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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: 2 K 128/06
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 14 Abs. 1
BauGB § 16 Abs. 2
Sieht das Bekanntmachungsrecht eines Satzungsgebers eine Bekanntmachung durch Aushang vor, so muss die Mindestdauer des Aushangs der bekannt zu machenden Satzung in der Bekanntmachungsvorschrift bestimmt sein, weil sich nur dann eindeutig feststellen lässt, ab welchem Zeitpunkt die Rechtsnorm Verbindlichkeit beansprucht.
Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine von der Antragsgegnerin beschlossene Veränderungssperre.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der im Gebiet der Antragsgegnerin belegenen Grundstücke der Gemarkung C-Stadt, Flur 2, Flurstücke 218, 107/7, 107/8, 211, 107/10, 337/93 und 97. Auf diesen Flächen betreibt die (...) GmbH & Co. KG eine Wohnanlage für betreutes Wohnen behinderter Menschen mit derzeit 33 Wohnplätzen. Mit Ausnahme des Flurstücks 97 liegt sämtlicher Grundbesitz im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Hahnberg" der Antragsgegnerin in der Fassung der 1. Änderung aus dem Jahr 1998. Darin ist für den westlichen Teil ein allgemeines Wohngebiet und für den östlichen Teil, wo die Grundstücke der Antragstellerin liegen, ein Dorfgebiet festgesetzt.

Am 04.08.2005 beantragte die Antragstellerin beim Landkreis Altmarkkreis S. die Erteilung zweier Baugenehmigungen zur Erweiterung der Wohnanlage um 13 Plätze.

Am 13.10.2005 beschloss die Antragsgegnerin die Aufstellung eines Bebauungsplans "Im Winkel". Gleichzeitig sollte der im Geltungsbereich dieses Bebauungsplans liegende Teilbereich des Bebauungsplans "Hahnberg" aufgehoben und vollständig ersetzt werden. Sämtlicher Grundbesitz liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Im Winkel". Zugleich beschloss die Antragsgegnerin für das (neue) Plangebiet eine Veränderungssperre, die - wie auch der Aufstellungsbeschluss - durch Aushang in der Zeit vom 14.10.2005 bis 21.11.2005 bekannt gemacht wurde.

Am 20.02.2006 hat die Antragstellerin den Normenkontrollantrag gestellt und zur Begründung angegeben, der Erlass der Veränderungssperre nach § 14 BauGB sei unverhältnismäßig, weil bei einer Gefährdung der Bauleitplanung durch ein bestimmtes Vorhaben zunächst nur eine Zurückstellung des Baugesuchs nach § 15 BauGB in Betracht komme. Die beabsichtigte Planung, mit der eine Erweiterung der Behinderteneinrichtung verhindert werden solle, sei zudem als reine Negativplanung unzulässig.

Die Antragstellerin beantragt,

die Veränderungssperre der Antragsgegnerin vom 13.10.2005 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie macht geltend: Die Erforderlichkeit einer Veränderungssperre im Verhältnis zur Zurückstellung könne nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Frage gestellt werden. Auch könne trotz ihrer Bemühungen und der verhältnismäßig geringen Größe des Plangebiets nicht davon ausgegangen werden, dass die Planung innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden könne. Sie sei eine kleine Gemeinde; darüber hinaus bestehe kein Flächennutzungsplan, so dass die Planung noch genehmigt werden müsse, was zu Zeitverzögerungen führen könne. Es liege keine reine Negativplanung vor. Sie verfolge mit der geplanten Ausweisung des Wohngebiets "Im Winkel" ihr Ziel einer Angebotsplanung insbesondere für Einfamilienhausgrundstücke in unmittelbarer Dorflage. Sie dürfe den erkennbar starken und durch die Planungsabsichten voraussichtlich zu nehmenden Einfluss bestimmter Bevölkerungsgruppen, nämlich die Bewohner der Einrichtungen der Antragstellerin zum Anlass ihrer Planungen nehmen. Auch habe sie die Veränderungssperre und den Aufstellungsbeschluss gemäß der Bekanntmachungsregelung in ihrer Hauptsatzung, die rechtsstaatlichen Anforderungen entspreche und von der Kommunalaufsicht genehmigt worden sei, in nicht zu beanstandender Weise bekannt gemacht.

