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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: 1 M 196/06
Rechtsgebiete: ZPO, VwGO


Vorschriften:

VwGO § 67 Abs. 3
VwGO § 154
VwGO § 173
ZPO § 88 Abs. 1
ZPO § 88 Abs. 2
1. Im Hinblick auf den vor dem Oberverwaltungsgericht bestehenden Anwaltszwang muss sich jeder Beteiligte gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch einen Rechtsanwalt oder durch einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule vertreten lassen. Die hierfür erforderliche Vollmacht ist gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu erteilen und kann nachgereicht werden; auf Aufforderung des Gerichts hat dies zu geschehen.

2. Ein von einem Vertreter ohne Vollmacht eingelegtes Rechtsmittel ist als unzulässig zu verwerfen.

3. Der Mangel einer schriftlichen Vollmacht kann gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 88 Abs. 1 ZPO vom Prozessgegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden.

4. Auch ohne eine solche Rüge kann das Gericht von Amts wegen dem Mangel einer Vollmacht nachgehen, wenn es Zweifel hegt, ob für die eingeleiteten Verfahren eine hinreichende Prozessvollmacht besteht.

5. Beim Auftreten eines Rechtsanwaltes als Prozessbevollmächtigten findet eine Prüfung der Vollmacht von Amts wegen zwar grundsätzlich nicht, wohl aber dann statt, wenn besondere Umstände dazu Anlass geben, die Bevollmächtigung des Anwalts in Zweifel zu ziehen.

6. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen zur Prüfung der Prozessvollmacht von Amts wegen vor, ist zur Anforderung der Prozessvollmacht weder eine Beschlussfassung des Gerichts erforderlich, noch ist es stets notwendig, damit eine Fristsetzung zu verbinden. Ob eine Frist gesetzt wird, liegt im richterlichen Ermessen.

7. Zur Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs muss das Gericht dem Rechtsanwalt indes zu erkennen geben, dass die Vollmacht bisher nicht vorgelegt wurde, dies jedoch zur Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs für erforderlich gehalten wird. Dazu ist im Allgemeinen ausreichend, dass die Prozessvollmacht angefordert wird. Ob dies durch den Spruchkörper, den Vorsitzenden oder den Berichterstatter geschieht, ist dabei ohne Bedeutung.

8. Der Mangel der Vollmacht kann nach Ergehen des das Rechtsmittel als unzulässig verwerfenden Beschlusses nicht mehr geheilt werden.

9. Zur Tragung der Kosten im Rechtsmittelverfahren in Falle fehlender Vollmacht.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 M 196/06

Datum: 18.10.2006

Gründe:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 11. September 2006 ist mangels (Nachweises der) Bevollmächtigung der hier auftretenden Rechtsanwälte bereits unzulässig und war daher zu verwerfen.

Vor dem Oberverwaltungsgericht besteht Anwaltszwang. Jeder Beteiligte muss sich gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch einen Rechtsanwalt oder durch einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule vertreten lassen. Die hierfür erforderliche Vollmacht ist gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu erteilen und kann nachgereicht werden; auf Aufforderung des Gerichts hat dies zu geschehen. Die Prozessvollmacht ermächtigt zu allen den Prozess betreffenden Prozesshandlungen. Ein von einem Vertreter ohne Vollmacht eingelegtes Rechtsmittel ist als unzulässig zu verwerfen, ebenso wie eine ohne Vollmacht eingereichte Klage als unzulässig abzuweisen ist. Unabhängig davon, ob der Mangel der Vollmacht von Amts wegen oder nur auf Rüge des Gegners hin zu berücksichtigen ist, ist eine ohne Vollmacht vorgenommene Prozesshandlung unzulässig. Die prozessrechtliche Bevollmächtigung kann nur durch eine schriftliche Vollmacht nachgewiesen werden, die zu den Gerichtsakten abzugeben ist. Setzt das Gericht einem vollmachtlosen Vertreter eine Frist zur Beibringung der Vollmacht, ist der vollmachtlose Vertreter nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist durch besonderen Beschluss oder in den Gründen des Urteils zurückzuweisen und ein von ihm eingelegtes Rechtsmittel ist als unzulässig zu verwerfen (siehe: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 17. April 1984 - Az.: GmS-OGB 2/83 -, BVerwGE 69, 380).

Dabei kann der Mangel einer schriftlichen Vollmacht gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 88 Abs. 1 ZPO vom Prozessgegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden. Vorliegend hat die Antragsgegnerin eine solche Rüge zwar nicht erhoben; indes kann auch das Gericht von Amts wegen dem Mangel einer Vollmacht nachgehen. Hierzu ist es befugt, wenn es Zweifel hegt, ob für die eingeleiteten Verfahren eine hinreichende Prozessvollmacht besteht (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG Beschluss vom 25. März 1996 - Az.: 4 A 38.95 -, Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 85). § 67 Abs. 3 VwGO wird nämlich durch § 88 Abs. 2 ZPO dahin ergänzt, dass beim Auftreten eines Rechtsanwaltes als Prozessbevollmächtigten eine Prüfung der Vollmacht von Amts wegen zwar grundsätzlich nicht, wohl aber dann stattfindet, wenn besondere Umstände dazu Anlass geben, die Bevollmächtigung des Anwalts in Zweifel zu ziehen (vgl.: BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1985 - Az.: 9 C 105.84 -, BVerwGE 71, 20 [m. w. N.]; Beschluss vom 16. April 1987 - Az.: 5 B 43.87 -, Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 69). So liegt der Fall hier.

