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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 28.09.2007
Aktenzeichen: 2 L 19/07
Rechtsgebiete: TierSchG


Vorschriften:

TierSchG § 11
Bereits dem Wortlaut des § 11 Abd. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG lässt sich entnehmen, dass das darin enthaltene Merkmal "für andere" ein eigenes Tatbestandsmerkmal darstellt, das zur Erfüllung des Tatbestandes zusätzlich zu den Merkmalen "Tierheim" oder "ähnliche Einrichtung" vorliegen muss.
Gründe:

Die gemäß § 124 a Abs. 4 VwGO zulässigen Anträge haben keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht wegen der von beiden Beteiligten geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit der Beklagte der Klägerin unter Androhung von Zwangsmitteln untersagte, auf ihrem Grundstück weitere Tiere, gleich welcher Art, aufzunehmen (Nr. 1 und 6 des Bescheid-Tenors). Im Übrigen, d.h. insbesondere soweit der Beklagte der Klägerin einen Abbau ihres Bestandes von 58 Katzen aufgab (Nr. 3 des Bescheid-Tenors), hat das Verwaltungsgericht die Klage indessen abgewiesen. Die hiergegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

Der Beklagte macht geltend, seine Untersagungsverfügung (Nr. 1 des Bescheid-Tenors) sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts rechtmäßig. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 TierSchG bedürfe derjenige, der Tiere für andere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten wolle, der Erlaubnis der zuständigen Behörde (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG), und solle die Tätigkeit untersagt werden, wenn sie ohne Genehmigung erfolge (§ 11 Abs. 3 Satz 2 TierSchG). Das Verwaltungsgericht habe diese Voraussetzungen zu Unrecht mit der Begründung verneint, die Klägerin halte ihre Tiere nicht "für andere", weil sie diese ausnahmslos selbst als Eigentum erwerbe und nicht nur vorübergehend oder dauerhaft für andere betreue. Entscheidende Voraussetzung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG sei das Halten von Tieren in einem Tierheim oder einer ähnlichen Einrichtung. Eine solche Einrichtung liege im Falle der Klägerin schon aufgrund der Anzahl der gehaltenen Tiere (58 Katzen und weitere Tiere) vor. Eine Tierhaltung solchen Ausmaßes müsse im Interesse des Tierschutzes auch dann unter einem Erlaubnisvorbehalt stehen, wenn sie nicht "für andere" erfolge. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG sei in derartigen Fällen im Wege der Auslegung teleologisch zu reduzieren oder entsprechend anzuwenden. Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Bereits dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG lässt sich entnehmen, dass das darin enthaltene - hier aber nach den zutreffenden und insoweit auch nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht vorliegende - Merkmal "für andere" ein eigenes Tatbestandsmerkmal darstellt, das zur Erfüllung des Tatbestandes zusätzlich zu den Merkmalen "Tierheim" oder "ähnliche Einrichtung" vorliegen muss. Dementsprechend wird die Voraussetzung "für andere" auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gesondert geprüft (vgl. z.B. VG Düsseldorf, Urteile vom 04.09.2006 - 23 K 6776/04 und 6923/04 - JURIS). Der einschlägigen Kommentarliteratur lässt sich nichts anderes entnehmen. "Für andere" werden Tiere danach gehalten, wenn sie sich noch im Eigentum des abgebenden Tierhalters oder eines Dritten oder in der Obhut einer Behörde befinden (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 11 RdNr. 5; Lorz, TierSchG, 4. Aufl. 1992, § 11 RdNr. 12). Ein von dem Beklagten befürworteter "Verzicht" auf das Merkmal "für andere" widerspräche nicht nur dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG, sondern auch der Systematik des § 11 Abs. 1 Satz 1 TierSchG. Auch die in den übrigen Nummern dieser Vorschrift, insbesondere in Nr. 2a., 2b., 2c. und 3. aufgeführten erlaubnispflichtigen Tätigkeiten sind jeweils durch einen Drittbezug gekennzeichnet. Die Erlaubnispflicht wird demnach gerade auch durch das in diesem Drittbezug begründete höhere Gefahrenpotential gerechtfertigt.

