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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 2 K 258/06
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 3
BauGB a.F. § 1 Abs. 6
BauNVO § 1 Abs. 10
1. Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB sind Bebauungspläne bzw. bauplanerische Festsetzungen, deren Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen. Ein zeitlicher Prognosehorizont von mindestens etwa 20 Jahren entzieht der Planung eines Gewerbegebiets regelmäßig eine realistische Grundlage und macht ihre Verwirklichung unabsehbar.

2. Zwar gibt es keinen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebietes nach Art und Maß auch bei einer Überplanung weiterhin zugelassen werden muss. Der Satzungsgeber muss aber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Das setzt eine zutreffende Beurteilung des planungsrechtlichen "Status" der überplanten Grundstücke voraus. Gerade wenn die Überplanung von Wohngrundstücken die Eigentümerbefugnisse in starkem Maß einschränkt, ist die Gemeinde gezwungen, das Eigentum bei der Aufstellung des Bebauungsplanes in hervorgehobener Weise zu berücksichtigen.

3. Bei der Überplanung von Gemengelagen bzw. von Gebieten mit mehr oder weniger engem Nebeneinander von unterschiedlichen Nutzungen, beansprucht das Trennungsgebot des § 50 BImSchG keine strikte Geltung. Dabei müssen jedoch die Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 BauGB sowie der BauNVO in die Abwägung einbezogen werden, sofern sie es ermöglichen, betroffenen Belangen auch differenziert Rechnung zu tragen; diese Möglichkeiten dürfen nicht übersehen werden. Sofern von ihnen Gebrauch gemacht wird, muss dies - selbstverständlich - in rechtlich zulässiger Weise erfolgen.

4. Bei einer Fremdkörperfestsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO handelt es sich um eine anlagenbezogene Festsetzung im Sinne einer Einzelfallregelung, bei der der an sich abstrakte Normencharakter des Bebauungsplans verlassen wird und sich die Festsetzungen konkret auf bestimmte vorhandene Nutzungen beziehen. Daraus folgt, dass die Beschaffenheit der Anlagen im Zeitpunkt der Festsetzung dokumentiert sein muss und dass sich aus den textlichen oder zeichnerischen Festsetzungen zum erweiterten Bestandsschutz zweifelsfrei ergibt, auf welche konkret vorhandenen Anlagen sich die Festsetzungen beziehen.

5. Der Bebauungsplan muss zwar nicht alle Konflikte städtebaulicher Art lösen, die er in einem zu ordnenden Bereich vorfindet. Er darf aber die vorhandenen Konflikte nicht verfestigen oder verschärfen.

6. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf die Gemeinde zwar dann Abstand nehmen, wenn die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist. Dafür bedarf es jedoch einer prognostischen Einschätzung der Immissionen, die mit den planungsrechtlich zulässigen Nutzungen verbunden sein können.


Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen einen Bebauungsplan, mit dem die Antragsgegnerin eine Fläche als Gewerbegebiet überplant hat.

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks in der Gemarkung A-Stadt, Flur 46, Flurstück 124/53 mit der Straßenbezeichnung "A-Straße", das mit einem Wohnhaus bebaut ist. In westlicher und östlicher Richtung sind weitere - im Wesentlichen nördlich der Straße "Am Kraftwerk" gelegene - Grundstücke mit Wohnhäusern bebaut. In östlicher Richtung wird diese Bebauung durch eine in Südost-Nordwest-Richtung verlaufende Bahntrasse begrenzt, jenseits derer sich eine Vielzahl industriell bzw. gewerblich genutzter Anlagen befinden. Südlich der Straße "Am Kraftwerk", die im Westen in die Leipziger Straße (B 184) einmündet und im Osten entlang der Bahntrasse weiter in südöstliche Richtung verläuft, bis zur Straße "Am Bad" befinden sich (im Wesentlichen) unbebaute Flächen. Die unmittelbar nördlich der Wohngrundstücke liegenden Flächen sind bis zur Bahntrasse ebenfalls unbebaut.

Am 29.03.2000 beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans 02/00 "Areal E/II" Chemiepark A-Stadt, dessen räumlicher Geltungsbereich sich im Westen bis zur Leipziger Straße und im Osten über die Bahntrasse hinweg auf das Gelände der PD Chemiepark A-Stadt GmbH erstreckt. Gleichzeitig wurde die frühzeitige Bürgerbeteiligung beschlossen. Im Planentwurf wurden die ganz im Westen des Plangebiets liegenden Flächen bis zur Höhe des Grundstücks "Am Kraftwerk 40" und der Planstraße A als Mischgebiete ausgewiesen, die weiter östlich liegenden Flächen bis zur Bahntrasse hingegen als Gewerbegebiete (GE 1 bis GE 6). Das Grundstück der Antragsteller befindet sich im Gewerbegebiet GE 2. Die östlich der Bahntrasse liegenden Flächen wurden als Industriegebiete (GI 1 bis GI 7) ausgewiesen. Abschnitt 1.01 der textlichen Festsetzungen (Art der baulichen Nutzung) sieht vor, dass in den nachstehenden Gewerbe- und Industriegebieten gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 2 BauNVO die Neuansiedlung solcher Betriebe und Anlagen grundsätzlich unzulässig ist, die auf der Grundlage des "Schalenmodells" aufgeführt bzw. diesen im Emissionsniveau vergleichbar sind:

"Störfallproblematik"

Zone 1 - Gebiet GE 3, GE 6, GE 7 und GI 5 -

Unzulässig sind Anlagen, die im Anhang zur 4. BImSchV aufgeführt sind. Unzulässig sind ferner Betriebsbereiche und Anlagen, die der Störfall-Verordnung (12. BImSchV) unterliegen.

Zone 2 - GE 1, GE 2, GE 4, GE 5, GI 4 und GI 6 -

Unzulässig sind Anlagen, die im Anhang zur 4. BImSchV vom 27.07.2001 in der Spalte 1 aufgeführt sind. Unzulässig sind ferner Betriebsbereiche und Anlagen, die der Störfall-Verordnung (12. BImSchV vom 26.04.2000) unterliegen.

Zone 3 - GI 1 und GI 2 -

Unzulässig sind Betriebsbereiche und Anlagen, die den erweiterten Pflichten der Störfall-Verordnung (12. BImSchV vom 26.04.2000) unterliegen. Dazu zählen auch Anlagen, die im Einzelfall erweiterte Pflichten durch die Behörde auferlegt bekommen haben.

ohne Festlegung gemäß Schalenmodell - GI 3 und GI 7.

Aufgrund der Komplexität der Störfallproblematik wird auf die Einzelfallprüfung im Genehmigungsverfahren verwiesen.

Die textliche Festsetzung sieht weiter vor, dass in den Gewerbegebieten Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, Tankstellen sowie Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude zulässig sind.

Unter dem Stichwort "Fremdkörperfestsetzung" ist unter Nr. 1 vorgesehen, dass gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen von baulichen und sonstigen Anlagen ausnahmsweise zugelassen werden können, die sonst nach den Festsetzungen des Bebauungsplans unzulässig wären.