Eine Vollmacht haben die hier für die Antragstellerin auftretenden Rechtsanwälte schon im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgelegt. Hinzu kommt, dass es als ungewöhnlich anzusehen ist, dass ein Rechtsanwalt, nachdem er - wie hier durch das Oberverwaltungsgericht - durch richterliche Anordnung zur Vorlage einer schriftlichen Vollmacht aufgefordert wurde, eine derartige Vollmacht nicht umgehend vorlegt oder zumindest eine Erklärung abgibt, was einer Vorlage bislang entgegengestanden habe (vgl.: BVerwG Beschluss vom 25. März 1996 - Az.: 4 A 38.95 -, Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 85). Selbst wenn die hier auftretenden Rechtsanwälte durch die Antragstellerin zur erstinstanzlichen Prozessvertretung bevollmächtigt gewesen sein sollten, ist weder zu ersehen noch dargelegt, dass die Antragstellerin mit der Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens einverstanden wäre. Zweifel daran bestehen insoweit nicht zuletzt auch deswegen, weil die hier auftretenden Rechtsanwälte in ihrer Beschwerdebegründungsschrift vom 10. Oktober 2006 letztlich keinen neuen Sachvortrag unterbreiten, was durchaus auf einen fehlenden Kontakt mit der Antragstellerin hindeuten könnte. Diese Zweifel hätten mit der - durch gerichtliche Verfügung aufgegebenen - Vorlage einer schriftlichen Vollmacht ohne weiteres ausgeräumt werden können.

Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen zur Prüfung der Prozessvollmacht von Amts wegen - wie mithin hier - vor, ist im Übrigen zur Anforderung der Prozessvollmacht weder eine Beschlussfassung des Gerichts erforderlich, noch ist es stets notwendig, damit eine Fristsetzung zu verbinden. Nach § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO i. V. m. § 67 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz VwGO obliegt es dem im Namen eines Verfahrensbeteiligten Auftretenden von sich aus, eine schriftliche Vollmacht vorzulegen. Eine Verletzung dieser Obliegenheit führt grundsätzlich zur Unzulässigkeit des eingelegten Rechtsbehelfs.

§ 67 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz VwGO, nach der "das Gericht" zur Nachreichung der schriftlichen Vollmacht eine Frist bestimmen kann, hat eine Fristsetzung zur Erfüllung dieser Kraft Gesetzes bestehenden Obliegenheit zum Gegenstand. Es handelt sich um eine Kann-Bestimmung. Ob eine Frist gesetzt wird, liegt im richterlichen Ermessen, ist also nicht zwingend vorgeschrieben. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass die Folgen, die eine Verletzung der nach § 67 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 1. Halbsatz VwGO kraft Gesetzes bestehenden Obliegenheit nach sich zieht, auch ohne eine Fristsetzung eintreten können (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1985 - Az.: 9 C 105.84 -, BVerwGE 71, 20).

Zur Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs muss das Gericht dem Rechtsanwalt indes zu erkennen geben, dass die Vollmacht bisher nicht vorgelegt wurde, dies jedoch zur Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs für erforderlich gehalten wird. Dazu ist im Allgemeinen ausreichend, dass die Prozessvollmacht angefordert wird. Ob dies durch den Spruchkörper, den Vorsitzenden oder den Berichterstatter geschieht, ist dabei ohne Bedeutung. Entscheidend ist, dass dem Prozessbevollmächtigten seine Obliegenheit zur Vollmachtvorlage ins Gedächtnis gerufen und ihm ausreichend Gelegenheit gegeben wird, den Zulässigkeitsmangel zu heilen. Das gilt - sofern die Voraussetzungen einer Prüfung der Vollmacht von Amts wegen vorliegen - auch dann, wenn als Verfahrensbevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1985 - Az.: 9 C 105.84 -, BVerwGE 71, 20). Eine solche Aufforderung ist vorliegend durch den Senatsvorsitzenden mit richterlicher Verfügung vom 29. September 2006 - fruchtlos - erfolgt. Dabei hätte - für die Rechtsanwälte erkennbar - Anlass bestanden, eine Vollmacht spätestens mit ihrer Beschwerdebegründung vom 10. Oktober 2006 nachzureichen. Die hier im Beschwerdeverfahren auftretenden Rechtsanwälte sind daher mangels (Nachweises ihrer) Bevollmächtigung zurückzuweisen.

Der Mangel der Vollmacht kann nach Ergehen dieses Beschlusses nicht mehr geheilt werden, da eine solche Heilung bei Einlegung eines Rechtsmittels nur durch Genehmigung des Vertretenen, die auch in der Erteilung einer Prozessvollmacht liegen kann, mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann, soweit noch nicht ein das Rechtsmittel als unzulässig verwerfendes Prozessurteil vorliegt (siehe: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 17. April 1984 - Az.: GmS-OGB 2/83 -, BVerwGE 69, 380).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt den Mangel der Vollmacht, dessen Kenntnis vorliegend den hier auftretenden Rechtsanwälten zuzurechnen ist (vgl.: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, § 67 Rn. 3).

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 42 Abs. 3 Satz 1, 40, 47 GKG, wobei hier in Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte ein Monatsbetrag in Höhe von 1.971,84 € (vgl. Bescheid der Beklagten vom 14. August 2006. Bl. 22 der Gerichtsakte) zugrunde gelegt und der sich hiernach ergebende Betrag (1.971,84 € x 1 Monate x 3 Jahre = 70.986,24) im Hinblick auf den Charakter des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wurde (vgl. Ziffer II., 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004, NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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