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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 2 L 222/04
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 34
BauGB § 35
Wochenendhäuser sind als nicht zu Dauerwohnzwecken bestimmte Gebäude keine ortsteilsfähigen Bauten im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 - 4 C 55.81 - NJW 1984, 1576).
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 222/04

Datum: 14.02.2006

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert>.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA), weil dieses Vorhaben planungsrechtlich nicht zulässig ist.

Bauplanungsrechtlich ist das Vorhaben nach § 35 BauGB zu beurteilen, weil das Baugrundstück weder im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans (§ 30 BauGB) noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) und damit im Außenbereich liegt. Dem Verwaltungsgericht ist insoweit insbesondere darin zuzustimmen, dass der auf den umliegenden Grundstücken vorhandene Bebauungskomplex keinen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB darstellt, weil er weder Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist noch das für einen Ortsteil nach der Zahl der vorhandenen Bauten erforderliche Gewicht besitzt.

Die Klägerin macht hiergegen ohne Erfolg geltend, die in der Umgebung vorhandenen Baulichkeiten seien als eigenständiger Ortsteil anzusehen, weil sie nicht zwei getrennte sondern lediglich eine einzige Splittersiedlung bildeten. Dem ist bereits deshalb nicht zuzustimmen, weil sich die östlich des Baugrundstücks gelegenen Kleingarten- und Wochenendgrundstücke ihrem Erscheinungsbild nach deutlich von den durch gewerbliche Bauten geprägten westlichen Grundstücken unterscheiden und beide Flächen durch den dazwischen liegenden, im Wesentlichen unbebauten Bereich voneinander getrennt werden. Unabhängig davon sind als "Bauten" in dem genannten Sinne ohnehin nur zu Dauerwohnzwecken bestimmte Gebäude berücksichtigungsfähig (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 - 4 C 55.81 - NJW 1984, 1576), woran es bei den in der Umgebung größtenteils vorhandenen Wochenendhäusern bereits fehlt. Angesichts dieser Sachlage kann die Klägerin auch nicht mit ihren Einwänden durchdringen, auf dem klägerischen Grundstück vorhandene Bäume seien nicht als "Wald" im Sinne des Bundeswaldgesetzes einzustufen, ihr Grundstück sei eingezäunt, stelle eine Baulücke dar und sei mit einer Hausnummer versehen, es sei eine gewisse Infrastruktur vorhanden, die angrenzende Kindertagesstätte und die Gewerbeeinheit würden das Gebiet aufwerten, ein benachbartes Mehrfamilienhaus werde ausgebaut und in unmittelbarer Nähe des streitgegenständlichen Bebauungskomplexes befänden sich zwei ausgewiesene Baugebiete. All dies mag zutreffen, ändert aber nichts daran, dass es bereits an der für einen Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB erforderlichen Zahl der berücksichtigungsfähigen Baulichkeiten fehlt.

Liegen aber die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB nicht vor, kann auch dahinstehen, ob die nähere Umgebung des klägerischen Grundstücks einem Mischgebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. der BauNVO entspricht; denn § 34 Abs. 2 BauGB kommt nur für Innenbereichs-Vorhaben, d.h. für Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB, zur Anwendung.

Das mithin nach § 35 BauGB zu beurteilende, nicht im Sinne dieser Vorschrift privilegierte Vorhaben ist (zumindest deshalb) planungsrechtlich unzulässig, weil es - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB). Die Erweiterung einer Splittersiedlung, d.h. ihre Ausdehnung in den Außenbereich, hat das Verwaltungsgericht zu Recht mit der Begründung bejaht, das Vorhaben führe zu einer Bebauung des zwischen den vorhandenen Splittersiedlungen gelegenen Bereichs. Hiergegen wendet die Klägerin ohne Erfolg ein, das Vorhaben schließe lediglich eine Baulücke innerhalb des als eine einheitliche Splittersiedlung zu betrachtenden Bebauungskomplexes. Dieser Sichtweise widerspricht bereits das erwähnte unterschiedliche Erscheinungsbild des westlichen und des östlichen Bebauungskomplexes. Im Übrigen vermittelt das großzügig geschnittene Grundstück der Klägerin auch nach den vorgelegten Karten und Plänen nicht den Eindruck einer bloßen Baulücke. Die zu befürchtende Vorbildwirkung hat das Verwaltungsgericht zu Recht damit begründet, auch andere Grundstückseigentümer in diesem Gebiet dürften an der Bebauung ihres Grundstücks mit einem Wohnhaus oder am Ausbau eines vorhandenen Bungalows interessiert sein. Dies ist angesichts der attraktiven Lage des Gebietes ohne weiteres nachvollziehbar. Zu befürchtende Aus- Um- und Neubauten sind entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch nicht durch die geringe Größe der umliegenden Grundstücke und die vorhandene bauliche Nutzung ausgeschlossen. Gerade der Ausbau von Gartenhäusern und Wochenendbungalows zu Wohnhäusern ist auch auf kleineren Grundstücksflächen möglich.

Einer Auseinandersetzung mit den gegen die Gültigkeit des Flächennutzungsplans der Beigeladenen erhobenen Einwänden der Klägerin bedarf es nach alledem nicht mehr. Beeinträchtigt ihr Vorhaben nämlich bereits öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB, kann dahinstehen, ob es darüber hinaus auch deshalb öffentliche Belange beeinträchtigt, weil es den Darstellungen des Flächennutzungsplans der Beigeladenen widerspricht (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB); denn die planungsrechtliche Unzulässigkeit eines sonstigen Vorhabens im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB wird bereits durch die Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs begründet.

Soweit die Klägerin geltend macht, einen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung könne sie unmittelbar aus Art. 14 GG und aus ihrem Recht auf "Baufreiheit" ableiten, weckt dieses Vorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Art. 14 GG gewährleistet das Eigentum nicht unbeschränkt. Vielmehr werden Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Eine derartige gesetzliche Bestimmung stellt auch § 77 BauO LSA dar, wonach die Baugenehmigung nur dann zu erteilen ist, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, was hier jedoch - wie dargelegt - der Fall ist.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz zu einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zuzulassen. Nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist die Berufung u.a. nur zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abweicht. Es kommt daher nicht auf die Abweichung von einer Entscheidung irgendeines Oberverwaltungsgerichts an, sondern nur auf die Abweichung von einer Entscheidung des dem Verwaltungsgericht, dessen Entscheidung angegriffen wird, im Rechtszug übergeordneten Oberverwaltungsgerichts (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124 RdNr. 12). Soweit die Klägerin eine Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts geltend macht, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Eine Abweichung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht einen von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz entscheidungstragend zugrunde legt. Dafür reicht es auch nicht aus, wenn das Verwaltungsgericht einen solchen Rechtssatz nur übersieht oder auf den von ihm zu entscheidenden Fall nicht richtig anwendet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124 RdNr. 11 i.V.m. § 132 RdNr. 14). Nach diesem Maßstab liegt die geltend gemachte Divergenz nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der hier maßgeblichen Fragen keinen Rechtssatz aufgestellt, der von der seitens der Klägerin zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, sondern seiner Entscheidung vielmehr gerade die einschlägigen Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt und diese - wie unter 1. festgestellt - zutreffend angewendet.

Ende der Entscheidung

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