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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 2 L 223/06
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 56 Abs. 3 S. 2
Ob und wann in den Fällen, in denen der Widerruf einer Wohnsitzauflage beantragt wird, eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen ist, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab. Berücksichtigungsfähig ist insbesondere, ob die Wohnsitzauflage aufgrund des mittlerweile erfolgten Zeitablaufs und/oder zwischenzeitlich veränderter Umstände keinen sinnvollen Bezug zu einem zulässigen Verfahrenszweck, insbesondere dem der Identitätsfeststellung und Passbeschaffung, mehr aufweist, inzwischen in Schikane mit strafähnlichem Charakter ausartet, nunmehr auf eine unzulässige Beugung des Willens hinausläuft oder den Betreffenden unverhältnismäßig trifft (vgl. OVG RP, Beschl. v. 19.11.2003 - 10 B 11432/03 - InfAuslR 2004, 255).
Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Auflage zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber.

Der Kläger reiste am 29.07.1991 in das Bundesgebiet ein und stellte in Hessen einen Asylantrag. Die Fragen nach seiner Identität und dem Einreisetag beantwortete er dahingehend, er heiße E. O. A., sei am ... 1965 geboren, stamme aus Ghana und sei am Tag der Antragstellung (29.07.1991) in das Bundesgebiet eingereist, könne diese Angaben allerdings nicht durch Vorlage eines Passes oder sonstiger persönlicher Dokumente nachweisen. Mit Bescheid vom 17.02.1992 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 11.04.1994- Az.: 1 A 358/92).

Am 28.01.1993 stellte der Kläger in Nordrhein-Westpfalen erneut einen Asyl(Erst)antrag und gab nunmehr (wiederum ohne Vorlage von Identifikationspapieren) an, er heiße A., sei am ... 1975 geboren, stamme aus Liberia und sei wegen des dortigen Bürgerkrieges am 19.01.1993 geflohen und am 22.01.1993 in das Bundesgebiet eingereist. Mit Bescheid vom 03.02.1994 lehnte das Bundesamt auch diesen Antrag - den es wegen der neuen Identitätsangabe zunächst nicht dem Kläger zuordnen konnte - als offensichtlich unbegründet ab. Auf die hiergegen erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen unter Abweisung der Klage im Übrigen die Androhung der Abschiebung nach Liberia auf und stellte fest, es lägen Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 Abs. 4 AuslG vor und der Kläger dürfe derzeit nicht nach Liberia abgeschoben werden (Urteil vom 21.06.1995 - Az.: 10a K 883/94.A). Nachdem sich herausgestellt hatte, dass es sich bei diesem Verfahren um einen Doppelvorgang (Zweitantrag unter anderer Identitätsangabe) handelte, stellte das Bundesamt das Verfahren im Jahre 1999 ein.

Um die Identität des Klägers zu klären und Passersatzpapiere für ihn beschaffen zu können, ließ der Beklagte ihn in Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde Dortmund und der Grenzschutzdirektion Koblenz - entsprechend seiner insoweit mehrfach wechselnden Angaben - verschiedenen afrikanischen Botschaften vorführen, und zwar am 22.07. und am 25.11.1998 der liberianischen, am 28.07.1998 der nigerianischen, am 25.08.1998 der sierra-leonischen sowie am 25.11.1998, am 17.08.2000 und am 09.10.2002 der ghanaischen Botschaft. Ausweislich eines Sprachanalyse-Gutachtens vom 07.06.2002 (Beiakte D, Blatt 14 ff.) stammt der Kläger (gemäß seinen Angaben in seinem ersten Asylantrag vom 29.07.1991) "mit hoher Wahrscheinlichkeit" aus Ghana. Für die von ihm behauptete Herkunft aus Liberia fehlten indes die insoweit typischen sprachlichen Merkmale.

Seinen Wohnsitz hatte der Kläger seit dem 15.03.1999 auf der Grundlage eines entsprechenden Verpflichtungsbescheides der Stadt Dortmund vom 11.03.1999 in der Gemeinschaftsunterkunft in H., Ortsteil A..