In der Begründung zum Bebauungsplan heißt es u. a., das Plangebiet mit einer Größe von 26,8 ha befinde sich zum Teil im derzeit geschlossenen Areal der P-D Chemiepark A-Stadt GmbH westlich der Ortslage A-Stadt sowie in einem westlich des Chemieparks liegenden Teil des Stadtgebiets A-Stadt. Am Standort befänden sich seit vielen Jahrzehnten Chemieansiedlungen. Bedingt durch den großflächigen Rückbau der Jahrzehnte alten, nicht mehr sanierungsfähigen Industrieanlagen im Plangebiet sowie der Absicht, bestehende sanierungsfähige Industriebetriebe zu erhalten, neue Industriebetriebe anzusiedeln und damit verbunden, umfangreiche infrastrukturelle Maßnahmen durchzuführen, mache die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich. Durch den Bebauungsplan sollen u. a. die Konflikte zwischen nahe gelegener Bebauung außerhalb des Chemieparks und dem Chemiepark selbst gelöst bzw. minimiert werden. Der Bebauungsplan stehe im räumlichen und funktionellen Zusammenhang mit den Bebauungsplänen Nr. 01/00 "Areal E/I", Nr. 03/00 "Areal E/III" und Nr. 04/00 "Areal E/IV", die sich derzeit im Bebauungsplanverfahren befänden, sowie mit allen Bebauungsplänen des Chemieparks. Der Flächennutzungsplan liege als Vorentwurf vor, der sich zurzeit in Änderung befinde.

Im Abschnitt 5.3 (vorhandene Bebauung) heißt es, das Gelände, das zum Chemiepark gehöre, sei bebaut gewesen mit Industriebauten des ehemaligen Chemiekombinats A-Stadt. Ein großer Teil der alten Produktionsstätten sei bereits abgerissen worden. Im geringen Umfang seien Gebäude saniert worden. Im zum Stadtgebiet gehörenden Teil des Bebauungsplans zwischen Griesheimstraße und B 184 (Leipziger Straße) befänden sich zum größten Teil Wohnhäuser, teilweise leer stehend, sowie Garagenanlagen.

In seiner Stellungnahme vom 27.03.2003 wies der Landkreis A-Stadt darauf hin, dass auf den Flächen der Gewerbegebiete GE 1 und GE 2 sich etliche Wohnhäuser befänden, die auch bewohnt seien; insofern irritiere die Ausweisung als Gewerbegebiet. Die vorhandene Wohnbebauung sollte bei der Anwendung des "Schalenmodells" berücksichtigt werden. Auch aus planungsrechtlicher Sicht ergäben sich Bedenken gegen die Ausweisung dieser Gewerbegebiete, da die Ausweisung der tatsächlich vorhandenen Nutzung widerspreche. Es sei schwer nachvollziehbar, inwiefern die vorhandenen Wohngrundstücke in der Perspektive einer gewerblichen Nutzung zugeführt werden sollen, zumal die Gebäude fast alle bewohnt und größtenteils in den letzten Jahren teilweise oder gar vollständig saniert worden seien.

Im Abwägungsbeschluss wurde hierzu ausgeführt (vgl. Bl 64 und 53 f. der Beiakte), die Ausweisung von Gewerbegebieten sei erfolgt, um langfristig eine Abstufung zwischen Industriegebiet und Mischgebiet bzw. Wohnnutzung zu erreichen und hierdurch die Ausnutzbarkeit der Industrieflächen im Chemiepark zu sichern. Der Bestandsschutz bleibe hiervon unberührt. Die Gliederung nach dem Schalenmodell sei bezogen worden auf das Wohngebiet Kraftwerkssiedlung südlich der B-Plangrenze sowie auf den als Mischgebiet festgesetzten Teil. Die Wohnbebauung innerhalb des ausgewiesenen Gewerbegebiets bleibe unberücksichtigt. Der Schutz dieser Bebauung vor möglichen Auswirkungen von Störfällen sei im jeweiligen Einzelfall im anlagenbezogenen Genehmigungsverfahren bzw. im Rahmen der laufenden Anlagenüberwachung zu prüfen.

Der Stadtrat der Antragsgegnerin beschloss den Bebauungsplan in seiner Sitzung vom 05.11.2003 als Satzung, die am 09.07.2004 ausgefertigt und am 28.07.2004 in der "Bitterfelder Stadtinfo", dem amtlichen Mitteilungsblatt der Antragsgegnerin, bekannt gemacht wurde.

Im Norden des Plangebiets bis zur Höhe der Bahntrasse grenzt das Gebiet des am 20.10.2004 bekannt gemachten Bebauungsplans 04/00 "Areal E/IV" Chemiepark A-Stadt an, der für den südlichen, an den streitigen Bebauungsplan angrenzenden östlichen Bereich private Grünflächen sowie im Westen ein Gewerbe- sowie ein Mischgebiet ausweist. Für die weiter nördlich gelegenen Flächen sind durchgängig Industriegebiete vorgesehen. Östlich der Bahntrasse grenzt im Norden des Plangebiets der Geltungsbereich des am 28.07.2004 bekannt gemachten Bebauungsplans 03/00 "Areal E/III" Chemiepark A-Stadt an, der ausschließlich Industriegebiete ausweist. Östlich des Plangebiets schließt der am 02.06.2004 bekannt gemachte Bebauungsplan 01/00 "Areal E/I" Chemiepark A-Stadt an, der ebenfalls durchgängig Industriegebiete festsetzt.

Im Flächennutzungsplan in der am 03.05.2006 genehmigten Fassung sind die östlich der Bahntrasse gelegenen Flächen des Plangebiets als "gewerbliche Bauflächen", die sich westlich an die Bahntrasse anschließenden Flächen als gewerbliche Flächen mit der Einschränkung "besondere ökologische Anforderung, Durchmischung mit Gewerbeflächen" und das ganz im Westen gelegene Gebiet als gemischte Bauflächen mit der Einschränkung "besondere ökologische Anforderung, Durchmischung mit Gewerbeflächen" dargestellt.

Am 28.07.2006 haben die Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung tragen sie vor: Die Antragsgegnerin habe bei der Abwägung nicht berücksichtigt, dass der Bebauungsplan gerade im Hinblick auf die vorhandene Bebauung im Bereich der Gewerbegebiete GE 1 und GE 2 nicht verwirklichungsfähig sei, da sich dort mehr als 30 Gebäude befänden, die überwiegend - gerade auch von jungen Familien mit Kindern - bewohnt und teilweise saniert seien. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese Wohnnutzung innerhalb der nächsten 20 bis 40 Jahre aufgegeben werde. Es handele sich um eine zum Teil seit etwa 100 Jahren bestehende und gefestigte Siedlungsstruktur. Auch diese Gebäude seien Bestandteil der auf den Unternehmer Louis Bauermeister zurückgehenden Kraftwerkssiedlung "Deutsche Grube". Soweit die von einem Investor erworbenen Grundstücke leer ständen, sei dies der ungewissen Lage hinsichtlich der baulichen Ausnutzbarkeit der Grundstücke geschuldet. Die planerische Zielsetzung, die betroffenen Flächen perspektivisch entgegen der bestehenden Wohnnutzung zum Gewerbegebiet zu entwickeln, sei nicht durchsetzbar. Die tatsächlichen Verhältnisse wichen vom Planinhalt so massiv und offenkundig ab, dass sich der Antragsgegnerin die Funktionslosigkeit des Bebauungsplans hätte aufdrängen müssen. Sie habe ferner nicht berücksichtigt, dass innerhalb der Festsetzung der beiden Gewerbegebiete im Plangebiet künftig Nutzungen ausgeschlossen seien, die bislang auf Grund der faktischen Prägung der näheren Umgebung materiell zulässig und damit genehmigungsfähig gewesen seien. In die Abwägung sei einzustellen gewesen, dass sich der Entzug baulicher Nutzungsrechte für den Betroffenen wie eine (Teil-)Enteignung auswirken könne. Der von der Antragsgegnerin erwähnte Bestandsschutz gebe ihnen nur die Möglichkeit, ihr Gebäude nach dem bisher bestehenden Maß und der bestehenden Art zu nutzen. Sanierungen, die nicht nur Wert erhaltend, sondern auch Wert erhöhend seien, wie beispielsweise Anbauten oder umfangreiche Umbauten, seien ihnen nunmehr verwehrt.

