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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: 1 L 98/07
Rechtsgebiete: LSA-PolLVO


Vorschriften:

LSA-PolLVO § 11 Abs. 3
LSA-PolLVO § 39
LSA-PolLVO § 40
1. § 11 Abs. 3 Satz 1 PolLVO LSA erfasst sachlich auch der Laufbahn entsprechende Dienstzeiten als Soldat.

2. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine Tätigkeit nach Art und Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprochen hat, ist der jeweilige Einzelfall, die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Sie muss ihrer Qualität nach mindestens einer Tätigkeit in einem Amt in der betreffenden Laufbahn entsprechen.

3. Die Prüfung soll im Sinne einer Einzelfallprüfung Aufschluss darüber vermitteln, ob vor dem Hintergrund des die Probezeit beherrschenden Bewährungsgedankens eine vorzeitige günstige Bewährungsprognose aufgrund einer bewährungsrelevanten Vortätigkeit gestellt werden kann.

4. Zur Gewährleistung der Feststellung der Bewährung des Beamten sollen die Vordienstzeiten nur dann auf die Probezeit angerechnet werden, wenn die Tätigkeit konkret für die Verwendung bzw. die Tätigkeit für die konkrete Verwendung im Polizeivollzugsdienst förderlich war.

5. Selbst wenn die formalen Voraussetzungen der Soll-Bestimmung des § 11 Abs. 3 Satz 1 PolLVO LSA vorliegen, ist die Berücksichtigung der von dieser Vorschrift erfassten Vordienstzeiten bei der Festsetzung der Probezeit nicht zwingend vorgeschrieben.


Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 20. März 2007 hat keinen Erfolg.

Die von ihm gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ausschließlich geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

"Ernstliche Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg; ist hingegen der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens lediglich offen, rechtfertigt dies die Zulassung der Berufung nicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Mai 1997, DVBl. 1997, 1327; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. November 1997, NVwZ 1998, 530; Beschluss vom 22. April 1998, DVBl. 1999, 120; OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschlüsse vom 26. Januar 1998 - Az.: A 3 S 197/97 -, vom 19. Februar 1999 - Az.: A 3 S 71/97 -, vom 22. April 2004 - Az.: 3 L 228/02 -, vom 16. Januar 2006 - Az.: 1 L 270/05 -). Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ist der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen. Dies erfordert, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - Az.: 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Mithin ist zugleich erforderlich, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Mai 1997 - Az.: 11 B 799/97 -, DVBl. 1997, 1344; Beschluss vom 9. Juli 1997 - Az.: 12 A 2047/97 -, DVBl. 1997, 1342; OVG LSA, Beschluss vom 22. April 2004 - Az.: 3 L 228/02 -; vgl. auch zu den entsprechenden Anforderungen an eine Revisionsbegründung: BVerwG, Beschluss vom 23. September 1999 - Az.: 9 B 372.99 -; Urteil vom 30. Juni 1998 - Az.: 9 C 6.98 -, BVerwGE 107, 117; Urteil vom 3. März 1998 - Az.: 9 C 20.97 -, BVerwGE 106, 202; Urteil vom 25. Oktober 1988 - Az.: 9 C 37.88 -, BVerwGE 80, 321). An die Begründung des Antrags im Zulassungsverfahren sind insoweit keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die Revisionsbegründung (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 1997 - Az.: Bs IV 2/97 -, NVwZ 1997, 689; OVG LSA, Beschluss vom 22. April 2004 - Az.: 3 L 228/02 -; BVerwG, Beschluss vom 23. September 1999, a. a. O. [m. w. N.]).

