Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: 2 K 259/01
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, ROG, LSA-GO, GKG


Vorschriften:

VwGO § 42 II
VwGO § 47 II 1
BauGB § 9 I Nr. 12
BauGB § 14 I
BauGB § 30
BauGB § 35 I Nr. 6
ROG § 7 III
ROG § 7 IV Nr. 3
LSA-GO § 31 I
LSA-GO § 31 V
LSA-GO § 31 VI
GKG § 13 I 1
1. Ein Rechtsschutzinteresse für das Normenkontrollverfahren hat auch, wer - ohne selbst Eigentümer zu sein - einen Bauantrag gestellt hat, welchem wegen der angefochtenen Veränderungssperre kein Erfolg beschieden ist.

2. Wer selbst Grundstückseigentümer ist und deshalb durch § 31 GO LSA von jeder Mitwirkung oder Beratung im Rahmen der Bauleitplanung ausgeschlossen ist, wirkt an einer Beratung auch dann mit, wenn diese durch eine Diskussion innerhalb eines Tagesordnungspunkts "Bürgerfragestunde" gleichsam "vorverlegt" ist.

3. Die Veränderungssperre muss auch bei einer Bauleitplanung innerhalb eines Gemeindegebiets eine "positive Planungsabsicht" sichern und darf nicht bloß die Zahl der Windkraftanlagen innerhalb des gesamten Eignungsgebiets - soweit es zur Gemeinde gehört - beschränken wollen.

4. Zum Streitwert des Normenkontrollantrags gegen eine Veränderungssperre bei Windkraftanlagen


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 2 K 259/01

Datum: 12.12.2002

Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrt im Wege der Normenkontrolle, die Veränderungssperre - BV 2001-5 - für das Bebauungsplangebiet Nr. 2 "Windkraftanlagenpark" der Gemeinde Zieko für nichtig zu erklären. Mit der angegriffenen Veränderungssperre will die Antragsgegnerin die Anzahl von Windkraftanlagen festlegen, um Belange des Landschafts- und Naturschutzes sowie des Landschaftsbilds zu berücksichtigen.

Die A-AG, ein ... Energieunternehmen, plant auf von ihr erworbenen Flächen im durch die Änderung des Regionalen Entwicklungsprogramms für die Regierungsbezirke des Landes vom 21.03.2000 festgelegten Windenergieeignungsgebiet "Coswig/Nord" acht Windenergieanlagen zu errichten. Dieses Vorhaben wird von der Antragstellerin aufgrund eines Planungsvertrags betreut und durchgeführt.

Mit Datum vom 10.11.2000 beantragte die Antragstellerin beim Landkreis Anhalt-Zerbst die Erteilung einer Baugenehmigung. Mit Bescheid vom 22.03.2001 lehnte der Landkreis den Antrag ab, da der Errichtung der geplanten Windenergieanlagen öffentliche Belange des Denkmalschutzes entgegenständen und die Antragsgegnerin als Gemeinde ihr Einvernehmen gemäß § 36 BauGB verweigert habe. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein, über den bisher noch nicht entschieden ist.

In einer Gemeinderatssitzung vom 13.11.2000 beschloss der Rat der Antragsgegnerin einen Bebauungsplan Nr. 2 "Windkraftanlagenpark" der Gemeinde Zieko sowie zur Sicherung dieser Bauleitplanung eine Veränderungssperre.

Dem Rat der Antragsgegnerin gehören acht Gemeinderatsmitglieder an. Die Gemeinderäte A, B, C und D sowie der Bürgermeister ... der Antragsgegnerin, der als neuntes Mitglied dem Gemeinderat angehört, sind Grundstückseigentümer im Plangebiet und beschlossen sowohl die Aufstellung des Bebauungsplans als auch die Veränderungssperre mit.

Nachdem der Landkreis Anhalt-Zerbst die kommunalaufsichtliche Beanstandung der Gemeinderatsbeschlüsse angekündigt hatte, lud der Bürgermeister der Antragsgegnerin zu einer erneuten Gemeinderatssitzung am 27.02.2001 ein. Während dieser Sitzung sollten der Aufstellungsbeschluss und die Veränderungssperre vom 13.11. 2000 aufgehoben sowie jeweils neu beschlossen werden.