Die Antragsgegnerin habe auch nicht die mit einem Gewerbegebiet verbundenen Geräuschimmissionen bei der Überplanung der vorhandenen Wohnbebauung beachtet mit der Folge, dass unzumutbare Lärmbelästigungen zu befürchten seien. Abwägungsfehlerhaft sei schließlich auch, dass die Antragsgegnerin darauf verzichtet habe, den - der Konfliktbewältigung dienenden - in Sachsen-Anhalt geltenden Abstandserlass anzuwenden. Das angewandte Schalenmodell sei auf Grund der Störfallproblematik nicht in der Lage, eine Konfliktbewältigung sicherzustellen; vielmehr würden dadurch Konflikte erst geschaffen. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin das Schalenmodell nicht konsequent angewandt, da sie die beiden Gewerbegebiete GE 1 und GE 2 in die Zone 2 eingeordnet habe, obwohl für den Beginn der Zone 1 die Grenze der vorhandenen Wohnbebauung maßgeblich sei.

Die Antragstellerin beantragt,

den Bebauungsplan Nr. 02/00 "Areal E/II" Chemiepark A-Stadt der Antragsgegnerin vom 5. November 2003, bekannt gemacht am 28. Juli 2004, für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie erwidert: Auf zu überplanende Gemengelagen der hier vorliegenden Art ließen sich die Grundsätze für die Neuplanung von Wohn-, Gewerbe- und Industriegebieten nicht übertragen. Für solche Bereiche gebe es regelmäßig keine optimale Planung, die allen Interessen uneingeschränkt gerecht werde. Markiert werde die Abwägung hier durch die unüberwindbaren Planungsleitsätze als so genanntes "striktes Recht". Nach der Vorgabe der Zielbestimmung in Nr. 3.4.1 des Gesetzes über den Landesentwicklungsplan des Landes Sachsen-Anhalt sei A-Stadt- Vorrangstandort für landesbedeutsame großflächige Industrieansiedlungen. Dieser Anforderung diene der Bebauungsplan insbesondere insoweit, als er Industriegebiete ausweise, die im Zusammenhang mit den ebenfalls unter diesem Planungsleitsatz stehenden Anschlussbebauungsplänen stünden. Diese seien in enger Abstimmung mit dem Flächennutzungsplan entwickelt worden. Aus der landesplanerischen Vorgabe folge, dass die großteiligen Flächenansprüche der Wirtschaft nicht neu erfunden, sondern Standorte mit guten Entwicklungsmöglichkeiten zunächst in ihrem Bestand zu sichern und darüber hinaus, soweit es konkurrierende Flächenansprüche zuließen, auszubauen seien. Dem trage der streitige Bebauungsplan insoweit Rechnung, als in den unmittelbar an die industriellen Flächen angrenzenden Plangebieten GE 1 und GE 2 die Wohnnutzung grundsätzlich nur noch im Rahmen des vorhandenen Bestandes hingenommen werde. Dadurch werde der seit Jahrzehnten bestehende Nutzungskonflikt zugunsten der benachbarten industriellen Nutzung des Chemieparks minimiert, die raumordnerische Vorgabe umgesetzt sowie die Beplanung der angrenzenden Gebiete auf diesen Vorrangsstandort abgestimmt. Weitere planerische Vorbelastungen folgten wegen ihrer zwischenzeitlich eingetretenen Bestandskraft auch aus den Anschlussbebauungsplänen 04/00 "Areal E/IV", 03/00 "Areal E/III" und 01/00 "Areal E/I Chemiepark". Diese Bebauungspläne ergäben zusammen mit dem streitigen Bebauungsplan ein einheitliches, aufeinander abgestimmtes städtebauliches Konzept. Nur mit einer Beplanung der angrenzende Areale E III und E IV und eines Planausschnitts des Areals E II hätte die Industrieparkbeplanung nicht beendet werden können, weil sonst Zielkonflikte in der unmittelbar angrenzenden Wohnbebauung, insbesondere im jetzigen Gewerbegebiet GE 1 und GE 2 unbewältigt geblieben wären. Eine Berücksichtigung der an der ehemaligen Werksgrenze gelegenen Wohnbebauung der Straße "Am Kraftwerk" als eine - vergleichbar der südlich gelegenen Kraftwerkssiedlung - schützenswerte Wohnbebauung hätte die Nutzung des südlichen Areals E als Industriegebiet vor allem wegen der zu lösenden Störfallproblematik nahezu unmöglich gemacht. Dann wäre im Bereich des Bebauungsplans "Areal E/III" eine Zonenverschiebung notwendig geworden, infolge derer bereits seit Jahrzehnten genutzte Flächen bzw. in privater Hand liegende Erweiterungsflächen nicht mehr für großflächige Industrieansiedlungen zur Verfügung gestanden hätten.

Ungeachtet der verbindlichen Vorgaben seien alle abwägungsrelevanten Belange eingestellt und gewichtet sowie die Gebote der Konfliktbewältigung und der Rücksichtnahme beachtet worden. Bei der hier vorgefundenen Konflikt- und Gemengelage müsse die Konfliktbewältigung im Bebauungsplan nicht bereits abschließend gelöst werden, sondern dürfe auch dem Genehmigungsverfahren vorbehalten bleiben. Eine Vielzahl der im Plangebiet vorgefundenen Konflikte seien zumindest entschärft worden, indem die unmittelbar an die Industriebebauung des Areals E/III angrenzende Wohnnutzung in den Gebieten GE 1 bis GE 3 und GE 5 mit einem Gewerbegebiet überplant und damit eine zukünftige räumliche Trennung zwischen Industriegebiet und Gebieten der Wohn- oder Mischnutzung langfristig umsetzbar geworden sei. Der Erhalt der im westlichen Teil der Straße "Am Kraftwerk" gelegenen Wohnbebauung sei dauerhaft gesichert. Dagegen sei der Konflikt zu der noch näher liegenden Wohnbebauung im östlichen Teil der Straße "Am Kraftwerk" als nicht dauerhaft entschärfbar eingestuft und durch die Überplanung mit einem Gewerbegebiet nicht kurzfristig, aber auf Dauer gelöst. Die im Zuge der Neubelebung des industriellen Gebiets notwendig zu erwartenden Immissionsbelastungen im hier streitigen Gebiet bewegten sich noch im unter Rücksichtnahmegesichtspunkten zumutbaren Rahmen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die in Rede stehende Wohnbebauung bereits seit ihrer Gründung erheblichen industriellen Vorbelastungen ausgesetzt gewesen sei, die ihre Schutzwürdigkeit nicht unwesentlich einschränkten. Die Zumutbarkeit der Immissionsbelastungen für dieses Gebiet habe sich durch die vorbereitenden Untersuchungen sicher bestätigt. Die schallschutztechnischen Festsetzungen seien ausreichend, um einen angemessenen Schutz der im Plangebiet vorhandenen sowie der in der Nachbarschaft des Plangebiets gelegenen schutzbedürftigen Nutzungen zu gewährleisten. Hinsichtlich planungsrechtlich nicht erfassbarer Störungen bleibe der vorbelasteten Wohnnutzung immer noch der Schutz über den im Genehmigungsverfahren gerade in Gemengelagen wichtigen § 15 BauNVO. Im übrigen sei abzusehen, dass die in den Gewerbegebieten GE 1 bis GE 3 sowie GE 5 noch geduldete Wohnbebauung selbst bei kompletter Umsetzung der durch den Bebauungsplan eingeräumten Bodennutzungsmöglichkeiten keine Belastungen mehr spüren werde, die den dieser Wohnnutzung in den 80er Jahren zugemuteten enormen Belastungen auch nur annähernd vergleichbar wären. Die Verwirklichung von Schutzansprüchen der bestandsgeschützten Wohnbebauung bei der Ansiedelung von Gewerbebetrieben bleibe der Einzelfallprüfung im jeweiligen Genehmigungsverfahren vorbehalten. Die Regulierung hin zu einem beschränkten Gewerbegebiet wäre im Hinblick darauf, dass die Wohnungsnutzung absehbar rückläufig sei, unverhältnismäßig. Während die Wohnbebauung im westlichen Teil der Straße "Am Kraftwerk" noch komplett genutzt werde und einen geschlossenen Siedlungszusammenhang aufweise, schlössen sich in östlicher Richtung zunächst weitgehend unbewohnte, ohne Vorgärten unmittelbar an der Straße gelegene Mehrfamilienhäuser an, die - wie die dazugehörigen Nebengebäude - starke Verfallserscheinungen aufwiesen. Von den insgesamt etwa 39 Häusern stünden mehr als die Hälfte leer, so dass von einem entwicklungsfähigen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB keine Rede mehr sein könne und die Wohnnutzung mehr und mehr in den Hintergrund trete. Ein privater Investor habe vor einigen Jahren einen nicht unerheblichen Teil dieser Grundstücke erworben. Da dieser die Grundstücke vor seinem Tod keiner Wiedernutzbarmachung zugeführt habe, bemühe sie sich seit einiger Zeit um den Ankauf dieser Flächen. Eventuelle Fehler bei der Fremdkörperfestsetzung wirkten sich nicht auf das Abwägungsergebnis aus.