Das Vorbringen des Klägers begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit - des Ergebnisses - der angefochtenen Entscheidung.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger für sein Begehren auf Verkürzung seiner Probezeit durch Anrechung seiner Vordienstzeit als Soldat bei der Bundeswehr auf § 11 Abs. 3 Satz 1 PolLVO LSA vom 20. März 2006 (GVBl. LSA S. 89), die vorliegend gemäß §§ 39, 40 PolLVO LSA anzuwenden ist. Danach sollen Dienstzeiten im öffentlichen Dienst auf die Probezeit angerechnet werden, wenn die Tätigkeit nach Art und Bedeutung mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprochen hat und sie für die Verwendung im Polizeivollzugsdienst förderlich war.

Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht bezogen auf die Förderlichkeit der Vordienstzeiten nicht darauf abstellt, ob die erlernte Tätigkeit bei der Bundeswehr ihm im weiteren Polizeivollzugsdienst förderlich ist, sondern ob derzeit ein förderlicher Informationsvorsprung vorliege, welcher es rechtfertige, die derzeitige Probezeit des Beamten zu verkürzen, tritt er den tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes nicht mit schlüssigen Argumenten entgegen.

§ 11 Abs. 3 Satz 1 PolLVO LSA erfasst zwar sachlich auch der Laufbahn entsprechende Dienstzeiten als Soldat (vgl.: BVerwG, Urteil vom 24. November 1983 - Az.: 2 C 17.82 -, Buchholz 232.1 § 7 BLV Nr. 1). Maßgebend für die Beurteilung, ob eine Tätigkeit nach Art und Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprochen hat, ist indes der jeweilige Einzelfall, die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Sie muss ihrer Qualität nach mindestens einer Tätigkeit in einem Amt in der betreffenden Laufbahn entsprechen. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Probezeit, die Bewährung für das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in der Laufbahn nach dem Erwerb der Laufbahnbefähigung festzustellen (siehe § 11 Abs. Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 PolLVO LSA). Da die Tätigkeit des Beamten nach Art und Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprochen haben muss, kann zwar nicht gefordert werden, dass die Tätigkeit mit dem gesamten Tätigkeitskatalog der Beamten der entsprechenden Laufbahn vergleichbar ist oder dass eine Identität der Aufgaben besteht. Es genügt, ist aber auch erforderlich, dass im Einzelfall die Tätigkeit überwiegend einer Tätigkeit in der jetzigen Laufbahn entsprochen hat und von ihr maßgeblich geprägt worden ist (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, a. a. O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Juni 1995 - Az.: 2 A 10535/95 -, zitiert nach juris.web). Die Prüfung soll im Sinne einer Einzelfallprüfung nämlich Aufschluss darüber vermitteln, ob vor dem Hintergrund des die Probezeit beherrschenden Bewährungsgedankens eine vorzeitige günstige Bewährungsprognose aufgrund einer bewährungsrelevanten Vortätigkeit gestellt werden kann.

Damit ist der rechtliche Ansatz des Verwaltungsgerichtes dahin, dass gegenwärtig ein Informationsvorsprung bestehen muss, der die "derzeitige", also - naturgemäß - aktuelle Probezeit zu verkürzen in der Lage ist, ohne die Bewährungsfeststellung zu vereiteln, rechtlich nicht zu erinnern. Der Senat vermag auch - anders als der Kläger offenbar meint - nicht zu erkennen, dass ein anderer als der "derzeitige Probezeitraum" verkürzt werden könnte. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang weiter einwendet, es komme im Hinblick auf die Förderlichkeit der Vordiensttätigkeit nicht auf die derzeitige Verwendung im Polizeidienst, sondern auf die allgemeine Verwendung im Polizei(vollzugs)dienst an, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Aus den vorstehenden Ausführungen ist vielmehr zu schlussfolgern, dass zur Gewährleistung der Feststellung der Bewährung des Beamten die Vordienstzeiten nur dann auf die Probezeit angerechnet werden sollen, wenn die Tätigkeit konkret für die Verwendung bzw. die Tätigkeit für die konkrete Verwendung im Polizeivollzugsdienst förderlich war. Denn es ist weder zulassungsbegründend dargelegt noch anderweitig ersichtlich, wie eine bloß abstrakte oder gar unabhängig von der maßgeblichen Laufbahn gegebene Vordiensttätigkeit der (Feststellung der) Bewährung des Probebeamten dienlich sein sollte, wenn es ausreichen sollte, dass eine solche Vordiensttätigkeit nur "irgendwie" für die Verwendung - gar in einer beliebigen Laufbahn - im Polizeivollzugsdienst förderlich war.