Der Einladung war eine Beschlussvorlage mit folgendem Inhalt beigefügt:

"Der Gemeinderat Zieko beschließt die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 2 "Windkraftanlagenpark" der Gemeinde Zieko. Das Gebiet umfasst die Flur 2 und 3 der Gemarkung Zieko mit folgenden Bezeichnungen: die Quermathen, die Segmathen, die langen Enden, das Mittelfeld, die Ruthen und wird umgrenzt: Im Norden durch die B 187 A, im Westen durch die Flure 3 und 5 der Gemarkung Düben, im Süden durch die Flur 1 der Gemarkung Klieken und der Flur 1 der Gemarkung Buro, im Osten durch eine parallele Linie im Abstand von 100 m zur A 9, welche westlich zur A 9 verläuft.

Beschlußbegründung:

Zur Entwicklung einer ordnungsgemäßen städtebaulichen Entwicklung des sich zur Zeit im Außenbereich befindlichen Gebietes, welches bereits mit 3 Windkraftanlagen belegt ist, ist die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich, um die Belange des Landschafts- und Naturschutzes sowie die des Landschaftsbildes entsprechend berücksichtigen zu können.

Das Planziel besteht in der Herstellung des Planungsrechts für die definierte Anzahl der Windkraftanlagen."

Die Gemeinderatssitzung vom 27.02.2002 wurde vom Bürgermeister eröffnet. Ausweislich des Protokolls der Gemeinderatssitzung befanden sich die Gemeinderäte A, C und D sowie Bürgermeister ..., die Grundstücke im Plangebiet besitzen, bei dem Tagesordnungspunkt "TOP 3 Bürgerfragestunde" noch am Beratungstisch. Bei dieser Ratssitzung waren ferner noch die Ratsmitglieder K und L anwesend.

Unter dem Tagesordnungspunkt "TOP 3 Bürgerfragestunde" äußerte sich der eigens zu diesem Zwecke erschienene Vertreter der Kommunalaufsicht des Landkreises zur Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans. Ferner diskutierten die beiden nur noch verbliebenen Ratsmitglieder B...l und S..., die keine Grundstücke im Plangebiet besitzen, zum Tagesordnungspunkt "Bürgerfragestunde" über die Aufstellung des Planes und die Veränderungssperre.

Bei den Tagesordnungspunkten 4 bis 7, bei denen die Beschlüsse zur Aufstellung des Bebauungsplans sowie über die Veränderungssperre gefasst wurden, hatten die Ratsmitglieder A, C und D sowie Bürgermeister ... im Besucherteil des Versammlungsraums Platz genommen. Eine Beratung zu den Beschlüssen fand nicht mehr statt.

Mit Bescheid vom 02.05.2001 genehmigte der Landkreis Anhalt-Zerbst die Beschlüsse vom 27.02.2001 über die Aufstellung des Bebauungsplans für den "Windkraftanlagenpark" in der Gemarkung Zieko und den über die hier strittige Veränderungssperre. Die Beschlüsse wurden im Amtsblatt des Landkreises Anhalt-Zerbst vom 10.05.2001 bekanntgemacht.

Am 03.09.2001 hat die Antragstellerin beantragt, im Wege der Normenkontrolle die Veränderungssperre vom 27.02.2001 für nichtig zu erklären.

Mit Beschluss vom 24.04.2001 (2 R 270/01) hat der Senat die Satzung der Antragsgegnerin über die Veränderungssperre - BV 2001-5 - vom 27.02.2001 auf Antrag der Antragstellerin bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug gesetzt.

