert, die alten Rechte bis zum 31. Dezember 1966 anzumelden. Im Jahre 1972 wurde das Unternehmen des Vaters des Klägers infolge der Beschlüsse des Ministerrates der DDR vom 09. Februar 1972 in Volkseigentum überführt. Rechtsträger wurde der VEB Mühlenwerk F. Im Jahre 1991 wurde das Mühlenunternehmen einschließlich des Grundstückes an den Vater des Klägers zurückübertragen. Die Mühle wird bis zum heutigen Tage zum Zwecke der Stromerzeugung betrieben.

Auf den am 29. November 1991 gestellten Antrag auf "Wiederbelebung der Wasserrechte" stellte der Beklagte mit Bescheid vom 05. März 1999 fest, dass ein Altrecht für die Gewässernutzung nicht bestehe, weil sich eine Aufrechterhaltung des Altrechts im Rahmen eines nach dem Wassergesetz der DDR durchgeführten Feststellungsverfahrens nicht nachweisen lasse. Mit Bescheid vom 23. Mai 2001 wies der Beklagte den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers zurück.

Mit der am 21. Juni 2001 vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Er hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 05. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2001 aufzuheben, und den Beklagten zu verpflichten, festzustellen, dass zu seinen Gunsten ein Altrecht zum Entnehmen von Wasser aus der Weißen Elster und zum Aufstauen des Mühlgrabens für den Betrieb der besteht,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, ihm eine unbefristete Bewilligung auf der Grundlage von § 38 WG LSA in der Art des ihm zustehenden Wasserrechtes zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Halle hat mit Urteil vom 27. August 2003 den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, festzustellen, dass dem Kläger das geltend gemachte Altrecht zusteht. Der Kläger habe einen Rechtsanspruch auf die Feststellung des wasserrechtlichen Altrechts. Das im Jahr 1921 auf der Grundlage des § 379 Abs. 1 des Preußischen Wassergesetzes - PrWG - vom 07. April 1913 (GS S. 53) aufrechterhaltene Wasserrecht sei auch unter der Geltung der Wassergesetze der DDR nicht erloschen. Das in Anspruch genommene Altrecht sei nicht nach § 32 WG LSA erloschen. Das Recht sei in einem geordneten Verfahren nach dem Wassergesetz der DDR aufrechterhalten worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Vater des Klägers nach der öffentlichen Aufforderung das Recht innerhalb der gesetzten Frist angemeldet. Nach dem Beweis des ersten Anscheins sei als bewiesen anzusehen, dass eine Überprüfung des Rechts darauf stattgefunden habe, ob die Nutzung den Bestimmungen des Wassergesetzes der DDR entspreche oder ob Änderungen, weitere Auflagen oder ein neues Genehmigungsverfahren erforderlich seien. Die Mühle sei nach Anmeldung des Wasserrechts bis zum Ende der DDR weiterbetrieben worden. Die Wasserwirtschaftsbehörde habe vor Ort regelmäßig zweimal jährlich Deichschauen durchgeführt und dabei die Mühle und den Mühlkanal in Augenschein genommen, ohne die Anlagen zu irgendeinem Zeitpunkt zu beanstanden. Demgegenüber sei ohne Bedeutung, dass sich eine ausdrückliche positive Entscheidung der zuständigen Wasserbehörde über die Aufrechterhaltung des Rechts nicht mehr feststellen lasse. Eine solche Entscheidung hätten die maßgeblichen Bestimmungen der DDR nicht vorgesehen. Eine (schriftliche) Mitteilung über das Ergebnis der Überprüfung an den Inhaber des Wasserrechts sei nach der Rechtswirklichkeit der DDR regelmäßig unterblieben.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat der Beklagte geltend gemacht, dass das alte Recht nicht aufrechterhalten worden sei, weil es an ausdrücklichen positiven Entscheidung im Anschluss an die Anmeldung des alten Rechts im Jahre 1966 fehle.

Der Senat hat die Klage durch Beschluss vom 23. Februar 2004 abgewiesen.

