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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 15.07.2003
Aktenzeichen: 2 L 136/03
Rechtsgebiete: VwGO, GrStG, BewG, AO


Vorschriften:

VwGO § 124 II Nr. 3
GrStG § 33 I 1
GrStG § 3
GrStG § 3 V
BewG § 22
BewG § 27
BewG § 79 I
BewG § 79 III
BewG § 79 IV
AO § 227
Ob in den strukturschwachen Gebieten der neuen Bundesländer ein Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 Satz 2 des Grundsteuergesetzes in Betracht kommt, ist vom Bundesverwaltungsgericht abschließend geklärt (BVerwG, Urt. v. 04.04.2001 - BVerwG 11 C 12.00 -).

Die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt nicht mehr in Betracht.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 136/03

Datum: 15.07.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Der geltend gemachten Zulassungsgrund der "ernstlichen Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt.

"Darlegen" bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als ein lediglich allgemeiner Hinweis; "etwas darlegen" verlangt vielmehr soviel wie "erläutern", "erklären" oder "näher auf etwas eingehen" (BVerwG, Beschl. v. 02.10.1961 - BVerwG VIII B 78.61 -, BVerwGE 13, 90 [91]; Beschl. v. 09.03.1993 - BVerwG 3 B 105.92 -, Buchholz 310 [VwGO] § 133 [n. F.] Nr. 11).

Genügte allein die herkömmliche Art der Rechtsmittelbegründung, dann bedürfte es der Zulassungsgründe nicht. Der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist vor der Zulassung des Rechtsmittels noch nicht, die angegriffene Entscheidung auf ihr Ergebnis hin zu kontrollieren, sondern ausschließlich die Frage, ob das Rechtsmittel zugelassen werden kann. Ob dies der Fall ist, prüft das Gericht nicht von Amts wegen; auch wenn nach der Zulassung im Rechtsmittelverfahren die "Amtsmaxime" des § 86 Abs. 1, 3 VwGO entsprechend gilt (vgl. § 125 Abs. 1 VwGO), hat der Gesetzgeber dem Rechtsmittelführer für das vorgeschaltete Antragsverfahren die besondere "Darlegungslast" nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO 02 auferlegt. Aus dem deutlichen Unterschied dieser Regelung im Vergleich zu der über die Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 S. 1, 4 VwGO 02) folgt, dass sich die "Gründe" i. S. des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO 02 auf die Zulassungsfragen beziehen müssen und nicht lediglich die angefochtene Entscheidung selbst in Frage stellen dürfen; erst die Berufungsbegründung des § 124a Abs. 3 VwGO 02 ist mit der früheren Art einer Rechtsmittelrechtfertigung vergleichbar.

Das gilt auch für § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; er hat nicht etwa die Bedeutung, Anträgen, welche aus anderen Gründen nicht zur Zulassung führen, sozusagen auffangweise zur Zulassung zu verhelfen, sondern ist Teil des Systems, das grundsätzlich keine Rechtsmittelinstanz eröffnet und die Zulassung nur ausnahmsweise ermöglicht, indem es die Durchführung des Rechtsmittels von dessen Zulassung abhängig macht. Auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann sich nicht schon berufen, wer die angefochtene Entscheidung mit Hilfe einer "Rechtsmittelbegründung alten Rechts" in Frage stellen will, indem er sich mit der Entscheidung auseinander setzt und Gegenpositionen bezieht. Der Darlegungslast genügt vielmehr nur, wer den "Grund" benennt, der ausnahmsweise die Zulassung rechtfertigt, und dessen Voraussetzungen "schlüssig" beschreibt.

Dazu gehört bei § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass belegt wird, es beständen gerade "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit" der angefochtenen Entscheidung. Dies verlangt zunächst, dass der Antrag einzelne tatsächliche Feststellungen des Gerichts oder Elemente der rechtlichen Ableitung konkret bezeichnet, die beanstandet werden sollen, sowie zusätzlich, dass aufgezeigt wird, aus welchem Grund die konkrete Passage ernstlichen Zweifeln begegnet.

Diesem Darlegungsmaßstab genügt die Antragsschrift nicht; denn sie stellt der vom Verwaltungsgericht festgestellten schlechten Ertragslage des klägerischen Grundstücks im Jahr 2001 lediglich ihre eigene Wertung gegenüber, dass "durchaus von einer nur zeitweilig vorhandenen Krise gesprochen werden" könne, weil diese durch den persönlichen Einsatz des Geschäftsführers nunmehr bewältigt sei. Entscheidungserhebliche Gesichtspunkte, die eine andere Einschätzung als die vom Verwaltungsgericht getroffene rechtfertigen könnten, sind darüber hinaus nicht dargelegt.

