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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: 1 O 149/08
Rechtsgebiete: GVG, SG, WBO


Vorschriften:

GVG § 17a
SG § 59 Abs. 1
SG § 82 Abs. 1
WBO § 17 Abs. 1
WBO § 17 Abs. 3
1. Zur Rechtswegzuständigkeit bei Geltendmachung der Verletzung der truppenärztlichen Schweigepflicht durch einen Soldaten.

2. Die Wehrdienstgerichte besitzen die Entscheidungskompetenz, wenn es um die Verletzung von Rechten und Pflichten geht, die auf dem besonderen militärischen Über- und Unterordnungsverhältnis beruhen ("truppendienstliche Angelegenheiten"), während Rechtsschutz im Hinblick auf die mit dem allgemeinen Dienstverhältnis zusammenhängenden Rechte und Pflichten ("Verwaltungsangelegenheiten"), insbesondere die den Status des Soldaten betreffende Angelegenheiten durch die Verwaltungsgerichte gewährt wird.

3. Bei der Geltendmachung der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht ist danach zu unterscheiden, ob diese auf dem allgemeinen truppendienstlich geprägten oder auf einem besonderen Arzt-Patient-Verhältnis beruht.


Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß § 82 Abs. 1 SG in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl I S. 1482), der die weitgehend gleichlautende Vorgängernorm des § 59 Abs. 1 SG ersetzt hat, ist für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis der Verwaltungsrechtsweg nur gegeben, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Für den vorliegenden Rechtsstreit über die vom Kläger gerügte Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht durch einen Truppenarzt ist mit der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO "ein anderer Rechtsweg" vorgeschrieben. Danach kann der Beschwerdeführer die Entscheidung des Truppendienstgerichts beantragen, wenn seine Beschwerde eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Insoweit tritt das Verfahren vor dem Truppendienstgericht an die Stelle des Verwaltungsrechtsweges gemäß § 82 SG.

Die Wehrdienstgerichte besitzen hiernach dann die Entscheidungskompetenz, wenn es um die Verletzung von Rechten und Pflichten geht, die auf dem besonderen militärischen Über- und Unterordnungsverhältnis beruhen ("truppendienstliche Angelegenheiten"), während Rechtsschutz im Hinblick auf die mit dem allgemeinen Dienstverhältnis zusammenhängenden Rechte und Pflichten ("Verwaltungsangelegenheiten"), insbesondere die den Status des Soldaten betreffende Angelegenheiten durch die Verwaltungsgerichte gewährt wird. Für die Abgrenzung kommt es auf die wahre Natur des geltend gemachten Anspruchs an. Die Rechtsauffassung des beteiligten Soldaten ist nicht maßgebend; insbesondere bleibt ohne Bedeutung, welche Rechtsvorschriften nach Auffassung des Soldaten das Begehren stützen. Da das truppendienstgerichtliche Verfahren an das Beschwerdeverfahren nach §§ 1 ff. WBO knüpft, das die Befehls- und Anordnungsbefugnis von Vorgesetzten oder von Dienststellen der Bundeswehr voraussetzt, ist der Rechtsweg zu den Truppendienstgerichten auf solche Streitigkeiten begrenzt, die ihren Anlass in den spezifischen Gegebenheiten des Wehrdienstverhältnisses haben und sich insoweit von den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten unterscheiden (siehe zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 9. August 2005 - Az.: 2 B 15.05 -, Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 58 [m. w. N.]).

Dabei setzt der wehrbeschwerdeordnungsrechtliche Begriff der "Maßnahme" (§ 17 Abs. 3 WBO) eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten voraus, die auf der Grundlage des Vorgesetztenverhältnisses, also in einem Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung getroffen oder erbeten worden ist. Das erfordert, dass die Maßnahme oder Unterlassung unmittelbar gegen den Soldaten gerichtet ist oder - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Verstoßes gegen Vorgesetztenpflichten in seine Rechtssphäre hineinwirkt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt. Auch rein tatsächliche dienstliche Handlungen eines Vorgesetzten sind Maßnahmen, die gegebenenfalls zu einer wehrdienstgerichtlichen Prüfung führen können, soweit sie unmittelbar gegen den Soldaten gerichtet sind oder jedenfalls in Form einer Rechtsverletzung oder eines Verstoßes gegen Vorgesetztenpflichten in seinen Rechtsbereich hineinwirken, den antragstellenden Soldaten in seiner Rechtssphäre also unmittelbar betreffen (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 30. November 2006 - Az.: 1 WB 23.06 -, Buchholz 449 § 82 SG Nr. 2 [m. w. N.]; Beschluss vom 9. November 2005 - Az.: 1 WB 27.05 -, Buchholz 236.1 § 29 SG Nr. 7 [m. w. N.]).