Ihren Normenkontrollantrag begründet die Antragstellerin wie folgt: Über das von der Antragsgegnerin selbst angenommene Mitwirkungsverbot für fünf Gemeinderatsmitglieder seien sämtliche Gemeinderatsmitglieder befangen gewesen. Ihr sei aus Gesprächen mit Vertretern des Landkreises Anhalt-Zerbst bekannt, dass die Antragsgegnerin beabsichtige, nur noch drei weitere Windkraftanlagen durch die Firma P. KG auf dem Gemeindegebiet errichten zu lassen. Die Firma PC GmbH sei mit der größten Einlage von 300.000,- DM Kommanditist der P. KG. Weiterhin seien sämtliche Gemeinderatsmitglieder Angehörige, der Bürgermeister ... sogar Vorsitzender, einer Teilnehmergemeinschaft, die im Rahmen eines Rückübertragungsverfahrens die Übereignung von Grundstücken durch die BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs-GmbH an die Kommune erreichen wolle. Dem Aufstellungsbeschluss und der Veränderungssperre lägen keine konkreten städtebaulichen Gründe und keine erkennbare Planungskonzeption zugrunde. Die pauschal aufgeführten Belange des Landschafts- und Naturschutzes sowie des Landschaftsbilds seien bereits durch die Entscheidung über die Ausweisung eines Eignungsgebiets im regionalen Entwicklungsprogramm berücksichtigt worden. Eine abschließende Beurteilung, ob ein besonders schutzwürdiger Ausnahmefall vorliege, könne nur durch die Baugenehmigungsbehörden im Rahmen des Einzelfalls geprüft werden; ein Bebauungsplan könne dies nicht leisten. Die Antragsgegnerin wolle mit der streitgegenständlichen Veränderungssperre keine bauplanerischen Ziele erreichen, sondern nur auf die Auswahl des Errichters und Betreibers Einfluss nehmen, um die aus der Errichtung resultierenden Veräußerungs- bzw. Verpachtungserlöse zu steuern. Das einzige nachvollziehbare Planungsziel, die zahlenmäßige Begrenzung der zu errichtenden Anlagen zu bestimmen, sei eine reine Negativplanung.

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass die am 27. Februar 2001 beschlossene Satzung der Antragsgegnerin über die Veränderungssperre - BV 2001-5 - für das Bebauungsplangebiet Nr. 2 "Windkraftanlagenpark" - in Kraft getreten am 10. Mai 2001 - nichtig ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung ihres Antrags beruft sie sich auf den Genehmigungsbescheid durch den Landkreis Anhalt-Zerbst.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

Im Normenkontrollverfahren ist für die Antragstellerin die Antragsbefugnis gegeben, weil sie durch den Vollzug der Veränderungssperre in absehbarer Zeit Nachteile i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu erwarten hat. Der geforderten Darlegung genügt die Antragstellerin, wenn sie hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest möglich erscheinen lassen (zum Darlegungsmaßstab vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.07.1997 - BVerwG 4 BN 11.97 -, BauR 1997, 972; Urt. v. 10.03.1998 - BVerwG 4 CN 6.97 -, NVwZ 1998, 732; Urt. v. 24.09.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, NJW 1999, 592), dass sie durch die Veränderungssperre in einem Recht verletzt wird. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 24.09.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -) sind an die Geltendmachung der Rechtsverletzung keine weitergehenden Anforderungen zu stellen, als sie für das Nachteilserfordernis (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO a. F.) galten. Sie sind hier gegeben, obwohl die Antragstellerin nicht Eigentümerin der in Rede stehenden Grundstücke ist; denn sie hat in Übereinstimmung mit der Grundstückseigentümerin, der A-AG, für Grundstücke, die im Geltungsbereich der angegriffenen Veränderungssperre liegen, einen Bauantrag gestellt, welcher wegen der beschlossenen Veränderungssperre keinen Erfolg hat.

Der Normenkontrollantrag ist auch in der Hauptsache begründet.

Die Veränderungssperre der Antragsgegnerin vom 27.02.2001 ist nichtig.

1. Nach § 14 Abs. 1 des Baugesetzbuchs - BauGB - i. d. F. d. Bek. v. 27.08.1997 (BGBl I 2141, ber.: BGBl. 1998 I 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.12. 2001 (BGBl I 3762), kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen.

Der Rat der Antragsgegnerin hat am 27.02.2001 im Geltungsbereich der Veränderungssperre einen Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans "Nr. 2 Windkraftanlagenpark" gefasst. Der Beschluss ist im Amtsblatt des Landkreises Anhalt - Zerbst vom 10.05.2001 veröffentlicht und damit wirksam bekanntgemacht worden (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB).

