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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 08.12.2006
Aktenzeichen: 1 M 234/06
Rechtsgebiete: StVO, VwGO


Vorschriften:

StVO § 30 Abs. 3
StVO § 44 Abs. 1 S. 2
StVO § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 7
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 4
VwGO § 80a Abs. 3 S. 1
VwGO § 80a Abs. 3 S. 2
1. Aus der in § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO angeordneten "entsprechenden" Anwendung des § 80 Abs. 6 VwGO folgt nicht, dass dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung generell ein Aussetzungsverfahren bei der Behörde vorangegangen sein muss. § 80 Abs. 6 VwGO ist über den Bereich der Abgabenangelegenheiten hinaus nicht anwendbar.

2. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO kann für den Lebensmitteltransport nur dann mit der Verderblichkeit der Ware begründet werden, wenn eine mit den in § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StVO genannten Lebensmitteln vergleichbar geringe Haltbarkeit der Ware besteht.

3. Wirtschaftliche und wettbewerbliche Gründe allein können die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Sonntagsfahrverbot nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO grundsätzlich nicht rechtfertigen.

4. Für den Transport von Zuckerrüben kommt im Hinblick auf deren Verderblichkeit keine Ausnahme vom Sonntagsfahrverbot nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO in Betracht. Zuckerrüben sind kein leichverderbliches Gemüse i. S. des § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d StVO und sind auch nicht mit leichverderblichen Lebensmitteln i. S. des § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StVO gleichzusetzen.

5. Aus der Entscheidung des Verordnungsgebers, nur die in § 30 Abs. 3 StVO genannten Fälle einer besonderen Dringlichkeit des Sonn- und Feiertagsverkehrs vom Fahrverbot auszunehmen, ergibt sich die Folge, dass Unternehmen die Produktionsabläufe grundsätzlich auf das Sonn- und Feiertagsfahrverbot einzustellen haben, was auch mit einem erhöhten Energieaufwand und einem erhöhten Schadstoffaufkommen verbunden sein kann. Ökologische Belange können deshalb das öffentliche Interesse an dem Fahrverbot grundsätzlich nicht überwinden.

6. Bei Rechtswidrigkeit einer für das gesamte Bundesland erteilten Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO ist die aufschiebende Wirkung der Klage eines Anwohners gegen die Ausnahmegenehmigung insgesamt, und nicht lediglich auf den unmittelbaren Anliegerbereich beschränkt wiederherzustellen.

7. Zur Frage, ob Veranlassung besteht, einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Antragstellers nach § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO zu treffen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 M 234/06

Datum: 08.12.2006

Gründe:

Die Beschwerden bleiben ohne Erfolg. Die vom Antragsgegner und von der Beigeladenen mit den Beschwerdebegründungen vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, greifen nicht durch.

Zunächst ist festzustellen, dass das Rechtsschutzinteresse für den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 19.10.2006 wiederherzustellen, nicht aufgrund der zwischenzeitlich der Beigeladenen erteilten Ausnahmegenehmigungen vom Sonntagsfahrverbot durch den Landkreis F. vom 23.11.2006, in denen ausdrücklich der Wohnort des Antragstellers vom Geltungsbereich der Genehmigungen ausgenommen ist, entfallen ist. Die angefochtenen Bescheide sind dadurch nicht gegenstandslos geworden. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Bescheide des Landkreises F. als Änderung oder Ersetzung der angefochtenen Bescheide des Antragsgegners zu verstehen wären, zumal dem Landkreis F. als unterer Behörde die Befugnis zur Änderung der im Rahmen des Eintrittsrechts nach § 44 Abs. 1 Satz 2 StVO von der höheren Verwaltungsbehörde erlassenen Bescheide fehlen dürfte. Dies kann letztlich offen bleiben, denn der Landkreis F. hat die Bescheide vom 23.11.2006 mit Bescheid vom 05.12.2006 aufgehoben, so dass jedenfalls dadurch etwaige Zweifel an der Geltung der angefochtenen Bescheide des Antragsgegners vom 19.10.2006 ausgeräumt sind.