So liegt der Fall hier. Bei der ärztlichen Schweigepflicht ist nämlich danach zu unterscheiden, ob diese auf dem allgemeinen truppendienstlich geprägten oder auf einem besonderen Arzt-Patient-Verhältnis beruht. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn der Arzt als Gutachter in einem Entlassungsverfahren tätig wird (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 15. November 1983 - Az.: 1 WB 113.81 -, zitiert nach juris). Die Beendigung des Dienstverhältnisses eines Soldaten wegen Dienstunfähigkeit berührt seinen Status, denn zum statusrechtlichen Bereich gehört nicht nur der Akt der Beendigung des Dienstverhältnisses selbst. Vielmehr gehören dazu auch alle Maßnahmen, die der Vorbereitung dieser Entscheidung dienen sowie die hierbei zu beachtenden Vorschriften. Über Statusangelegenheiten haben - wie ausgeführt - nicht die Wehrdienstgerichte, sondern die allgemeinen Verwaltungsgerichte zu entscheiden (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 1977 - Az.: I WB 188.77 -, zitiert nach juris).

Vorliegend ging es ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des zuständigen Oberfeldarztes vom 29. September 2004 und des Beschwerdebescheides vom 5. Oktober 2004 indes gerade nicht darum, dass der Kläger im Rahmen eines Verfahrens zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit stationär aufgenommen und untersucht werden sollte. Nur eine solche Untersuchung eines Soldaten auf seine Dienstfähigkeit hin berührte dessen Statusverhältnis mit der Folge, dass es sich um eine "Verwaltungsangelegenheit" handelte, wenn ein Sanitätsoffizier in einem Entlassungsverfahren ein ärztliches Gutachten erstattet (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 15. November 1983, a. a. O.). Im gegebenen Fall stellte der zuständige Oberfeldarzt demgegenüber nur anlässlich einer ambulanten Vorstellung des Klägers eine Erkrankung fest, welche die "dringende medizinische Indikation zur stationären Aufnahme" zur Folge hatte. Anders gewendet: Die beabsichtigte stationäre Aufnahme des Klägers sollte der medizinischen Behandlung, nicht hingegen der Untersuchung zum Zwecke der Feststellung der Dienst(un)fähigkeit dienen.

Der vom Kläger beanstandete Informationsaustausch zwischen seinem Vorgesetzten mit dem Arzt ist danach als Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 WBO zu qualifizieren. Anlass und Gegenstand war die gesundheitliche Situation des Klägers, die zu einer stationären Aufnahme zum Zwecke der Krankenbehandlung führen sollte. Damit verbunden war notwendigerweise die Übermittlung personenbezogener Daten, die durch das in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung besonders geschützt sind. Auf dieses Recht kann sich der Kläger als Soldat gemäß § 6 SG berufen (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 9. November 2005, a. a. O. [m. w. N.]). Da der Kläger mithin eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Übermittlung der seine Gesundheitssituation betreffenden personenbezogenen Daten ohne seine Zustimmung geltend macht, rügt er damit die Verletzung von ihm gegenüber bestehenden Vorgesetztenpflichten, die sich aus § 10 Abs. 3 SG ergeben. Ob und inwieweit die Maßnahme tatsächlich in die Rechte eines Beschwerdeführers und Klägers eingreift, gehört zur Prüfung der Beschwer, ist aber kein begriffsnotwendiger Bestandteil der "Maßnahme" (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 9. November 2005, a. a. O. [m. w. N.]).

Da der Kläger - noch - nicht aus dem Wehrdienstverhältnis ausgeschieden ist, bleibt der Anwendungsbereich des § 17 WBO eröffnet (vgl.: BVerwG. Beschluss vom 17. März 1999 - Az.: 1 WB 80.98 -, Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 16).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Festsetzung eines Streitwertes für das Beschwerdeverfahren bedurfte es wegen des in Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG bestimmten Festbetrages nicht.

Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht war nicht gemäß § 152 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG zuzulassen, da Gründe nach § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG für eine Zulassung nicht gegeben sind.

Dieser Beschluss ist infolge der Nichtzulassung der Beschwerde und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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