2. Die angefochtene Satzung ist materiellrechtlich zu beanstanden.

2.1. Sowohl der Aufstellungsbeschluss über den Bebauungsplan als auch der Beschluss über die Veränderungssperre sind wegen Verstoßes gegen § 31 Abs. 1, 5, 6, der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt - GO LSA - vom 05.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), zuletzt geändert durch Gesetz vom 07.12.2001 (LSA-GVBl., S. 540 [543]), unwirksam.

Nach § 31 Abs. 1 GO LSA darf derjenige, der ehrenamtlich tätig ist, bei Angelegenheiten nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung ihm selbst, seinem Ehegatten, seinen Verwandten bis zum dritten oder Verschwägerten bis zum zweiten Grade oder einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person einen besonderen Vorteil oder Nachteil bringen kann.

Gemäß § 31 Abs. 5 GO LSA hat ein Ratsmitglied, wenn es wegen der Vorschriften der Absätze 1 bis 3 des § 31 gehindert ist, an der Beratung und Entscheidung mitzuwirken, sich bei öffentlichen Sitzungen in dem für die Zuhörer bestimmten Teil des Beratungsraums aufzuhalten.

Es ist anerkannt, dass das Eigentum an einem planbetroffenen Grundstück ein gemeindeverfassungsrechtliches Mitwirkungsverbot im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans begründet (z.B. Nds. OVG, Beschl. v. 05.07.1971 - I OVG C 5/69 -, OVGE 27, 442).

Die Anwesenheit eines ausgeschlossenen Ratsmitglieds, mag es sich auch nicht aktiv an der Beratung beteiligen, kann von Einfluss auf die Entscheidung der übrigen Mitglieder sein, ohne dass es darauf ankommt, ob deren Entscheidung tatsächlich beeinflusst worden ist. Das Mitwirkungsverbot soll allein sicherstellen, dass die Ratsmitglieder ausschließlich nach Recht und Gesetz in freier, nur durch die Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmter Überzeugung handeln. Es soll ihnen auch eine durch individuelle Sonderinteressen herbeigeführte Konfliktsituation ersparen und dazu beitragen, das Vertrauen der Bürger in eine unvoreingenommene öffentliche Verwaltung und eine lediglich am Gemeinwohl orientierte Rechtsetzung zu erhalten und zu stärken. Dies lässt sich nur erreichen, wenn der Schein einer Mitwirkung ausgeschlossener Ratsmitglieder vermieden wird (so auch OVG NW, Urt. v. 16.01.1980 - 10a NE 46/78 -, BauR 1980, 238, 239; Nds. OVG, Urt. v. 27.08. 1981 - 1 C 5/80 -, NVwZ 1982, 200).

Fraglich ist, welchen Umfang das Mitwirkungsverbot hat. Da es nach dem Gesetzeswortlaut allgemein "bei Angelegenheiten" zum Tragen kommt, könnte es nicht nur auf die Entscheidung und Beratung in der Gemeinderatssitzung und den vorbereitenden Ausschüssen beschränkt sein, sondern auch darüber hinaus schon im vorbereitenden Stadium Geltung haben. Denkbar wäre ein Mitwirkungsverbot bereits bei jeder auch nur vorbereitenden, ehrenamtlichen Tätigkeit, wenn die Entscheidung dem Bürger einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen könnte. Auch die Teilnahme eines Gemeindevertreters in dieser Funktion an einem Gespräch über den Vorentwurf eines Bebauungsplans zwischen Vertretern der Gemeinde und Vertretern der Träger öffentlicher Belange könnte eine beratende Mitwirkung an dem Bebauungsplan darstellen, da es nicht auszuschließen wäre, dass die Beiträge des ausgeschlossenen Ratsmitglieds bei diesem Gespräch Einfluss auf den Bebauungsplan haben (so NdsOVG, Urt. v. 27.08.1981 - 1 C 5/80 -, NVwZ 1982, 200). Danach wäre der Beschluss über die Veränderungssperre schon deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 31 Abs. 1 und 5 GO LSA unwirksam, weil der ausgeschlossene Bürgermeister die Aufstellung des Bebauungsplans und die Veränderungssperre vorbereitet und maßgeblich betreut hat. Die Frage kann letztlich jedoch dahingestellt sein, da das Mitwirkungsverbot zumindest unter einem anderen Gesichtspunkt verletzt ist.

