Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 04.07.2006
Aktenzeichen: 1 O 138/06
Rechtsgebiete: GKG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

GKG § 34 (Fassung bis 30.06.2004)
GKG § 71 I (Fassung ab 01.07.2004)
GKG § 72
VwGO § 86 III
VwGO § 86 IV
VwGO § 87 I 1
VwGO § 101 I
VwGO § 103
VwGO § 104
VwGO § 158 II
ZPO § 272 I
ZPO § 272 II
ZPO § 275
ZPO § 276
1. Es kann im gegebenen Fall dahinstehen, ob § 34 Abs. 2 GKG, der die Beschwerdemöglichkeit grundsätzlich eröffnet, der Regelung des § 158 Abs. 2 VwGO vorgeht.

2. § 34 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F., wonach das Gericht einem Beteiligten von Amts wegen eine besondere Gebühr in Höhe einer Gebühr auferlegen kann, wenn durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig wird, gilt auch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und hat "echten Strafcharakter". Sie gibt dem Gericht die Möglichkeit, eine besondere Gebühr als eine Art prozessualer Ordnungsstrafe für schuldhafte Verzögerung des Verfahrens aufzuerlegen. "Verschulden" bedeutet hier sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit, wobei weder grobes Verschulden noch eine Verschleppungsabsicht gefordert werden; es bedeutet die Außerachtlassung der im Prozess gebotenen Sorgfalt durch einen Beteiligten.

3. Wird ohne sachlichen Grund erst unmittelbar vor dem - hier vor sechs Wochen - anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung das Klagebegehren dergestalt substantiiert, dass eine Beweisaufnahme erforderlich wird, und kann eine solche nicht in dem anberaumten Termin erfolgen, kann die dadurch eintretende Verzögerung des Rechtsstreites mit einer vollen Verzögerungsgebühr wegen Verletzung der Prozessförderungspflicht geahndet werden.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 O 138/06

Datum: 04.07.2006

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 17. Mai 2006, soweit ihm darin eine Gebühr gemäß § 34 GKG a. F. auferlegt wurde, hat keinen Erfolg. Es ist bereits fraglich, ob die Beschwerde zulässig ist, sie ist jedenfalls unbegründet.

Nach § 158 Abs. 2 VwGO ist eine Entscheidung über die Kosten, wenn - wie hier - eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist - unanfechtbar. Die Auferlegung einer Verzögerungsgebühr nach § 34 GKG a. F. ist eine solche Kostenentscheidung (siehe zur daraus folgenden Unanfechtbarkeit: BFH, Beschluss vom 7. Februar 1995 - Az.: IX B 160/04 -, zitiert nach juris.web [m. w. N.]). Die angefochtene Entscheidung über die Auferlegung einer so genannten Verzögerungsgebühr beruht im Hinblick auf die Anhängigkeit des Klageverfahrens bei dem Verwaltungsgericht Halle seit dem 23. Januar 2004 gemäß §§ 72 Nr. 1, 71 Abs. 1 GKG (in Kraft getreten am 1. Juli 2004 als Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BGBl. I, S. 718, n. F.) auf § 34 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis zum 1. Juli 2004 geltenden Fassung (a. F.). Letztlich kann hier jedoch dahinstehen, ob § 34 Abs. 2 GKG, der die Beschwerdemöglichkeit grundsätzlich eröffnet, der Regelung des § 158 Abs. 2 VwGO vorgeht.

Die Beschwerde hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. kann das Gericht einem Beteiligten, hier dem Kläger, von Amts wegen eine besondere Gebühr in Höhe einer Gebühr auferlegen, wenn durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig wird. Diese Vorschrift, die auch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit gilt, hat "echten Strafcharakter" und gibt dem Gericht die Möglichkeit, eine besondere Gebühr als eine Art prozessualer Ordnungsstrafe für schuldhafte Verzögerung des Verfahrens aufzuerlegen (vgl.: VGH Hessen, Beschluss vom 20. Juli 1988 - Az.: 1 TG 2862/88 -, zitiert nach juris.web [m. w. N.]). "Verschulden" bedeutet hier sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit, wobei weder grobes Verschulden noch eine Verschleppungsabsicht gefordert werden; es bedeutet die Außerachtlassung der im Prozess gebotenen Sorgfalt durch einen Beteiligten (VGH Hessen, a. a. O.).

Hiervon ausgehend rechtfertigen die mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nicht. Dass - wie der Kläger vorträgt - ein "objektiv schwerer, eindeutiger Verschleppungsfall" nicht vorliegt, hindert die Festsetzung einer besonderen Gebühr nach § 34 GKG a. F. nach den vorstehenden Ausführungen jedenfalls nicht. Soweit die Beschwerde vorträgt, eine Verzögerung könne im Hinblick darauf, dass es sich um den ersten Termin zur mündlichen Verhandlung gehandelt habe, nicht eintreten, vermag sie damit nicht durchzudringen. Der verwaltungsprozessuale Gang des Klageverfahrens (vgl. insbesondere §§ 86 Abs. 3 und 4, 87 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1, 103, 104 VwGO) und die in diesem Zusammenhang grundsätzlich durchzuführende mündliche Verhandlung nach der VwGO stehen dem vom Kläger in Bezug genommenen "frühen ersten Termin" nach der ZPO (§ 275) nicht gleich, sondern entspricht allenfalls dem Prozedere des "schriftlichen Vorverfahrens" gemäß § 272 Abs. 1 und 2 ZPO i. V. m. § 276 ZPO (vgl. auch § 279 ZPO: "früher erster Termin oder Haupttermin"). Im Übrigen erschöpft sich das insoweitge Beschwerdevorbringen in nicht näher substantiierten Behauptungen.

