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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 03.04.2009
Aktenzeichen: 1 L 70/08
Rechtsgebiete: 2. BesÜV, ZDv 14/5


Vorschriften:

2. BesÜV
ZDv 14/5
Eine Versetzung von Soldaten in das frühere Bundesgebiet wird nach der besonderen Regelung in der ZDv 14/5 Abschnitt P 171 Nr. 12 erst mit dem tatsächlichen Dienstantritt im früheren Bundesgebiet wirksam. Dies ist bei einer lediglich aus militärorganisatorischen Gründen erfolgten "buchmäßigen" Versetzung an den Standort K. im Rahmen eines KFOR-Einsatzes nicht der Fall.
Gründe:

I.

Der Kläger begeht die Gewährung nicht nach den Maßgaben der 2. BesÜV gekürzter Dienstbezüge.

Der Kläger stand - zuletzt als Hauptfeldwebel - bis zum 30. November 2008 im Soldatenverhältnis auf Zeit bei der Beklagten. Bis zum 28. Oktober 1999 wurde der Kläger im Beitrittsgebiet, zuletzt bei dem Sanitätsregiment 13 in D-Stadt verwendet. Mit "Versetzungsverfügung" vom 30. September 1999 wurde seine "Versetzung" zum Sanitätsregiment 13 mit dem Standort E-Stadt verfügt. Allerdings leistete der Kläger dort keinen Einsatz; vielmehr wurde er noch am 29. Oktober 1999 unmittelbar nach F-Stadt geflogen, wo er bis zum 12. Mai 2000 im Auslandseinsatz Dienst tat. Während der Zeit seiner Auslandsverwendung erhielt der Kläger einen Zuschuss gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 der 2. BesÜV in der damals maßgeblichen Fassung. Im Anschluss an den Auslandseinsatz kehrte der Kläger - auf der Grundlage einer "Versetzungsverfügung" vom 12. Mai 2000 - unmittelbar an seine Stammdienststelle D-Stadt zurück.

Mit Antrag vom 20. Juni 2000 begehrte der Kläger, ihm rückwirkend zum 1. Oktober 1997 statt der nach Maßgabe der 2. BesÜV abgesenkten Dienstbezüge die vollen Bezüge nach dem BBesG zu gewähren. Die zuständige Wehrbereichsverwaltung setzte eine Entscheidung über den Antrag zunächst - im Hinblick auf anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht - aus. Mit Ablehnungsbescheid vom 20. März 2006 lehnte die Wehrbereichsverwaltung Ost das Begehren des Klägers mit der Begründung ab, ihm sei lediglich für die tatsächliche Verwendung im Auslandseinsatz ein Zuschuss gemäß § 6 2. BesÜV zu bewilligen gewesen; mit Beendigung des Auslandseinsatzes sei der Kläger wieder auf das Besoldungsniveau der 2. BesÜV "zurückgefallen". Die dagegen gerichtete Beschwerde wies die Wehrbereichsverwaltung Ost mit Beschwerdebescheid vom 4. Mai 2006 zurück mit der Begründung, der Kläger sei - abgesehen von seinem Auslandseinsatz - weder dauerhaft noch vorübergehend außerhalb des Beitrittsgebietes verwendet worden. Insbesondere sei er niemals tatsächlich am Standort E-Stadt eingesetzt worden; Ziel der Personalverfügung vom 30. September 1999 sei von vornherein gewesen, die Teilnahme des Klägers an dem KFOR-Auslandseinsatz im F-Stadt organisatorisch zu begleiten.

Mit seiner fristgerecht vor dem Verwaltungsgericht Leipzig eingelegten Klage hat der Kläger zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ihm stehe ein Anspruch auf Gewährung ungekürzter Dienstbezüge seit dem 13. Mai 2000, dem Tag nach Beendigung des Auslandseinsatzes zu, denn es sei davon auszugehen, dass er aufgrund der Verfügung vom 29. Oktober 1999 nach E-Stadt, mithin in das frühere Bundesgebiet versetzt worden sei. Maßgeblich sei der durch die Wahl der Personalmaßnahme erklärte Wille der Beklagten. Die Besonderheiten des Auslandseinsatzes seien rechtlich unbeachtlich.

