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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: 1 O 169/06
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 67 Abs. 1 S. 1
VwGO § 67 Abs. 1 S. 2
VwGO § 146 Abs. 2
VwGO § 146 Abs. 3
ZPO § 114 Abs. 1
1. Die Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem der Antrag eines Verfahrensbeteiligten auf Gewährung von Reisekosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung abgelehnt wurde, unterliegt dem Vertretungszwang nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

2. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Reisekosten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sind nicht die Vorschriften über Prozesskostenhilfe, sondern die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Reiseentschädigungen (VwV Reiseentschädigung).

3. Die Gewährung der Reisekosten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ist nicht von den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung abhängig.

4. Bei der Reisekostenbewilligung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung handelt es sich nicht um einen Akt der Rechtsprechung, sondern um eine Tätigkeit der Gerichtsverwaltung.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 O 169/06

Datum: 13.09.2006

Gründe:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16.07.2006, mit dem der Antrag des Klägers auf Gewährung von Reisekosten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 20.09.2006 abgelehnt wurde, ist unzulässig. Sie wurde nicht durch einen Postulationsfähigen im Sinne von § 67 VwGO erhoben. Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss sich vor dem Oberverwaltungsgericht jeder Beteiligte, der einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch für die Einlegung der Beschwerde.

Die nach dieser Vorschrift geltende Ausnahme für Beschwerden gegen Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe greift nicht ein. Die Entscheidung über die Gewährung von Reisekosten zum Termin der mündlichen Verhandlung ergeht nicht im Verfahren der Prozesskostenhilfe (a. A. OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 28.05.2003 - 2 O 22/03 -, juris; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.02.1997 - 3 PKH 1.97 -, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 37; BGH, Beschluss vom 19.05.1975 - IV ARZ (VZ) 29/74 -, NJW 1975, 1124). Rechtsgrundlage für die beantragte Gewährung von Reisekosten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sind nicht die Vorschriften über Prozesskostenhilfe, sondern die AV des Ministeriums der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt über die "Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen für Reiseentschädigungen an Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, ehrenamtlicher Richterinnen, ehrenamtliche Richter und Dritte (VwV Reisentschädigung)" vom 15.06.2006 (JMBl. LSA S. 235). Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften über Reiseentschädigungen bilden eine gegenüber den Vorschriften über die Prozesskostenhilfe eigenständige Rechtsgrundlage (ebenso: Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 166 Rdnr. 164; Sächs. OVG, Beschluss vom 17.03.1999 - 1 S 8/99 -, NVwZ-RR 1999, 814). Die Reisekosten werden nämlich unabhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für mittellose Parteien gewährt, um deren Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sicherzustellen. So ist nach den Verwaltungsvorschriften die Gewährung der Mittel nicht von den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung abhängig (so auch Sächs. OVG, a. a. O.; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 07.03.2006 - 25 ZB 05.31119, AuAS 2006, 82), während die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichende Erfolgsaussichten voraussetzt (vgl. § 114 Satz 1 ZPO). Die Zuständigkeit für die Bewilligung liegt gemäß Nr. I 2 der AV in Eilfällen beim Amtsgerichtspräsidenten oder Amtsgerichtsdirektor im Bezirk des Aufenthaltsorts des Antragstellers, und nicht - wie es § 127 Abs. 1 Satz 2 ZPO für die Prozesskostenhilfe regelt - stets beim Prozessgericht. Aus Nr. I 2, I 1.1.1 und I 1.2 der AV ergibt sich im Übrigen, dass es sich bei der Reisekostenbewilligung - im Gegensatz zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe - nicht um einen Akt der Rechtsprechung, sondern um eine Tätigkeit der Gerichtsverwaltung handelt, auch wenn das Verwaltungsgericht mit dem Beschluss durch die Einzelrichterin anders verfahren ist. Schließlich regelt Nr. I 1 Satz 5 der AV ausdrücklich, dass die Vorschriften über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unberührt bleiben. Ein Rückgriff auf die Vorschriften des Prozesskostenhilferechts ist auch nicht deshalb erforderlich, weil es andernfalls keine eindeutige gesetzliche Grundlage für die Bewilligung dieser Kosten gäbe (vgl. aber BGH, a. a. O.). Abgesehen davon, dass das Prozesskostenhilferecht gerade keine eindeutigen Regelungen zu den Voraussetzungen für die Bewilligung von Reisekosten zum Termin der mündlichen Verhandlung trifft, bilden die Verwaltungsvorschriften eine hinreichende Grundlage für die Gewährung dieser Mittel; es bedarf keiner gesetzlichen Regelung (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.04.1979 - 3 C 111.79 -, BVerwGE 58, 45 zur Vergabe von Förderungsmitteln nach Maßgabe von Richtlinien).

Ist die Beschwerde demnach bereits mangels Einlegung durch einen postulationsfähigen Vertreter unzulässig, so kann dahinstehen, ob es sich bei der Entscheidung über die Bewilligung von Reisekosten um eine prozessleitende Verfügung i. S. des § 146 Abs. 2 VwGO handelt, die nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann.

Ebenso unerheblich ist es, ob Streitigkeiten über den Reisekostenvorschuss - wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht (a. a. O.) meint - als solche über die Kosten i. S. des § 146 Abs. 3 VwGO anzusehen sind. In diesem Falle würde die Zulässigkeit der Beschwerde daran scheitern, dass der Beschwerdewert von zweihundert Euro nicht erreicht ist.

Unabhängig von der Unzulässigkeit der vorliegenden Beschwerde wird das Verwaltungsgericht nunmehr darüber zu befinden haben, ob der angefochtene Beschluss von Amts wegen aufgehoben und eine Entscheidung der Gerichtsverwaltung über die Gewährung einer Reisekostenentschädigung nach Maßgabe der AV vom 15.06.2006 getroffen wird, bei der nicht auf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung abzustellen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Festsetzung eines Streitwertes bedarf es nicht, weil für die Beschwerde nach der Ziff. 5502 der Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr erhoben wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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