Die Einwände der Beigeladenen gegen die Zulässigkeit des Eilantrags greifen nicht durch. Das beschließende Gericht hat als Rechtsmittelgericht gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 5 GKG von der örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts E-Stadt auszugehen (vgl. dazu Eyermann, VwGO, § 83 Rdnr. 12, m. w. N.). Der Eilantrag scheitert auch nicht daran, dass der Antragsteller nicht gemäß § 80 Abs. 6 VwGO zuvor einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Antragsgegner gestellt hat. § 80 Abs. 6 VwGO betrifft nur Abgabenangelegenheiten. Aus der in § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO angeordneten "entsprechenden" Anwendung dieser Regelung folgt nicht, dass dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung generell ein Aussetzungsverfahren bei der Behörde vorangegangen sein muss. Bei § 80 Abs. 6 VwGO handelt es sich um eine fiskalischen Zwecken dienende Ausnahmeregelung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rdnr. 138). Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 11/7030, S. 24 f.), in der auf die entsprechende Regelung im finanzgerichtlichen Verfahren Bezug genommen und eine "Ausdehnung der Regelung über den Bereich der Abgabenangelegenheiten hinaus" ausdrücklich abgelehnt wurde (im Ergebnis ebenso: OVG Rheinl.-Pf., Beschluss vom 09.09.2003 - 8 B 11269/03 -, NVwZ-RR 2004, 224; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.09.1994 - 8 S 2380/94 -, NVwZ 1995, 1004; Hess. VGH, Beschluss vom 01.08.1994 - 4 TG 1244/91 -, NVwZ 1993, 491).

Auch im Übrigen haben die Beschwerdevorbringen keinen Erfolg:

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der im Rahmen der Entscheidung nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung das Interesse des Antragstellers, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage von der Vollziehung der Bescheide vom 19.10.2006 verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse und dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Bescheide überwiegt. Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die der Beigeladenen erteilten Ausnahmegenehmigungen vom Sonntagsfahrverbot offensichtlich rechtswidrig sind.

Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot gemäß § 30 Abs. 3 StVO genehmigen. Das Sonn- und Feiertagsverbot dient in erster Linie der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Es zielt darauf ab, der besonderen Gefahrenlage durch das erhöhte Verkehrsaufkommen an den Wochenenden zu begegnen und ist hierfür geeignet und erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.06.1969 - 2 BvR 321/69 -, BVerfGE 26, 259). Daneben soll das Verbot an Sonn- und Feiertagen den durch Lastkraftwagen verursachten Lärm und die Abgase reduzieren (OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 23.08.1994 - 13 A 3456/92 - NVwZ-RR 1995, 171).

Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO steht im Ermessen der Behörde. Sie kommt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nur in besonders dringenden Fällen in Betracht, wobei an den Nachweis der Dringlichkeit strenge Anforderungen zu stellen sind. Für den Transport von Lebensmitteln enthält bereits die gesetzliche Regelung des § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StVO eine Ausnahmeregelung vom Sonntagsfahrverbot. Im Hinblick auf diese Regelung kann die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO für den Lebensmitteltransport nur dann mit der Verderblichkeit der Ware begründet werden, wenn eine mit den in § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StVO genannten Lebensmitteln vergleichbar geringe Haltbarkeit der Ware besteht. Wirtschaftliche und wettbewerbliche Gründe allein können eine Ausnahmegenehmigung grundsätzlich nicht rechtfertigen, da sich derartige Gründe regelmäßig finden lassen und sich mit deren Anerkennung das Fahrverbot als praktisch wirkungslos erweisen würde (OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 23.08.1994, a. a. O.).

Unter diesen Voraussetzungen erweisen sich die vom Antragsgegner zugunsten der Beigeladenen erteilten Ausnahmegenehmigungen als ermessensfehlerhaft, weil sie den Gesichtspunkten, auf die sie gestützt sind, eine Bedeutung zugemessen haben, die ihnen nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht zukommt (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdnr. 12).

Die angefochtenen Ausnahmegenehmigungen wurden im Wesentlichen auf wirtschaftliche Gesichtspunkte gestützt, aus denen nicht auf eine besondere Dringlichkeit oder das Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalls gefolgert werden kann. So heißt es in den angefochtenen Bescheiden, dass die Maßnahme geeignet sei, "Erntetransporte mit Zuckerrüben an Sonn- und Feiertagen insgesamt verlustarm, umweltschonend und verbraucherfreundlich in der Kette bis zur Verarbeitung durchzuführen". Ferner werden die Ausnahmegenehmigungen mit der Notwendigkeit eines schnellen und sicheren Transports, der Witterungsabhängigkeit, dem "relativ engen Erntezeitraum", der "Einhaltung der agrotechnischen Termine für Folgearbeiten nach der Ernte", den Transportentfernungen, der Verkehrsdichte, Treibstoffkosten, Ertragseinbußen und Umweltbelastungen durch Zwischenlagerungen und schließlich positiven wirtschaftlichen und ökologischen Wirkungen durch die bei der Zuckerfabrik G-Stadt im Jahr 2005 eingeführte Rübenanfuhr an sieben Wochentagen begründet.

