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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 03.05.2006
Aktenzeichen: 1 L 45/06
Rechtsgebiete: WBO


Vorschriften:

WBO § 6 II
WBO § 17 IV 1
1. Dem Schriftformerfordernis in § 6 Abs. 2 WBO und § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO ist grundsätzlich nur bei handschriftlicher Unterzeichnung durch den Antragsteller oder seinen Bevollmächtigten genügt. Erst die eigenhändige Unterschrift ist im Rechtsverkehr das typische Merkmal, um den Urheber eines Schriftstücks festzustellen und seinen Willen, die schriftlich niedergelegte Erklärung in den Verkehr zu bringen, zu ermitteln. Dementsprechend kann ein nicht unterschriebenes Schriftstück im Rechtsverkehr grundsätzlich nur als Entwurf gewertet werden.

2. Ausnahmen von dem Grundsatz, dass bestimmende fristwahrende Schriftsätze handschriftlich zu unterzeichnen sind, sind zuzulassen, etwa bei Einreichung bestimmter Schriftsätze durch Telegramm, bei Einreichung einer von einem Prozessbevollmächtigten handschriftlich beglaubigten Abschrift, bei Unterschrift auf einem dem bestimmenden Schriftsatz beigefügten Anschreiben, bei Schriftsätzen von Behörden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Anstalten die auf der Reinschrift mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Namenswiedergabe des Verantwortlichen.

3. Maßgeblich für Ausnahmen von dem Grundsatz, dass bestimmende fristwahrende Schriftsätze handschriftlich zu unterzeichnen sind, ist, dass aus dem fraglichen Schriftstück allein oder in Verbindung mit beigefügten Anlagen ohne Rückfragen oder Beweiserhebung die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, mit einer der Unterschrift unter dem Schreiben gleichwertigen Sicherheit zu entnehmen sind. War zum Zeitpunkt des Einganges des Schriftstückes nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass dieses ohne Willen und Wissen des Antragstellers bzw. dessen Bevollmächtigten in Verkehr gebracht wurde, ist die Annahme eines Annahmefalles ausgeschlossen; das Schreiben muss vielmehr in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise den Willen des Soldaten zum Ausdruck bringen, die begehrte Entscheidung herbeizuführen.

4. Grundsätzlich unzureichend ist, dass ein ohne handschriftliche Unterschrift versehenes Schreiben im Briefkopf die Absenderangabe enthält, sich an den zuständigen Adressaten wendet und auf den angefochtenen Bescheid Bezug nimmt, wenn zum Zeitpunkt des Einganges dieses Schreibens bei der zuständigen Stelle dem Schriftstück keine weiteren Unterlagen beigefügt waren.

5. Das Fehlen der Unterschrift kann durch eine spätere Erklärung, die Unterschrift sei versehentlich unterblieben und der Rechtsbehelf bleibe aufrechterhalten, nicht geheilt und die notwendige eigenhändige Unterschrift nicht in entsprechender Anwendung des § 82 Abs. 2 VwGO nachgeholt werden.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 L 45/06

Datum: 03.05.2006

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 31. Januar 2006 hat keinen Erfolg.

Die vom Kläger gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

"Ernstliche Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg; ist hingegen der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens lediglich offen, rechtfertigt dies die Zulassung der Berufung nicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Mai 1997, DVBl. 1997, 1327; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. November 1997, NVwZ 1998, 530; Beschluss vom 22. April 1998, DVBl. 1999, 120; OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschlüsse vom 26. Januar 1998 - Az.: A 3 S 197/97 -, vom 19. Februar 1999 - Az.: A 3 S 71/97 -, vom 22. April 2004 - Az.: 3 L 228/02 -, vom 23. Januar 2006 - Az.: 1 L 10/06 -). Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ist der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen. Dies erfordert, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - Az.: 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Mithin ist zugleich erforderlich, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl.: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Mai 1997 - Az.: 11 B 799/97 -, DVBl. 1997, 1344; Beschluss vom 9. Juli 1997 - Az.: 12 A 2047/97 -, DVBl. 1997, 1342; OVG LSA, Beschluss vom 22. April 2004 - Az.: 3 L 228/02 -; vgl. auch zu den entsprechenden Anforderungen an eine Revisionsbegründung: BVerwG, Beschluss vom 23. September 1999 - Az.: 9 B 372.99 -; Urteil vom 30. Juni 1998 - Az.: 9 C 6.98 -, BVerwGE 107, 117; Urteil vom 3. März 1998 - Az.: 9 C 20.97 -, BVerwGE 106, 202; Urteil vom 25. Oktober 1988 - Az.: 9 C 37.88 -, BVerwGE 80, 321). An die Begründung des Antrags im Zulassungsverfahren sind insoweit keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die Revisionsbegründung (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 1997 - Az.: Bs IV 2/97 -, NVwZ 1997, 689; OVG LSA, Beschluss vom 22. April 2004 - Az.: 3 L 228/02 -; BVerwG, Beschluss vom 23. September 1999, a. a. O. [m. w. N.]).

