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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 27.07.2005
Aktenzeichen: 1 M 320/05
Rechtsgebiete: SOG LSA
Vorschriften:
SOG LSA § 56 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 1 M 320/05
Datum: 27.07.2005
Gründe:
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, greifen nicht durch.
Soweit der Antragsgegner hinsichtlich des Beschlusses des Verwaltungsgerichts zunächst Verfahrensfehler geltend macht, indem er vorbringt, das Verwaltungsgericht habe einen unvollständigen und unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt, es lägen ferner Verstöße gegen das Willkürverbot, gegen die Bindung des Richters an Recht und Gesetz (!) sowie eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor, führt dies nicht zur Aufhebung des Beschlusses. Diese Begründung allein würde der Beschwerde selbst dann nicht zum Erfolg verhelfen, wenn die angegriffene Entscheidung tatsächlich auf Verfahrensfehlern beruhte. Hierauf wäre es nur nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Prozessrecht angekommen. Nachdem das Zulassungserfordernis weggefallen und das Beschwerdeverfahren unbeschränkt eröffnet ist, kommt es nur noch auf den Erfolg in der Sache selbst an (vgl. OVG Weimar, B. v. 29.11.2004 - 4 EO 645/02 -).
Der Senat folgt der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes in dem Bescheid vom 07. April 2005 anzuordnen ist, da sich die Anordnung dieses Zwangsmittels in dem Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig erweisen wird. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung zutreffend ausgeführt, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides kein Anlass für die Festsetzung eines Zwangsgeldes bzw. die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes i. S. d. § 56 SOG LSA bestand. Der Antragsgegner hat auch in der Begründung der Beschwerde nicht dargelegt, welche weiteren technisch möglichen, rechtlichen zulässigen und das Übermaßverbot nicht verletzenden Maßnahmen zur Umsetzung der Verfügung vom 11. Oktober 2004 die Antragstellerin außer den von ihr getroffenen Vorkehrungen noch hätte treffen können.
Soweit sich der Antragsgegner unter Hinweis auf den Beschluss des OVG Münster vom 19. März 2003 (Az.: 8 B 2567/02, NJW 2003, 2183) darauf beruft, dass es nicht seine Aufgabe sei, näher darzulegen bzw. nachzuweisen, dass die Antragstellerin der Verbotsverfügung hinreichend nachgekommen sei, ist zunächst festzustellen, dass der dortigen Entscheidung ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde lag. Das vorgenannte Verfahren hatte eine gegen einen Access-Provider (Zugangsvermittler) gerichtete Sperrungsverfügung zum Inhalt, welche Webseiten mit strafbarem Inhalt betraf. In dem dortigen Verfahren hatte die zuständige Ordnungsbehörde dem Access-Provider in der Ordnungsverfügung selbst verschiedene technische Möglichkeiten zur Umsetzung der Sperrungsverfügung aufgezeigt (Sachverhalt dargestellt in: VG Arnsberg, U. v. 26.11.2004 - 13 K 3173/02 - juris). Die hier streitgegenständliche Verbotsverfügung betrifft zunächst keinen Access-Provider, welcher als Zugangsvermittler den Zugang der Nutzer zu Inhalten im Internet vermittelt. Die Antragstellerin tritt - soweit ersichtlich - lediglich als Content-Provider auf, welcher Inhalte im Internet bereit- bzw. herstellt (zur Unterscheidung: Müller-Terpitz, Verantwortung und Haftung der Anbieter in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 168 f.). Von einer Inanspruchnahme des Content-Providers war in dem der Entscheidung des OVG Münster zugrundeliegenden Verfahren mangels Durchführbarkeit bzw. mangels hinreichender Erfolgsaussichten gerade abgesehen worden.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners muss ferner auch bei Verfügungen im Bereich der Gefahrenabwehr - wie im vorliegenden Verfahren - der Adressat bereits vor der Einleitung von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung in die Lage versetzt werden zu erkennen, was von ihm gefordert wird; der Verwaltungsakt muss also eine geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. In diesen Fällen darf die Ordnungsbehörde sich regelmäßig nicht damit begnügen, dem Ordnungspflichtigen nur abstrakt aufzugeben, den Eintritt der näher beschriebenen Gefahr zu verhindern. Die Ordnungsverfügung ist zwar nicht zu unbestimmt, wenn sich der Ordnungspflichtige sich zu ihrer Erfüllung sachkundiger Hilfe bedienen muss. Andererseits darf die Ordnungsbehörde es nicht, ohne selbst ein geeignetes Mittel zu bestimmen, dem Betroffenen freistellen, die Gefahr auf irgendeine Weise zu beheben. Die Ordnungsbehörde kann ihre Verantwortung für die nähere Bestimmung der zu treffenden Maßnahme weder auf Sachverständige noch auf den Betroffenen abwälzen (vgl. OVG Münster, B .v. 11.05.2000 - 10 B 306/00 - BauR 2000, 1477 m. w. N.). Zwar ist bei ordnungsbehördlichen Verfügungen im Bereich der Gefahrenabwehr im Internet eine gewisse Unbestimmtheit wegen der sich dynamisch entwickelnden technischen Prozesse und der regelmäßig auftretenden technischen Komplexität im Einzelfall unabdingbar. Gleichwohl sind Zwangsgeldandrohungen auch im Bereich der Gefahrenabwehr im Internet regelmäßig so konkret zu fassen, dass ggf. unter Mitwirkung technischer Sachverständiger eine Umsetzung der Verbotsverfügung, wie sie von der Ordnungsbehörde beabsichtigt ist, durch den Ordnungspflichtigen möglich ist. Der Senat lässt es dabei in diesem Verfahren ausdrücklich offen, ob insofern nicht bereits der Grundverfügung vom 11. Oktober 2004 im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot Bedenken begegnen könnten. Spätestens bei der Begründung der Festsetzung des Zwangsgeldes bzw. der Androhung der Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes hätte der Antragsgegner der Antragstellerin jedoch aufzeigen müssen, welche weiteren möglichen und zulässigen Schritte zur Umsetzung der Verbotsverfügung die Antragstellerin zu ergreifen hat.
Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung weiter zutreffend darauf gestützt, dass es für die Antragstellerin (als Content-Provider) weder technisch noch rechtlich möglich ist, exakt im Zeitpunkt der Abgabe eines Wettangebotes über Festnetztelefon, Mobiltelefon, Fax oder Internet den genauen Aufenthaltsort eines Wettinteressenten zu bestimmen. Der Antragsgegner zeigt auch in der Beschwerdebegründung nicht auf, welche technisch möglichen und nach den Bestimmungen des Teledienstegesetzes bzw. Teledienstedatenschutzgesetzes rechtlich zulässigen Möglichkeiten die Antragstellerin haben könnte, die Abgabe einer Wette durch eine sich im Land Sachsen-Anhalt aufhaltende Person in jedem Falle auszuschließen. Eine völlige Einstellung des Geschäftsbetriebes der Antragstellerin, auch soweit es den Bereich des Internets betrifft, verstößt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, jedenfalls gegen das Übermaßverbot. Der Antragsgegner hat dabei nämlich auch die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Ordnungsbehörden der anderen Bundesländer wie auch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte der anderen Bundesländer zu respektieren. Insoweit ist bei der Frage, welche technischen Möglichkeiten der Umsetzung der Verfügung vom 11. Oktober 2004 existieren, zu berücksichtigen, dass mittlerweile in der Mehrzahl der Bundesländer entweder bereits keine Verbotsverfügungen gegen die Veranstalter von Sportwetten im Internet und die Betreiber von Wettbüros (mehr) ergehen bzw. die sofortige Vollziehung von Verbotsverfügungen zwischenzeitlich wieder aufgehoben worden ist. Selbst wenn es ein technisches System zur Standortbestimmung eines Nutzers im Internet geben sollte, würden daher voraussichtlich in großem Umfang Daten von Nutzern erhoben werden, die sich nicht in Sachsen-Anhalt aufhalten und bei denen die dort örtlich und sachlich zuständigen Ordnungsbehörden auf eine Standort- bzw. auf eine qualifizierte Altersverifikation ausdrücklich oder konkludent verzichtet haben. Der Antragsgegner legt auch nicht dar, inwieweit eine solche Datenerhebung mit Sinn und Zweck des Teledienstedatenschutzgesetzes (TDDSG), insbesondere § 4 TDDSG, welcher grundsätzlich nur eine eng begrenzte Datenerhebung bei Nutzern von Telediensten zulässt, vereinbar sein könnte.
Soweit der Antragsgegner weiter darauf verweist, dass die über das Internet und über die Medien bundesweit bzw. europaweit verbreitete Werbung auch in Sachsen-Anhalt wahrgenommen werden kann, legt der Antragsgegner nicht dar, inwieweit selektiv nur auf das Land Sachsen-Anhalt bezogen die Werbemaßnahme "gesperrt" werden könnte. Werbemaßnahmen der Antragstellerin, welche sich gezielt an im Land Sachsen-Anhalt aufhältige Personen richten, sind vom Antragsgegner nicht dargelegt worden.
Im Übrigen hat der Senat auch die fachliche Stellungnahme des Landeskriminalamtes des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Mai 2005 zu berücksichtigen. Diese Stellungnahme war vom Antragsgegner am 18. April 2005 hinsichtlich der Antragstellerin im Verfahren 1 M 324/05 angefordert worden, ist dort aber nicht zu den Verfahrensakten gelangt und vom Antragsgegner - entgegen § 99 VwGO - weder dem Verwaltungsgericht rechtzeitig vor seinem Beschluss vom 19. Mai 2005 noch dem Senat unaufgefordert vorgelegt worden. Der Senat hat von der Existenz und dem Inhalt dieser Stellungnahme erst durch die Schriftsätze verschiedener Antragsteller Kenntnis erhalten. Das Landeskriminalamt hat in seiner Stellungnahme die der Antragstellerin bei der Umsetzung der Verfügung vom 11. Oktober 2004 gesetzten technischen Grenzen im Einzelnen aufgezeigt.
Gerade vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbaren und im Ergebnis eindeutigen Stellungnahme einer nach Auffassung des Senates für technische Fragen der Gefahrenabwehr im Internet sachkundigen Stelle, welche in den wesentlichen Fragestellungen mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts übereinstimmt, wäre der Antragsgegner gehalten gewesen, sich mit der Begründung des Verwaltungsgerichts - auch in technischer Hinsicht - eingehend auseinander zu setzen und darzulegen, inwieweit die Festsetzung des Zwangsgeldes bzw. die Androhung der Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes - trotz der relativen Unbestimmtheit der Verbotsverfügung vom 11. Oktober 2004 und der der Antragstellerin gesetzten technischen Grenzen - Bestand haben sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus den §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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