Mit Urteil vom 14. April 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht den Beschluss des Senates vom 23. Februar 2004 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Zur Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt: Der angefochtene Beschluss verletze Bundesrecht. In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts sei § 32 WG LSA mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. In der Sache habe der Senat unter Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass zu seinen Gunsten ein altes Recht zur Entnahme von Wasser aus der Weißen Elster und zum Aufstauen des Mühlgrabens für den Betrieb der Kunstmühle gemäß der Sicherstellungsurkunde vom 09. November 1921 bestehe. In der Auslegung des Senates könne diese Vorschrift den Bestandsschutz der Altrechte in einer Weise beschränken, die mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr vereinbar sei. Die Wassergesetze der DDR wären nur dann ein geeigneter und damit verhältnismäßiger Anknüpfungspunkt für die Entscheidung über den Fortbestand alter Rechte, wenn sie sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihrer praktischen Handhabung zu einer nachvollziehbaren Überprüfung der alten Rechte auf ihre materielle Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts geführt hätten. Nur dann könnten sie ohne weiteres die Filterfunktion erfüllen, die ihnen nach der Konzeption des § 32 WG LSA zukommt, nämlich ohne eigene (erneute) Prüfung zwischen solchen Rechten zu unterscheiden, die wegen ihrer schon nachgewiesenen materiellen Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts fortbestehen können, und solchen Rechten, die mangels dieser (schon nachgewiesenen) Vereinbarkeit ersatzlos beseitigt werden sollen. In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts bewirke die Vorschrift ein unterschiedsloses Erlöschen aller alten Rechte, die nach den Wassergesetzen der DDR kraft Gesetzes und ohne Überprüfung im Einzelfall fortbestanden haben. Mit diesem Inhalt enttäusche die Vorschrift das Vertrauen des Inhabers dieser Rechte, dass er die zugelassene Nutzung der Gewässer auch weiter ausüben kann, und zwar unabhängig davon, ob er nach dem Ende der DDR ausgehend vom Fortbestand der Berechtigung Investitionen zur Erhaltung oder Modernisierung der zu ihrer Ausübung erforderlichen Anlagen vorgenommen hat. Verhältnismäßig wäre die Regelung in der Auslegung des Senates nur, wenn der Gesetzgeber sie durch eine weitere Übergangsregelung abgefedert hätte.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 27. August 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, ihm eine unbefristete Bewilligung auf der Grundlage des § 38 WG LSA in dem Umfang zu erteilen, wie es dem Altrecht aus der Sicherstellungsurkunde des Bezirksausschusses Merseburg vom 09. November 1921 einschließlich der zugehörigen Anlagen entspricht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist nur in dem aus Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf die Feststellung eines Altrechtes und damit eine erlaubnisfreie bzw. bewilligungsfreie Wassernutzung i. S. d. § 32 WG LSA. Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Feststellung kommt nur § 32 Halbs. 1 des Wassergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt i. d. F. der Bekanntmachung vom 21. April 1998 (GVBl. LSA S. 186), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2004 (GVBl. LSA 2005 S. 208) - WG LSA - in Betracht. Danach ist eine Erlaubnis oder eine Bewilligung nicht erforderlich für Benutzungen auf Grund von Rechten, die nach dem Wassergesetz vom 17. April 1963 - WG 1963 - (GBl. I S. 77) oder dem Wassergesetz vom 02. Juli 1982 - WG 1982 - (GBl. I S. 467) erteilt oder in einem durch diese Gesetze geordneten Verfahren aufrechterhalten worden sind, wenn am 01. Juli 1990 rechtmäßige Anlagen zur Ausübung des Rechts vorhanden waren. Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht vor.