2. Die von der Antragsschrift geltend gemachte "grundsätzliche Bedeutung" der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) im Hinblick auf die Verhältnisse in den strukturschwachen Gebieten der neuen Bundesländer ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.04.2001 - BVerwG 11 C 12.00 - nicht mehr gegeben.

In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:

"Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG wird die Grundsteuer in bestimmtem Umfang erlassen, wenn, was hier allein in Betracht kommt, bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 20 vom Hundert gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat. Die von der Klägerin geltend gemachten und hier ausschließlich in Rede stehenden Mietausfälle aufgrund strukturell bedingter fehlender Mieternachfrage sind bei der Ermittlung des normalen Rohertrags zu berücksichtigen und können deshalb nicht als Minderung gegenüber diesem geltend gemacht werden. Da ein Grundsteuererlass bereits aus diesem Grunde ausscheidet, kommt es auf die Frage nicht an, ob die Klägerin die Mietausfälle zu vertreten hat.

1. Normaler Rohertrag ist bei bebauten Grundstücken, deren Wert wie hier nach dem Bewertungsgesetz, das in diesem Zusammenhang auch in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Anwendung findet (vgl. §§ 129 ff. BewG), im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums maßgebend wäre; § 79 Abs. 3 und 4 des Bewertungsgesetzes findet keine Anwendung (§ 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG). Die Rohmiete ist mithin nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes zu ermitteln, die im Falle einer Hauptfeststellung anzuwenden wären.

Nach § 79 Abs. 1 BewG ist Jahresrohmiete das Gesamtentgelt, das die Mieter (Pächter) für die Benutzung des Grundstücks auf Grund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten haben. Statt des Betrags nach § 79 Abs. 1 BewG gilt nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BewG die übliche Miete als Jahresrohmiete für solche Grundstücke oder Grundstücksteile, die eigengenutzt, ungenutzt, zu vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind (Nr. 1) oder die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 vom Hundert von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat (Nr. 2). In diesen Fällen ist die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 79 Abs. 2 Satz 2 BewG).

§ 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG verweist aber nicht allein auf die Vorschrift des § 79 Abs. 1 und 2 BewG. Dies bedeutet namentlich, dass Veränderungen aller den Wert beeinflussenden Umstände, die bei einer Hauptfeststellung zur Feststellung eines verminderten Einheitswertes führen würden (vgl. § 9 Abs. 1 und 2 BewG), als Erlassgrund ausscheiden. Das gilt nicht nur für Ertragsminderungen, die durch Fortschreibung des Einheitswertes berücksichtigt werden können, wie dies § 33 Abs. 5 GrStG ausdrücklich und allgemein anordnet. Vielmehr können nach der für Grundstücke, deren Wert im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, im Besonderen geltenden Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG auch Ertragsminderungen, die auf einer Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse ("Wertverhältnisse" i.S.v. § 27 BewG) beruhen, nicht zu einem Grundsteuererlass führen, weil diese bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums - anders als bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen (vgl. § 27 BewG) - zu berücksichtigen wären.