Mit Bescheid vom 25.03.2002 wies der Beklagte den Kläger dem Landkreis A-Stadt zu und versah die ihm am 15.03.1999 erteilte Duldung mit der Auflage, seinen Wohnsitz ab dem 01.04.2002 ausschließlich in der an die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber angegliederten Gemeinschaftsunterkunft (GU-ZASt) in A-Stadt zu nehmen. Zur Begründung führte er aus, der Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland werde vorübergehend geduldet, weil er angeblich nicht im Besitz der erforderlichen Passpapiere sei, seine Mitwirkung bei der Beschaffung eines Heimreisedokuments verweigere und demzufolge der zu seiner Aufnahme verpflichtete Staat nicht festgestellt werden könne. Auch hätten die bisherigen behördlichen Bemühungen zur Feststellung seiner Identität als Voraussetzung zur Ausstellung eines Heimreisedokumentes durch die Botschaft seines Herkunftslandes wegen seiner Verweigerungshaltung keinen Erfolg gehabt. So sei insbesondere versucht worden, durch mehrfache Einreichung von Anträgen auf Ausstellung eines Passersatzes seine Identität zu klären, wobei auch mehrfache Vorführungen bei der ghanaischen Botschaft erfolglos geblieben seien. Vor diesem Hintergrund ergebe sich nunmehr die Notwendigkeit intensiverer zielgerichteter behördlicher Maßnahmen zur Beschaffung des für seine Ausreise erforderlichen Heimreisedokuments. Dafür biete die landeseigene Einrichtung der GU-ZASt die notwendigen Voraussetzungen. Dies erfordere seine Verpflichtung, in der dortigen Unterkunft Wohnung zu nehmen, um für die künftigen Maßnahmen jederzeit zur Verfügung zu stehen.

Der Bescheid erwuchs mangels Widerspruchseinlegung in Bestandskraft.

Am 24.11.2004 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Magdeburg eine Verpflichtungsklage nebst einstweiligem Rechtsschutzgesuch und beantragte, den Beklagten zur Aufhebung der mit Bescheid vom 25.03.2002 erteilten Aufenthaltsbeschränkung zu verpflichten und die Aufenthaltsbeschränkung bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig außer Vollzug zu setzen. Das Verwaltungsgericht wies sowohl das einstweilige Rechtsschutzgesuch als auch die Verpflichtungsklage mit der Begründung ab, dem Kläger fehle das erforderliche Rechtsschutzinteresse für die beantragten gerichtlichen Entscheidungen, weil er sich wegen der von ihm begehrten Aufhebung der Wohnsitzauflage nicht zunächst mit einem entsprechenden Antrag an den Beklagten gewandt habe (Beschluss vom 09.12.2003 - 1 B 630/03 MD - und Urteil vom 09.01.2004 - 1 A 631/03 MD -).

Unter dem 18.12.2003 stellte der Kläger bei dem Beklagten den Antrag, die Wohnsitzauflage aus dem Bescheid vom 25.03.2002 aufzuheben und führte zur Begründung aus: Die Wohnsitzauflage sei nicht mehr gerechtfertigt, weil der Beklagte seit seiner vor 1 3/4 Jahren erlassenen Einweisungsverfügung außer einer Vorführung vor der Botschaft Ghanas am 09.10.2002 keine Maßnahmen mehr ergriffen habe, für die er - der Kläger - zwecks Klärung seiner Identität hätte zur Verfügung stehen müssen. Die bisherigen Botschaftsvorführungen hätten nicht zur Ausstellung eines Passes oder sonstiger Reisedokumente geführt. Vor diesem Hintergrund sei die Wohnsitzauflage zur Erreichung ihres Zieles nicht geeignet und verletze ihn in seinen Grundrechten. Er könne lediglich theoretisch das Gebäude verlassen. Rein praktisch ergäbe sich für ihn die Schwierigkeit, dass die Unterkunft etwa 5 km vom nächsten Stadtzentrum entfernt sei. Mangels finanzieller Mittel könne er sich keine Fahrscheine für öffentliche Verkehrsmittel leisten, so dass er gezwungen sei, alle Wege zu Fuß zurückzulegen. Er sei auf die in der GU-ZASt ausgegebenen Mahlzeiten dreimal täglich angewiesen, auch dies schränke ihn rein praktisch in seiner Bewegungsfreiheit ein, weil er gar nicht die Möglichkeit habe, sich selbst zu versorgen. Ebenso wenig könne er nach eigener Entscheidung Gegenstände des persönlichen Bedarfs - von Telefonkarten und Zeitungen über Hygieneartikel usw. - leisten. Die hygienischen Zustände seien zweifelhaft. Diese Bedingungen müsse er seit 20 Monaten dulden. Jedenfalls im Hinblick auf diese Dauer und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Maßnahme weder geeignet noch erforderlich sei, die Zwecke der Identitätsfeststellung und Passbeschaffung zu erreichen, sei auch die Verhältnismäßigkeit zu verneinen. Es mache demzufolge den Anschein, als solle er für die Verletzung seiner Mitwirkungspflicht bestraft bzw. dazu bewogen werden, freiwillig der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nachzukommen.