Unabhängig davon legt der Kläger nicht substantiiert dar, dass selbst unter Zugrundelegung des von ihm aufgestellten Rechtssatzes vorliegend eine Verkürzung der Probezeit zu erfolgen hätte. Dass die von ihm geltend gemachten Tätigkeiten als Offizier bei der Bundeswehr nämlich qualitativ wie quantitativ derart prägend gewesen wären, dass sie nach Art und Bedeutung mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn (hier: Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes im gehobenen Dienst mit dem Eingangsamt der Besoldungsgruppe A 9 BBesO) entsprochen haben und zudem konkret für seine Verwendung im Polizeivollzugsdienst förderlich waren, ist weder substantiiert dargelegt noch anderweitig ersichtlich, zumal das Verwaltungsgericht dies ausdrücklich negiert hat (siehe Seite 5 [oben] der Urteilsabschrift). Dass das Verwaltungsgericht - wie der Kläger behauptet - die geltend gemachten Tätigkeiten nicht in seine Prüfung einbezogen habe, ist im Übrigen unzutreffend (siehe Seite 4 [Mitte] und 5 [Mitte] im Hinblick auf die Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide gemäß § 117 Abs. 5 VwGO). Die angefochtene Entscheidung ist auch nicht inkonsequent, wenn das Verwaltungsgericht eine Vordiensttätigkeit als Feldjäger dem Grunde nach im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 PolLVO LSA genügen ließe. Denn der Kläger legt nicht weiter dar, dass ein Offizier im Wachdienst wie ein Feldjäger vorwiegend oder gar ausnahmslos militärpolizeiliche Befugnisse wahrnimmt, worauf das Verwaltungsgericht maßgeblich abstellt.

Unabhängig davon legt der Kläger auch im Übrigen nicht ernstliche Zweifel am Ergebnis der angefochtenen Entscheidung begründend dar, dass er den von ihm geltend gemachten Anspruch auf eine Verkürzung seiner Probezeit hat. Selbst wenn die formalen Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 PolLVO LSA vorliegen, ist die Berücksichtigung der von dieser Vorschrift erfassten Vordienstzeiten bei der Festsetzung der Probezeit nicht zwingend vorgeschrieben. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 PolLVO LSA soll eine Anrechnung erfolgen. Bei einer Soll-Vorschrift ist in der Regel der Ermessensspielraum der zuständigen Stelle zwar eng. Nach dem dargelegten Regelungsinhalt des § 11 Abs. 3 Satz 1 PolLVO LSA kann indes der Ausschluss oder die Beschränkung der Anrechnung von Dienstzeiten im öffentlichen Dienst unter dem Gesichtspunkt der Bewährung sachlich gerechtfertigt sein. Durch die Anwendung der Soll-Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 1 PolLVO LSA darf nämlich die Feststellung über die Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung während der Probezeit nicht beeinträchtigt werden. Aus diesem Grunde wird es in der Regel auch gerechtfertigt und zweckmäßig sein, die Entscheidung über die Anrechnung nicht schon im Zusammenhang mit der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zu treffen, sondern erst nach Ableistung einer gewissen Probezeit, die eine abschließende Beurteilung der Bewährung ermöglicht (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, a. a. O.). Dass die Beklagte hiernach aufgrund einer vollständigen Ermessensreduktion gegenwärtig verpflichtet wäre, die Vordienstzeiten des Klägers auf seine jetzige Probezeit anzurechnen, ist weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Zulassungsverfahren folgt aus §§ 40, 47, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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