Dieser Regelung liegt, worauf bereits die Anknüpfung des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG an den normalen Rohertrag hindeutet, erkennbar die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass Ertragsminderungen einen Grundsteuererlass nur rechtfertigen, wenn sie auf für die Ertragslage außergewöhnlichen ("atypischen") Umständen beruhen (vgl. auch Urteil vom 3. Mai 1991 - BVerwG 8 C 13.89 - Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 24 = BStBl II 1992, 580 = KStZ 1991, 170). Umständen, die den normalen Rohertrag mindern und als solche für den Einheitswert erheblich sind, soll im Rahmen der Einheitsbewertung und nicht im Wege des Steuererlasses Rechnung getragen werden. Dies führt allerdings zu differenzierten Rechtsfolgen. Änderungen der "tatsächlichen Verhältnisse" werden nach Maßgabe des § 22 BewG im Wege der Wertfortschreibung berücksichtigt und führen über eine neue Festsetzung des Steuermessbetrags auf den Fortschreibungszeitpunkt (Neuveranlagung) zu einer geringeren Grundsteuer (§ 13 Abs. 1, § 17 Abs. 1 GrStG). Vermindert sich der normale Rohertrag hingegen wegen Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, wird dies erst bei der nächsten Hauptfeststellung (§ 21 BewG) erfasst und wirkt sich bis dahin auf die Erhebung der Grundsteuer nicht aus (vgl. §§ 16 - 18 GrStG). Damit trägt der Gesetzgeber zum einen dem Umstand Rechnung, dass derartige Veränderungen im Grundsatz alle Vermieter in vergleichbarer Weise treffen und deshalb unter dem Aspekt einer korrekturbedürftigen Sonderbelastung des Einzelnen kein Anlass für einen Grundsteuererlass besteht. Zum andern kann von Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse i.S.d. Bewertungsrechts nur bei nachhaltigen, länger andauernden Veränderungen der Wertverhältnisse die Rede sein. Zumal bei typisierender Betrachtungsweise ist es daher systemgerecht, diese Veränderungen ausschließlich bei der Hauptfeststellung zu berücksichtigen, die nach dem Konzept des Bewertungsgesetzes in Zeitabständen von je sechs Jahren stattfindet (§ 21 Abs. 1 BewG). Im Interesse der Stetigkeit und Gleichmäßigkeit der Grundsteuererhebung bleiben Veränderungen der Wertverhältnisse unberücksichtigt, die zwischen den Hauptfeststellungen eintreten.

2. Die Revision ist der Ansicht, § 79 Abs. 2 BewG regele die Bewertung ungenutzter Grundstücke oder Grundstücksteile, worunter auch nicht vermietete Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zu rechnen seien, abschließend dahin, dass die übliche Miete als Jahresrohmiete gelte, und demgemäß müssten vom Steuerschuldner nicht zu vertretende Minderungen des Rohertrags aufgrund des Leerstandes um mehr als 20 vom Hundert ohne Rücksicht auf dessen Ursache zu einem Grundsteuererlass gemäß § 33 Abs. 1 GrStG führen. Dem ist nicht zu folgen.

Bereits der Wortlaut des § 79 Abs. 2 BewG deutet darauf hin, dass die Vorschrift nur den Fall erfasst, dass am Bewertungsstichtag Grundstücke oder Grundstücksteile bzw. Räume zufällig und vorübergehend nicht oder zu Bedingungen genutzt werden, die den auf dem Markt erzielbaren Mieten nicht entsprechen. Das Gesetz geht von deren Vermietbarkeit und der Bildung der Mietpreise auf einem Immobilienmarkt aus, wenn es auf die "übliche Miete" Bezug nimmt, die in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen ist, welche für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung "regelmäßig" gezahlt wird. Äußerstenfalls, nämlich dann, wenn nach bestimmten Grundstücken oder Grundstücksteilen bzw. Räumen überhaupt keine Nachfrage besteht, ist für diese die Jahresrohmiete mit Null anzusetzen. Im Grundsatz nichts anderes kann dann gelten, wenn aufgrund des nachhaltigen Überangebotes bestimmter Mietobjekte nicht nur die Mieten sinken, sondern auch ein Teil von ihnen unvermietet bleiben muss.

Allein dieses Verständnis des § 79 Abs. 2 BewG steht auch im Einklang mit der Systematik des Bewertungsrechts. Wie erwähnt, sind bei einer Hauptfeststellung alle den Wert beeinflussenden Umstände zu berücksichtigen. Dabei kommt es entscheidend auf den Markt für Objekte der zu bewertenden Art, Lage und Ausstattung an. Ist ein Grundstück vermietet, geht das Gesetz zwar grundsätzlich davon aus, dass die vereinbarte Miete marktgerecht ist (§ 79 Abs. 1 BewG). Namentlich die Regelung des § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG, wonach die übliche Miete dann gilt, wenn die tatsächliche Miete um mehr als 20 vom Hundert von der üblichen Miete abweicht, belegt aber, dass das Bewertungsrecht letztlich auf den objektiven Marktwert der Grundstücke abstellt (vgl. auch § 9 Abs. 1 und 2 BewG). Dem entspricht, dass ein zufälliger und vorübergehender Leerstand von Räumen am Bewertungsstichtag die Jahresrohmiete nicht mindern kann und deshalb an die Stelle der vereinbarten die übliche Miete zu treten hat (vgl. Entscheidung des Reichsfinanzhofs vom 13. Oktober 1938 - III 343/37 - RStBl 1938 S. 1138). Hingegen reduziert ein Leerstand, soweit er auf tatsächlichen Umständen beruht, die durch Fortschreibung berücksichtigt werden können, oder auf eine Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen ist, die Jahresrohmiete.