Der Kläger hat - nach Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Halle - dort beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. März 2006 und ihres Beschwerdebescheides vom 4. Mai 2006 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 13. Mai 2000 Dienstbezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz ohne die Einschränkung des 2. BesÜV zu gewähren und die insoweit ausstehenden Beträge nachzuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die Bezeichnung der Verfügung vom 30. September 1999 als "Versetzungsverfügung" ändere nichts daran, dass der Kläger dort tatsächlich keinen Dienst ausgeübt habe. Bei dem hier gegebenen Fall des von vornherein befristeten Auslandseinsatzes sei nicht von einer Verwendung im früheren Bundesgebiet auszugehen. Im Übrigen hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen, als den klägerischen Ansprüchen bis zum Dezember 2002 die Einrede der Verjährung entgegenstehe. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht der Klage entsprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der Versetzungsverfügung vom 30. September 1999 zum 29. Oktober 1999 von D-Stadt nach E-Stadt versetzt worden sei und erst anschließend aufgrund einer weiteren Kommandierungsverfügung im F-Stadt eingesetzt worden sei. Eine Versetzung sei - anders als eine Kommandierung - keine vorübergehende Personalmaßnahme, sondern eine auf Dauer angelegte Verfügung. Entscheide sich der Dienstherr für eine Versetzung, dann sei diese Personalmaßnahme ihrem Wesen nach - unabhängig von der gewollten Verwendungsdauer - auf Dauer angelegt, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass fälschlicherweise die Bezeichnung "Versetzung" gewählt worden sei.

Am 20. Mai 2008 hat die Beklagte fristgerecht die Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil beantragt; diesem Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 1. Dezember 2008 entsprochen. Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beklagte - fristgemäß - folgendes ausgeführt:

Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Dienstbezüge ohne die Kürzung nach der 2. BesÜV zu, da eine tatsächliche Verwendung außerhalb des Beitrittsgebietes - abgesehen von dem Auslandseinsatz im F-Stadt - nicht vorgelegen habe. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt Dienst in E-Stadt geleistet habe. Zudem habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass der Begriff der "Versetzung" im Soldatenrecht nicht gesetzlich normiert und damit auslegungsfähig sei. Insbesondere sei zu beachten, dass gemäß Nr. 12 des Abschnittes P 171 der ZDv 14/5 eine Versetzung nur wirksam und damit für die Rechtstellung des Soldaten maßgeblich sei, wenn dieser seine Dienstgeschäfte am neuen Dienstort oder einer neuen Einheit tatsächlich aufnehme. Die ausgesprochene "Versetzung" des Klägers nach E-Stadt sei lediglich aus militärorganisatorischen Gründen und - für den Antragsgegner zweifelsfrei - ersichtlich nur zum Zwecke seines zeitlich begrenzten Auslandseinsatzes erfolgt. Im Übrigen sei mit der aus rein militärorganisatorischen Gründen erfolgten Personalmaßnahme auch kein Wechsel der Behörde als Voraussetzung für eine statusrelevante Versetzung verbunden gewesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bleibt bei seiner im erstinstanzlichen Verfahren zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung der Beklagten gemäß § 130 a Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130 a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgericht Halle ist zulässig und auch begründet: Das Verwaltungsgericht hätte die Klage insgesamt abweisen müssen, denn die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Voraussetzung für die vom Kläger begehrte Zahlung nicht nach der 2. BesÜV in der hier maßgeblichen Fassung gekürzter Dienstbezüge ist, dass der Kläger nicht nur vorübergehend außerhalb des Beitrittsgebietes verwendet worden ist. Diese Voraussetzung hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht bejaht, indem es aus der Versetzungsverfügung vom 30. September 1999 auf eine Verwendung des Klägers am Dienstort E-Stadt und damit im früheren Bundesgebiet geschlossen hat. Diese Rechtsauffassung geht indes fehl, denn sie lässt die vom Beamtenrecht abweichenden Besonderheiten der für die Soldaten verbindlichen Rechtslage außer Betracht.

Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist hier nicht allein auf die bloße Bezeichnung der Personalmaßnahme vom 30. September 1999 als "Versetzungsverfügung" abzustellen und bereits daraus auf eine Verwendung in E-Stadt, mithin im früheren Bundesgebiet abzustellen. Vielmehr sind hier die spezifischen Regelungen des Soldatenrechts von besonderer Bedeutung. Daher sind die auf der Grundlage von § 3 Soldatengesetz erlassenen spezifischen Bestimmungen über die Versetzung, den Dienstpostenwechsel und die Kommandierung von Soldaten (ZDv 14/5 Teil B 171 in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung) hinsichtlich der Frage der so genannten inneren Wirksamkeit von Versetzungsverfügungen zu berücksichtigen.