Am 22.02.2007 hat die Antragsgegnerin den (vorzeitigen) Bebauungsplan "Im Winkel" beschlossen. Eine Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde steht noch aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

Die Antragstellerin hat die im Normenkontrollverfahren erforderliche Antragsbefugnis. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche Person stellen, die geltend macht, durch die streitige Rechtsvorschrift in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass der Antragsteller hinreichend substanziiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einem Recht verletzt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 24.09.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215) sind an die Geltendmachung der Rechtsverletzung keine weitergehenden Anforderungen zu stellen, als sie für das Nachteilserfordernis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a. F.) galten. Sie sind hier gegeben, da die Antragstellerin Eigentümerin der von der Veränderungssperre betroffenen Grundstücke ist; zudem hat sie Bauanträge gestellt, die wegen der beschlossenen Veränderungssperre keinen Erfolg (mehr) haben.

Der Antrag ist auch begründet.

Die Veränderungssperre ist bereits deshalb unwirksam, weil sie nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurde.

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen, sobald ein Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans gefasst ist. Der Aufstellungsbeschluss muss gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB ortsüblich bekannt gemacht worden sein, und zwar spätestens gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Veränderungssperre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.02.1989 - 4 B 236/88 -, NVwZ 1989, 661). Die Veränderungssperre wird gemäß § 16 Abs. 1 BauGB als Satzung beschlossen und ist gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB ortsüblich bekannt zu machen. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB kann die Gemeinde auch ortsüblich bekannt machen, dass eine Veränderungssperre beschlossen worden ist. "Ortsüblich" ist diejenige Art der Verkündung, die in der Gemeinde für örtliche Rechtsvorschriften, und insbesondere für Satzungen, nach den einschlägigen landes- oder ortsrechtlichen Bestimmungen maßgebend ist (BVerwG, Beschl. v. 08.07.1992 - 4 NB 20.92 -, NVwZ-RR 1993, 262). Welchen Anforderungen im Einzelnen die Bekanntmachung genügen muss, lässt § 16 Abs. 2 BauGB hingegen ungeregelt; ihm kann insbesondere nicht entnommen werden, mit welchem Inhalt und in welcher Form die Satzung bekanntzumachen ist (BVerwG, Beschl. v. 08.07.1992, a. a. O.).

Der Senat vermag sich nicht der Auffassung der Antragsgegnerin anzuschließen, mit der Veröffentlichung der Veränderungssperre durch Aushang im Schaukasten "vor dem Grundstück "Dorfstraße 2" in der Zeit vom 14.10.2005 bis 21.11.2005 sei diese "ortsüblich" und damit ordnungsgemäß bekannt gemacht worden.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 09.08.2004 - 2 M 256/03 -, Juris) kann Ortsrecht, soweit eine Hauptsatzung oder Bekanntmachungssatzung einer Gemeinde die Form der Bekanntmachung (wirksam) regelt, nur in der darin vorgeschriebenen Form wirksam veröffentlicht werden. Zwar schreibt das Kommunalverfassungsrecht in Sachsen-Anhalt keine bestimmte Veröffentlichungsform für kommunales Satzungsrecht vor, so dass die Gemeinde grundsätzlich frei ist in der Wahl der Bekanntmachungsform; ihre Gestaltungsfreiheit wird aber begrenzt durch das Rechtsstaatsprinzip, das insoweit verlangt, dass sich der Bürger in zuverlässiger Weise Kenntnis vom Inhalt des zu verkündenden Rechtssatzes und der Tatsache seines In-Kraft-Tretens verschaffen kann (vgl. Beschl. d. Senats v. 13.01.2003 - 2 L 417/00 -; Urt. d. Senats v. 20.01.1994 - 2 L 2/93 -). Dies ist nur dann gewährleistet, wenn eine Kommune ihr selbst geschaffenes Bekanntmachungsrecht beachtet.

