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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 03.06.2009
Aktenzeichen: 2 L 174/08
Rechtsgebiete: LSA-WG 1998, VwVfG


Vorschriften:

LSA-WG 1998 § 133 Abs. 1 S. 1
LSA-WG 1998 § 133 Abs. 2
VwVfG § 49 Abs. 2 Nr. 1
Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung für die Errichtung einer Treppe an einem Deich sowie einer Anordnung zum Rückbau der Treppe.
Gründe:

I.

Am 02.10.1998 erteilte das Regierungspräsidium M. dem Kläger eine nachträgliche Ausnahmegenehmigung zur Errichtung einer Treppe am rechten Elbdeich, die vom landseitigen Deichfuß am hinteren Teil des bebauten Grundstücks des Klägers auf die Deichkrone führt. Nach einer beigefügten Nebenbestimmung steht die Genehmigung unter dem Widerrufsvorbehalt, dass bis zum 30.11.1998 die Vorlage der Bestandspläne beim Regierungspräsidium M. erfolgt. Im Zuge einer Maßnahme zur Hochwasserschadensbeseitigung im Jahr 2005 wurde das Profil des Deichs derart geändert, dass am landseitigen Deichfuß zur Sicherung der angrenzenden Grundstücke eine Stützwand errichtet wurde. Zugleich wurden zur öffentlichen Nutzung des auf der Deichkrone verlaufenden Fuß- und Radwegs Aufgangsmöglichkeiten geschaffen. Nach Beendigung der Baumaßnahmen legte der Kläger eine neue, eigenen Angaben zufolge etwa 6,8 m lange und ca. 420 kg schwere Treppe an, die an ihrem unteren Ende über ein Knickgelenk verfügt, so dass sie sich hochklappen lässt. Mit Bescheid vom 10.01.2007 widerrief der Beklagte die Ausnahmegenehmigung und ordnete den Rückbau der Treppe bis zum 30.04.2007 an. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die gemäß § 117 Abs. 5 VwGO im Wesentlichen der Begründung des Widerrufsbescheids folgt, bestehen nicht. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der angefochtene Bescheid rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG darf ein begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft (nur) widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die auf der Grundlage des § 133 Abs. 2 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.04.1998 (GVBl LSA S. 186) - WG LSA 1998 - erteilte Ausnahmegenehmigung, mit der die Wasserbehörde von dem in § 133 Abs. 1 Satz 1 WG LSA 1998 normierten Verbot jedweder Deichbenutzung - außer zum Zweck der Deichunterhaltung durch den dazu Verpflichteten - befreit hat, ist nach § 133 Abs. 3 Satz 1 WG LSA 1998 widerruflich. Nach § 133 Abs. 3 Satz 2 WG LSA 1998 musste sie widerrufen werden, wenn die Benutzung den Bestand des Deiches gefährdet oder die Deichunterhaltung erheblich beeinträchtigt. Auch die im Zeitpunkt des Widerrufs geltende Regelung des § 134 Abs. 3 Satz 2 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.04.2006 (GVBl LSA S. 248) - WG LSA 2006 - sieht eine Widerruflichkeit einer von der zuständigen Wasserbehörde erteilten Zulassung der Benutzung des Deichs entsprechend § 133 Abs. 2 Satz 1 WG LSA 2006 vor. Zudem enthält die Genehmigung vom 02.10.1998 einen Widerrufsvorbehalt für den Fall, dass Bestandspläne für die Treppe nicht innerhalb der darin bestimmten Frist vorgelegt werden. Diese Forderung hat der Kläger nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten nicht erfüllt.

Aus den vom Kläger in der Zulassungsschrift vorgetragenen Gesichtspunkten ergeben sich auch keine Ermessensfehler.

Er wendet ein, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die Treppe nicht auf einem im Landeseigentum stehenden Grundstück, sondern auf seinem Grundstück errichtet. Sie sei mit dem Deich nicht fest verbunden, sondern liege - jederzeit hochklappbar - lose auf der Deichkrone auf. Notwendige Deichpflegearbeiten und Hochwasserschutzmaßnahmen würden nicht beeinträchtigt. Die behauptete Gefahr des Einwachsens der Treppe in den Deich und der Beschädigung der Grasnarbe bestehe nicht. Damit vermag er indes nicht durchzudringen.