In Anlegung dieser Maßstäbe rechtfertigt das Vorbringen des Klägers die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht.

Soweit der Kläger einwendet, das Verwaltungsgericht habe bei der Annahme des Fehlens der nach § 6 Abs. 2 WBO vorgegebenen Schriftform übersehen, dass "der einzige Umstand, der aus Sicht des Empfängers dafür" gesprochen habe, "die fehlende Unterschrift" gewesen sei (vgl. Seite 2 [unten] f. der Antragsbegründungsschrift), werden die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung hinsichtlich des Schriftformerfordernisses sowohl in Bezug die Regelung des § 6 Abs. 2 WBO als auch die insoweit entsprechende Bestimmung des § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO klargestellt, dass der vorgeschriebenen Schriftform grundsätzlich nur bei handschriftlicher Unterzeichnung durch den Antragsteller oder seinen Bevollmächtigten genügt ist. Denn erst die eigenhändige Unterschrift ist im Rechtsverkehr das typische Merkmal, um den Urheber eines Schriftstücks festzustellen und seinen Willen, die schriftlich niedergelegte Erklärung in den Verkehr zu bringen, zu ermitteln. Dementsprechend kann ein nicht unterschriebenes Schriftstück im Rechtsverkehr grundsätzlich nur als Entwurf gewertet werden (siehe zu § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO: BVerwG, Beschluss vom 25. August 1970 - Az.: 1 WB 136.69 -, BVerwGE 43, 113; Beschluss vom 19. Mai 1981 - Az.: 1 WB 7.81 -, zitiert nach juris.web; Beschluss vom 21. Juli 1982 - Az.: 1 WB 128.81 -, BVerwGE 76, 11; auf die vorstehenden Entscheidungen ausdrücklich Bezug nehmend zu § 6 Abs. 2 WBO: BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 1983 - Az.: 1 WB 27.81 -, NJW 1984, 444 [m. w. N.]).

Hiernach ist der rechtliche Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichtes, die fehlende Unterschrift unter dem Schriftstück vom 26. Mai 2005 (Bl. 54 bis 56 der Beiakte A) führe grundsätzlich dazu, dass dem Schriftformerfordernis des § 6 Abs. 2 WBO nicht genügt wurde, nicht zu erinnern.

Soweit der Kläger im Übrigen einwendet, vorliegend sei - ausnahmsweise - gleichwohl zu erkennen gewesen, dass es sich bei dem vorbezeichneten Schriftstück nicht lediglich um einen bloßen Entwurf gehandelt habe (vgl. Seite 2 [unten] f. der Antragsbegründungsschrift), tritt er auch insoweit den tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes nicht mit schlüssigen Gegenargumentern entgegen.

Nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, die ihrerseits auf anderweitige höchstrichterliche Rechtsprechung verweist, sind Ausnahmen von dem Grundsatz, dass bestimmende fristwahrende Schriftsätze handschriftlich zu unterzeichnen sind, zuzulassen, etwa bei Einreichung bestimmter Schriftsätze durch Telegramm, bei Einreichung einer von einem Prozessbevollmächtigten handschriftlich beglaubigten Abschrift, bei Unterschrift auf einem dem bestimmenden Schriftsatz beigefügten Anschreiben, bei Schriftsätzen von Behörden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Anstalten die auf der Reinschrift mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Namenswiedergabe des Verantwortlichen. Diese Voraussetzungen liegen in dem hier zu entscheidenden Fall nicht vor und werden auch nicht zulassungsbegründend dargelegt.

Maßgeblich für die Ausnahmen von dem Grundsatz, dass - wie hier - bestimmende fristwahrende Schriftsätze handschriftlich zu unterzeichnen sind, ist daher, dass aus dem fraglichen Schriftstück allein oder in Verbindung mit beigefügten Anlagen ohne Rückfragen oder Beweiserhebung die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, mit einer der Unterschrift unter dem Schreiben gleichwertigen Sicherheit zu entnehmen sind (siehe: BVerwG, Beschlüsse vom 19. Mai 1981, 21. Juli 1982 und 30. Juni 1983, jeweils a. a. O. [m. w. N.]). War zum Zeitpunkt des Einganges des Schriftstückes nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass dieses ohne Willen und Wissen des Antragstellers bzw. dessen Bevollmächtigten in Verkehr gebracht wurde, ist die Annahme eines Annahmefalles ausgeschlossen; das Schreiben muss mithin in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise den Willen des Soldaten zum Ausdruck bringen, die begehrte Entscheidung herbeizuführen (so ausdrücklich: BVerwG, Beschlüsse vom 19. Mai 1981 und 21. Juli 1982, a. a. O.). Von einer - wie der Kläger meint (vgl. Seite 4 der Antragsbegründungsschrift) - "geringeren Förmlichkeit des Beschwerdeverfahrens" kann mithin nach dem hier maßgeblichen Verfahren gemäß § 6 Abs. 2 WBO gerade nicht gesprochen werden.