Das Recht, auf dessen Fortbestand sich der Kläger beruft, ist nach den vorliegenden Unterlagen Anfang des 18. Jahrhunderts begründet und durch einen Beschluss des Bezirkausschusses Merseburg im Jahre 1921 bestätigt und nicht nach den Regelungen in § 12 Abs. 1 WG 1963 oder § 17 Abs. 1 Satz 1 WG 1982 erteilt worden. Demnach ist eine Erlaubnis oder Bewilligung für die vom Kläger beabsichtigte gestattungspflichtige Benutzung (§ 4 Abs. 1 WG LSA) durch die Entnahme von Wasser (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 WG LSA) gemäß § 32 Halbs. 1, 2. Alt. WG LSA nur dann entbehrlich, wenn das Recht zur Benutzung in einem durch das Wassergesetz 1963 oder das Wassergesetz 1982 geordneten Verfahren aufrechterhalten worden ist.

Die Aufrechterhaltung in einem durch die genannten Rechtsvorschriften geordneten Verfahren i. S. d. § 32 WG LSA setzt voraus, dass der Entscheidung über die Fortgeltung des alten Rechts ein besonderes Verwaltungsverfahren vorangegangen ist. § 32 orientiert sich in der Regelungstechnik an der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 15 Abs. 1 WHG. Der Bundesgesetzgeber hat bei der Verabschiedung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. Juli 1957 (BGBl. I. S. 1110) eine andere tatsächliche Situation vorgefunden als diejenige, der sich der Gesetzgeber in den Ländern im Beitrittsgebiet vor der Schaffung der jeweiligen Landeswassergesetze ausgesetzt sah. Bereits bei den Beratungen zum Wasserhaushaltsgesetz war befürchtet worden, dass die alten Rechte und Befugnisse "eine fortlaufende Gefahr für die Wasserwirtschaft" darstellten (vgl. Kübler, DÖV 1958, 728, 730). Insofern ging der Gesetzgeber auch in den parlamentarischen Beratungen zum Wasserhaushaltsgesetz davon aus, dass eine nicht "vorkontrollierte" Wassernutzung im Zweifelsfall den Wasserhaushalt stören müsse; er hat insofern den Bestandsschutz der alten Rechte und Befugnisse von der Existenz rechtmäßiger Anlagen und zusätzlich von einem Zustandekommen der Altrechte in einem förmlichen Verfahren abhängig gemacht. Der Gesetzgeber konnte dabei ohne weiteres davon ausgehen, dass die Wasserbehörden der Länder vor 1957 die Vereinbarkeit der Nutzung der alten Rechte und Befugnisse mit den Belangen der Wasserwirtschaft durchgehend überwacht hatten. Lediglich vor diesem Hintergrund haben der Bundesgesetzgeber und nachfolgend die Länder im bisherigen Bundesgebiet davon abgesehen, auch die Gewässerbenutzung aufgrund alter Rechte nach Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes dem Erfordernis einer behördlichen Erlaubnis bzw. Bewilligung zu unterwerfen, da nach ihrer Einschätzung ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn bei der Durchführung von Verwaltungsverfahren zur Untersuchung der Altrechte nicht zu erwarten war (vgl. Kübler, a. a. O.).