Soweit die Beschwerde des Weiteren geltend macht, der dem Kläger am 6. April 2006 und damit bereits sechs Wochen vor dem zugleich anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung zugestellte richterliche Hinweis sei "nicht weiterführend" gewesen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der gerichtliche Hinweis bringt jedenfalls unmissverständlich zum Ausdruck, dass das Gericht den vom Kläger gegenüber dem Beklagten erhobenen Vorwurf der groben Fahrlässigkeit der Dienstpflichtverletzung als unschlüssig erachtet. Aufgrund dessen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers sein Vorbringen nicht nur "ergänzt" und "vertieft", sondern auch nicht unerheblich um neue tatsächliche wie rechtliche Aspekte nebst Beweisangeboten erweitert mit der Folge, dass der Beklagte diesbezüglich u. a. die Einrede der Verjährung erhoben hat und das Verwaltungsgericht nunmehr eine - weitergehende - Sachverhaltserforschung auch im Wege der Beweiserhebung, insbesondere im Wege der Zeugenvernehmung für erforderlich erachtet. Der - im Übrigen unsubstantiiert gebliebene - Vorwurf des Klägers, das Verwaltungsgericht habe entgegen § 87 VwGO die mündliche Verhandlung nicht hinreichend vorbereitet, erschließt sich dem Senat nach alledem nicht, zumal - wie soeben ausgeführt - das Gericht mit der frühzeitigen Ladung zureichende Hinweise in der Sache gegeben hat. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Beiziehung von Akten beruft, verkennt er, dass das Verwaltungsgericht die Vertagung und die Anberaumung eines neuen Termins nicht im Hinblick auf erstmals vorliegende oder vorzulegende Gerichtsakten oder Verwaltungsvorgänge, sondern wegen der von ihm nunmehr als geboten angesehen Vernehmung von - nicht anwesenden bzw. vom Kläger sistierten - Zeugen begründet hat. Das Verwaltungsgericht hält dem Kläger in diesem Zusammenhang auch nicht sein Vorbringen als solches vor, sondern vielmehr, dass dieses, insbesondere der neue und unter Beweis gestellte Vortrag, nicht gemäß der auch dem Kläger obliegenden Prozessförderungspflicht rechtzeitig vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung erfolgt ist. Soweit die Beschwerde vorträgt, der vom Prozessbevollmächtigten am Vorabend der mündlichen Verhandlung übersandte Schriftsatz weise "lediglich" ergänzendes und vertiefendes Vorbringen auf, erschöpfen sich diese Ausführungen ebenfalls in einer bloßen Behauptung ohne weitere Substantiierung. Entsprechendes gilt, soweit sich die Beschwerde darauf beruft, das Verwaltungsgericht habe sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Dafür ist im Übrigen auch nichts ersichtlich.

Schließlich verkennt der Kläger mit seinem Einwand, sein schriftsätzliches Vorbringen vom 16. Mai 2006 habe zu keiner Verzögerung geführt, dass das vorliegende Klageverfahren aufgrund seines neuen Vorbringens nicht - wie vom Verwaltungsgericht beabsichtigt - am 17. Mai 2006 in der Hauptsache hat entschieden werden können, sondern nunmehr ausweislich des Beschlusses des Verwaltungsgerichtes vom 17. Mai 2006 ein weiterer, neuer Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt werden musste. Auf die Dauer der Anhängigkeit eines Verfahrens kommt es für die Beantwortung der Frage, ob die Erledigung eines Rechtsstreites verzögert wurde, nicht entscheidungserheblich an. Ungeachtet dessen lässt § 34 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. daneben alternativ genügen, dass die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig wird. Darauf, dass noch am Abend "Zweifel an der Bevollmächtigung aufgetaucht" sind, vermag sich der Kläger schließlich nicht mit Erfolg zu berufen, da diese haben ausgeräumt werden können und damit zu keiner Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreites geführt haben. Im Übrigen wird die rechtliche Relevanz dieses Einwandes nicht weiter durch die Beschwerde dargelegt.

Nach alledem hat die Beschwerde auch nicht dargelegt und ist auch anderweitig nicht ersichtlich, dass die Auferlegung einer besonderen Gebühr gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. unverhältnismäßig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 5 Abs. 6 GKG a. F. i. V. m. § 34 Abs. 2 Satz 2 GKG a. F.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 5 Abs. 2 Satz 3, 34 Abs. 2 Satz 2 GKG a. F.).

Ende der Entscheidung

Zurück