Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 2 L 223/04
Rechtsgebiete: BauGB, BauO LSA


Vorschriften:

BauGB § 34
BauGB § 35
BauO LSA § 84 III
Wochenendhäuser sind als nicht zu Dauerwohnzwecken bestimmte Gebäude keine ortsteilsfähigen Bauten im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 - 4 C 55.81 - NJW 1984, 1576).
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 223/04

Datum: 14.02.2006

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf §§ 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert>.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Anordnung zur Beseitigung der streitgegenständlichen Anlage (Regenwasserauffanganlage bzw. auf Stützen errichtete Überdachung aus Holz) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Kläger macht ohne Erfolg geltend, die angefochtene Beseitigungsverfügung sei deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte sie nur ihm und nicht zugleich auch seiner Frau gegenüber erlassen habe, in deren Miteigentum das streitgegenständliche Grundstück stehe. Sind für einen baurechtswidrigen Zustand mehrere Personen im Sinne der §§ 7 und 8 SOG LSA verantwortlich, steht es im Ermessen der Behörde, an wen sie ihr Beseitigungsverlangen richtet (Auswahlermessen). Das Fehlen einer erforderlichen Duldungsverfügung macht die Beseitigungsanordnung nach ständiger Rechtsprechung auch des beschließenden Senats nicht rechtswidrig, sondern hindert lediglich ihre Vollziehbarkeit.

Ohne Erfolg bleibt auch der klägerische Einwand, die Errichtung der streitgegenständlichen Anlage sei nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 a) BauO LSA genehmigungsfrei, weil die positiven Voraussetzungen dieser Norm vorlägen und die Anlage auch nicht im Außenbereich liege. Letzteres, d.h. die Außenbereichslage im Sinne des § 35 BauGB, hat das Verwaltungsgericht demgegenüber zu Recht bejaht; denn das Baugrundstück liegt weder im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans (§ 30 BauGB) noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) und damit im Außenbereich. Dem Verwaltungsgericht ist insoweit insbesondere darin zuzustimmen, dass der auf den umliegenden Grundstücken vorhandene Bebauungskomplex keinen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB darstellt, weil er weder Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist noch das für einen Ortsteil nach der Zahl der vorhandenen Bauten erforderliche Gewicht besitzt.

Der Kläger macht hiergegen ohne Erfolg geltend, die in der Umgebung vorhandenen Baulichkeiten seien als eigenständiger Ortsteil anzusehen, weil sie nicht zwei getrennte sondern lediglich eine einzige Splittersiedlung bildeten. Dem ist bereits deshalb nicht zuzustimmen, weil sich die östlich des Baugrundstücks gelegenen Kleingarten- und Wochenendgrundstücke ihrem Erscheinungsbild nach deutlich von den durch gewerbliche Bauten geprägten westlichen Grundstücken unterscheiden und beide Flächen durch den dazwischen liegenden, im Wesentlichen unbebauten Bereich voneinander getrennt werden. Unabhängig davon sind als "Bauten" in dem genannten Sinne ohnehin nur zu Dauerwohnzwecken bestimmte Gebäude berücksichtigungsfähig (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 - 4 C 55.81 - NJW 1984, 1576), woran es bei den in der Umgebung größtenteils vorhandenen Wochenendhäusern bereits fehlt. Angesichts dieser Sachlage kann der Kläger auch nicht mit seinen Einwänden durchdringen, auf dem klägerischen Grundstück vorhandene Bäume seien nicht als "Wald" im Sinne des Bundeswaldgesetzes einzustufen, sein Grundstück sei eingezäunt, stelle eine Baulücke dar und sei mit einer Hausnummer versehen, es sei eine gewisse Infrastruktur vorhanden, die angrenzende Kindertagesstätte und die Gewerbeeinheit würden das Gebiet aufwerten, ein benachbartes Mehrfamilienhaus werde ausgebaut und in unmittelbarer Nähe des streitgegenständlichen Bebauungskomplexes befänden sich zwei ausgewiesene Baugebiete. All dies mag zutreffen, ändert aber nichts daran, dass es bereits an der für einen Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB erforderlichen Zahl der berücksichtigungsfähigen Baulichkeiten fehlt.

Liegen aber die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB nicht vor, kann auch dahinstehen, ob die nähere Umgebung des klägerischen Grundstücks einem Mischgebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. der BauNVO entspricht; denn § 34 Abs. 2 BauGB kommt nur für Innenbereichs-Vorhaben, d.h. für Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB, zur Anwendung.