Der Widerruf eines Verwaltungsakts nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ist zulässig, wenn er aus sachgemäßen Gründen erfolgt, d. h. aus Gesichtspunkten, die im Rahmen der Zwecke liegen, die in den Rechtsvorschriften vorgezeichnet sind, auf Grund derer der Verwaltungsakt erlassen worden ist (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 49 RdNrn. 9 u. 46, Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 49 RdNr. 34, jew. m. w. Nachw.). Dem entsprechend kann auch eine wasserrechtliche Erlaubnis aus jedem sachlichen Grund widerrufen werden (vgl. VGH BW, Urt. v. 06.03.1991 - 5 S 2630/89 -, ESVGH 41, 203 [205]). Nichts anderes gilt für den Widerruf einer wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung nach § 133 Abs. 2 WG LSA 1998. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass das in § 133 Abs. 1 Satz 1 WG LSA 1998 und § 133 Abs. 1 Satz 1 WG LSA 2006 festgelegte grundsätzliche Verbot der Benutzung des Deichs u. a. durch die Erwägung gerechtfertigt ist, dass jede bauliche Nutzung des Deichs, die nicht seiner Erhaltung dient, potenziell geeignet ist, eine konkrete Gefährdung der Deichsicherheit und damit der Bewohner des geschützten Gebiets herbeizuführen. Deiche sind von ihrer Aufgabe und Konstruktion her nicht dazu bestimmt, im privaten Interesse errichtete Bauwerke zu tragen. Jede bauliche Anlage im oder auf dem Deich, die nicht seiner Erhaltung dient, ist nicht nur ein Fremdkörper, sie beeinträchtigt auch seine Funktion, führt zu einer Gefährdung seiner Standfestigkeit und erschwert seine Verteidigung im Ernstfall. Das ist eine Erfahrungstatsache, die in einer großen Anzahl älterer deichrechtlicher Regelungen ihren rechtlichen Niederschlag gefunden und sich bei Hochwasserkatastrophen wiederholt erwiesen hat (vgl. BVerfG, Entsch. v. 15.01.1969 - 1 BvL 3/66 -, BVerfGE 25, 112 [120]).

Der Beklagte hat den Widerruf auf sachliche, sich aus dem Zweck der wasserrechtlichen Vorschriften ergebende Gründe gestützt. Er hat zunächst darauf verwiesen, dass im Zuge der Deichsanierung zwei Aufgangsmöglichkeiten in etwa 110 m und 200 m Entfernung zum Grundstück des Klägers geschaffen wurden, so dass der Kläger den Weg auf der Deichkrone nunmehr auch ohne die streitige Treppe in zumutbarer Weise erreichen kann. Der Beklagte hat weiter darauf abgestellt, dass jede Anlage in einem Deich eine potenzielle Schwachstelle bedeute und im Hochwasserfall die Standsicherheit des Deiches gefährdet sein könnte und durch zusätzliche bauliche Anlagen am Deich die Deichunterhaltung erschwert und die Hochwasserabwehr behindert werde. Durch den Einbau einer weiteren Treppe sei die maschinelle Deichunterhaltung nur eingeschränkt möglich. Die notwendige Handarbeit bedeute eine deutliche Erschwernis und einen Mehrkostenaufwand. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Hochklappen zur Gefährdung des Personals des Flussbereiches Schönebeck führe. Bei der Treppe handele es sich um eine Stahlkonstruktion mit erheblichem Gewicht. Da der Kläger es unterlassen habe, Bestandsunterlagen vorzulegen, könne die Sicherheit der Konstruktion, insbesondere im hochgeklappten Zustand, nicht eingeschätzt werden. Bei der Deichwache und bei erforderlichen Verteidigungsmaßnahmen bestehe deshalb ein nicht abschätzbares Sicherheitsrisiko.

Vor diesem Hintergrund ist für den Widerruf der Ausnahmegenehmigung letztlich ohne Bedeutung, ob sich die Treppe bzw. das Knickgelenk auf dem Grundstück des Klägers oder auf einem landeseigenen Grundstück befindet. Der Beklagte hat diese Frage bei der Begründung der Widerrufsentscheidung zu Recht nicht berücksichtigt.