Gemäß Nr. 14 Abs. 1 ZDv 14/5 (nunmehr gleichlautend Nr. 12 Abs. 1) werden Versetzungen von Soldaten (erst) mit dem Tag des tatsächlichen Dienstantritts wirksam. Danach steht eine Versetzungsverfügung stets solange unter dem Vorbehalt ihrer inneren Wirksamkeit, bis der Soldat tatsächlich seinen Dienst an dem in der Versetzungsverfügung bestimmten Dienstort angetreten hat (so BVerwG, zuletzt B. v. 29.1.2008 - 1 WB 10.07 - juris). Gegen die Verbindlichkeit der auf § 3 Soldatengesetz basierenden Richtlinien bestehen - wie das Bundesverwaltungsgericht wiederholt festgestellt hat (vgl. BVerwG, B. v. 31.8.2006 - 2 WDB 2.06 - juris) - keine rechtlichen Bedenken. Die in Nr. 14 Abs. 1 ZDv 14/5 Teil B 171 getroffene Regelung über die innere Wirksamkeit von Versetzungsverfügungen hat nicht nur eine besoldungsrechtliche Bedeutung; sie gilt vielmehr umfassend für die Rechtsstellung des Soldaten und ergreift auch dessen truppendienstliche Unterstellung (so bereits BVerwG, B. v. 2.5.1984 - 2 WDB 6.84 - juris).

Auf den hier gegebenen Sachverhalt übertragen ergibt sich aus der vorgenannten Regelung der ZDv 14/5, dass eine Versetzung des Klägers an den Standort E-Stadt, mithin in das frühere Bundesgebiet, erst dann wirksam geworden wäre, wenn der Kläger dort tatsächlich seinen Dienst angetreten hätte. Es ist indes zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt tatsächlich in E-Stadt Dienst getan hat; die ausgesprochene "Versetzung" des Klägers nach E-Stadt diente ersichtlich lediglich militärorganisatorischen Gründen, nämlich der organisationstechnischen Einrichtung eines so genannten Meldekopfes für das KFOR-Kontingent im F-Stadt. Grund für diese Organisationsform war - wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat - der Umstand, dass die damaligen Auslandseinsätze nicht vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam, sondern vom Heeresführungskommando in E-Stadt gesteuert wurden; mit der rein "buchmäßigen" Versetzung nach E-Stadt sollte eine zügige und wirksame Personalbearbeitung für den Auslandsdienst sichergestellt werden. Mit Recht bemerkte die Beklagte zudem, dass durch die aus militärorganisatorischen Gründen erfolgte Personalmaßnahme auch kein Wechsel der militärischen Stammeinheit des Beklagten erfolgt ist; vielmehr behielt dieser auch mit der "Versetzung" seine Zugehörigkeit zum Sanitätsregiment 13 bei und kehrte unmittelbar im Anschluss an seinen Auslandseinsatz im F-Stadt dort hin zurück. Dass dem Kläger insoweit eine erneute (Rück-)"Versetzungsverfügung" erteilt worden ist, ist im Hinblick darauf, dass die Ausgangsverfügung keine innere Wirksamkeit erlangt hat, rechtlich unerheblich.

Danach ist der Kläger - wie die Beklagte mit Recht bemerkt - nach Beendigung des Auslandseinsatzes wieder auf das Besoldungsniveau der 2. BesÜV "zurückgefallen", denn der Anspruch auf den Zuschuss gemäß § 6 2. BesÜV endete mit Rückkehr des Klägers zu seiner Stammdienststelle (wie hier: VG Potsdam, U. v. 12.11.2003 - 2 K 904/02; bestätigt durch OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 11.11.2005 - 4 N 126.05). Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass - wie der Kläger meint - mit der hier vertretenen Rechtsauffassung "die Wehrdienstleistenden, welche im Auslandseinsatz die freiheitlichen Grundrechte verteidigen, beleidigt worden seien". Vielmehr ist dem Kläger - wie offensichtlich anderen Soldaten auch - für die Zeit seines Einsatzes im F-Stadt der Besoldungszuschuss gemäß § 6 2. BesÜV gewährt worden. Dass der Kläger hieraus keine Ansprüche auf die dauerhafte Zahlung einer "Westbesoldung" herleiten kann, stellt sich nicht als dessen Diskriminierung, sondern als Folge der hierzu von der Beklagten zu beachtenden Rechtsvorschriften dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 52 Abs. 1, 40, 47 GKG. Der Streitwert war in Höhe des pauschalierten Zwei-Jahres-Betrages aus der Differenz zwischen den erhaltenen und den erstrebten Dienstbezügen festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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