Mit Bescheid vom 10.02.2004 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus: Er habe als Ausländerbehörde die gesetzliche Verpflichtung, die vollziehbare Ausreisepflicht des Klägers durchzusetzen. Das sei bisher vor allem deshalb gescheitert, weil der Kläger seiner Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Pass-Ersatz-Papieren nicht nachgekommen sei, sondern vielmehr den Vollzug dadurch erschwert habe, dass er unter Angabe verschiedener Personalien zwei Asylanträge gestellt und mehrfache, einander widersprechende Herkunftsangaben (Ghana, Liberia, Sierra-Leone) gemacht habe. Die Unterbringung in der GU-ZASt A-Stadt richte sich gegen ausreisepflichtige Ausländer, die - wie der Kläger - ihrer Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Pass-Ersatz-Papieren nicht nachkämen und dadurch aufenthaltsbeendende Maßnahmen erschwerten. Durch die zentrale Unterbringung solle das Verfahren zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit verbessert werden. Die hierfür erforderlichen Kontaktaufnahmen der Zentralen Abschiebestelle mit den betroffenen Ausländern werde aufgrund der räumlichen Nähe der GU-ZASt intensiviert. Grundgedanke sei eine Kombination aus sozialer Betreuung und ausländerrechtlicher Beratung, insbesondere über Programme zur Unterstützung freiwilliger Rückkehr, die durch Sozialarbeiter und Dolmetscher erfolge und bei dezentraler Unterbringung in den Landkreisen so nicht gewährleistet werden könne. Hinzu komme, dass die Betroffenen durch das vorhandene Betreuungspersonal der Zentralen Abschiebungsstelle gründlicher und kontinuierlicher betreut werden könnten als bei einer dezentralen Unterbringung in kommunalen Unterkünften. Durch die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft würden die öffentlichen Haushalte finanziell entlastet. Auch solle die zentrale Unterbringung zur Vermeidung von Abschiebehaft beitragen. Da die Passersatzbeschaffung sowie Rückführung des Klägers in sein Heimatland bislang nicht gelungen seien und der Kläger nicht von sich aus alles für seine Ausreise Erforderliche unternehme, sei seine weitere Unterbringung in der extra dafür geschaffenen Einrichtung geeignet, erforderlich und angemessen.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2004 zurück und führte zur Begründung aus: Der Kläger verweigere seit Jahren seine Mitwirkung bei der Beschaffung eines Heimreisedokumentes und vereitele dadurch seine Abschiebung. Er überschreite ständig ihm gesetzte Duldungsfristen und tauche immer wieder unter. Hinsichtlich seiner Identität mache er falsche, unvollständige oder gar keine Angaben. So beharre er nach wie vor auf seiner (nachgewiesenermaßen nicht zutreffenden) liberianischen Staatsangehörigkeit oder teile mit, dass er keine Auskünfte über sein Herkunftsland und seine Adresse geben werde. All dies rechtfertige nach wie vor seine Unterbringung in der GU-ZASt.