Aber auch hinsichtlich der Rückbauanordnung, ist nicht ersichtlich, inwieweit die Eigentumsverhältnisse von Belang sein könnten. Im Fall des Widerrufs der Ausnahmegenehmigung hat der Inhaber der Genehmigung auf Verlangen des zur Deichunterhaltung Verpflichteten - dies ist gemäß § 131 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Anlage 5 WG LSA 2006 das Land - auf seine Kosten Anlagen zu beseitigen und den alten Zustand wiederherzustellen (§ 133 Abs. 4 Satz 2 WG LSA 1998 und § 134 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 133 Abs. 4 Satz 2 WG LSA 2006). Auch wenn die Rückbauanordnung eine Ermessensentscheidung darstellen sollte, ist ein beachtlicher Ermessensfehler nicht erkennbar. Die Annahme, dass sich das Knickgelenk auf einem landeseigenen Grundstück befinde, war lediglich einer von mehreren Gesichtspunkt, die der Beklagte insoweit angeführt hat. Unerheblich und ohne Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung sind aber Ermessensfehler, bei denen auszuschließen ist, dass sie sich auf die Entscheidung ausgewirkt haben bzw. auswirken konnten oder können (vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 40 RdNr. 70). Angesichts der von der Treppe ausgehenden bzw. zu befürchtenden Beeinträchtigung der Funktion des Deichs spricht nichts dafür, dass der Beklagte bei Kenntnis der vom Kläger dargestellten Eigentumslage von der Rückbauanordnung abgesehen hätte. Der Beklagte hat zu deren Begründung u. a. angeführt, dass es durch die jahrelange Nutzung der Treppe im unsanierten Deich zu Schäden an der Deichböschungskante sowie zu einer Beschädigung der Bodenoberfläche am Deich gekommen sei und solche Schäden durch die neu errichtete Treppe im sanierten Deich ebenfalls zu erwarten seien. Insbesondere werde die Grasnarbe durch die ständige Nutzung des Deiches beschädigt, was sich negativ auf die Standfestigkeit des Deiches auswirke, da in diesem Raum ein extremer Wasserdruck, zusätzlich bedingt durch den Kurvenverlauf der Elbe, entstehe. Ein vollständiges Einwachsen erschwere die Handhabung (Anhebung der Treppe) erheblich und führe ebenfalls zur Beschädigung der Grasnarbe. Entsprechende Beschädigungen und Einwachsungen stellte der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft bei einer am 06.12.2006 durchgeführten Ortsbesichtigung fest (vgl. Bl. 53 bis 55 des Verwaltungsvorgangs).

2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen.

Besondere Schwierigkeiten liegen vor, bei erheblich über dem Durchschnitt liegender Komplexität der Rechtssache, im Tatsächlichen besonders bei wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Zusammenhängen, wenn der Sachverhalt schwierig zu überschauen oder zu ermitteln ist, im Rechtlichen bei neuartigen oder ausgefallenen Rechtsfragen (Meyer-Ladewig in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 RdNrn. 27, 28). Solche Schwierigkeiten legt die Zulassungsschrift nicht dar.

Die Frage, ob sich die Treppe auf einem im Eigentum des Klägers stehenden Grundstück befindet, ist - wie bereits dargelegt - schon nicht entscheidungserheblich, weil sich die (jeweilige) Ermessensentscheidung des Beklagten unabhängig von dieser Frage auf die übrigen vom Beklagten angeführten Gesichtspunkte stützen lässt.

Für die Beantwortung der Frage, ob die Treppe notwendige Deichpflegearbeiten und Hochwasserschutzmaßnahmen beeinträchtigen kann, bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Auch wenn die Treppe hochklappbar ist, stellt sie aus den vom Beklagten dargelegten Gründen ein Hindernis bei der Durchführung solcher Maßnahmen dar. Dass mit der Benutzung der Treppe eine Beschädigung der Grasnarbe einhergeht, wurde bei der Schadensaufnahme des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft am 06.12.2006 festgestellt.

3. Die Berufung ist schließlich nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen. Ohne Erfolg rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt.

Wird ein Aufklärungsmangel behauptet, muss der Rechtsmittelführer nicht nur darlegen, hinsichtlich welcher Tatsachen Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären; er muss auch darlegen, dass bereits in der Vorinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.1998 - 6 B 67.98 -, Juris, m. w. Nachw.).

Daran fehlt es hier. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2008 hat der Kläger keinen Beweisantrag gestellt. Er legt auch nicht dar, welche weiteren Aufklärungsmaßnahmen sich dem Verwaltungsgericht hätten aufdrängen müssen, sondern hält dem Verwaltungsgericht vor, es habe die mit "entsprechenden Unterlagen" nachgewiesenen Grundstücksverhältnisse nicht hinreichend berücksichtigt.

Soweit der Kläger mit diesem Vorbringen rügen sollte, dass das Verwaltungsgericht aus den Akten ersichtliche Umstände übergangen und damit gegen die Verpflichtung aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen habe, seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnen (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 12.02.2001 - 9 B 3.01 Juris, m. w. Nachw.), vermag er auch damit nicht durchzudringen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass sich dem Verwaltungsgericht die Entscheidungserheblichkeit der vom Kläger dargestellten Eigentumsverhältnisse hätte aufdrängen müssen. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang nochmals beanstandete Annahme des Beklagten, die streitige Treppe sei auf einem landeseigenen Grundstück errichtet, war allenfalls ein bei der Rückbauanordnung erwähnter Gesichtspunkt und aus den bereits dargelegten Gründen letztlich nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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