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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 07.06.2007
Aktenzeichen: 2 L 177/06
Rechtsgebiete: LSA-BrSchG


Vorschriften:

LSA-BrSchG § 1
LSA-BrSchG § 22
Von einem Notstand im Sinne des § 1 Abs. 4 BrSchG LSA nur dann gesprochen werden kann, wenn wegen der Art und des Ausmaßes des Schadens oder der drohenden Gefahren nicht nur Einzelne, sondern die Allgemeinheit oder zumindest eine Vielzahl von Personen oder erhebliche Sachwerte betroffen werden.
Gründe:

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Er ist zwar gemäß § 124a Abs. 4 VwGO zulässig. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Begründung des Antrags nicht innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern erst am Tag nach dem Fristablauf, nämlich am 16.05.2006, beim beschließenden Gericht einging. Insoweit wird den Klägern auf ihren Antrag vom 16.05.2006 gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Sie haben glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden verhindert waren, die gesetzliche Frist einzuhalten (§ 60 Abs. 1 VwGO). Die Fristversäumnis beruht weder auf einem eigenen Verschulden der Kläger noch auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das gemäß § 85 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 173 VwGO eigenem Verschulden gleichgestellt wird. Hinsichtlich eines etwaigen Fehlverhaltens seiner Angestellten, die sich am 15.05.2006 nicht über den Erfolg eines fehlgeschlagenen Übermittlungsversuchs mittels Telefax versicherte, trifft den Prozessbevollmächtigten kein Verschulden, weil er diese - wie er in seinem Schriftsatz vom 30.05.2006 glaubhaft gemacht hat - ordnungsgemäß ausgewählt, angewiesen und überwacht hat.

Der Antrag ist aber nicht begründet.

Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Kläger, mit der sie sich gegen ihre Heranziehung zu den Kosten eines Feuerwehreinsatzes zur Beseitigung zweier umgestürzter Baumstämme wenden, zu Recht abgewiesen.

Gemäß § 22 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntmachung vom 07.06.2001 (GVBl. S. 190), geändert durch Gesetz vom 07.12.2001 (GVBl. S. 540) - BrSchG LSA - ist der Einsatz der Feuerwehren bei Bränden und Notständen sowie bei Hilfeleistungen zur Rettung von Menschen oder Tieren aus Lebensgefahr unentgeltlich. Für andere als diese Leistungen können die Landkreise und Gemeinden gemäß § 22 Abs. 3 BrSchG Kostenersatz nach Maßgabe einer Satzung verlangen. Die Kläger machen ohne Erfolg geltend, bei dem die Hilfeleistung begründenden Ereignis - dem durch Wind verursachten Sturz zweier Bäume auf Gebäudedächer - habe es sich um einen den Kostenersatz ausschließenden Notstand im Sinne der §§ 22 Abs. 1, 1 Abs. 4 BrSchG LSA gehandelt.

Der Begriff des "Notstandes" im Sinne der §§ 22 Abs. 1, 1 Abs. 4 BrSchG LSA kann entgegen der Auffassung der Kläger nicht mit dem Notstand im zivilrechtlichen (§ 228 BGB) und im strafrechtlichen (§§ 34, 35 StGB) Sinne gleichgesetzt und mithin schon dann als erfüllt angesehen werden, wenn Personen oder Sachen gegenwärtig in Gefahr sind. Unter einem Notstand im Sinne des BrSchG LSA ist vielmehr ein Schadensereignis anzusehen, das die Grenzen der bloßen Hilfeleistung oder eines "normalen" Schadensfeuers übersteigt und bis hin zu Katastrophenfällen im Sinne des § 1 Abs. 2 KatSG LSA reicht (vgl. die amtliche Begründung zu § 1 Abs. 4 BrSchG LSA, abgedruckt in: Bachmann, Buchaly u.a., BrSchG LSA, § 1). Nach § 1 Abs. 1 BrSchG LSA ist der Anwendungsbereich dieses Gesetzes beschränkt auf die Abwehr von Brandgefahren, die Brandbekämpfung und die Hilfeleistung bei Unglücksfällen sowie bei Notständen. Unentgeltlich ist der Einsatz der Feuerwehren gemäß § 22 Abs. 1 Satz1 BrSchG LSA nur bei Bränden und Notständen. Daraus lässt sich ersehen, dass das BrSchG LSA nicht nur zwischen Unglücksfällen und Notständen unterscheidet, sondern Notstände hinsichtlich ihres Gefahrenpotentials höher einstuft als bloße Unglücksfälle. Der Senat hat deshalb bereits in seinem Urteil vom 15.03.2001 (Az.: A 2 S 513/98 - VwRR MO 2001, 425) entschieden, dass von einem Notstand im Sinne des § 1 Abs. 4 BrSchG LSA nur dann gesprochen werden kann, wenn wegen der Art und des Ausmaßes des Schadens oder der drohenden Gefahren nicht nur Einzelne, sondern die Allgemeinheit oder zumindest eine Vielzahl von Personen oder erhebliche Sachwerte betroffen werden (so auch VGH BW, Urt. v. 18.11.1991 - 1 S 269/91 - NJW 1992). Daran ist festzuhalten. Soweit die Kläger darauf hinweisen, dass in den Brandschutzgesetzen der Länder Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg die Unentgeltlichkeit von Feuerwehreinsätzen nicht - wie in Sachsen-Anhalt - für sämtliche Notstände vorgesehen sei, sondern nur für "Notstände durch Naturereignisse" (§ 26 NBrandSchG), für "öffentliche Notstände, die durch Naturereignisse, Explosionen oder ähnliche Vorkommnisse verursacht werden" (§ 36 Abs. 1 i.V.m. § 1 FSHG NW) bzw. für "öffentliche Notstände, die durch Naturereignisse, Einstürze, Unglücksfälle und dergleichen verursacht sind" (§ 36 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 FwG BW), rechtfertigt das nicht den Schluss, dass der Begriff des Notstandes und damit der Bereich der Unentgeltlich von Feuerwehreinsätzen nach dem BrSchG LSA weiter zu fassen ist; denn die einschränkende Auslegung in dem genannten Sinne ergibt sich aus der Systematik des BrSchG LSA selbst, insbesondere der dort getroffenen Unterscheidung zwischen Bränden, Unglücksfällen und Notständen.

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass das vorliegende Schadensereignis keinen Notstand im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 BrSchG LSA darstellt. Der durch die umgestürzten Bäume hervorgerufene Schaden und die dadurch drohenden Gefahren betrafen weder die Allgemeinheit oder eine Vielzahl von Personen noch erhebliche Sachwerte in dem genannten Sinne.

Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Rechtsfrage, wie der Begriff des Notstandes im Sinne der §§ 1 und 22 BrSchG LSA auszulegen ist, bedarf keiner obergerichlichen Klärung, weil eine solche - wie dargelegt - bereits vorliegt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und aus §§ 47, 52 Abs. 2 VwGO <Streitwert>.

Ende der Entscheidung

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