Im Übrigen habe sich im Bebauungsplanverfahren keiner der Eigentümer der betroffenen Grundstücke mit Anregungen, Kritik oder Hinweisen zu Wort gemeldet.

Der Senat hat die nähere Umgebung des Grundstücks der Kläger am 21.02.2008 in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

Er ist insbesondere innerhalb der Zweijahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Bebauungsplans und der Antragstellung geltenden Fassung vom 24.06.2004 (BGBl I 1359) eingereicht worden. Danach konnte der Antrag innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt werden. Da der Bebauungsplan am 28.07.2004 bekannt gemacht wurde, endete die Frist am 28.07.2006 (einem Freitag) und nicht - wie die Antragsgegnerin zunächst vorgetragen hat - bereits am 27.07.2006. Für die Berechnung der Frist gelten gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO die Vorschriften der §§ 187 ff. BGB. Gemäß § 188 Abs. 2 BGB endigt eine Frist, die nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, im Falle des § 187 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. Nach dem hier anzuwendenden § 187 Abs. 1 BGB wird, wenn für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend ist, bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Für den Anfang der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Bekanntmachung des Bebauungsplans und damit ein Ereignis maßgebend mit der Folge, dass der Tag der Bekanntmachung bei der Berechnung der Frist nicht eingerechnet wird. Gemäß § 188 Abs. 2 BGB endete damit die Antragsfrist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt. Dies war hier der 28.07.2006.

Die Antragsteller haben als Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks ferner die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis.

Der Antrag ist auch begründet.

Der Bebauungsplan ist materiell-rechtlich fehlerhaft; denn die Festsetzung des Gewerbegebiets GE 2 im Bereich der vorhandenen Wohnbebauung ist nicht "erforderlich" im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB.

Gemäß § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Der Erforderlichkeitsmaßstab ist sowohl an den Plan als Gesamtheit als auch an seine einzelnen Darstellungen bzw. Festsetzungen anzulegen (Gierke in: Brügelmann, BauGB, § 1 RdNr. 180, m. w. Nachw.). Nicht erforderlich sind Bebauungspläne bzw. bauplanerische Festsetzungen, deren Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.2004 - 4 CN 4.03 -, NVwZ 2004, 856; Urt. v. 21.03.2002 - 4 CN 14.00 -, BVerwGE 116, 144 [147]). Welcher Zeitraum als nicht mehr im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB zulässig angesehen werden kann, hängt von den planerischen Vorstellungen und den beabsichtigten Inhalten sowie den konkreten Verhältnissen ab (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 RdNr. 32, m. w. Nachw.). Aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen mit der Realisierung einer planerischen Festsetzung auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls (BVerwG, Beschl. v. 14.06.2007 - 4 BN 21.07 -, Juris). Eine Straßenplanung ist grundsätzlich nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB, wenn die Verwirklichung des Vorhabens innerhalb eines Zeitraums von etwa zehn Jahren nach Inkrafttreten des Plans ausgeschlossen erscheint (BVerwG, Urt. v. 18.03.2004 - 4 CN 4.03 -, BVerwGE 120, 239). Ob dieser Zeitrahmen auch auf andere Festsetzungen in einem Bebauungsplan übertragen werden kann, hat das BVerwG offen gelassen (vgl. Beschl. v. 14.06.2007, a. a. O.). Ein zeitlicher Prognosehorizont von mindestens etwa 20 Jahren entzieht allerdings der Planung eines Gewerbegebiets regelmäßig eine realistische Grundlage und macht ihre Verwirklichung unabsehbar (vgl. BayVGH Urt. v. 03.03.2003 - 15 N 02.593 -, BauR 2003, 1691); denn für die voraussehbaren Bedürfnisse der Gemeinde im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird im Allgemeinen ein zeitlicher Prognosehorizont von 10 bis 15 Jahren zugrunde gelegt (vgl. Gaentzsch in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 5 RdNr. 10; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Auflage 2002, § 5 RdNr. 1; Söfker, a. a. O., § 5 RdNr. 13).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die streitige Festsetzung als Gewerbegebiet nicht "erforderlich" im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB. Als Regelung einer Nachfolgenutzung zur gegenwärtigen Wohnnutzung zielt die Planung auf einen Zustand, der innerhalb eines Zeitrahmens von 20 Jahren nicht zu verwirklichen sein wird. Der Senat teilt nicht die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass sich die vorhandene Wohnbebauung innerhalb dieses Zeitraums "auflösen" wird. Nach der vom Senat durchgeführten Ortsbesichtigung befinden sich im Gewerbegebiet GE 2 16 Wohngebäude (Hausnummern 4 bis 19); davon sind mindestens 11 (Hausnummern 4, 6, 7 und 12 bis 19) bewohnt, zwei weitere Gebäude (Hausnummern 10 und 11) machten - jedenfalls zum Teil - einen bewohnten Eindruck. Bei einer Reihe von Gebäuden ließ sich erkennen, dass sie in den vergangenen Jahren zumindest teilweise saniert oder sogar erweitert wurden. So wurden Dächer neu eingedeckt und neue Fenster eingebaut. An einem Gebäude wurde ein Anbau errichtet. Das Gebiet zeichnet sich - ungeachtet der im Norden und Osten jenseits der Bahntrasse bestehenden gewerblichen und industriellen Nutzung - durch eine ruhige Wohnlage aus. Auf Nachfrage erklärte der Bürgermeister der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung, dass es bislang keine Interessenten für eine gewerbliche Nutzung auf den als Gewerbegebieten ausgewiesenen Flächen gebe. Lediglich im ehemaligen Schulgebäude, das im Gewerbegebiet GE 5 liegt, findet eine gewerbliche Nutzung statt.