§ 11 Abs. 1 der im Zeitpunkt der (versuchten) Bekanntmachung der Veränderungssperre geltenden Hauptsatzung der Antragsgegnerin vom 27.05.1999 sieht vor, dass, soweit nicht Rechtsvorschriften besondere Regelungen treffen, die Bekanntmachungen von Satzungen, die durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben sind, im Bekanntmachungskasten der Gemeinde vor dem Grundstück Dorfstraße 2 erfolgen. Auf der Grundlage dieser Bestimmung ist die Veränderungssperre nicht wirksam veröffentlicht worden, auch wenn die Antragsgegnerin nach diesen Regelungen tatsächlich verfahren ist. Diese Bekanntmachungsvorschrift ist deshalb nichtig, weil darin die Dauer des Aushangs im Bekanntmachungskasten nicht geregelt ist. Sieht das Bekanntmachungsrecht eines Satzungsgebers - wie hier - eine Bekanntmachung durch Aushang vor, so muss die Mindestdauer des Aushangs der bekannt zu machenden Satzung in der Bekanntmachungsvorschrift bestimmt sein, weil sich nur dann eindeutig feststellen lässt, ab welchem Zeitpunkt die Rechtsnorm Verbindlichkeit beansprucht (vgl. Beschl. d. Senats v. 09.08.2004, a. a. O.; HessVGH, Urt. v. 31.05.1966 - OS IV 40/61 -, DVBl. 1964, 886, NdsOVG, Urt. v. 26.10.1961 - I OVG A 14/61 -, OVGE 17, 401; OVG NW, Urt. v. 10.02.1960 - III A 618/56 -, KStZ 1960, 197). Die Bekanntmachung ist nicht bereits in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück mit der Satzung in den Bekanntmachungskasten gehängt wird; der Veröffentlichungsvorgang ist vielmehr erst mit Beendigung des Aushangs abgeschlossen. Eine andere Auslegung würde mit dem Zweck der öffentlichen Bekanntmachung nicht vereinbar sein, dass jedermann Gelegenheit haben soll, von dem Wortlaut der Satzung Kenntnis zu nehmen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 26.10.1961, a. a. O.). Dieser Zweck verlangt insbesondere, dass Satzungen, die ausgehängt werden, nicht nur eine kurze, im Ergebnis vom Belieben der aushängenden Gemeinde abhängige Zeit zum Aushang kommen, sondern so lange ausgehängt werden, dass die Kenntnisnahme nicht allein vom Zufall abhängig ist (vgl. HessVGH, Urt. v. 31.05.1966, a. a. O.). Dies bedeutet, dass in der Bekanntmachungsvorschrift eine ausreichende Zeitspanne für den Aushang von Ortssatzungen festgelegt werden muss.

Die in § 11 Abs. 2 der Hauptsatzung vom 27.05.1999 bestimmte Frist kann nicht (entsprechend) herangezogen werden. Nach dieser Vorschrift kann, wenn Pläne, Karten, Zeichnungen oder andere Anlagen selbst eine bekannt zu machende Angelegenheit oder Bestandteil einer bekannt zu machenden Angelegenheit sind, diese durch Auslegung während der Dienststunden in der Gemeindeverwaltung ersetzt werden; auf die Auslegung wird unter Angabe des Ortes und der Dauer im Bekanntmachungskasten der Gemeinde hingewiesen; die Dauer der Auslegung beträgt zwei Wochen, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist. Der Zeitraum von zwei Wochen betrifft (ausdrücklich) nur die Bekanntmachung von Plänen, Karten und Zeichnungen, die ausgelegt werden, weil der Schaukasten für einen Aushang insoweit ungeeignet erscheint. Der Bürger kann nicht in zuverlässiger Weise davon ausgehen, dass diese Frist auch für Aushänge im Schaukasten und insbesondere für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der darin veröffentlichten Vorschriften maßgeblich sein soll.

Eine andere Beurteilung käme dann in Betracht, wenn sich feststellen ließe, dass die Dauer des Aushangs auch ohne ausdrückliche Regelung ortsüblich festgestanden hätte (vgl. NdsOVG, Urt. v. 26.10.1961, a. a. O.). Dies lässt sich hier jedoch nicht feststellen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich eine bestimmte Frist als ortsüblich herausgebildet haben könnte. Es kann insbesondere nicht angenommen werden, dass gerade die Dauer des Aushangs der streitigen Veränderungssperre und des Aufstellungsbeschlusses von 39 Tagen regelmäßig der Zeitraum war, für den Satzungen ausgehängt wurden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin der (Mindest-)Dauer des Aushangs keine Bedeutung beigemessen hat. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Bürgermeister in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, seiner Auffassung nach sei die Bekanntmachung von Satzungen bereits am Tag des Aushangs bewirkt.

Ob die Hauptsatzung ihrerseits wirksam bekannt gemacht wurde, kann nach alldem dahinstehen.

Auch die Bekanntmachungsvorschriften in den zuvor beschlossenen Hauptsatzungen der Antragsgegnerin enthielten keine Aushangfristen und waren deshalb ebenfalls unwirksam.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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