Aus diesen Gesichtspunkten ergibt sich keine besondere Dringlichkeit für einen Rübentransport gerade an Sonn- und Feiertagen. Zuckerrüben sind kein leichtverderbliches Gemüse i. S. des § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d StVO. Der Verordnungsgeber hat mit dem Zusatz "leichtverderblich" in dieser Regelung klargestellt, dass nicht jeder Transport von Obst oder Gemüse vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot ausgenommen werden soll, sondern nur diejenigen Obst- und Gemüsesorten privilegiert sind, die einem raschen Verfallprozess unterliegen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20.06.1997 - 12 M 2541/97 -, GewArch. 1997, 498). Zuckerrüben sind auch nicht mit leichtverderblichen Lebensmitteln i. S. des § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StVO gleichzusetzen. Sie sind wesentlich länger haltbar als Frischmilch, Frischfleisch, Frischfisch oder leichtverderbliches Obst. Gegenteiliges wird auch vom Antragsgegner und von der Beigeladenen nicht dargelegt. Auch mit längeren Lagerzeiten oder dem Erfordernis von Zwischenlagerungen verbundene Ertragseinbußen sind nicht geeignet, eine Gleichsetzung mit leichtverderblichen Lebensmitteln zu begründen. Die Notwendigkeit eines Verzichts auf Zwischenlagerungen für die Sicherung der Qualität von Zuckerrüben ist weder in den angefochtenen Bescheiden dargelegt, noch ergibt sie sich aus den Ausführungen der Beigeladenen und des Antragsgegners. Es ist nicht ersichtlich, dass durch Zwischenlagerungen von ein bis zwei Tagen Qualitäts- und Ertragsverluste in einer Größenordnung drohen, wie sie etwa bei einer gleichdauernden Lagerung von frischen Lebensmitteln i. S. des § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StVO zu erwarten wären. Zweifel an erheblichen Qualitätseinbußen durch das Erfordernis einer - allenfalls kurzfristigen - Lagerung von Zuckerrüben aufgrund des Sonn- und Feiertagsfahrverbots sind auch deshalb angebracht, weil - wie der Antragsteller unwidersprochen vorgetragen hat - ein Großteil der Zuckerrüben mangels ausreichender Verarbeitungsmöglichkeiten ohnehin bei der Zuckerfabrik G-Stadt gelagert werden muss. Die Lagerung von Zuckerrüben vor dem Transport an die Zuckerrübenfabriken ist auch keineswegs ungewöhnlich. Der Antragsteller hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es üblich ist, Zuckerrüben in Mieten an den Feldrändern zu lagern. Es mag zutreffen, dass - wie in den angefochtenen Bescheiden behauptet wird - die mit der Einführung der kontinuierlichen Rübenanlieferung bei der Zuckerfabrik G-Stadt verbundene Sofortverarbeitung der Rüben zu Zucker mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden ist. Dieser - allein wirtschaftliche - Gesichtspunkt rechtfertigt unabhängig davon, dass ein besonderes Gewicht weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich ist, jedoch noch keine Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot.