Auch allein die Anwesenheit eines Gemeinderatsmitglieds, das weder beratend noch entscheidend mitwirken darf, inmitten des beratenen Kollegiums beeinflusst nämlich die Beratung und Abstimmung unsachgemäß. Solange solche Mitglieder im Kollegium verbleiben, ist die Kontrolle darüber, ob sie sich auch tatsächlich jeder aktiven Mitwirkung an der Beratung enthalten haben, sehr erschwert, wenn nicht ausgeschlossen. Durch die räumliche Trennung zwischen dem entscheidenden Gremium und den befangenen, nicht abstimmungsberechtigten Ratsmitgliedern kann zum einen der außenstehende Bürger (Zuhörer) erkennen, dass der betreffende Gemeinderat befangen ist und aus diesem Grund an der Beratung und Entscheidung nicht mitwirkt. Zum anderen wird mit der ausreichend erkennbaren räumlichen Trennung auch eine Einflussnahme durch physische Anwesenheit weitgehend ausgeschlossen (VGH BW, Beschl. v. 18.07.1973 - II 306/72 -, ESVGH 24, 125).

Bei der hier maßgeblichen Ratsitzung ist die Beratung i. S. d. § 31 Abs. 1 GO LSA über die Beschlüsse zur Aufstellung des Bebauungsplans und die Veränderungssperre in die Bürgerfragestunde "vorverlegt worden". Zum Tagesordnungspunkt Beschlussfassung genügte die Ratsbesetzung zwar den formellen Anforderungen des § 31 Abs. 5 GO LSA, eine Beratung des Rats fand aber nicht mehr statt. Gerade der Schein lässt bei einer solchen Konstellation für einen außenstehenden Beobachter aber den Eindruck entstehen, dass die ausgeschlossenen Gemeindevertretungsmitglieder wenigstens an der Beratung der Angelegenheit mitgewirkt haben.

2.2. Die Satzung über die Veränderungssperre leidet aber auch an einem weiteren Fehler:

§ 14 Abs. 1 BauGB ermöglicht der Gemeinde den Erlass einer Veränderungssperre nur, um die von ihr mit der Aufstellung eines Bebauungsplans verfolgte planerische Konzeption zu sichern. An einer solchen positiven Plankonzeption fehlt es hier.

Gemäß § 7 Abs. 3 des Raumordnungsgesetzes - ROG - vom 18.08.1997 (BGBl I 2081), geändert durch Gesetz vom 15.12.1997 (BGBl I 2902), sollen Raumordnungspläne auch diejenigen Festsetzungen zu raumbedeutenden Planungen und Maßnahmen enthalten, die zur Aufnahme in Raumordnungspläne geeignet und nach Maßgabe von Absatz 7 zur Koordinierung von Raumansprüchen erforderlich sind sowie durch Ziele oder Grundsätze der Raumordnung gesichert werden können. Nach § 7 Abs. 4 Nr. 3 ROG gehören dazu Eignungsgebiete, die für bestimmte, raumbedeutsame Maßnahmen geeignet sind, die städtebaulich nach § 35 des Baugesetzbuchs zu beurteilen sind und an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen werden. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gehören dazu Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dienen. Im Regionalen Entwicklungsprogramm für den Regierungsbezirk Dessau - RegProgr - (vgl. Beschl. der Landesregierung vom 30.01.1996 [LSA-MBl 541 <573>] i. d. F. Nr. 3 d. Änderungsbeschl. v. 21.03.2000 [LSA-MBl 331]) sind "Eignungsgebiete" i.S. des § 7 Abs. 4 Nr. 3 ROG ab zwanzig Hektar Raumbedarf geschaffen worden (vgl. Nr. 2.5.4. RegProgr). Nach 2.5.5. RegProgr ist im Landkreis Anhalt-Zerbst das Eignungsgebiet Coswig/Nord mit den Standorten Düben, Klieken und Zieko (zeichnerisch im Norden durch die B 187a und im Osten durch die BAB A 9 begrenzt) festgelegt worden. Nach 2.5.6. RegProgr können die Eignungsgebiete für die Nutzung der Windenergie durch die betroffenen Gemeinden im Flächennutzungsplan konkretisiert werden. Davon hat die Antragsgegnerin bisher keinen Gebrauch gemacht. Mit dem umstrittenen Bebauungsplan Nr. 2 versucht sie, den Teil des Eignungsgebiets, der auf sie entfällt, mit der Bezeichnung, "Gebiet der Flure 2 und 3 der Gemarkung Zieko" festzulegen. Der Planentwurf sieht allerdings über die bereits im RegProgr getroffenen Festlegungen der Grenzen im Norden und Osten durch die B 187a und die A 9 als weitere Festlegung nur im Westen die Begrenzung durch die "Flure 3 und 5 der Gemarkung Düben und im Süden durch den Flur 1 der Gemarkung Klieken und der Flur 1 der Gemarkung Buro" vor. Außer dieser Konkretisierung der "Windpark"-Grenzen, auf die ohnehin schon durch das RegProgr festgelegten höchst möglichen Eignungsgebietsgrenzen im Bereich der Antragsgegnerin will der beabsichtigte Plan nur noch eine später zu ermittelnde Anzahl von Windkraftanlagen als Höchstgrenze festsetzen.

