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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 07.09.2009
Aktenzeichen: 1 M 64/09
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 123
VwGO § 146 Abs. 4
VwGO § 154 Abs. 3
VwGO § 161 Abs. 2
VwGO § 162 Abs. 1
VwGO § 162 Abs. 2
VwGO § 173
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 269 Abs. 4
1. Im Regelfall ist es im Hinblick auf § 146 Abs. 4 VwGO nicht erforderlich, dass ein Rechtsmittelgegner im Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz gemäß §§ 80, 123 VwGO alsbald nach Beschwerdeeinlegung und ohne Kenntnis der Beschwerdegründe einen Rechtsanwalt durch Prozessvollmacht mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt (Fortführung von: OVG LSA, Beschluss vom 18. November 2008 - Az.: 1 O 147/08 -, veröffentlicht bei juris).

2. Trotz Sachantrages und des damit einhergehenden Kostenrisikos nach § 154 Abs. 3 VwGO entspricht die Kostenerstattungsfähigkeit betreffend das Beschwerdeverfahren in einem solchen Falle daher nicht der Billigkeit im Sinne von § 161 Abs. 2 VwGO, da der Beigeladene insoweit keinen Erstattungsanspruch gemäß § 162 VwGO mit Erfolg geltend machen könnte.


Gründe:

Nachdem der Antragsteller mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20. August 2009 und der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 1. September 2009 übereinstimmend die Erledigung des Rechtsstreites im einstweiligen Anordnungsverfahren erklärt hatten, war das gesamte gerichtliche Verfahren analog § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Nach der durch die Beteiligten übereinstimmend erklärten Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Tragung der Kosten des gesamten Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Während Erledigungserklärungen, die sich allein auf das Rechtsmittelverfahren beziehen, nur zur Beendigung dieses Verfahrens führen und die vorangegangenen erstinstanzlichen Entscheidungen unberührt lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1994 - Az.: 9 C 456.93 -, BayVBl 1994, 543), führt die Erledigungserklärung bezogen auf den Rechtsstreit demgegenüber dazu, dass gemäß § 161 Abs. 1 und 2 VwGO über die Kosten des gesamten Verfahrens einheitlich zu entscheiden ist (OVG LSA, Beschluss vom 1. August 2007 - Az.: 1 M 138/07 - und vom 31. Mai 2005 - Az.: 3 L 13/03 -; vgl. zudem: OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23. November 1999 - Az.: 2 M 50/99 -, NVwZ 2000, 1317; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27. Oktober 1997 - Az.: 7 M 4238/97 -, NVwZ-RR 1998, 337; HessVGH, Beschluss vom 3. September 1997 - Az.: 4 TZ 2462/97 -, ESVGH 47, 40). Die Beteiligten eines Rechtsmittelverfahrens können nämlich darüber disponieren, ob sie den Rechtsstreit insgesamt oder - sofern dies möglich ist - nur das Rechtsmittelverfahren für erledigt erklären (OVG LSA, a. a. O.; vgl. zudem: OVG Schleswig-Holstein, a. a. O.; OVG Sachsen, Beschluss vom 23. Februar 1998 - Az.: 3 S 761/97 -, DÖV 1998, 936).

Die hiernach das gesamte Verfahren betreffende Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Im gegebenen Fall erscheint es hiernach sachgerecht, die Kosten des gesamten Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen. Dabei war zum einen davon auszugehen, dass dem Rechtsschutzgesuch des Antragstellers bereits insoweit der Erfolg versagt gewesen war, als er nach der Beförderung des Beigeladenen zu 2. den Rechtsstreit nicht schon erstinstanzlich in der Hauptsache für erledigt erklärt hatte. Zum anderen hätte der Antragsteller bezogen auf die zunächst noch nicht erfolgte Beförderung des Beigeladenen zu 1. selbst im Erfolgsfalle durch Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruches allenfalls eine erneute Auswahlentscheidung erreichen können. Davon, dass diese so rechtzeitig hätte ergehen können, dass der Antragsteller noch vor seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze mit Ablauf des 31. August 2009 hätte befördert werden können, konnte der Antragsteller im Zeitpunkt seiner Antragstellung Ende April 2009 selbst bei kurzer Verfahrensdauer im Hinblick auf das den übrigen Beteiligten - gegebenenfalls erneut - zu gewährende rechtliche Gehör und die gebotene Wartefrist nicht ernstlich ausgehen. Unabhängig vom Vorstehenden ist im Rahmen der Billigkeitserwägungen nicht außer Betracht zu lassen, dass der Antragsteller im erstinstanzlichen Rechtszug unterlegen und es nicht Aufgabe des Gerichtes ist, nach Erledigung der Hauptsache im Rahmen der Kostenentscheidung umfangreiche Erwägungen zu offenen Tatsachen- und Rechtsfragen anzustellen (vgl.: BVerwG, Urteil vom 31. Mai 1979 - Az.: 1 WB 202.77 -, BVerwGE 63, 234; OVG Schleswig-Holstein, a. a. O.; OVG LSA, Beschluss vom 24. Mai 2006 - Az.: 1 L 85/05 -).