Auch der Umstand, dass Nr. 3.4.1 des Gesetzes über den Landesentwicklungsplan des Landes Sachsen-Anhalt vom 23.08.9999 (GVBl LSA S. 244), der als Ziel der Raumordnung A-Stadt/ als Vorrangstandort für landesbedeutsame großflächige Industrieansiedlungen außerhalb der Oberzentren festlegt, nötigt die Antragsgegnerin nicht dazu, die mit Wohnhäusern bebauten Flächen als Gewerbegebiet auszuweisen. § 1 Abs. 4 BauGB legt den Gemeinden zwar auf, die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen; daher dürfen Bebauungspläne den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. Die Reduzierung gewerblich oder industriell nutzbarer Flächen in der hier zur Debatte stehenden Größenordnung von einigen Hektar vermag die Eigenschaft von A-Stadt- als vorrangiger Industriestandort aber nicht ansatzweise in Frage zu stellen. Der Chemiepark A-Stadt besteht aus den Arealen A bis E mit einer Gesamtfläche von 1.200 ha, von denen derzeit noch rund 200 ha verfügbar sind und auf der sich bislang 360 Unternehmen angesiedelt haben (vgl. die Internetseite der P-D Chemiepark A-Stadt- GmbH, www.chemiepark.de).

Da es bereits an der Erforderlichkeit der Festsetzung des Gewerbegebiets GE 2 fehlt, bedarf keiner Vertiefung, ob diese Festsetzung - wie die Antragsteller geltend machen - auch als von Anfang an funktionslos anzusehen ist. Dies kommt dann in Betracht, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre (Fort-)Geltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 06.06.1997 - 4 NB 6.97 -, BauR 1997, 803; Beschl. v. 17.02.1997 - 4 B 16.97 -, NVwZ-RR 1997, 512). Auf Grund der dargestellten Abweichung der tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt im gesamten Gewerbegebiet GE 2 spricht allerdings Vieles dafür.

Der Bebauungsplan ist ferner abwägungsfehlerhaft.

Das Gebot des § 1 Abs. 6 BauGB a. F., die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat oder in sie Belange nicht eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge in sie hätten eingestellt werden müssen. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten oder öffentlichen Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen ist, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungsgebot allerdings genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 - IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 309 [314]; Urt. v. 01.11.1974 - IV C 38.71 -, BVerwGE 47, 144). Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeit punkt des Satzungsbeschlusses (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB a. F.).

Die Antragsgegnerin hat der Bedeutung der Eigentumsrechte der Eigentümer der im Plangebiet gelegenen Wohngrundstücke bei ihrer Abwägungsentscheidung nicht das ihnen zukommende Gewicht beigemessen.

Bebauungspläne bestimmen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums. Der Plangeber darf zwar die Privatnützigkeit des Eigentums durch die verbindliche Bauleitplanung einschränken (BVerwG, Beschl. v. 16.01.1996 - 4 NB 1.96 -, ZfBR 1996, 223). Ebenso wenig gibt es einen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebietes nach Art und Maß auch bei einer Überplanung weiterhin zugelassen werden muss (BVerwG, Urt. v. 31.08.2000 - 4 CN 6.99 -, NVwZ 2001, 560). Der Satzungsgeber muss aber - ebenso wie der Gesetzgeber - bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Das private Grundeigentum gehört deshalb selbstverständlich in hervorgehobener Weise zu den abwägungserheblichen privaten Belangen (BVerwG, Urt. v. 21.03.2002, a. a. O., S. 148, m. w. Nachw.). Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden. Zu diesem gehört sowohl die Privatnützigkeit als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand (BVerfG, Beschl. v. Beschl. v. 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -, DÖV 2003, 376). Im Rahmen der planerischen Abwägung muss das private Interesse am Erhalt bestehender baulicher Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interesse an einer städtebaulichen Neuordnung des Planungsgebiets abgewogen werden. Die Gemeinde darf Eigentumsbelange nicht unnötig und damit unverhältnismäßig gegenüber anderen privaten oder öffentlichen Belangen zurücksetzen. Mit welchem Gewicht Eigentumsbelange in die planerische Abwägung einzustellen sind, hängt von der jeweiligen städtebaulichen Situation und der Planungskonzeption der Gemeinde ab (BVerwG, Beschl. v. 04.01.2007 - 4 B 74.06 -, 2007, ZfBR 273). Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug der baulichen Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine Teilenteignung auswirken kann und dass der Bestandsschutz daher ein den von Art. 14 Abs. 3 GG erfassten Fällen vergleichbares Gewicht zukommt (BVerfG, Beschl. v. 22.09.1999 - 1 BvR 565/91 -, DÖV 1999, 777). Das setzt eine zutreffende Beurteilung des planungsrechtlichen "Status" der überplanten Grundstücke voraus, weil das Gewicht der Eigentumsbelange bei einer Lage im Innenbereich oder in einem Baugebiet größer ist als bei einer Außenbereichslage (BayVGH, Urt. v. 02.06.2006 - 1 N 03.1546 -, Juris; vgl. auch OVG MV, Urt. v. 25.08.2004 - 3 K 3/02 -, NordÖR 2004, 441). Gerade wenn die Überplanung von Wohngrundstücken die Eigentümerbefugnisse in starkem Maß einschränkt, ist die Gemeinde gezwungen, das Eigentum bei der Aufstellung des Bebauungsplanes in hervorgehobener Weise zu berücksichtigen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 15.12.2003 - 1 KN 532/01 -, Juris).

Die Antragsgegnerin hat dem Interesse der Antragsteller und der Eigentümer der benachbarten Wohngrundstücke an der Möglichkeit, ihr Grundeigentum über den eigentlichen Bestandsschutz hinaus erweitern, erneuern oder ändern zu können, nicht das ihnen zukommende Gewicht beigemessen. Sie hat - wie sich aus dem Beschlussvorschlag über die Abwägung vom 02.10.2003 ergibt - die Eigentümer dieser Grundstücke auf den (gewöhnlichen) Bestandsschutz verwiesen. Mit dem Interesse, ihre Wohngrundstücke in der Zukunft auch über den bloßen Bestand hinaus nutzen zu können, hat sie sich nicht befasst, nach ihren Ausführungen im Normenkontrollverfahren offenbar in der Annahme, die Wohnbebauung befinde sich "in Auflösung". Mit der Überplanung der zu Wohnzwecken genutzten Grundstücke als Gewerbegebiet geht indes eine massive Beschränkung der Nutzbarkeit einher (vgl. NdsOVG, Urt. v. 15.12.2003, a. a. O.). Das von der Antragsgegnerin ins Feld geführte - durchaus gewichtige - städtebauliche Interesse, durch die Ausweisung von Gewerbegebieten langfristig eine Abstufung zwischen Industriegebieten einerseits und Mischgebiet bzw. Wohnnutzung andererseits zu erreichen und hierdurch die Ausnutzbarkeit der Industrieflächen im Chemiepark zu sichern, ist zwar legitim. Ebenso mag sich die - dem Schutz des Wohngebiets "Kraftwerkssiedlung" südlich der B-Plangrenze dienende - Gliederung der Industrie- und Gewerbegebiete nach dem "Schalenmodell" städtebaulich rechtfertigen lassen. Die Ermittlung aller abwägungsrelevanten Gesichtspunkte erfordert jedoch bei der Überplanung eines (teilweise) bebauten Gebiets eine erkennbare Bestandsaufnahme (OVG NW, Urt. v. 07.03.2006 - 10 D 10/04.NE -, ZfBR 2007, 64). Den vorgelegten Verwaltungsvorgängen lässt sich indes nicht entnehmen, dass die Antragsgegnerin vor dem Abwägungsbeschluss genaue Erhebungen über den genauen Umfang und damit auch über die Schutzwürdigkeit der noch vorhandenen Wohnnutzung vorgenommen hat. Offenbar erst aus Anlass des Normenkontrollverfahrens hat die Antragsgegnerin Feststellungen über den genauen Zustand und Leerstand der betroffenen Wohngebäude vorgenommen. Damit ist auch nicht ersichtlich, dass dem Rat bei seiner Abwägung bewusst war, dass sich der Entzug der baulichen Nutzungsmöglichkeiten für eine Vielzahl der betroffenen Grundstückseigentümer wie eine Teilenteignung auswirken kann.

