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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 20.10.2006
Aktenzeichen: 1 M 198/06
Rechtsgebiete: LSA-GO, LSA-BG


Vorschriften:

LSA-GO § 59 Abs. 3
LSA-GO § 40 Abs. 1
LSA-BG § 60 Abs. 1
LSA-BG § 109 Abs. 4
LSA-BG § 109 Abs. 5
LSA-BG § 122
1. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 BG LSA kann dann ergehen, wenn dem Verbotsverfahren ein auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren folgen soll.

2. Ein solches auf die Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren stellt sowohl das Verfahren nach § 109 Abs. 5 BG LSA als auch ein Verfahren nach § 122 BG LSA oder nach § 109 Abs. 4 BG LSA dar.

3. Gemäß § 109 Abs. 4 BG LSA in der ab dem 31. Dezember 2005 geltenden Fassung ist die Ernennung eines Ehrenbeamten nichtig, wenn der Ernannte im Zeitpunkt der Ernennung nach einer gesetzlichen Bestimmung über Unvereinbarkeit des Ehrenamtes mit einer anderen Tätigkeit nicht ernannt werden durfte.

4. Die Nichtigkeit der Ernennung ist am 31. Dezember 2005 eingetreten, denn § 109 Abs. 4 BG LSA, der die Nichtigkeit der Ernennung bestimmt, ist gemäß Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts vom 20. Dezember 2005 (GVBl. LSA S. 808) am 31. Dezember 2005 in Kraft getreten.

5. Die Feststellung nach § 109 Abs. 5 BG LSA in der ab dem 31. Dezember 2005 gel-tenden Fassung ist rechtswidrig, wenn für eine Entlassung im Hinblick auf die gemäß § 109 Abs. 4 BG LSA mit dessen In-Kraft-Treten (31. Dezember 2005) bereits anzunehmende Nichtigkeit der Ernennung des Betroffenen zum ehrenamtlichen Bürgermeister (§ 59 Abs. 3 GO LSA i. V. m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GO LSA) schon dem Grunde nach kein Raum (mehr) bestand. Gleiches gilt für die eine Feststellung gemäß § 122 BG LSA.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 M 198/06

Datum: 20.10.2006

Gründe:

Nachdem der Antragsteller mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20. Oktober 2006 die Erledigung des Beschwerdeverfahrens in der Hauptsache erklärt hat, soweit der Antragsgegner seinen Bescheid vom 14. März 2006 über die Feststellung - des Zeitpunktes - der Entlassung des Antragstellers aus dem Ehrenbeamtenverhältnis aufgehoben hat, und der Antragsgegner sich dieser Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2006 angeschlossen hat, war das vorliegende Beschwerdeverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO analog § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO insoweit einzustellen.

Die im Übrigen aufrecht erhaltene Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 4. September 2006, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

Soweit hier das mit gesondertem Bescheid vom 14. März 2006 verfügte Verbot der Führung der Dienstgeschäfte noch im Streit ist, rechtfertigen die Einwendungen des Antragstellers die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Ergebnis nicht.

Das mit diesem Bescheid gegenüber dem Antragsteller gesondert verfügte Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist nach summarischer Prüfung rechtlich nicht zu erinnern. Die Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 60 Abs. 1 Satz 1 BG LSA. Danach kann einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung seiner Dienstgeschäfte verboten werden. Wie sich aus § 60 Abs. 1 Satz 2 BG LSA ergibt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass dem Verbotsverfahren ein auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren zu folgen hat. Ein solches auf die Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren stellt sowohl das vom Antragsgegner eingeleitete Verfahren nach § 109 Abs. 5 BG LSA als auch ein Verfahren nach § 122 BG LSA oder - wie nunmehr durch den Schriftsatz des Antragstellers vom 20. Oktober 2006 in Bezug genommen - nach § 109 Abs. 4 BG LSA dar. Denn diese Verfahren, selbst wenn sie bloß deklaratorischen Charakter aufweisen, haben gegebenenfalls die regelnde Feststellung der Beendigung des (Ehren-)Beamtenverhältnisses infolge Nichtigkeit oder Entlassung von Gesetzes wegen zum Gegenstand. Dass - wie hier - gegebenenfalls die Kommunalaufsichtsbehörde im Falle des § 109 Abs. 4 oder 5 BG LSA ein Verbot nach § 60 Abs. 1 Satz 1 BG LSA soll aussprechen dürfen, wird im Übrigen auch aus dem Gesetzgebungsverfahren ersichtlich. Der - insoweit unverändert gebliebene - Gesetzentwurf der Landesregierung vom 18. Mai 2005 (Drucksache 4/2117) hat von der Regelung einer ausdrücklichen Pflicht des Dienstvorgesetzten, "jede weitere Fortführung der Dienstgeschäfte zu verbieten", lediglich aus dem Grund abgesehen, "um im Einzelfall mit den möglichen Regularien, zu denen auch das Verbot der Fortführung der Dienstgeschäfte gehört, flexibel, d. h. auch kommunalaufsichtlich reagieren zu können". Da im gegebenen Fall Streit darüber besteht, ob der Antragsteller weiterhin Ehrenbeamter ist und sein darf, ist hiernach eine Regelung hinsichtlich der Führung der Dienstgeschäfte insbesondere im Sinne der Rechtssicherheit ermessenfehlerfrei und im Sinne von § 60 Abs. 1 BG LSA geboten. Besteht mithin Streit über das (Fort-)Bestehen eines Beamtenverhältnisses, ist bis zur bestands- bzw. rechtkräftigen Klärung dieser Rechtsfrage für eine Entscheidung der Behörde nach § 60 BG LSA vom Vorliegen eines Beamtenverhältnisses auszugehen, ein solches jedenfalls zu unterstellen. Die gegenteilige Auffassung liefe zudem Sinn und Zweck der Regelung des § 60 Abs. 1 BG LSA zuwider.