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. waren aus Gründen der Billigkeit lediglich bezogen auf das erstinstanzliche Verfahren für erstattungsfähig zu erklären, da er sich mit seinem Sachantrag dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat. Demgegenüber entspräche eine weitergehende Kostenerstattungsfähigkeit auch hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens trotz des Sachantrages des Beigeladenen zu 1. nicht der Billigkeit, da er insoweit ohnehin keinen Erstattungsanspruch mit Erfolg geltend machen könnte. Dabei ist nämlich von Folgendem auszugehen:

Zu den im Verfahren entstandenen und damit erstattungsfähigen Kosten gehören zwar gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes. Indes beschränkt § 162 Abs. 1 VwGO die Erstattung auf die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Die Kostenlastentscheidung verschafft dabei allein einen Kostentitel. Daraus ergibt sich allerdings noch nicht, dass die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eines Beteiligten - soweit es das Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz betrifft - im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO notwendig war. Die Feststellung der "Notwendigkeit" erfordert dabei eine eigene Beurteilung. Im Regelfall ist es nicht erforderlich, dass ein Rechtsmittelgegner im Beschwerdeverfahren im vorläufigen Rechtsschutz gemäß §§ 80, 123 VwGO alsbald nach Beschwerdeeinlegung und ohne Kenntnis der Beschwerdegründe einen Rechtsanwalt durch Prozessvollmacht mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Denn das Beschwerdegericht prüft die Voraussetzungen nach § 146 Abs. 4 VwGO von Amts wegen. In diesem Stadium des gerichtlichen Verfahrens werden andere Verfahrensbeteiligte regelmäßig nicht angehört, weil dafür kein Anlass besteht, wenn bereits das Vorbringen in der Beschwerde(begründungs)schrift ohne weiteres deren Erfolglosigkeit ergibt. Vor einer durch das Beschwerdegericht selbst veranlassten Anhörung stellt es deshalb für die übrigen Verfahrensbeteiligten im allgemeinen keine nahe liegende oder gar angemessene Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung dar, sich bereits in diesem Stadium des Verfahrens anwaltlicher Vertretung zu bedienen. Ob eine Ausnahme für den Fall erkennbarer Eilbedürftigkeit durch eine vorbeugende "Schutzschrift" in Betracht zu ziehen ist, braucht im gegebenen Fall nicht geklärt zu werden. Eine derartige Fallgestaltung war hier jedenfalls nicht gegeben (vgl. zum Vorstehenden betreffend das Beschwerdeverfahren über die Nicht-Zulassung der Revision: BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 - Az.: 4 B 1.95 -, Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 29; zum Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung: OVG LSA, Beschluss vom 18. November 2008 - Az.: 1 O 147/08 -, veröffentlicht bei juris). Der beschließende Senat hat dem Beigeladenen zu 1. auch keinen Anlass geboten, sich im Beschwerdeverfahren zu äußern, insbesondere sich bereits eines Rechtsanwaltes zu bedienen (siehe hierzu auch: BayVGH, Beschluss vom 8. Februar 1993 - Az.: 6 C 92.3331 -, zitiert nach juris; OVG LSA, a. a. O.). Vielmehr ist er mit der Eingangsverfügung des Senatsvorsitzenden ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er "gegebenenfalls gesondert Gelegenheit zur Stellungnahme nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist" erhalten werde.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2. waren insgesamt nicht aus Gründen der Billigkeit für erstattungsfähig zu erklären, da dieser sich weder dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt noch das Verfahren (wesentlich) gefördert hat.

Nach Erledigung des gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache ist der erstinstanzliche Beschluss des Verwaltungsgerichtes B-Stadt - 5. Kammer - vom 13. Juli 2009 wirkungslos. Infolge dessen war dieser Beschluss gemäß § 173 VwGO i. V. m. 269 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 ZPO für unwirksam zu erklären (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2001 - Az.: 2 C 16.00 -, NVwZ 2001, 1286 [1288]; OVG LSA, Beschluss vom 1. August 2007 - Az.: 1 M 138/07 - und vom 31. Mai 2005 - Az.: 3 L 13/03 -).

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 und 5 Satz 2 GKG, wobei der Senat die Hälfte des 6,5-fachen Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 11 BBesO i. V. m. § 18c LBesG zugrunde gelegt hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 92 Abs. 3 Satz 2, 152 Abs. 1, 158 Abs. 2 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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