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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 16.09.2003
Aktenzeichen: 1 L 90/03
Rechtsgebiete: StVZO


Vorschriften:

StVZO § 31a
Die Auferlegung eines Fahrtenbuches wegen Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nach § 31a StVZO gegenüber dem Inhaber einer Firma als Fahrzeughalter ist zulässig, wenn dieser auf Grund des Einsatzplans für Geschäftsfahrten den Kraftfahrzeugführer nicht benennen kann oder die von ihm benannte Person bestreitet, das Kraftfahrzeug geführt zu haben. Weitere Ermittlungen innerhalb der Belegschaft sind in diesem Fall der Polizei nicht zumutbar. Auf die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist kommt es in diesem Fall nicht an.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 L 90/03

Datum: 16.09.2003

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Die von der Klägerin erhobenen Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Der Einwand der Klägerin, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei nicht auszuschließen, dass ihre verspätete Anhörung zu dem Verkehrsverstoß am 21. September 2000 ursächlich gewesen sei für die unterbliebene Ermittlung des Täters, weil der für die Führung des fraglichen Fahrzeugs eingeteilte Herr (...) wahrscheinlich noch Erinnerung an den Vorfall gehabt und gewusst hätte, wer zu diesem Zeitpunkt gefahren sei, wenn er rechtzeitig befragt worden wäre, greift nicht durch. Zwar gehört zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand grundsätzlich die unverzügliche, d. h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgende Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung, damit dieser die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann. Verzögerte Ermittlungshandlungen der Behörde schließen die Fahrtenbuchauflage gleichwohl nicht aus, wenn - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist (BVerwG, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 5).

Eine Kausalität der verzögerten Anhörung der Klägerin für die Nichtfeststellung des verantwortlichen Fahrers ist hier schon deshalb zu verneinen, weil die Klägerin sich gerade nicht darauf berufen hat, sich wegen des Zeitablaufs nicht mehr an den Fahrer erinnern zu können. Vielmehr hat die technische Angestellte der Klägerin, Frau (...), ausweislich des Vermerks der Polizeidirektion A-Stadt vom 24. November 2000 erklärt, dass Herr (...) an diesem Tag für die Führung des fraglichen Fahrzeugs eingeteilt gewesen sei, der LKW zum Vorfallszeitpunkt jedoch durchaus durch einen anderen Kollegen aus der Brigade geführt worden sein könne. Demnach ist davon auszugehen, dass eine Befragung innerhalb eines Zeitraumes von zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß - wie die Klägerin selbst einräumt - zu demselben Ergebnis geführt hätte, denn der Klägerin war es nach ihrer eigenen Einlassung, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, zu keinem Zeitpunkt möglich, selbst - etwa anhand von Einsatzplänen oder Abrechnungsunterlagen - festzustellen, wer den LKW tatsächlich gefahren hat. Da der Klägerin ohnehin nicht bekannt war, welcher Fahrer den Verkehrstoß begangen hat, ist ihre Rechtsverteidigung als Fahrzeughalterin durch die verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden, so dass die Nichteinhaltung der in der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Zwei-Wochen-Frist schon deshalb unschädlich ist (vgl. OVG Münster, U. v. 31.3.1995 - 25 A 2798/93 - NJW 1995, 3336). Auf das Erinnerungsvermögen des von der Klägerin an diesem Tag für die Führung des fraglichen Fahrzeugs eingeteilten Herrn (...) kommt es hierbei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an.

Der Klägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, dass - unabhängig von der verzögerten Anhörung - weitere Ermittlungen durch die Polizei angemessen und zumutbar gewesen wären. Eine Unmöglichkeit der Feststellung eines Fahrzeugführers ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 17.12.1982 - 7 C 3.80 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 12; B. v. 25.6.1987 - 7 B 139.87 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 17) zwar erst dann anzunehmen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Weitere Ermittlungsmaßnahmen waren vorliegend jedoch nicht zumutbar; insbesondere musste die Polizei entgegen der Auffassung der Klägerin die beiden weiteren als Fahrer in Betracht kommenden Personen nicht mehr anhören. Denn wenn mit einem Firmenfahrzeug ein Verkehrsverstoß begangen worden ist, kann es nicht Aufgabe der ermittelnden Behörde sein, innerbetriebliche Vorgänge aufzudecken, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht. Es fällt vielmehr in die Sphäre der Betriebsleitung, von vornherein organisatorische Vorkehrungen zu treffen, damit festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat (vgl. VGH Mannheim, U. v. 16.4.1999 - 10 S 114/99 -, NZV 1999, 396). Anders als etwa bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs durch verschiedene Familienmitglieder liegt es nicht zuletzt auch im kaufmännischen Eigeninteresse, Einsatzpläne vorzuhalten und die Geschäftsfahrten zu dokumentieren, um Vorkehrungen gegen missbräuchliche Verwendungen der Fahrzeuge für Privatfahrten zu treffen oder in Schadensfällen Ersatzansprüche belegen zu können. Kann die Geschäftsleitung den Fahrzeugführer nicht benennen oder bestreitet die von ihr benannte Person das Fahrzeug geführt zu haben, sind der Polizei weitere Ermittlungen zur Ermittlung des Fahrzeugführers nicht zumutbar (a. A. insoweit VGH Mannheim, a. a. O.).

Die behauptete Abweichung des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zur Frage der Unmöglichkeit der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers i. S. von § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO liegt aus den o. g. Gründen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus den §§ 14 Abs. 1 Satz 1 (analog), 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Senat hält in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Ziff. II 45.6) bei einer sechsmonatigen Fahrtenbuchauflage einen Streitwert von insgesamt 1.550,00 € (früher: 3.000,00 DM) für angemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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