Obwohl sowohl das Wassergesetz der DDR von 1963 als auch das Wassergesetz 1982 dem Wortlaut nach jeweils eine behördliche Überprüfung der Altrechte vorsahen, lässt sich eine behördliche Praxis in der maßgeblichen Rechtswirklichkeit der DDR, welche in einer die Eigentumsrechte der Inhaber von Altrechten respektierenden Weise die Prüfung derselben vornahm, nicht positiv feststellen. § 25 Abs. 4 der 1. DVO zum WG 1963 bestimmte zunächst, dass die vorhandenen Wasserbücher nicht weitergeführt wurden. Die Wasserbücher waren nach Übertragung der gemäß § 50 Abs. 2 WG 1963 anmeldepflichtigen Nutzungen in das Wassernutzungsregister zu schließen und an die zuständigen staatlichen Archive zu übergeben. Bei nach 1990 durchgeführten Archivrecherchen konnte der Verbleib der Wasserbücher allerdings nur selten geklärt werden. Ferner waren nach 1945 zunächst die Räte der Kreise für den Vollzug der wasserrechtlichen Vorschriften zuständig, wobei sich der Vollzug und die Dokumentation der Entscheidungen der Räte der Kreise im Einzelnen nicht mehr nachvollziehen lässt. Auch die Übertragung der Zuständigkeit für wasserrechtliche Entscheidungen auf die Wasserwirtschaftsdirektionen und die nachgeordneten Flussmeistereien hat nicht zu einer auch nur im Ansatz mit den Vorstellungen des Wasserhaushaltsgesetzes vereinbarenden Rechtspraxis geführt. Insbesondere in den Bezirken Halle und Magdeburg, welche sich auf dem Gebiet des heutigen Landes Sachsen-Anhalt befanden, lässt sich eine geordnete Führung der Wassernutzungsregister auch wegen häufig wechselnder Zuständigkeiten nach 1945 bis 1990 nicht nachweisen. Aus Personalmangel, ungenügender Gewichtung der Aufgabe der Führung des Registers aus ideologischen Gründen und durch eine häufig nur unzureichende Ausbildung der Mitarbeiter sind die Wasserregister nur unzureichend geführt worden. Auch der im Wassergesetz 1963 eigentlich zwingend vorgeschriebene Aufruf zur Anmeldung alter Rechte ist regional unterschiedlich umgesetzt worden; in einer Vielzahl von Kreisen lässt sich ein solcher Aufruf nicht mehr nachweisen (vgl. zum Vorgehenden: Hübner/Zehrfeld, ZfW 1999, 415).

Der in der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 15 Abs. 1 WHG zum Ausdruck gekommene Gesetzeszweck, welcher in § 32 WG LSA umgesetzt worden ist, gebietet es trotz der Defizite, wie sie beim Vollzug des Wassergesetzes der DDR aufgetreten sind, ein altes Wasserrecht nur dann als aufrechterhalten anzusehen, wenn das Verfahren mit einer den Fortbestand des Rechts verfügenden Entscheidung abgeschlossen worden ist. Dieses oben dargestellte Vollzugsdefizit rechtfertigt es nicht, über den Wortlaut des § 32 WG LSA hinaus solche aus alten Rechten und Befugnissen hergeleitete Nutzungen von der Notwendigkeit der Erteilung einer Erlaubnis bzw. Bewilligung freizustellen. Sinn des § 15 Abs. 1 WHG wie auch des § 32 WG LSA ist es, eine Ausnahme von der Gestattungspflicht nur dann zuzulassen, wenn die Benutzung auf Grund von Rechten ausgeübt wurde, bei deren Aufrechterhaltung eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der Wasserbenutzung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden hat und insofern eine kontinuierliche behördliche Kontrolle erfolgt ist. Nur eine positive ausdrückliche Entscheidung ist daher geeignet, das Verfahren mit einem für den Altrechtsinhaber positiven Ergebnis abzuschließen. An der nach dem o. g. notwendigen, das Verfahren abschließenden positiven Entscheidung der Behörde über die Fortgeltung des alten Rechts fehlt es unstreitig im vorliegenden Fall.

Die durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition des Klägers kann aber durch eine verfassungskonforme erweiternde Auslegung des § 38 WG LSA ausreichend berücksichtigt werden. Nach dieser Vorschrift hat der Inhaber des alten Wasserrechts einen Anspruch auf eine wasserrechtliche Bewilligung im Umfang des erloschenen Rechts, wenn er sein Recht aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht nach den Wassergesetzen der DDR aufrechterhalten oder die zur Ausübung des Rechts erforderlichen Anlagen nicht erhalten hat. § 38 WG LSA lässt in seiner Ausgestaltung als Restitutionsvorschrift eine Auslegung dahin gehend zu, dass die Vorschrift auch die Fälle erfasst, in denen ein altes Recht nach § 32 WG LSA deshalb erloschen ist, weil der konkrete Vollzug der Wassergesetze der DDR nicht zur Aufrechterhaltung der alten Wasserrechte in einem geordneten Verfahren geführt hat.