Auch die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils liegen nicht vor. Die Klägerin macht insoweit geltend, das vom Verwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten spreche lediglich einige Empfehlungen für ihre Katzenhaltung aus, rechtfertige aber nicht den Schluss, dass diese gegen das Tierschutzgesetz verstoße. Dem kann nicht zugestimmt werden. Das dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Sachverständigengutachten lässt sehr wohl den Schluss einer nicht tierschutzgerechten Katzenhaltung zu. Das Gutachten enthält nicht nur "Empfehlungen", sondern echte Beanstandungen, so etwa die mangelnde Aufteilung des Bestandes in kleinere Gruppen von bis zu 10 Tieren oder die nicht ausreichende Zahl an aufgestellten Katzentoiletten.

2. Die Sache weist auch nicht die von der Klägerin geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der zu ermittelnde Sachverhalt ist weder besonders umfangreich noch kompliziert oder schwer durchschaubar. Vielmehr war das Verwaltungsgericht lediglich gehalten, sich ein möglichst detailliertes Bild von der Art und dem Umfang einer - wenn auch verhältnismäßig großen - privaten Tierhaltung zu verschaffen. Allein der Umstand, dass sich das Verwaltungsgericht hierzu eines Sachverständigen bedient hat, lässt nicht den Schluss auf besondere Schwierigkeiten zu. Gleiches gilt in rechtlicher Hinsicht. Die Frage, ob die Katzenhaltung der Klägerin mit den Anforderungen des § 2 TierSchG in Einklang steht, dürfte zwar die Einholung eines entsprechenden Gutachtens erfordert haben, war aber nach der Einholung eines solchen eher einfach zu beantworten.

3. Die von beiden Beteiligten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

Dieser Zulassungsgrund verlangt, dass eine konkrete, aber generalisierbare, aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage aufgeworfen wird, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass der Rechtsmittelführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.06.2006 - 5 B 99.05 -, Juris, m. w. Nachw.). Diese Voraussetzungen sind weder bei dem Antrag der Klägerin noch dem des Beklagten erfüllt.

Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, inwieweit von einer grundsätzlichen Erlaubnisfreiheit der von ihr betriebenen Tierhaltung ausgegangen werden dürfe, wenn keine konkreten gesundheitlichen Nachteile bei den Katzen festgestellt worden seien. Diese Frage ist so, wie sie gestellt ist, im vorliegenden Fall nicht klärungsbedürftig. Hinsichtlich der Katzenhaltung steht die Frage nach einer Erlaubnisfreiheit überhaupt nicht in Rede. Die Anordnung einer Reduzierung des Katzenbestandes (Nr. 3 des Bescheid-Tenors) findet - wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat - ihre Rechtsgrundlage nicht in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 TierSchG, sondern in §16a Satz1 und 2 Nr. 1 TierschG. Danach ist die zuständige Behörde ermächtigt, im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Auf eine etwaige Erlaubnispflicht kommt es dabei nicht an.

Die Klägerin hält es weiter für grundsätzlich bedeutsam, ob Empfehlungen zugleich als Gebot angesehen werden können und müssen, das sie einzuhalten hätte. Auch diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. Das vom Verwaltungsgericht eingeholte Gutachten spricht nicht nur Empfehlungen aus, sondern zeigt konkrete Verstöße gegen eine tierschutzgerechte Haltung auf. Insoweit geht es aber ersichtlich nicht um die Frage, ob aus dem Gutachten für die Klägerin unmittelbar Pflichten entstehen. Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Das Gutachten war stattdessen Ermittlungsgrundlage zur Beantwortung der Frage, ob im Falle der Klägerin die Voraussetzungen der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage vorliegen. Das ist aber keine grundsätzliche Frage, sondern eine solche des Einzelfalls.

Der Beklagte hält es für grundsätzlich bedeutsam, "ob Tierhaltungen ab einer bestimmten Anzahl bzw. einem bestimmten Umfang grundsätzlich erlaubnispflichtig sind, weil die Haltung vom Umfang her eher einer Haltung in einem Tierheim bzw. einer ähnlichen Einrichtung gleicht als einer typischen Privathaltung". Diese Frage bedarf deshalb keiner Klärung, weil sie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG ist die Erlaubnispflicht - wie dargelegt - nicht allein an den Betrieb eines Tierheims oder einer ähnlichen Einrichtung, sondern zusätzlich daran geknüpft, dass in derartigen Einrichtungen "für andere" Tiere gehalten werden. Allein auf eine Tierhaltung bestimmten Umfangs kommt es daher nach dem Gesetzeswortlaut gerade nicht an.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO (Kosten) und auf §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG (Streitwert).

Ende der Entscheidung

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