Ein eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB auslösender Plan muss ein Plan i.S.v. § 30 BauGB sein. Das Baugesetzbuch schreibt zwar an keiner Stelle einen bestimmten Mindestinhalt von Bebauungsplänen vor. Es obliegt jeweils dem planerischen Ermessen der Gemeinde, die für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nach ihrer planerischen Konzeption erforderlichen Festsetzungen in einem Bebauungsplan zu treffen (Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 8. Aufl., BauGB § 30 RdNr. 8). Nicht erforderlich ist, dass der Aufstellungsbeschluss auf einen qualifizierten Bebauungsplan gerichtet ist; es genügt der Beschluss, einen einfachen Bebauungsplan i.S. von § 30 Abs. 2 BauGB aufzustellen.

Erforderlich ist aber über die bloße Festlegung der Plangrenzen hinaus wenigstens eine positive, rechtlich zulässige planerische Festsetzung. Dies ergibt sich aus der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG. Die Verfassung verbietet, die Entwicklung eines Grundstücks für einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum zu stoppen, ohne dass ein öffentliches, rechtlich zulässiges, städtebauliches Ziel erkennbar geschützt werden soll. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Entscheidend für die Erforderlichkeit der Planung ist, ob die beabsichtigten Festsetzungen in ihrer positiven Zielsetzung - heute und hier - gewollt und - gemessen an der planerischen Konzeption der Gemeinde - erforderlich sind oder ob sie nur das vorgeschobene Mittel darstellen, um einen Bauwunsch zu durchkreuzen.

Als Sicherungsmittel ungeeignet und damit nichtig ist eine Veränderungssperre deshalb, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lässt, der beabsichtigte Plan einer positiven Planungskonzeption entbehrt und der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind, oder wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behebbar sind (BVerwG, Beschl. v. 21.12.1993 - BVerwG 4 NB 40.93 -, NVwZ 1994, 685).

Der Katalog der zulässigen Festsetzungen eines Bebauungsplans ergibt sich aus § 9 Abs. 1 BauGB. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB können Versorgungsflächen und damit auch Flächen für Windenergieanlagen im Bebauungsplan festgesetzt werden. Die bloße Anzahl von Windenergieanlagen, ohne dass erkennbar wird, welches legitime, besondere städtebauliche Ziel gerade mit dieser Festsetzung verfolgt werden soll, dürfte keine zulässige Festsetzung im Sinne von § 9 Abs. 1 BauGB sein.

Wenn die Beschlussvorlage lediglich angibt, dass der "Landschafts- und Naturschutz und das Landschaftsbild entsprechend zu berücksichtigen seien", verweist die Antragsgegnerin nur auf den Gesetzestext des § 1 Abs. 1 BauGB. Es sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, inwieweit die Antragsgegnerin diese Belange besonders beeinträchtigt sieht und mit der Planung zu schützen gedenkt.

Die Antragsgegnerin hat als unterliegender Teil gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

Zurück