Dem kann die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg entgegen halten, den Antragstellern würden keine baulichen Nutzungsmöglichkeiten entzogen, sondern neue Möglichkeiten geschaffen, weil der in Rede stehende Bereich, in dem noch Wohnnutzung stattfinde, keine organische Siedlungsstruktur aufweise und deshalb keinen Ortsteil im Sine von § 34 Abs. 1 BauGB darstelle und erst durch die Gewerbegebietsfestsetzung geordnet werde. Der Umstand, dass dort künftig die Möglichkeit eröffnet wird, Grundstücke gewerblich zu nutzen und sich der Bodenwert möglicherweise erhöhen wird, ist für den Eigentümer der sein Wohngrundstück auch künftig zu Wohnzwecken nutzen will, uninteressant. Ferner sind die Eigentumsrechte mit dem ihnen jeweils zukommenden Gewicht auch dann in die Abwägung einzustellen, wenn die Grundstücke nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB liegen. Zwar mag ihr Gewicht bei einer Außenbereichslage geringer sein. Der Senat vermag jedoch sowohl nach den vorhandenen Plänen und Satelliten-Bildern als auch nach der Ortsbesichtigung nicht zu erkennen, dass im maßgeblichen Bereich eine einen Ortsteil kennzeichnende organische Siedlungsstruktur fehlt. Es besteht ein Bebauungszuammenhang entlang der Straße "Am Kraftwerk" im gesamten Abschnitt zwischen Leipziger Straße und der Bahntrasse, wo jedenfalls auf der nördlichen Seite eine nahezu durchgehende Bebauung zu erkennen ist; nur das Flurstück 186 weist eine etwas größere Baulücke auf. Am Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ändert auch der Leerstand einiger Gebäude nichts. Mit der endgültigen Aufgabe einer Nutzung entfällt zwar auch der Bestandsschutz für die errichtete Anlage. Sie führt aber nicht zwangsläufig dazu, dass bebaute Flächen für ihre planungsrechtliche Beurteilung wie unbebaute Grundstücke zu behandeln sind. Selbst von abgerissenen Gebäuden können noch prägende Wirkungen ausgehen. Für die Anwendung des § 34 BauGB kommt es auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an, unabhängig von der Frage, ob sie Bestandsschutz genießt oder nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.05.2002 - 4 C 6.01 -, NVwZ 2003, 211). Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist eine Bebauung nicht nur dann, wenn sie einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht, eine bestimmte städtebauliche Ordnung verkörpert oder als eine städtebauliche Einheit in Erscheinung tritt (BVerwG, Beschl. v. 25.05.1976 - IV B 185.75 -, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 56). Eine bandartige und zudem einzeilige Bebauung widerspricht den Anforderungen an eine organische Siedlungsstruktur jedenfalls dann nicht, wenn sie auf die Funktion und den Nutzungszweck der Bebauung zurückgeht und darin ihre Rechtfertigung findet (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 - IV C 31.66 -, BVerwGE 31, 22). Eine organische Siedlungsstruktur verlangt zwar grundsätzlich, dass die vorhandenen Gebäude zum regelmäßigen Aufenthalt von Menschen geeignet sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.09.1992 - 4 C 15.90 -, BRS 54 Nr. 65). Insofern kommt es insbesondere auf das Vorliegen von Wohngebäuden und gewerblich genutzten Anlagen an. Ein schlechter baulicher Zustand der vorhandenen Bauten schließt die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur aber nicht von vornherein aus (OVG NW, Urt. v. 15.04.1971 - X A 994/70 -, OVGE MüLü 26, 249).

Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Abwägung ferner Festsetzungsmöglichkeiten zum Schutz der Eigentümerinteressen verkannt. Bei der Überplanung von Gemengelagen bzw. von Gebieten mit mehr oder weniger engem Nebeneinander von unterschiedlichen Nutzungen, beansprucht das Trennungsgebot des § 50 BImSchG keine strikte Geltung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.01.1992 - 4 B 71.90 -, UPR 1992, 188; Beschl. v. 13.05.2004 - 4 BN 15.04 -, Juris). Dabei müssen jedoch die Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 BauGB sowie der BauNVO in die Abwägung einbezogen werden, sofern sie es ermöglichen, betroffenen Belangen auch differenziert Rechnung zu tragen; diese Möglichkeiten dürfen nicht übersehen werden (vgl. Söfker, a. a. O., § 1 RdNr. 252). Sofern von ihnen Gebrauch gemacht wird, muss dies - selbstverständlich - in rechtlich zulässiger Weise erfolgen.

So kann nach § 1 Abs. 10 Satz 1 BauNVO, wenn bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 BauNVO in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig wären, im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Lediglich die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Diese Bestimmung steht in einem sachlichen Zusammenhang mit § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne u. a. die Erhaltung, Erneuerung und Fortentwicklung vorhandener Ortsteile zu berücksichtigen sind. Die Regelung ermöglicht eine am Bestand orientierte Planung und schafft insbesondere für Gewerbebetriebe Planungs- und Investitionssicherheit. Macht die Gemeinde von diesem Instrument Gebrauch, so bedeutet dies, dass der Betroffene nicht mit den Nutzungsmöglichkeiten Vorlieb nehmen muss, die ihm sonst nur im Rahmen des herkömmlichen Bestandsschutzes verbleiben und die sich im Wesentlichen in Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen erschöpfen, sondern je nach der Reichweite der getroffenen Regelung in die Lage versetzt wird, weiterhin Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen vorzunehmen. Vorhandenen Nutzungen werden auf diese Weise Entwicklungschancen offen gehalten, selbst wenn sie dem Gebietscharakter an sich fremd sind (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 30.10.2007 - 4 BN 38.07 -, Juris). Gerade wenn es sich um kleinere Einsprengsel im Baugebiet handelt, kommt eine solche Fremdkörperfestsetzung in Betracht (vgl. NdsOVG, Urt. v. 18.01.2001 - 1 L 3779/00 -, DVBl 2002, 713).

Die Antragsgegnerin hat zwar in Abschnitt 1.01 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans eine "Fremdkörperfestsetzung" nach § 1 Abs. 10 BauNVO vorgesehen. Diese ist aber unwirksam und daher nicht geeignet, den Belangen der Eigentümer der Wohngrundstücke in den Gewerbegebieten Rechnung zu tragen. Bei einer Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO handelt es sich um eine anlagenbezogene Festsetzung im Sinne einer Einzelfallregelung, bei der der an sich abstrakte Normencharakter des Bebauungsplans verlassen wird und sich die Festsetzungen konkret auf bestimmte vorhandene Nutzungen beziehen (vgl. OVG NW, Urt. v. 07.05.2007 - 7 D 64/06.NE - Juris; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., § 1 RdNr. 133; Ziegler in: Brügelmann, BauNVO, § 1 RdNrn. 407, 414.). Daraus folgt, dass die Beschaffenheit der Anlagen im Zeitpunkt der Festsetzung dokumentiert sein muss (Ziegler, a. a. O.) und dass sich aus den textlichen oder zeichnerischen Festsetzungen zum erweiterten Bestandsschutz zweifelsfrei ergibt, auf welche konkret vorhandenen Anlagen sich die Festsetzungen beziehen (OVG NW, Urt. v. 07.05.2007, a. a. O.). Darüber hinaus muss die festgesetzte Maßnahme im Bebauungsplan eindeutig bestimmt sein, so dass die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts grundsätzlich nicht ausreicht, wobei allerdings die Festsetzung anhand des objektiven Willens des Plangebers auszulegen ist, soweit dieser wenigstens andeutungsweise in der Planbegründung zum Ausdruck gekommen ist (vgl. OVG NW, Urt. v. 07.05.2007, a. a. O.; Söfker, a. a. O. BauNVO § 1 RdNr. 114).

