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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 02.01.2004
Aktenzeichen: 2 L 219/02
Rechtsgebiete: LSA-RettDG, LSA-RettDVO


Vorschriften:

LSA-RettDG § 1
LSA-RettDG § 20
LSA-RettDVO § 1 I
1. Wann eine rettungsdienstliche Leistung "in Anspruch genommen" wird, richtet sich nach dem Rechtsverhältnis zwischen Anstaltsträger und Benutzer. Danach ist darauf abzustellen, ob der Benutzer selbst oder ein Dritter die Leistung beantragt oder veranlasst hat, oder wem die Leistung zu Gute kommt.

2. Wer statt in dem Krankenhaus, in das er eingeliefert worden ist, in einem heimatnahen Krankenhaus behandelt werden will, bestimmt das "Ob" seines Transports; der behandelnde Arzt bestimmt nur noch das "Wie". Auch diese Entscheidung ist dem Patienten jedenfalls dann zuzurechnen, wenn er die Leistung tatsächlich in Anspruch nimmt.

3. Unerheblich für die Kostenpflicht ist, ob der Betroffene die Höhe der Kosten kennt oder ob er darüber aufgeklärt worden ist.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 219/02

Datum: 02.01.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 1 S. 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.

Der aus Nordrhein-Westfalen stammende Kläger verunfallte mit einem Motorrad im Kreisgebiet des Antragsgegners und zog sich eine Oberschenkelfraktur zu. Im Kreiskrankenhaus des Antragsgegners, in das der Kläger eingeliefert wurde, stellte der behandelnde Arzt fest, dass der Kläger operiert werden müsse. Daraufhin verlangte der Kläger seine Verlegung in das 480 km entfernte heimatnahe Krankenhaus D.

Nachdem der Kläger sich mit dem behandelnden Arzt über die Kostenfrage unterhalten hatte, wollte der Kläger sich von Freunden mit einem Wohnmobil nach D. transportieren lassen. Nach zwei Stunden, in denen ein privater Rücktransport nicht zustandekam, veranlasste der behandelnde Arzt den Transport des Klägers mit einem Rettungswagen in das Krankenhaus D. Die Krankenkasse des Klägers lehnte die Übernahme der Transportkosten ab. Mit Bescheid vom 26.11.1999 veranlagte der Antragsgegner den Kläger zur Zahlung von Transportkosten in Höhe 7.500,- DM. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.

Der Zulassungsantrag ist erfolglos.

1. Die geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Heranziehungsbescheid sind die §§ 1, 2 der Satzung über die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Erbringung rettungsdienstlicher Leistungen des Antragsgegners vom 20.08.1999. Diese beruht auf § 20 Abs. 2 des RettDG-LSA vom 11.11.1993 (LSA-GVBl., S. 699) i. V. m. § 4 der RettDVO des Landes Sachsen-Anhalt vom 15.11.1994 (LSA-GVBl., S.1002). Nach § 1 Rettungsdienstgebührensatzung erhebt der Antragsgegner für die Erbringung rettungsdienstlicher Leistungen Benutzungsgebühren. Der Rettungsdienst umfasst sowohl Notfallrettungsfahrten als auch den qualifizierten Krankentransport (§ 1 RettDG-LSA).

Notfallrettungsfahrten im Sinne des RettDG-LSA sind Transporte zum Krankenhaus mit qualifizierten Rettungsfahrzeugen, die deshalb erforderlich sind, weil sich der Patient infolge Verletzung oder Krankheit in unmittelbarer Lebensgefahr befindet oder sein Gesundheitszustand in kurzer Zeit eine lebensbedrohende Verschlechterung erwarten lässt, wobei es unerheblich ist, ob eine stationäre oder ambulante Behandlung stattfindet (§ 1 Abs.1 Nrn. 1-3 RettDVO-LSA). Krankentransporte sind Fahrten aufgrund einer entsprechenden ärztlichen Verordnung von und zur ambulanten oder stationären Behandlung mit einem Krankenwagen, wenn der Zustand des Patienten während des Transports die besondere Einrichtung des Fahrzeugs oder fachliche Betreuung (voraussichtlich) erfordert (§ 1 Nr. 5 RettDVO-LSA).

Nach § 2 der Gebührensatzung des Antragsgegners ist derjenige gebührenpflichtig, der die rettungsdienstliche Leistung in Anspruch nimmt. Dies war hier der Kläger.

Der Begriff der "In-Anspruch-Nahme" ist weder im Rettungsdienstgesetz noch in der dazu ergangenen Verordnung geregelt. Die Frage, wann eine In-Anspruch-Nahme vorliegt, ergibt sich daher aus den das Rechtsverhältnis zwischen Anstaltsträger und Benutzer regelnden Rechtssätzen des Anstaltsrechts (vgl. Dahmen, KStZ 1983, 42). Nach diesen Grundsätzen nimmt derjenige eine Leistung in Anspruch, der die Benutzung oder Leistung der Verwaltung selbst oder durch Dritte, deren Handeln ihm zuzurechnen ist, beantragt oder veranlasst hat, oder dem die Benutzung oder Leistung der Verwaltung zugute kommt.

Der Kläger wollte in einem heimatnahen Krankenhaus operiert werden. Die Leistungen des Rettungsdienstes sind ihm zu gute gekommen. Dem steht nicht entgegen, dass die In-Anspruch-Nahme hier auf ein Handeln eines Dritten, des behandelnden Arztes, zurück zu führen ist. Bei Leistungen des Rettungsdienstes kann eine In-Anspruch-Nahme sogar ohne ausdrücklich erklärten Willen des Betroffenen erfolgen, wenn der Betroffene bewusstlos ist oder wegen Trunkenheit oder aus anderen psychischen Gründen sein eigenes Verhalten nicht steuern kann (vgl. Dahmen, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 4 RdNr. 192).

Über das Ob der Rückführung hat der Kläger mit seinem Wunsch, in einem heimatnahen Krankenhaus weiter behandelt zu werden, selbst entschieden. Nach der RettDVO obliegt dem Arzt die Entscheidung über das Wie, die Art und Weise des Transportes. Dass die ärztliche Entscheidung unzutreffend ist, vermag die Zulassungsschrift nicht darzulegen. Indem der Kläger sich letztlich mit dem Rettungswagen hat transportieren lassen, hat er die Rettungsdienstleistung schließlich auch in dieser Form angenommen.

Für die In-Anspruch-Nahme ist weder erforderlich, dass der transportierte Patient die Höhe der Kosten kennt noch dass er darüber aufgeklärt worden ist (so auch OVG NW, Urt. v. 26.10.1990 - 9 A 368/89 -, NWVBl. 1991, 202). Ebenso wenig ist ein Irrtum über die Kostenträgerschaft beachtlich. Im Übrigen war dem Kläger das Kostenproblem auch bewusst. Anders kann das Gespräch mit dem Arzt über die "ADAC-Mitgliedschaft" und der Versuch, den Rücktransport privat zu organisieren, nicht verstanden werden.

2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Durch dieses Verfahren wird keine Frage aufgeworfen, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und die noch nicht hinreichend geklärt ist.

Ende der Entscheidung

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