Die in den angefochtenen Bescheiden aufgeführten ökologischen Aspekte rechtfertigen keine andere Beurteilung. Der Antragsgegner hat schon die in der Beschwerdeschrift angegebenen Zahlen zu einem erhöhten CO2-Ausstoß - die im Übrigen von den Angaben in den angefochtenen Bescheiden abweichen - nicht plausibel belegt. Bei diesen Zahlen handelt es sich offensichtlich um eine Berechnung der Reduzierung des CO2-Ausstoßes nach Einführung der Rübenanlieferung an sieben Wochentagen in der Zuckerfabrik G-Stadt. Ob aber ohne die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für Rübentransporte tatsächlich eine entsprechende Erhöhung der CO2-Belastung eintreten würde, hat der Antragsgegner nicht schlüssig vorgetragen. Wenn der Antragsgegner und die Beigeladene nämlich davon ausgehen, dass die Zuckerrübentransporte ohne die angefochtenen Ausnahmegenehmigungen mittels Traktoren durchgeführt werden (vgl. S. 3 [oben] der Beschwerdebegründungsschrift des Antragsgegners und S. 5 f. der Beschwerdebegründungsschrift der Beigeladenen), ist nicht ersichtlich, warum es zu den Lagerungsschäden kommen sollte, die angeblich erhöhte Umweltbelastungen mit sich bringen. Im Übrigen vermag eine Verringerung des CO2-Ausstoßes, die sich als Nebenfolge der aus wirtschaftlichen Gründen getroffenen Entscheidung der Zuckerfabrik G-Stadt zur Einführung der kontinuierlichen Rübenanlieferung ergibt, ebenso wenig eine besondere Dringlichkeit für den Sonn- und Feiertagstransport von Zuckerrüben zu begründen wie die wirtschaftlichen Gründe selbst. Denn aus der Entscheidung des Verordnungsgebers, nur die in § 30 Abs. 3 StVO genannten Fälle einer besonderen Dringlichkeit des Sonn- und Feiertagsverkehrs vom Fahrverbot auszunehmen, ergibt sich die Folge, dass Unternehmen die Produktionsabläufe grundsätzlich auf das Sonn- und Feiertagsfahrverbot einzustellen haben, was auch mit einem erhöhten Energieaufwand und einem erhöhtem Schadstoffaufkommen verbunden sein kann. Ökologische Belange können demnach ebenso wie wirtschaftliche Belange das öffentliche Interesse an dem Fahrverbot grundsätzlich nicht überwinden (so auch OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 23.08.1994, a. a. O.). Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Umweltbelastung ein Ausmaß annehmen könnte, welches ein Zurücktreten des öffentlichen Interesses am Sonn- und Feiertagsfahrverbot rechtfertigt.

Nichts anderes gilt für die in den angefochtenen Bescheiden genannte Gefahr von Schädlingsbefall. Es mangelt schon an konkreten Angaben dazu, in welchem Ausmaß ein Verzicht auf den Sonn- und Feiertagstransport von Zuckerrüben zu einem Schädlingsbefall führen würde, etwa aufgrund von Erfahrungen vor der Einführung der Sonn- und Feiertagsanlieferung in der Zuckerfabrik G-Stadt. Allein die abstrakte Gefahr, dass gelagerte Zuckerrüben von Schädlingen befallen werden könnten, ist kein hinreichender Grund für eine Ausnahme vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot.

Auch die Alternative, Zuckerrüben an Sonn- und Feiertagen mit Traktoren zu transportieren, ist kein Gesichtspunkt, der die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen vom Fahrverbot für Lastkraftwagen zu begründen vermag. Die vom Antragsgegner beschriebenen Auswirkungen - nämlich der Transport von Zuckerrüben durch 1.028 (!) Traktoren am Tag - sind bereits nicht plausibel dargelegt. Es ist bereits sehr zu bezweifeln, ob sich ein Transport der Zuckerrüben mit Traktoren an Sonntagen - schon im Hinblick auf deren deutlich geringere Ladekapazität und den erheblich höheren Zeit- und Energieaufwand durch Mehrfahrten sowie deren geringere Geschwindigkeit - als realistische Alternative zu einem Verzicht auf den Sonn- und Feiertagstransport per Lastkraftwagen erweist. Schon bei mangelnder Rentabilität ist die Annahme eines (nennenswerten) Traktorenverkehrs an Sonn- und Feiertagen nicht realistisch. Im Übrigen hat der Antragsteller vorgetragen, dass eine Selbstanlieferung der Zuckerrüben durch die Bauern (mit Traktoren) schon deshalb ausscheide, weil die Nordzucker AG die Spediteure vertraglich verpflichtet habe, die Rüben allein mit rückwärtskippenden Muldenfahrzeugen anzuliefern. Dem haben der Antragsgegner und die Beigeladene nicht widersprochen.