Diesen Anforderungen wird die "Fremdköperfestsetzung" in Nr. 1.01 des angegriffenen Bebauungsplans nicht gerecht. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wiederholung des Wortlauts des § 1 Abs. 10 Satz 1 BauNVO und regelt nur allgemein, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen von baulichen und sonstigen Anlagen ausnahmsweise zugelassen werden können, die sonst nach den Festsetzungen des Bebauungsplans unzulässig wären. Die Begründung des Bebauungsplans erläutert die Fremdkörperfestsetzung nicht und ist daher unergiebig. Im Übrigen ist im hier maßgeblichen Gewerbegebiet GE 2 eine solche pauschale "Fremdkörperfestsetzung", dass bestimmte der in § 1 Abs. 10 Satz 1 BauNVO genannten Maßnahmen an sämtlichen dort vorhandenen bzw. noch genutzten Wohngebäuden allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind, auch deshalb problematisch, weil hierdurch entgegen § 1 Abs. 10 Satz 3 BauNVO die allgemeine Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets nicht mehr gewährt wäre; denn dort befinden sich ausschließlich Wohngebäude. Die Antragsgegnerin hätte lediglich die Möglichkeit gehabt, für ganz bestimmte Gebäude, die auf nicht absehbare Zeit noch zu Wohnzwecken genutzt werden, eine solche Fremdkörperfestsetzung vorzunehmen. Dies hätte aber eine genaue Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse vorausgesetzt, woran es hier fehlt.

Der Bebauungsplan verstößt auch gegen das im Abwägungsgebot wurzelnde Gebot der Konfliktbewältigung, das grundsätzlich auch bei der Planung in einer Gemengelage-Situation gilt, wie sie auf Grund der gewachsenen industriellen Strukturen vorzufinden ist (vgl. Söfker, a. a. O.. § 1 RdNr. 241, a. E.). Die besondere Schutzbedürftigkeit einer Wohnbebauung muss auch dann in die Abwägung eingestellt werden, wenn für diese eine tatsächliche Vorbelastung gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 - 4 N 6.88 -, NVwZ 1991, 881). Der Bebauungsplan muss zwar nicht alle Konflikte städtebaulicher Art lösen, die er in einem zu ordnenden Bereich vorfindet; die Bauleitplanung wäre damit insbesondere in Gemengelagen mit gewerblicher und Wohnnutzung häufig überfordert. Der Bebauungsplan darf aber die vorhandenen Konflikte nicht verfestigen oder verschärfen, sondern muss dazu beitragen, die Situation zu verbessern (vgl. zum Ganzen: Gaentzsch, a. a. O., § 1 RdNr. 84, m. w. Nachw.).

Auch wenn östlich der Bahntrasse sowie in den Anschlussbebauungsplänen noch Industrieanlagen vorhanden sind bzw. neue Industriebetriebe angesiedelt wurden und damit von einer Vorbelastung der Umgebung der Wohnbebauung auszugehen ist, brächte der Bebauungsplan eine Verschärfung der Situation mit sich. Zwar mögen auf der einen Seite die Konflikte mit der Wohnbebauung in der weiter südlich liegenden "Kraftwerkssiedlung" entschärft werden. Auf der anderen Seite würde sich mit der Ansiedlung von Gewerbebetrieben in den bislang durch Wohnnutzung geprägten Bereichen (GE 1 und GE 2) sowie auf den unmittelbar südlich der Straße "Am Kraftwerk" liegenden bislang im Wesentlichen unbebauten Flächen (GE 3 bis GE 5) die Wohnsituation der Kläger und der Eigentümer der benachbarten Grundstücke nicht unerheblich verschlechtern. Neben den ohnehin schon vorhandenen Immissionen aus den im Osten und Nordosten liegenden Industrieflächen werden ihnen nunmehr zusätzlich Immissionen aus den südlich angrenzenden und aus den bislang durch Wohnbebauung geprägten Bereichen zugemutet. Dort wären (nunmehr) gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO sämtliche nicht erheblich belästigenden Gewerbebetriebe zulässig, während bislang das Gebiet im Wesentlichen durch Wohnbebauung geprägt bzw. unbebaut war.

Das von der Antragsgegnerin angewandte "Schalenmodell" kann den Nutzungskonflikt zwischen dieser Wohnbebauung und der neu zugelassenen gewerblichen Nutzung nicht entschärfen, geschweige denn lösen. Gegen eine Gliederung nach Zonen, die auf die jeweilige Störanfälligkeit eines Betriebs abstellt, bestehen zwar grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken. Gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 2 BauNVO können für die in den §§ 4 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebiete im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften gliedern. Diese Festsetzungen können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Zu den besonderen Eigenschaften von Betrieben und Anlagen, nach denen ein Baugebiet hiernach gegliedert werden kann, gehört auch ihr Emissionsverhalten (BVerwG, Beschl. v. 27.01.1998 - 4 NB 3.97 -, DÖV 1998, 598). Davon hat die Antragsgegnerin in der Weise Gebrauch gemacht, dass sie 3 abgestufte Zonen geschaffen hat, in denen bestimmte Arten von Betrieben (mit immissionsschutzrechtlicher Relevanz) unzulässig sind (Schalenmodell). Dieses "Schalenmodell" weist das Gewerbegebiet, in dem das Grundstück der Antragsteller liegt, aber (nur) der Zone 2 zu, in der eine Reihe von Anlagen zulässig sind, die immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind bzw. der Störfallverordnung unterliegen. Es ist auf den Schutz der weiter im Süden liegenden "Kraftwerkssiedlung" ausgerichtet und geht davon aus, dass die hier in Rede stehende Wohnnutzung nicht (in gleicher Weise) schutzwürdig ist. Im Beschlussvorschlag zur Abwägung vom 02.10.2003 wird ausgeführt, dass die Gliederung nach dem "Schalenmodell" auf das Wohngebiet "Kraftwerkssiedlung" südlich der Bebauungsplangrenze sowie auf den als Mischgebiet festgesetzten Teil des Bebauungsplans bezogen worden sei und die Wohnbebauung innerhalb des ausgewiesenen Gewerbegebiets unberücksichtigt bleibe.