3. Die Vorschrift des § 79 Abs. 2 BewG ist auch nicht im Rahmen des § 33 GrStG abweichend auszulegen. Wegen der Bezugnahme in § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG über § 79 BewG hinaus auf die Vorschriften des Bewertungsgesetzes bedürfte eine derartige Abweichung besonderer Gründe. Solche liegen nicht vor.

Die Erwägung, der Grundsteuererlass bezwecke, den Steuerschuldner teilweise zu entlasten, soweit er ohne sein Verschulden keinen Ertrag erziele und auch die Grundsteuer nicht auf einen Mieter abwälzen könne, und auf diese Weise die Härte zu mindern, die in diesen Fällen sonst mit der Erhebung der Grundsteuer als ertragsunabhängiger Realsteuer verbunden wäre, wird den Zwecken des § 33 GrStG nicht in vollem Umfang gerecht. Sie vernachlässigt die Einordnung des Grundsteuererlasses in die Systematik des Bewertungsrechts. Aus dieser ergibt sich, wie bereits dargelegt, dass ein Grundsteuererlass vorübergehenden Mietausfällen aufgrund außergewöhnlicher Umstände des Einzelfalls vorbehalten ist. Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist in sich schlüssig und plausibel und weist keine durch ergänzende Auslegung zu korrigierenden Fehlgewichtungen auf. Die Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung steht insbesondere der Ansicht der Revision entgegen, der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass zur Vermietung geschaffene Räumlichkeiten typischerweise vermietet würden und dass deshalb ein vom Steuerschuldner nicht zu vertretender Leerstand ohne weiteres zu einem Grundsteuererlass führen müsse. Gegen die Ansicht der Revision spricht zudem, dass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, er wolle über eine weitgehende Grundsteuerbefreiung den Steuerschuldnern einen Anreiz dafür geben, nicht marktgerechte Mietobjekte zu erhalten statt sie durch objektbezogene Veränderungen aus dem Markt zu nehmen oder im Hinblick auf die Nachfrage umzugestalten, so dass über eine Fortschreibung des Einheitswerts die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst wird.

Die Revision beruft sich weiter auf die Begründung des Regierungsentwurfs eines Zweiten Steuerreformgesetzes (BTDrucks 6/3418 S. 95). Dort ist zwar zu § 33 GrStG u.a. das "Leerstehen von Wohnungen oder Geschäftsräumen infolge mangelnder Mieternachfrage" als Beispiel für eine erlassbegründende Ertragsminderung genannt, die der Eigentümer nicht zu vertreten hat. Dies besagt jedoch nichts für die hier zu entscheidende Frage, unter welchen Voraussetzungen die fehlende Nachfrage im Rahmen des Grundsteuererlasses zu berücksichtigen ist und wann sie ausschließlich bei der Einheitsbewertung erheblich wird.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, die nächste Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes abweichend von § 21 Abs. 1 Nr. 1 BewG durch besonderes Gesetz zu bestimmen (Art. 2 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 <BGBl I S. 851>), kann nicht zu einem anderen Verständnis der hier maßgeblichen Vorschriften führen. Sollte diese Entscheidung zu einer gleichheitswidrigen Verzerrung der Besteuerungsgrundlagen führen, wäre ein etwaiger Verfassungsverstoß durch Rechtsbehelfe bereits gegen die Veranlagung geltend zu machen. Davon abgesehen, besteht kein Hinweis auf Umstände, aus denen sich im insoweit maßgeblichen Stadtgebiet der Beklagten für das Jahr 1997 ein verfassungswidriger Zustand ableiten ließe. Im Übrigen weist das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hin, dass eine Wertfortschreibung vorzunehmen ist, wenn die Klägerin die Zahl der vermietbaren Wohnungen auf dem Grundstück durch tatsächliche Veränderungen den Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt anpasst. Dem liegt die auch für die verfassungsrechtliche Beurteilung erhebliche Erwägung zugrunde, dass die Steuerschuldner grundsätzlich selbst durch ein Verhalten, das den Veränderungen der Wertverhältnisse gerecht wird, die negativen Auswirkungen der Aussetzung neuer Einheitsbewertungen vermeiden können. Schließlich kann in den Fällen, in denen die Steuererhebung ausnahmsweise zu einer persönlichen Härte führt, ein Erlass nach der allgemeinen Billigkeitsvorschrift des § 227 AO in Betracht kommen.