Als den vorstehenden Anforderungen nicht genügend hat das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang angesehen, dass das fragliche Schreiben im Briefkopf die Absenderangabe enthält, sich an den zuständigen Adressaten wendet und auf den angefochtenen Bescheid Bezug nimmt, wenn zum Zeitpunkt des Einganges dieses Schreibens bei der zuständigen Stelle dem Schriftstück keine weiteren Unterlagen beigefügt waren. So lag der Fall, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch hier. Denn dem Schriftstück mit Datum vom 26. Mai 2005 waren keine weiteren Unterlagen beigefügt, nach denen mit Sicherheit auszuschließen war, dass es ohne Willen und Wissen des Bevollmächtigten des Klägers in Verkehr gebracht wurde. Insbesondere war keine Vollmacht des Klägers beigefügt. Diese wurde ebenso wenig mit Schreiben des Bevollmächtigten vom 19. Mai 2005 (Bl. 51 f. der Beiakte A) vorgelegt. Insofern vermag sich der Kläger auch hierauf nicht mit Erfolg zu berufen (vgl. Seite 2 [unten] f. der Antragsbegründungsschrift), zumal das Schreiben vom 19. Mai 2005 auf eine unlängst zurückliegende Anhörungsmitteilung der Beklagten vom 12. April 2005 rekurriert. Da zwischenzeitlich der streitbefangene Leistungsbescheid erlassen wurde und der Kläger ausweislich eines Aktenvermerkes vom 18. April 2005 (Bl. 44 der Beiakte A) im Falle der Nicht-Übernahme der Kosten seitens der klägerischen Versicherung "wahrscheinlich Ratenzahlung beantragen" würde, musste die Beklagte auch nicht annehmen, der Kläger habe bereits nach der erst kurz zuvor am 23. Mai 2005 erfolgten Zustellung des Leistungsbescheides (Bl. 53 der Beiakte A) in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise einen Rechtsbehelf einlegen wollen. Dass - wie der Kläger weiter ausführt (vgl. Seite 3 der Antragsbegründungsschrift) - dem Büro seines Bevollmächtigten der bereits erfolgte Versand des Leistungsbescheides fernmündlich mitgeteilt worden war, vermag an der vorstehenden Bewertung nichts zu ändern.

Soweit sich der Kläger schließlich darauf beruft, die Beklagte habe eine besondere Schutzpflicht getroffen, sie hätte ihn insbesondere auf die fehlende Unterschrift hinweisen oder jedenfalls nachfragen müssen (vgl. Seite 3 [unten] f. der Antragsbegründungsschrift), werden ebenso wenig die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Zum einen kann das Fehlen der Unterschrift durch die spätere Erklärung des Bevollmächtigten des Klägers, die Unterschrift sei versehentlich unterblieben und der Rechtsbehelf bleibe aufrechterhalten, nicht geheilt sowie zum anderen die notwendige eigenhändige Unterschrift nicht in entsprechender Anwendung des § 82 Abs. 2 VwGO nachgeholt werden (so ausdrücklich: BVerwG, Beschlüsse vom 19. Mai 1981 und 21. Juli 1982, a. a. O.). Im Übrigen ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet war, von sich aus tätig zu werden, um auf eine Beseitigung des Mangels hinzuweisen (offen gelassen: BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1982, a. a. O.). Ungeachtet dessen hat jedenfalls nach den nicht - zulassungsbegründend - angefochtenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten das Fehlen der Unterschrift erst nach Ablauf der Beschwerdefrist festgestellt. Auf diesen Umstand hat das Verwaltungsgericht rechtlich abgestellt (vgl. Seite 4 der Urteilsabschrift). Dass demgegenüber die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, innerhalb der Beschwerdefrist einen Rechtsbehelf in der Sache einschließlich der dazugehörigen Sachentscheidungsvoraussetzungen (etwa: Frist, Form) zu prüfen, legt die Antrags(begründungs)schrift nicht (zulassungsbegründend) dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren folgt aus §§ 40, 47, 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1

VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 4 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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