Bereits am 06.05.2004 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Magdeburg unter Wiederholung und Vertiefung seines Antragsvorbringens vom 18.12.2003 Klage erhoben.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes vom 26.05.2004 zu verpflichten, den Bescheid vom 25.03.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, über die beantragte Aufhebung des Bescheides vom 25.03.2002 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat die Klage mit Urteil vom 08.05.2006 abgewiesen.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 12.07.2007 gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Der Kläger hat die Berufung fristgemäß begründet. Er macht geltend, der Beklagte habe seinen Antrag auf Rücknahme der gegen ihn verhängten Wohnsitzauflage rechtsfehlerhaft abgelehnt. Das Rücknahmeermessen habe sich auf Null reduziert, weil die Rechtsgrundlage für die Erteilung der Wohnsitzauflage inzwischen weggefallen sei. Die Wohnsitzauflage sei nicht mehr geeignet, das damit verbundene Ziel, nämlich die Identitätsklärung und die Beschaffung von Reisedokumenten, zu erreichen. Die letzte Botschaftsvorführung habe am 09.10.2002 stattgefunden. Spätestens seit dem 18.12.2003 - dem Datum des Antrags auf Aufhebung der Wohnsitzauflage - seien keine Maßnahmen mehr veranlasst worden, die der Identitätsklärung oder der Beschaffung von Reisepapieren dienten. Ein weiterer Zweck, der die Aufrechterhaltung der Wohnsitzauflage rechtfertigen würde, sei nicht ersichtlich. Somit habe die Wohnsitzauflage nur noch Beugecharakter. Ein solcher rechtfertige eine Wohnsitzauflage aber unabhängig davon, ob man die frühere Rechtsgrundlage des § 56 Abs. 3 AuslG oder die nunmehrige Rechtsgrundlage des 61 Abs. 2 AufenthG heranziehe, gerade nicht.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes vom 26.05.2004 zu verpflichten, den Bescheid vom 25.03.2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend: Die Wohnsitzauflage verfolge den Zweck, den in das Ausreisezentrum eingewiesenen Ausländer an der Beschaffung von Heimreisedokumenten mitwirken zu lassen und die Bereitschaft zur freiwilligen Heimreise durch Beratung und Betreuung zu fördern. Neben den möglichen und notwendigen behördlichen Aktivitäten bedürfe es dafür auch der Mitwirkung des betroffenen Ausländers. Der Kläger habe seine Mitwirkungspflicht zunächst verweigert und sich ihr seit dem 19.06.2006 sogar ganz entzogen. Seit diesem Zeitpunkt sei er unbekannten Aufenthalts. Seine Duldungsbescheinigung habe er nicht verlängern lassen. Andererseits hätten die zuständigen Behörden wiederholt Maßnahmen veranlasst, um die Identität des Klägers feststellen zu lassen, was letztlich auch deshalb erfolglos geblieben sei, weil der Kläger es an der erforderlichen Mitarbeit habe fehlen lassen. Durch das unzulässige Verlassen der GU-ZASt habe er die zuständigen Behörden nunmehr der Möglichkeit beraubt, seine Identität feststellen und Passpapiere ausstellen zu lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das angefochtene Urteil ist zu ändern. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch darauf zu, dass der Beklagte die ihm gegenüber mit Bescheid vom 25.03.2002 verhängte Wohnsitzauflage aufhebt.

Ein Verwaltungsakt, der - wie hier der Bescheid vom 25.03.2002 - mangels Widerspruchseinlegung bestandskräftig, d.h. unanfechtbar geworden ist, kann von der Erlassbehörde aufgehoben werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Als Möglichkeiten der Aufhebung stellt das Gesetz die Rücknahme (§ 48 VwVfG-LSA) und den Widerruf (§ 49 VwVfG-LSA) zur Verfügung. Die Entscheidung über die Aufhebung steht im Ermessen der Behörde. Beanspruchen kann der durch den Verwaltungsakt Belastete die Aufhebung deshalb nur, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Zum einen müssen die Voraussetzungen einer der genannten Vorschriften vorliegen. Zum anderen muss das Aufhebungsermessen dahingehend eingeschränkt sein, dass jede andere Entscheidung als die der Aufhebung ermessensfehlerhaft wäre (Ermessensreduzierung auf Null). Im Fall des Klägers sind diese Voraussetzungen erfüllt.