Nach § 38 WG LSA steht die Erteilung der Bewilligung nicht im Ermessen der Wasserbehörde, sondern muss bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung als gebundene Entscheidung ergehen. Diese Rechtsfolge ist aber nicht ausreichend zum Schutz des Altrechtes. Müsste der Inhaber des erloschenen alten Rechts uneingeschränkt alle nunmehr geltenden Anforderungen an neu zu erteilende Bewilligungen erfüllen, hätte er aus der Überleitungsvorschrift des § 38 WG LSA keinen Nutzen, der seinem erloschenen alten Recht angemessen wäre. Insoweit ist der Anwendungsbereich des § 38 WG LSA sowohl hinsichtlich des Tatbestandes als auch hinsichtlich der Rechtsfolge verfassungskonform zu erweitern.

Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt dabei eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Eine Gesetzeslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d. h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Davon zu unterscheiden ist ein sog. rechtspolitischer Fehler, der vorliegt, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber - gemessen an dem mit ihr verfolgten Zweck- nicht als planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist. Eine Auslegung gegen den Wortlaut kommt zudem nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, wenn nämlich die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (vgl. BFH, U. v. 12.12.2002 - III R 33/01 -, BStBl II 2003, 322, m. w. N.).

Eine solche planwidrige Gesetzeslücke ist vorliegend gegeben. Aus den Gesetzesmaterialien ist zunächst nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber das Regelungssystem der §§ 32 bis 38 WG LSA in voller Kenntnis der Umstände, insbesondere der Praxis des Vollzuges des Wassergesetzes in der vormaligen DDR, geschaffen hat. Der Gesetz sollte sich inhaltlich und strukturell soweit wie möglich am Wassergesetz des Landes Niedersachsen orientieren (vgl. Abgeordnete Bill und Dr. Schwalba, Plenarprotokoll 1/36 v. 17.09.1992, S. 4027). Auch die Überleitungsvorschriften der §§ 32 bis 38 WG LSA orientieren sich weitgehend an den im Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses geltenden Bestimmungen des Niedersächsischen Wassergesetzes. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Altrechte dabei lediglich zwei Fallgruppen als regelungsbedürftig angesehen: Einmal die Gruppe von Altrechtsinhabern, deren Rechte nach Maßgabe der Wassergesetze der DDR geprüft und als fortbestehend anerkannt worden sind und deren rechtmäßige Anlagen am 01. Juli 1990 noch bestanden, zum anderen die Gruppe von vormaligen Altrechtsinhabern, deren Rechte aus nicht von ihnen zu vertretenden Umständen erloschen waren bzw. wo ein Altrecht zwar aufrechterhalten worden war, aber keine Anlagen mehr vorhanden waren, welche eine zeitnahe Wiederaufnahme der nach dem Altrecht eingeräumten Nutzung ermöglichten. Die hier gegebene Konstellation, dass auch am 01. Juli 1990, jedenfalls bei angemessener Würdigung der Umstände in der ehemaligen DDR, noch Anlagen vorhanden waren, welche zur Ausübung des alten Rechts im Ansatz noch geeignet waren (vgl. zu diesem Erfordernis: Bell, ZfW 2004, 65) und bei denen sich nur wegen des unzureichenden Vollzuges des Wassergesetzes in der DDR keine Aufrechterhaltung des Altrechtes feststellen lässt, ist nicht gesehen worden. Es lässt sich allerdings auch nicht feststellen, dass der Gesetzgeber diese Gruppe gegenüber den sonstigen Altrechtsinhabern bewusst benachteiligen wollte. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Bundesgesetzgeber im Vermögensgesetz die Maßnahmen der Regierung der DDR aufgrund des Beschlusses des Ministerrates vom 09. Februar 1972, wie sie den Vater des Klägers und dessen Unternehmen betrafen, als grundsätzlich wiedergutzumachendes Unrecht qualifiziert hat (§ 1 Abs. 1 Buchst. d VermG). Die auf der Grundlage eines Beschlusses der SED aus dem Jahre 1956 eingeführten staatlichen Beteiligungen waren der Ausgangspunkt einer Politik der Verstaatlichung, welche die vollständige Überführung der Produktionsmittel in Volkseigentum verfolgte und mit dem Ministerratsbeschluss vom 09. Februar 1972 ihren (vorläufigen) Abschluss fand. Die erzwungene Einräumung der staatlichen Beteiligung stellte nichts anderes als einen ersten Schritt und damit die Vorstufe zur endgültigen Enteignung dar. Diesem Konzept folgend mussten Privatunternehmen, welche durch die Steuerpolitik der DDR und die Praxis der staatlichen Warenzuteilung zunehmend benachteiligt wurden, ab 1960 zunächst die Aufnahme eines staatlichen Kommanditisten dulden; später wurde die privaten Komplementäre nach zwischenzeitlicher ständiger Erhöhung des staatlichen Kapitalanteils endgültig durch eine Schädigungsmaßnahme nach § 1 Abs. 1 Buchst. d VermG aus der Gesellschaft gedrängt (vgl. BVerwG, u. v. 05.07.2000 - 7 C 95/99 - VIZ 2001, 96). Eine angemessene Wahrung der Interessen der privaten Unternehmer in den halbstaatlichen Unternehmen war daher in der Rechtswirklichkeit der DDR ab 1960 regelmäßig nicht mehr festzustellen.