Auf den etwaigen Mangel der Gewährung rechtlichen Gehörs kommt es im gegebenen Fall schließlich nicht entscheidungserheblich an, da ein solcher Mangel gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i. V. m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG noch geheilt werden kann und im Übrigen durch die Einlegung Widerspruches des Antragstellers zwischenzeitlich geheilt wurde.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 161 Abs. 2 VwGO. Sie berücksichtigt zum einen die Erfolglosigkeit der Beschwerde, soweit über diese zu entscheiden war. Zum anderen war nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes - anteilig - über die Kostenlast zu entscheiden, soweit die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erklärt wurde. Im gegebenen Fall erscheint es sachgerecht, die insoweiten Verfahrenskosten anteilig dem Antragsgegner aufzuerlegen.

Die seitens des Antragsgegners unter dem 14. März 2006 verfügte Feststellung nach § 109 Abs. 5 BG LSA in der ab dem 31. Dezember 2005 geltenden und hier maßgeblichen Fassung war nach dem hier maßgeblichen Prüfungsumfang nämlich bereits deswegen rechtswidrig, weil für eine Entlassung im Hinblick auf die vorliegend gemäß § 109 Abs. 4 BG LSA mit dessen In-Kraft-Treten (31. Dezember 2005) bereits anzunehmende Nichtigkeit der Ernennung des Antragstellers zum ehrenamtlichen Bürgermeister (§ 59 Abs. 3 GO LSA i. V. m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GO LSA) schon dem Grunde nach kein Raum (mehr) bestand. Gleiches gälte im Übrigen für die vom Antragsteller erwähnte Feststellung gemäß § 122 BG LSA.

Gemäß § 109 Abs. 4 BG LSA ist die Ernennung eines Ehrenbeamten nämlich nichtig, wenn der Ernannte im Zeitpunkt der Ernennung nach einer gesetzlichen Bestimmung über Unvereinbarkeit des Ehrenamtes mit einer anderen Tätigkeit nicht ernannt werden durfte. So liegt der Fall hier.

Der Antragsteller wurde mit Urkunde vom 15. September 2004 mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit als Ehrenbeamter für die Dauer von 7 Jahren zum Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt ernannt, wenngleich er zu diesem Zeitpunkt gemäß § 59 Abs. 3 GO LSA i. V. m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GO LSA GO LSA in der damals geltenden - im Übrigen insoweit unveränderten - Fassung nicht hätte ernannt werden dürfen. Danach konnten bzw. können hauptamtliche Beamte - wie hier der Antragsteller - und Angestellte einer Verwaltungsgemeinschaft, der die Gemeinde angehört, nicht gleichzeitig Bürgermeister sein. Die Gemeinde A-Stadt war zum Ernennungszeitpunkt Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft, in deren Dienstverhältnis der Antragsteller als Beamter stand. Der Antragsteller war zu diesem Zeitpunkt auch nicht ein "nichtleitender Bediensteter" im Sinne von § 40 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GO LSA, da er noch am 1. Oktober 2004 Leiter des Ordnungsamtes der Verwaltungsgemeinschaft war. Amtsleiter sind gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 GO LSA leitende Beamte im Sinne von § 40 Abs. 1 GO LSA.