Er kann zwar keine Rücknahme im Sinne des § 48 VwVfG LSA verlangen, weil es an der hierfür erforderlichen Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides fehlt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit ist derjenige des Erlasses, d.h. der Verstoß gegen geltendes Recht muss bereits im Erlasszeitpunkt vorgelegen haben (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 48 RdNr. 57 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Das gilt auch bei sog. Dauer-Verwaltungsakten, also solchen Verwaltungsakten, die - wie die streitgegenständliche Wohnsitzauflage - nicht auf eine einmalige Handlung, etwa eine Geldzahlung, beschränkt sind, sondern deren Regelungsgehalt sich auf einen längeren Zeitraum - hier das Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft A-Stadt - erstreckt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 48 RdNr. 57 mit Hinweisen auch auf insoweit abweichende Rechtsprechung [z.B. VGH BW, VBlBW 2002, 208]). In Anlegung dieses Maßstabes fehlt es an der gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG-LSA erforderlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 25.03.2002. Dieser findet seine Rechtsgrundlage in § 56 Abs. 3 Satz 2 AuslG. Danach konnte die Ausländerbehörde in den Fällen einer Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG - wie hier - weitere Auflagen anordnen, zu denen auch die Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft zählte (vgl. OVG RP, Beschl. v. 19.11.2003 - 10 B 11432/03 - InfAuslR 2004, 255). Eine solche Wohnsitzauflage wurde auf der Grundlage des § 56 Abs. 3 Satz 2 AuslG jedenfalls dann für zulässig erachtet, wenn sie einen sinnvollen Bezug zu einem zulässigen Verfahrenszweck, insbesondere dem der Identitätsfeststellung und Passbeschaffung, aufwies und nicht in Schikane mit strafähnlichem Charakter ausartete, auf eine unzulässige Beugung des Willens hinauslief oder den Betreffenden im Einzelfall unverhältnismäßig traf (vgl. OVG RP, Beschl. v. 19.11.2003 - 10 B 11432/03 - InfAuslR 2004, 255). Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt des Erlasses der Wohnsitzauflage am 25.03.2002 vor. Zu diesem Zeitpunkt wies die Wohnsitzauflage (noch) einen sinnvollen Bezug zu dem angegebenen Ziel der Identitätsfeststellung und Passbeschaffung auf und hatte weder einen Straf- noch Beugungscharakter. Das Erfordernis der Wohnsitzauflage ergab sich daraus, dass die vom Kläger selbst verschleierte Identität aufzuklären und ein Passersatz zu beschaffen war. Zum genannten Zeitraum fanden auch (noch) entsprechende Maßnahmen, insbesondere Botschaftsvorführungen, statt.

Dem Kläger steht aber ein Anspruch darauf zu, dass der Beklagte die ihm gegenüber verhängte Wohnsitzauflage im Wege eines Widerrufs gemäß § 49 VwVfG LSA aufhebt. Nach § 49 Abs. 1 VwVfG-LSA kann ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Bei der streitgegenständlichen Wohnsitzauflage handelt es sich um einen den Kläger nicht begünstigenden Verwaltungsakt. Auch müsste im Falle seines Widerrufs weder ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden noch ist sonst ein Grund für die Unzulässigkeit des Widerrufs ersichtlich. Dem Widerrufsanspruch des Klägers steht auch nicht entgegen, dass es sich bei § 49 VwVfG-LSA um eine Ermessensvorschrift handelt; denn das dem Beklagten eingeräumte Widerrufsermessen ist inzwischen - d.h. zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 29.11.2007 - auf Null reduziert. Ob und wann in den Fällen, in denen der Widerruf einer Wohnsitzauflage beantragt wird, eine solche Ermessensreduzierung anzunehmen ist, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab. Berücksichtigungsfähig ist insbesondere, ob die oben genannten Zulässigkeitsmerkmale inzwischen nicht mehr vorliegen, die Wohnsitzauflage also aufgrund des mittlerweile erfolgten Zeitablaufs und/oder zwischenzeitlich veränderter Umstände keinen sinnvollen Bezug zu einem zulässigen Verfahrenszweck, insbesondere dem der Identitätsfeststellung und Passbeschaffung, mehr aufweist, inzwischen in Schikane mit strafähnlichem Charakter ausartet, nunmehr auf eine unzulässige Beugung des Willens hinausläuft oder den Betreffenden unverhältnismäßig trifft (vgl. OVG RP, Beschl. v. 19.11.2003 - 10 B 11432/03 - InfAuslR 2004, 255). Berücksichtigt werden sollte hierbei auch, für welche Zeitspanne der Ausländer den Beschränkungen bereits ausgesetzt ist und welche psychischen und körperlichen Auswirkungen diese für ihn und seine Angehörigen haben könnten; je länger die Beschränkungen dauern, ohne dass sich eine Beendigung des Abschiebungshindernisses abzeichnet, umso eher wird sich ihre weitere Aufrechterhaltung als unangemessen erweisen (vgl. BVerwG, B. v. 28.12.1990 - Buchholz 402.24 § 17 AuslG, 65 Nr. 8; VG Braunschweig, Urt. v. 15.01.2004 - 3 A 241/03 - JURIS).