§ 38 WG LSA gibt daher bei einer erweiternden Auslegung einen adäquaten Ausgleich für das ohne Zutun des Inhabers erloschene alte Wasserrecht, dessen Ausübung am 01. Juli 1990 infolge der Existenz benutzbarer Anlagen zumindest abstrakt möglich war, wenn für dessen erneute Begründung als Bewilligung keine weitergehenden Anforderungen nach neuem Recht gestellt werden, als sie bei einem aufrechterhaltenen Recht nach § 33 Satz 3 WG LSA über nachträgliche Anforderungen und Maßnahmen möglich sind. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Bewilligung in der erweiterten Form sind vorliegend gegeben. Dem Kläger kann dabei nicht entgegengehalten werden, dass er den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nicht innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 38 WG LSA gestellt hat. Zwar ist dem Beklagten dahin gehend beizupflichten, dass es sich bei der in § 38 WG LSA formulierten Frist um eine materielle Ausschlussfrist handelt. Sie dient offenkundig dem Zweck, in angemessener Zeit einen Überblick über die geltend gemachten Ansprüche hinsichtlich einer Gewässerbenutzung zu gewinnen. Gerade vor dem Hintergrund der Bestimmung der wasserwirtschaftlichen Ziele in § 2 Abs. 1 WG LSA ist die Aufnahme einer gesetzlichen Ausschlussfrist im Rahmen einer Überleitungsregelung grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Fristbestimmung trägt ferner auch dem Umstand Rechnung, dass die Feststellung des Sachverhalts nach allgemeiner Erfahrung nach weiterem Zeitablauf entweder überhaupt nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren Mühen möglich ist.

Bei der Versäumung von Ausschlussfristen kommt - da eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen ist - eine sogenannte Nachsichtgewährung in Betracht. Danach kann die verspätete Handlung gleichwohl dann als fristwahrend anzusehen sein, wenn die Fristversäumung auf höherer Gewalt (BVerwG, U. v. 23.04.1985 - 9 C 7/85 - DÖV 1986, 31) oder auf staatlichem Fehlverhalten (BVerwG, U. v. 28.03.1996 - 7 C 28/95 - BVerwGE 101, 39) bzw. wenn der Berufung auf die Einhaltung der Frist Treu und Glauben entgegenstehen (BVerwG, U. v. 27.05.1966 - VII C 139/64 - BVerwGE 24, 154). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U. v. 05.07.1989 - 1 BvL 11/97 u. a. - BVerfGE 80, 297, 311) sind ferner materiell-rechtliche Ausschlussfristen bzw. Stichtage an Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Es ist zu prüfen, ob der Gesetzgeber dem ihm zukommenden Gestaltungsraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint. Soweit die verspätete Antragstellung dem Zweck der gesetzlichen Fristbestimmung nicht entgegensteht, ist die Frage der Fristversäumung stets unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen (vgl. dazu BVerwG, U. v. 28.03.1996, a. a. O.).