Die Nichtigkeit der Ernennung des Antragstellers ist am 31. Dezember 2005 eingetreten, denn § 109 Abs. 4 BG LSA, der die Nichtigkeit der Ernennung bestimmt, ist gemäß Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts vom 20. Dezember 2005 (GVBl. LSA S. 808) am 31. Dezember 2005 in Kraft getreten. Erst mit diesem Zeitpunkt ist damit die Wirkung der Nichtigkeit eingetreten; eine sog. echte Rückwirkung liegt mithin nicht vor. Die dahingehende Auslegung entspricht zudem der Gesetzessystematik, denn während § 109 Abs. 4 BG LSA auf das Vorliegen von Unvereinbarkeitsgründen bereits im Zeitpunkt der Ernennung abstellt, rekurrieren sowohl § 109 Abs. 5 BG LSA als auch § 122 BG LSA auf das Entstehen von Unvereinbarkeitsgründen nach der Ernennung zum Ehrenbeamten, und zwar differenziert nach dem Zeitpunkt vor (§ 122 BG LSA) und nach (§ 109 Abs. 5 BG LSA) In-Kraft-Treten des Gesetzes vom 20. Dezember 2005. Dass die Erfassung in der Vergangenheit liegender rechtswidriger und noch fortwirkender Ernennungen vom Gesetzgeber gewollt ist, ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut sowie Sinn und Zwecke der Norm, sondern zugleich aus dem Gesetzgebungsverfahren. Der bereits angeführte Gesetzentwurf der Landesregierung nimmt gerade auf die in der Vergangenheit liegenden rechtswidrigen Ernennungen, insbesondere auf solche, denen § 40 GO LSA entgegen stand, Bezug und macht deutlich, dass "insofern die Regelung erforderlich ist, um im Einzelfall einen ordnungsgemäßen Rechtszustand herzustellen". Die damit vorliegende tatsachenbezogene Rückanknüpfung der auf die Zukunft gerichteten Rechtsfolgen stellt sich damit als sog. unechte Rückwirkung dar, die sich sachlich durch die vom Gesetzgeber angeführten Gründe rechtfertigt, dass ein von Anfang an bestehender rechtswidriger Zustand beseitigt werden soll. Der Senat vermag - nicht zuletzt in Ermangelung substantiierten Vorbringens des Antragstellers - nicht zu erkennen, dass der Regelung ein schutzwürdiges Vertrauen der rechtswidrig Ernannten entgegenstehen könnte. Ungeachtet des Umstandes, dass ein betätigtes Vertrauen des Antragstellers in ein Fortbestehen des Beamtenverhältnisses weder dargelegt noch ersichtlich ist, ist vorliegend auch nicht von der Schutzwürdigkeit eines etwaigen, gleichwohl gebildeten Vertrauens auszugehen. Denn die Rechtswidrigkeit der Ernennung des Antragstellers war angesichts der klaren Hinderungsregelung des § 59 Abs. 3 GO LSA i. V. m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GO LSA von Anfang an unschwer erkennbar. Überdies ist die Rechtswidrigkeit der Ernennung des Antragstellers zum ehrenamtlichen Bürgermeister ausweislich der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners schon von Anbeginn an Gegenstand der dem Antragsteller bekannten rechtlichen Auseinandersetzung zwischen der Gemeinde A-Stadt und dem Antragsgegner als Kommunalaufsichtsbehörde gewesen.

Die vom Antragsteller im Übrigen aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nach dem hier maßgeblichen Prüfungsumfange nicht. Das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt hat mit Urteil vom 7. Juli 1998 (Az.: LVG 17/97, NVwZ-RR 1999, 462) § 40 GO LSA in der hier maßgeblichen Fassung und insbesondere dessen Abs. 1 Nr. 1 lit. a) und b) für verfassungsgemäß erklärt. Der beschließende Senat macht sich die diesbezüglichen Ausführungen des Landesverfassungsgerichtes Sachsen-Anhalt zu eigen (siehe im Übrigen auch: Lübking/Beck, GO LSA, § 40 Rn. 1 - 4).

Nach alledem bestand für eine Entscheidung des Antragsgegners gemäß § 109 Abs. 5 BG LSA kein Raum mehr.

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2, 40, 47 GKG. Im Hinblick darauf, dass es sich vorliegend um eine nur vorläufig wirkende Regelung handelte, war der hiernach anzunehmende Wert zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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