Der Einwand der Beigeladenen, es könne vom Verordnungsgeber nicht gewollt sein, den Transport von Zuckerrüben an Sonn- und Feiertagen mit Lastkraftwagen zu untersagen, jedoch mit Traktoren zu gestatten, rechtfertigt keine großzügigere Handhabung bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO. Die Möglichkeit, landwirtschaftliche Erzeugnisse an Sonn- und Feiertagen mittels Traktoren zu befördern, besteht nämlich grundsätzlich hinsichtlich jeder Art von Obst und Gemüse. Der Verordnungsgeber hat sich gleichwohl dafür entschieden, nur die Beförderung von leichtverderblichem Obst und Gemüse mittels Lastkraftwagen i. S. des § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO von dem Sonntagsfahrverbot auszunehmen. Diese Regelung würde unterlaufen, wenn im Hinblick auf den möglichen Transport landwirtschaftlicher Güter durch Traktoren generell Ausnahmegenehmigungen für diese Güter nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO erteilt werden müssten.

Die leichte Verderblichkeit von so genannten Pressschnitzeln ist ebenfalls kein Gesichtspunkt, der die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO zu begründen vermag. Zunächst ist die geringe Haltbarkeit solcher Pressschnitzel von vorneherein kein Aspekt, der Ausnahmegenehmigungen auch für den Transport von Zuckerrüben rechtfertigen könnte. Im Übrigen sind aber auch keine dringenden Gründe für den Transport von Pressschnitzeln an Sonn- und Feiertagen, der in den angefochtenen Bescheiden ebenfalls erlaubt wird, dargelegt. Bei Pressschnitzeln handelt es sich - wie die Beigeladene selbst vorträgt - um ein Nebenprodukt, das bei der Zuckerproduktion anfällt und als frisches Tierfutter vermarktet wird. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StVO ist nicht die Beförderung jeglicher Produkte geringer Haltbarkeit vom Sonntagsfahrverbot ausgenommen, sondern nur bestimmter Lebensmittel sowie von Lebensmittelerzeugnissen aus Milch, Fleisch und Fisch. Es würde dem Sinn und Zweck dieser Regelung widersprechen, wenn auch die Beförderung von Erzeugnissen aus anderen Lebensmitteln, die außerdem nicht für den Verzehr durch Menschen, sondern als Futtermittel verwendet werden, durch die Erteilung von Genehmigungen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO vom Sonntagsfahrverbot ausgenommen würden. Im Übrigen hat die Beigeladene in ihrer Beschwerdebegründung selbst vorgetragen, dass auch eine Trocknung der Pressschnitzel möglich ist. Der damit verbundene erhöhte Kostenaufwand - der im Übrigen allein für die am Wochenende produzierten Pressschnitzel anfallen kann - ist nicht geeignet, die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zu rechtfertigen.

Im Übrigen bestehen auch deshalb Bedenken gegen die normengemäße Ermessensausübung, weil die Bescheide keine konkreten Erwägungen zum Schutz der betroffenen Anwohner vor Lärm und Abgasen an Sonn- und Feiertagen enthalten. Insbesondere hat der Antragsgegner nicht erwogen, ob die Ausnahmegenehmigungen mit Nebenbestimmungen verbunden werden könnten, die eine Konzentration des Lastkraftwagenverkehrs in bestimmten Wohngebieten verhindern, etwa durch die Festlegung unterschiedlicher Routen an den jeweiligen Sonntagen oder für die jeweiligen Fahrzeuge. Ob eine korrekte Ermessensausübung die Einstellung solcher Erwägungen verlangt, kann jedoch dahinstehen. Denn - wie oben ausgeführt - sind die angefochtenen Bescheide bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil sie gerade nicht auf solche Gesichtspunkte gestützt sind, die eine Ausnahme vom Beförderungsverbot nach § 30 StVO rechtfertigen könnten.