4. Nach dem Gesagten kommt es darauf an, ob die geltend gemachte Ertragsminderung auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG beruht, die zu einer Wertfortschreibung führen kann und einen Grundsteuererlass bereits gemäß § 33 Abs. 5 GrStG ausschließt, ob sie auf eine Änderung der Wertverhältnisse im Sinne von § 27 BewG zurückzuführen ist und gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG die Jahresrohmiete mindert, so dass deshalb ein Grundsteuererlass ausscheidet, oder ob sie zufälliger und vorübergehender Art ist, so dass bei der Ermittlung der Jahresrohmiete die übliche Miete anzusetzen ist und ein Grundsteuererlass in Betracht kommt. Zur Abgrenzung dieser Tatbestände genügen für das vorliegende Verfahren folgende Erwägungen:

Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG betreffen das Bewertungsobjekt und seine nähere Umgebung. Demgegenüber sind unter Wertverhältnissen im Sinne von § 27 BewG die allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie Verkehrsverhältnisse im gesamten Gemeindegebiet oder darüber hinaus zu verstehen, die sich im allgemeinen Markt- und Preisniveau niedergeschlagen haben (vgl. zum Ganzen BFH, Urteil vom 12. März 1982 - III R 63/79 - BStBl II S. 451 m.w.N.). Ob Veränderungen dieser Verhältnisse gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG zu berücksichtigen sind, also nicht mehr nur als zufällige und vorübergehende Erscheinung eingestuft werden können, hängt von ihrer Nachhaltigkeit ab. Für diese bietet der Zeitabstand von sechs Jahren, in dem grundsätzlich die Einheitswerte jeweils festgestellt werden (§ 21 Abs. 1 BewG), einen wesentlichen Anhalt. Nach dem Konzept des Bewertungsgesetzes sind Veränderungen der allgemeinen Wertverhältnisse innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums typischerweise nicht von solchem Gewicht, dass sie bei der Einheitsbewertung des Grundbesitzes berücksichtigt werden müssten; der Gesetzgeber hat demgemäß zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in § 27 BewG angeordnet, dass sie sich auf die Einheitsbewertung auch nicht auswirken dürfen. Dieser Wertung entsprechend sind Veränderungen der allgemeinen Wertverhältnisse gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG bei der Ermittlung der Jahresrohmiete zu berücksichtigen, sobald hinreichend verlässlich - im Streitfall durch die Gerichte - zu prognostizieren ist, dass sie über einen Zeitraum von etwa sechs Jahren Bestand haben.

5. Die hier zu erörternden Mietausfälle beruhen nicht auf tatsächlichen Eigenschaften des Grundstücks der Klägerin oder seiner Umgebung, sondern auf einem Überangebot von Wohnungen in Stendal. Die Ertragsminderung kann nicht durch Fortschreibung des Einheitswertes berücksichtigt werden, so dass ein Grundsteuererlass nicht bereits gemäß § 33 Abs. 5 GrStG ausscheidet. Der Wohnungsleerstand ist aber auch nicht lediglich zufällig und vorübergehend, sondern Folge der nachhaltigen, strukturell bedingten fehlenden Mieternachfrage im Stadtgebiet der Beklagten und als solche einer Veränderung der Wertverhältnisse im dargestellten Sinn.

Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts besteht in Stendal seit 1990/1991 ein dauerhaftes Überangebot von Wohnungen, das auf den Rückgang der Einwohnerzahl um ca. 9 000 zurückzuführen ist, welcher seine Ursache in der hohen Arbeitslosigkeit hat. Auch nach der - in der mündlichen Verhandlung des erkennenden Senates bestätigten - Einschätzung der Klägerin stehen die Wohnungen infolge einer "strukturell bedingten mangelnden Mieternachfrage" leer. Der Ertragsrückgang ist mithin Folge einer Verschlechterung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage in Stendal, also der wertbildenden Faktoren in der Stadt. Unter den vom Verwaltungsgericht festgestellten Umständen kann auch nicht an der Nachhaltigkeit dieser Veränderung der allgemeinen Wertverhältnisse gezweifelt werden. Gesichtspunkte, die es rechtfertigen könnten, die durch die Entwicklung seit 1990/1991 gerechtfertigte Einschätzung für das Jahr 1997 und die Folgejahre in Frage zu stellen, sind von der Klägerin nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich."

Ende der Entscheidung

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