Unter Beachtung der Rechtsposition des Klägers kann ihm eine mögliche Fristversäumnis nicht entgegengehalten werden, da sich der Beklagte unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht auf die Säumnis des Klägers berufen kann. Zunächst musste der Inhaber alter Rechte aufgrund des Wortlautes der Norm davon ausgehen, dass er nach § 38 WG LSA an Stelle eines ehemals bestehenden Rechts nur dann und nur in dem Umfang eine Bewilligung erhalten kann, wie das jetzt geltende Recht dies bei neuen Bewilligungsanträgen zulässt. Es besteht deshalb die nahe liegende Möglichkeit, dass sich Inhaber alter Rechte davon haben abhalten lassen, überhaupt einen Antrag nach § 38 WG LSA zu stellen. Im Übrigen setzt die Erteilung einer Bewilligung nach § 14 Abs. 2 WG LSA - anders als die bloße Feststellung von Altrechten nach § 32 WG LSA - eine Konkretisierung des Vorhabens voraus, für welches eine Bewilligung begehrt wird. Diese Konkretisierung ist unter Umständen mit einem erheblichen Planungsaufwand verbunden, welche den vormaligen Inhaber von Altrechten von einer fristgerechten Antragstellung abhalten könnte. Im Übrigen musste sich dem Kläger auch aufgrund des Schriftverkehrs mit dem Staatlichen Amt für Umweltschutz in Halle und dem Regierungspräsidium Halle innerhalb des Laufes der Frist des § 38 WG LSA nicht aufdrängen, dass er noch einen formellen Antrag nach § 38 WG LSA zu stellen hätte. So heißt es noch in dem Protokoll einer Arbeitsbesprechung zwischen dem Staatlichen Umweltamt und dem Regierungspräsidium Halle vom 19. März 1997 hinsichtlich des Altrechtes des Klägers: "Die Bestandskraft des Altrechtes ist unstrittig." (Bl. 37 der Beiakte A). Streitig war nach dieser Besprechung nur noch, inwiefern dem Kläger erlaubt werden sollte, das nach dem Altrecht bestehende Stauziel jahreszeitabhängig zu erhöhen.

Ausweislich von Stellungnahmen des Staatlichen Amtes für Umweltschutz vom 29. Dezember 1998 (Bl. 47 der Beiakte A) und vom 01. Juni 1999 (Bl. 70 der Beiakte A) stehen der Wiedereinräumung der alten Rechte, soweit das Recht zum Aufstauen des Mühlgrabens und den Gebrauch des Wassers zum Betrieb der Mühle betrifft, keine fachlichen Bedenken entgegen. Der Kläger hat im Klageverfahren weiter dargelegt, dass eine Steuerung des Mühlgrabens mittlerweile durch ein seit 1936 bestehendes Deichsiel erfolgt und insofern eine Absperrung durch die ehemals bestehende und in der Sicherstellungsurkunde aufgeführte Einlassschleuse nicht mehr für den Betrieb der Wasserbenutzungsanlage zwingend notwendig ist. Das für die Nutzung der Mühle erforderliche Wasser wird aber weiter über den noch vorhandenen Bereich der Einlassschleuse dem Mühlenbetrieb zugeleitet. Insoweit sind keine Hindernisse ersichtlich, welche der Erteilung der begehrten Bewilligung entgegenstehen.

Weitere fachliche oder rechtliche Hindernisse, welche der Einräumung des Altrechtes in der Gestalt der - hilfsweise - begehrten Bewilligung entgegenstehen könnten, sind nicht erkennbar, so dass diesem Begehren zu entsprechen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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