In Anwendung dieser Grundsätze teilt der Senat die Auffassung des Klägers, wonach das Widerrufsermessen des Beklagten inzwischen auf Null reduziert ist. Die Aufrechterhaltung der Wohnsitzauflage erscheint nicht mehr angemessen. Seit dem Erlass des Einweisungsbescheides vom 25.03.2002 ist ein Zeitraum von mehr als fünf Jahren vergangen. Inzwischen spricht Überwiegendes dafür, dass die Wohnsitzauflage nicht mehr geeignet ist, den vom Beklagten mit ihr in erster Linie verfolgten Zweck - nämlich die Identitätsfeststellung des Klägers und eine Passersatzbeschaffung für ihn - in nennenswerter Weise zu fördern. Die Identitätsfrage sieht der Beklagte seit geraumer Zeit selbst als geklärt an. Hierauf wies er die Konsularabteilung der Botschaft der Republik Ghana in B-Stadt mit Schreiben vom 18.02.2004 ausdrücklich hin. Die Ausstellung eines Passersatzes ist indessen trotz der Aufrechterhaltung der Wohnsitzauflage bis heute nicht erfolgt. In dem genannten Schreiben bat der Beklagte die ghanaische Botschaft nachdrücklich um Ausstellung eines Rückreisedokumentes, weil die Identität des Klägers nunmehr eindeutig geklärt sei. Ob und welche Reaktion hierauf erfolgte und welche weiteren Schritte der Beklagte daraufhin unternahm, lässt sich den von ihm vorgelegten Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen. Auch in der mündlichen Verhandlung am 29.11.2007 konnte der Beklagte hierüber keine näheren Angaben machen. Angesichts dessen geht der Senat davon aus, dass eine Förderung des hauptsächlichen Unterbringungszwecks nicht nur seit Anfang 2004 und damit seit mehr als drei Jahren unterblieben, sondern auch in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten ist. Bei dieser Sachlage erscheint die Unterbringung in der GU-ZASt indessen nicht mehr angemessen. Das gilt umso mehr, als eine Unterbringung von Ausländern in dieser Unterkunft über einen Zeitraum von - wie im Falle des Klägers - mehr als fünf Jahren auch nicht der üblichen Verwaltungspraxis des Beklagten entsprechen dürfte. Nach Nr. 2.6 Satz 2 des Erlasses des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.02.2005 (Az.: 42.32-12231-64) hat das Landesverwaltungsamt nach einem Jahr seit dem Zeitpunkt der Unterbringung in der Ausreiseeinrichtung in jedem Fall zu prüfen, ob die sonstigen in diesem Erlass aufgeführten Voraussetzungen noch vorliegen und - sollte dies nicht mehr der Fall sein - die zuständige Ausländerbehörde aufzufordern, die Wohnsitzverpflichtung in der Ausreiseverpflichtung unverzüglich zu beenden und die Rücknahme (anderweitige Unterbringung) zu veranlassen. Mögen auch diese Voraussetzungen im Falle des Klägers nicht vorliegen, deutet diese Bestimmung zumindest darauf hin, dass die GU-ZAST gerade nicht für einen Aufenthalt über Jahre hinweg bestimmt ist.

Der mithin anzunehmenden Ermessensreduzierung steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass die erfolglosen Bemühungen des Beklagten um die Beschaffung von Rückreisedokumenten nicht zuletzt auf dem eigenen Verhalten des Klägers, insbesondere seiner Identitätsverschleierung, zurückzuführen ist, und er die Wohnsitzauflage zwischenzeitlich eigenmächtig nicht mehr befolgt. Derartiges Fehlverhalten des Ausländers mag zwar sowohl bei der Entscheidung über die Verhängung als auch die Aufhebung einer Wohnsitzauflage im Rahmen der Ermessensausübung Berücksichtigung finden. Andererseits schließt es nicht eine Ermessensreduzierung aus, deren Gründe aus der Sphäre der Ausländerbehörde stammen und die - wie hier - mit Blick auf den eigentlichen Zweck der Wohnsitzauflage auch in Ansehung eines etwaigen Fehlverhaltens des Ausländers geboten erscheint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und über die Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 167 VwGO i. V. m den § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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