Die streitgegenständliche Anlage ist entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht nach § 69 Abs. 1 Nr. 8 a BauO LSA genehmigungsfrei. Genehmigungsfrei sind nach dieser Vorschriften u.a. bauliche Anlagen, die der Gartennutzung dienen. Ausgenommen sind jedoch solche Anlagen, die Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 BauO LSA darstellen. Der Kläger macht hiergegen ohne Erfolg geltend, seine Anlage erfülle die in der zuletzt genannten Bestimmung geregelten Merkmale deshalb nicht, weil sie weder bestimmt noch geeignet sei, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Dem ist deshalb nicht zuzustimmen, weil die Anlage zwar möglicherweise nicht zum Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen bestimmt ist, ihr aber als Überdachung zumindest eine entsprechende Eignung, beispielsweise als Unterstand zum Schutz vor Regen, nicht abgesprochen werden kann.

Das mithin nach § 35 BauGB zu beurteilende, nicht im Sinne dieser Vorschrift privilegierte Vorhaben ist auch (zumindest deshalb) planungsrechtlich unzulässig, weil es - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB). Die Erweiterung einer Splittersiedlung, d.h. ihre Ausdehnung in den Außenbereich, hat das Verwaltungsgericht zu Recht mit der Begründung bejaht, das Vorhaben führe zu einer Bebauung des zwischen den vorhandenen Splittersiedlungen gelegenen Bereichs. Hiergegen wendet der Kläger ohne Erfolg ein, das Vorhaben schließe lediglich eine Baulücke innerhalb des als eine einheitliche Splittersiedlung zu betrachtenden Bebauungskomplexes. Dieser Sichtweise widerspricht bereits das erwähnte unterschiedliche Erscheinungsbild des westlichen und des östlichen Bebauungskomplexes. Im Übrigen vermittelt das großzügig geschnittene Grundstück des Klägers auch nach den vorgelegten Karten und Plänen nicht den Eindruck einer bloßen Baulücke. Dass die Erweiterung der Splittersiedlung auch zu befürchten sei, hat das Verwaltungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Recht damit begründet, gegen die Zulässigkeit der Erweiterung streite gewissermaßen eine starke Vermutung, die die Annahme einer unerwünschten Zersiedlung grundsätzlich ohne weitere Voraussetzungen rechtfertige (BVerwG, Urt. v. 28.10.1983 - 4 C 70/78 -, NVwZ 1984, 510). Dieser Vermutungswirkung ist der Kläger in seiner Antragsbegründung nicht substantiiert entgegengetreten.

Einer Auseinandersetzung mit den gegen die Gültigkeit des Flächennutzungsplans der Beigeladenen erhobenen Einwänden des Klägers bedarf es nach alledem nicht mehr. Beeinträchtigt die streitgegenständliche Anlage nämlich bereits öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB, kann dahinstehen, ob sie darüber hinaus auch deshalb öffentliche Belange beeinträchtigt, weil sie den Darstellungen des Flächennutzungsplans der Beigeladenen widerspricht (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB); denn die planungsrechtliche Unzulässigkeit eines sonstigen Vorhabens im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB wird bereits durch die Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs begründet.

Soweit der Kläger geltend macht, einen Anspruch auf Fortbestand der streitgegenständlichen Anlage könne er unmittelbar aus Art. 14 GG und aus seinem Recht auf "Baufreiheit" ableiten, weckt dieses Vorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Art. 14 GG gewährleistet das Eigentum nicht unbeschränkt. Vielmehr werden Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Eine derartige gesetzliche Bestimmung enthält auch § 84 Abs. 3 BauO LSA, wonach die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung illegaler und nicht genehmigungsfähiger Anlagen anordnen kann.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz zu einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zuzulassen. Nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist die Berufung u.a. nur zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abweicht. Es kommt daher nicht auf die Abweichung von einer Entscheidung irgendeines Oberverwaltungsgerichts an, sondern nur auf die Abweichung von einer Entscheidung des dem Verwaltungsgericht, dessen Entscheidung angegriffen wird, im Rechtszug übergeordneten Oberverwaltungsgerichts (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124 RdNr. 12). Soweit der Kläger eine Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts geltend macht, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Eine Abweichung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht einen von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz entscheidungstragend zugrunde legt. Dafür reicht es auch nicht aus, wenn das Verwaltungsgericht einen solchen Rechtssatz nur übersieht oder auf den von ihm zu entscheidenden Fall nicht richtig anwendet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124 RdNr. 11 i.V.m. § 132 RdNr. 14). Nach diesem Maßstab liegt die geltend gemachte Divergenz nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der hier maßgeblichen Fragen keinen Rechtssatz aufgestellt, der von der seitens des Klägers angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, sondern seiner Entscheidung vielmehr gerade die einschlägigen Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt und diese - wie unter 1. festgestellt - zutreffend angewendet.

Ende der Entscheidung

Zurück