Die Ausnahmegenehmigungen verletzen den Antragsteller auch in seinen Rechten. Dies ergibt sich ohne weiteres aus den Immissionen durch Lärm und Abgase, denen der Antragsteller als Anlieger einer Straße ausgesetzt ist, die regelmäßig für den - mit den angefochtenen Genehmigungen gestatteten - Transport von Zuckerrüben und Pressschnitzeln mittels großer Lastkraftwagen genutzt wird. Die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 22.12.1993 - 11 C 45.92 - zur Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit von Lärmbeeinträchtigungen betreffen lediglich die bei der Ermessensausübung erforderliche Interessenabwägung. Daneben hat das Bundesverwaltungsgericht hervorgehoben, dass der Anlieger jedenfalls eine "ermessensfehlerfreie Entscheidung beanspruchen" kann. Diesen Anspruch hat auch der Antragsteller. Erweist sich die Ermessensentscheidung als fehlerhaft, weil die Rechte des Antragstellers ohne hinreichende Gründe, die bei der Ermessensentscheidung einzustellen sind, beeinträchtigt werden, so ist der Antragsteller auch in seinen Rechten verletzt. Soweit die Beigeladene einwendet, die Fahrzeuge würden teilweise - je nach Unternehmensstandort - die Zuckerfabrik über andere Orte als über D-Stadt anfahren, bzw. es sei "nicht unbedingt erforderlich", über D-Stadt zu fahren, wird damit eine Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten nicht in Zweifel gezogen. Denn abgesehen davon, dass die Ausführungen der Beigeladenen keine genauen Angaben darüber enthalten, ob sie gerade mit den hier streitgegenständlichen Fahrzeugen eine An- und Rückfahrt über D-Stadt beabsichtigt oder nicht, sind die angefochtenen Genehmigungen nicht auf bestimmte Routen beschränkt, sondern erlauben den Zuckerrübentransport auch über die nahe der Zuckerrübenfabrik gelegene Stadt D-Stadt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Beigeladene - etwa aufgrund einer bestimmten Verkehrssituation - von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Einen dahingehenden, verbindlichen Verzicht hat sie jedenfalls nicht erklärt.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht deshalb als rechtsfehlerhaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausnahmegenehmigungen des Antragsgegners insgesamt und nicht nur auf einen unmittelbaren Anliegerbereich beschränkt wiederhergestellt wurde. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann zwar auch nur "teilweise" erfolgen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) oder von Auflagen abhängig gemacht werden (§ 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO). Für eine nur teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, etwa beschränkt auf die D-Straße in D-Stadt oder auf die Stadt D-Stadt insgesamt, bestand jedoch kein Anlass. Denn zum einen ist der Verwaltungsakt nicht teilbar. Die angefochtenen Ausnahmegenehmigungen wurden aufgrund einer einheitlichen Ermessensentscheidung für das Land Sachsen-Anhalt erteilt, ohne dass ihr unterschiedliche Erwägungen hinsichtlich einzelner Gebiete oder Straßenzüge zugrunde lagen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Antragsgegner die Ausnahmegenehmigungen auf bestimmte Gebiete beschränkt hätte, wenn ihm die grundlegenden rechtlichen Mängel der Bescheide gegenwärtig gewesen wären. Im Übrigen ist es zwar ungeachtet der Teilbarkeit einer Genehmigung zulässig, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auf einzelne Teile der Genehmigung zu beschränken (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.11.1996 - 3 S 2913/96 -, GewArch. 1997, 165). Eine solche Beschränkung kommt jedoch im vorliegenden Fall schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Genehmigungen auch für die Gebiete außerhalb des Anliegerbereichs des Antragstellers als voraussichtlich rechtswidrig erweisen.

Der Senat hat davon abgesehen, gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Antragstellers zu treffen. Insbesondere konnte davon abgesehen werden, dem Antragsgegner aufzugeben, der Beigeladenen unter Androhung eines Zwangsgeldes das Gebrauchmachen der - rechtswidrigen und nicht vollziehbaren - Ausnahmegenehmigungen des Antragsgegners zu untersagen. Nachdem der Landkreis F. seine der Beigeladenen erteilten Ausnahmegenehmigungen aufgehoben hat, besteht keine Veranlassung zu der Annahme, dass Verstöße gegen das Sonntagsfahrverbot weder kontrolliert noch geahndet würden. Das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt hat mit seinem Erlass vom 21.11.2006 (Az.: 21.42) lediglich vor dem Hintergrund etwaiger noch erteilter - hier aber nicht mehr vorhandener - Ausnahmegenehmigungen gebeten, von einer Ahndung von Verstößen gegen das Sonntagsfahrverbot abzusehen. Daher ist davon auszugehen, dass die Einhaltung des Sonntagsfahrverbots insbesondere durch die Beigeladene zum einen einer hinreichenden polizeilichen Kontrolle unterliegen wird und zum anderen etwaige Verstöße grundsätzlich geahndet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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