Die Lösung dieses verschärften Konflikts konnte die Antragsgegnerin auch nicht ohne weiteres dem anlagenbezogenen Genehmigungsverfahren vorbehalten. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf die Gemeinde zwar dann Abstand nehmen, wenn die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist. Ob eine Konfliktbewältigung durch späteres Verwaltungshandeln gesichert oder wenigstens wahrscheinlich ist, hat die Gemeinde, da es um den Eintritt zukünftiger Ereignisse geht, prognostisch zu beurteilen. Ist insoweit bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung die künftige Entwicklung hinreichend sicher abschätzbar, so darf sie dem bei ihrer Abwägung Rechnung tragen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 14.07.1994 - 4 NB 25.94 -, BRS 56 Nr. 6). Dafür bedarf es jedoch einer prognostischen Einschätzung der Immissionen, die mit den planungsrechtlich zulässigen Nutzungen verbunden sein können; denn nur auf diese Weise ist dem Plangeber eine sachgerechte Abschätzung möglich, ob die Konfliktbewältigung durch späteres Verwaltungshandeln überhaupt gesichert oder wenigstens wahrscheinlich ist (OVG NW, Urt. v. 07.03.2006 - 10 D 43/03.NE -, BRS 70 Nr. 21). Dabei hat die Gemeinde immer dann, wenn es sich um eine Angebotsplanung (durch Bebauungsplan) handelt, ihrer Prognose diejenigen baulichen Nutzungen zugrunde zu legen, die bei einer vollständigen Ausnutzung der planerischen Festsetzungen möglich sind. Die Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten Betroffener auf der Ebene der Vorhabenszulassung letztlich ungelöst bleiben (BVerwG, Beschl. v. 08.11.2006 - 4 BN 32.06 -, Juris). Eine solche prognostische Einschätzung der neu entstehenden Immissionen hat die Antragsgegnerin hier nicht vorgenommen. Sie hat lediglich hinsichtlich zu erwartender Umweltauswirkungen in der Begründung des Bebauungsplans auf den Umweltbericht der P-D Chemiepark A-Stadt GmbH vom Oktober 2002 verwiesen. Eine Einschätzung der durch die Ansiedlung von Gewerbe in den neu ausgewiesenen Gewerbegebieten GE 1 bis GE 6 entstehenden (zusätzlichen) Belastungen ist aber auch darin nicht enthalten. Die den Abwägungsvorgang betreffenden Abwägungsmängel sind auch beachtlich.

Als maßgebliche Vorschrift über die Planerhaltung ist zunächst § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB in der im Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblichen, bis zum 19.07.2004 geltenden Fassung (BauGB a. F.) heranzuziehen. Nach der Überleitungsvorschrift des § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB n. F. sind zwar die Vorschriften des Dritten Kapitels Zweiter Teil Vierter Abschnitt zur Planerhaltung in der neuen Fassung auch auf Satzungen entsprechend anzuwenden, die - wie hier - auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB in Kraft getreten sind. Da jedoch nach der spezielleren Regelung in § 233 Abs. 2 Satz 2 BauGB n. F. auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB unbeachtliche Fehler bei der Aufstellung von Satzungen für die Rechtswirksamkeit der Satzungen unbeachtlich bleiben, ist zunächst zu prüfen, ob der festgestellte Mangel (bereits) nach bisherigem Recht unbeachtlich ist. Nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB a. F. sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Durch das Merkmal der "Offensichtlichkeit" soll die verwaltungsgerichtliche Überprüfungspraxis aller Umstände des Abwägungsvorgangs auf die Fälle beschränkt werden, in denen z. B. evident, d. h. erklärtermaßen und offen erkennbar unsachliche Erwägungen der Gemeindevertretung in die Abwägung eingeflossen sind (vgl. BT-Drs. 8/2885, S. 35 und 46). Entsprechend dieser Zielsetzung und in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch ist § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB a. F. daher so zu verstehen, dass vom Gericht dann ein Mangel im Abwägungsvorgang angenommen werden darf, wenn konkrete Umstände positiv und klar auf einen solchen Mangel hindeuten; es genügt hingegen nicht, wenn - negativ - nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Abwägungsvorgang an einem Mangel leidet, beispielsweise wenn Planbegründung und Aufstellungsvorgänge keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthalten, dass sich der Plangeber mit bestimmten Umständen abwägend befasst hat (BVerwG, Beschl. v. 29.01.1992 - BVerwG 4 NB 22.90 -, NVwZ 1992, 662 [663]).

Im konkreten Fall sind die Mängel offensichtlich, weil die objektiven Sachumstände, insbesondere die Aufstellungsvorgänge belegen, dass der Beschluss fassenden Rat keine genauen Erhebungen über den Umfang und die Fortdauer der Wohnnutzung im fraglichen Gewerbegebiet GE 2 und keine prognostische Einschätzung der Immissionen vorgelegen haben, die mit den planungsrechtlich zulässigen Nutzungen in den neu ausgewiesenen Gewerbegebieten GE 1 bis GE 6 voraussichtlich verbunden sein werden. Zudem ergibt sich unmittelbar aus dem Plan, dass die Möglichkeiten der Fremdkörperfestsetzung nach § 1 Abs. 10 Satz 1 BauNVO verkannt wurden.

Um weiter den Einfluss des Mangels auf das Abwägungsergebnis bejahen zu können, genügt es, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit eines solchen Einflusses besteht, das heißt, wenn Anhaltspunkte z. B. in den Planungsunterlagen oder sonst erkennbare oder nahe liegende Umstände darauf hindeuten, dass ohne den Fehler anders geplant worden wäre (BVerwG, Urt. v. 21.08.1981 - BVerwG 4 C 57.80 -, BVerwGE 64, 33 [39]). Es liegt nahe, dass bei einer genaueren Bestandsaufnahme der vorhandenen Wohnnutzungen bereits im Planverfahren, bei zutreffender Einschätzung der Möglichkeiten einer Fremdkörperfestsetzung und der Erkenntnis, dass ohne eine auf die Neuansiedlung von Gewerbe in den Gebieten GE 1 bis GE 6 bezogene Immissionsprognose eine Konfliktbewältigung nicht dem Genehmigungsverfahren vorbehalten bleiben darf, anders geplant worden wäre. Auch nach der - gemäß § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB n. F. zusätzlich anzuwendenden - Neuregelung des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB n. F. sind die dargestellten Abwägungsmängel nicht unbeachtlich. Danach stellt es eine beachtliche Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dar, wenn entgegen § 2 Abs. 3 BauGB n. F. die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist. Diese Vorschrift soll den durch die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorgaben hervorgerufenen Wechsel vom materiell-rechtlichen Abwägungsvorgang zu den verfahrensbezogenen Elementen des Ermittelns und Bewertens der von der Planung berührten Belange in den Vorschriften über die Planerhaltung nachvollziehen. Mängel im Planungsprozess und damit Verfahrensfehler im Sinne der neuen Nr. 1 des § 214 Abs. 1 BauGB n. F. liegen vor, wenn die von der Planung berührten Belange überhaupt nicht ermittelt und bewertet worden sind, die nach Lage der Dinge hätten ermittelt und bewertet werden müssen, oder wenn die Bedeutung der ermittelten Belange verkannt worden ist (vgl. die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/2250, S. 63).

Um einen solchen Mangel im Abwägungsvorgang handelt es sich; denn die Antragsgegnerin hat vor der Abwägungsentscheidung weder die Fortdauer der Wohnnutzung in den betroffenen Gebäuden näher ermittelt noch eine prognostische Einschätzung der möglichen Emissionen insbesondere in den Gewerbegebieten GE 1 bis GE 6 vorgenommen. Aus den bereits dargelegten Gründen ist der Mangel auch offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen.

Die festgestellten Mängel führen dazu, dass der Bebauungsplan insgesamt und nicht nur teilweise unwirksam ist. Die Ungültigkeit eines Teils eines Bebauungsplans führt nur dann nicht zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn die restlichen Festsetzungen auch ohne den nichtigen Teil noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.08.1991 - BVerwG 4 NB 3.91 -, NVwZ 1992, 567). Es kann indes nicht mit der gebotenen Sicherheit angenommen werden, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan in dieser Form auch ohne die Ausweisung des Gewerbegebiets GE 2 beschlossen hätte. Dies folgt schon daraus, dass nach ihrem Vortrag - insbesondere wegen des "Schalenmodells" - die einzelnen Gewerbe- und Industriegebiete aufeinander abgestimmt sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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