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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 27.09.2007
Aktenzeichen: 2 L 224/05
Rechtsgebiete: LSA-AG-TierSG, TierSG, VwGO


Vorschriften:

LSA-AG-TierSG § 9 Abs. 1 S. 1
LSA-AG-TierSG § 10
LSA-AG-TierSG § 11 Abs. 1
TierSG § 66
TierSG § 71 Abs. 1
VwGO § 92
1. Teilweise Klagerücknahme bei Umstellung von einem Verpflichtungs- zu einem Neubescheidungsantrag.

2. Für die Beurteilung der Entschädigungs- und Beihilfeansprüche für Tierverluste ist die Rechtslage im Zeitpunkt des Tierverlustes maßgeblich.

3. Bei der Verpflichtungsklage geht es zu Lasten des Klägers, wenn sich das Gericht vom Vorliegen der den geltend gemachten Anspruch begründenden Tatsachen nicht überzeugen kann.

4. Zum Anscheinsbeweis bei einer Tierseuche.

5. Zum Begriff der "unbilligen Härte" im Tierseuchenrecht.


Tatbestand:

Die Klägerin betreibt in C-Stadt eine Rinderhaltung. Sie übernahm die Betriebsstätte Ende des Jahres 2002 von dem vormaligen Besitzer.

Laut Protokoll des Landesamts für Verbraucherschutz (LAV) vom 29.04.2003 verendeten in dem - 339 Kühe umfassenden - Milchproduktionsbetrieb der Klägerin ab dem 22.03.2003 bis April 2003 insgesamt 53 Tränkkälber und Jungrinder. Die Kälberverluste seien in Zusammenhang zu sehen mit dem Zukauf von 20 Kühen am 28.02.2003, einer relativ milden Pneumoniewelle bei Milchkühen und der Aufstallung im Tränkbereich (fließend mit Kontaktstelle Nuckeltränke). Labordiagnostisch sei eine schwere Bronchopneumonie mit Enteritis bei einem Kalb (Sektion am 11.04.2003) - bakteriologisch: Arc. Pyogenes, Streptokokken, Mykoplasmen (Verdacht) - virologisch: BVDV (Zellkultur, Befund vom 23.04.2003) ermittelt worden. Ferner liege aus Nasensekretproben von zwei Kühen vom 17.03.2003 ein positiver Virusnachweis für BRSV (Immunfluoreszens) vor.

Am 30.05.2003 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Härtebeihilfe für den Abgang von 60 Kälbern und 5 Milchkühen auf Grund der Erkrankung BVD/MD (Bovine Virusdiarrhoe/Mucosal Disease). Den ihr entstanden Schaden bezifferte sie auf insgesamt 32.958,04 €. Darin enthalten waren der Wert der 60 Kälber in Höhe von zusammen 12.400,00 €, Entsorgungskosten in Höhe von 434,87 €, Tierarzt-, Labor- und Beratungskosten in Höhe von 15.568,04 € sowie Kosten für die Errichtung einer Kälber-Iglu-Haltung in Höhe von 4.990,00 €.

Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2003 ab und gab zur Begründung an: Nach dem Protokoll des LAV sei ab dem 22.03.2003 die für die Tierseuche BVD sprechende Symptomatik mit Verlusten von Tieren dargestellt worden. Im Gutachten nehme das LAV Stellung zur Epidemiologie der Erkrankung, insbesondere werde ein Zusammenhang mit dem Zukauf von 20 Kühen am 28.02.2003 gesehen. Das BVD-Virus habe ebenso wie das BRS-Virus (Boviner Respiratorischer Synzytial-Virus) nachgewiesen werden können. Dem Gutachten sei zu entnehmen, dass der Bestand nicht unter BVD-lmpfschutz gestanden habe, und es sei die Wiederaufnahme eines Impfprogramms empfohlen worden. Für die BVD gebe es zwar keine Bekämpfungsvorschrift; allerdings seien sowohl von der Veterinärverwaltung des Bundes als auch des Landes Sachsen-Anhalt Empfehlungen zur Bekämpfung der BVD (Leitlinien) gegeben worden. Hierin werde den Tierhaltern empfohlen, BVD-unverdächtige Bestände aufzubauen; gleichzeitig seien verschiedene Möglichkeiten hierzu dargestellt. Die in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ihrer Beihilfesatzung geregelten Voraussetzungen, dass der Tierhalter Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Tierseuchen sowie anderen seuchenartigen Erkrankungen im Zusammenhang mit der die Beihilfe auslösenden Maßnahme in seinem Betrieb durchzuführen und vom Land erlassene Bekämpfungsrichtlinien für die betreffende Tierseuche oder seuchenartige Erkrankung einzuhalten habe, habe die Klägerin mithin nicht erfüllt.

Am 14.01.2004 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, es bestehe kein Zusammenhang zwischen den Tierverlusten und dem Zukauf von Tieren. Alle zugekauften Tiere seien geimpft und BHV-negativ gewesen. Zugleich sei eine Infektion im eigenen Bestand auszuschließen. Bestandsuntersuchungen in den Monaten Oktober/November 2002 hätten ergeben, dass sämtliche Tiere im Bestand BVD-negativ gewesen seien. Es seien Iglus angeschafft worden, um die neugeborenen Kälber getrennt vom Bestand aufzuziehen und die Infektionsgefahr einzudämmen. Diese Maßnahme habe in erster Linie der Bekämpfung der Krankheit gedient, habe aber auch gleichzeitig die Haltungsbedingungen verbessert. Nach der Betriebsübernahme habe sie alles daran gesetzt, die Haltungsbedingungen wesentlich zu verbessern. Außerdem könne der Transport der Tiere als lnfektionsquelle ausgeschlossen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie an, die Klägerin selbst habe eine BVD-lnfektion im eigenen Bestand ausgeschlossen, da die Bestandsuntersuchungen im Oktober/November 2002 BVD-negativ ausgefallen seien. Gleichzeitig habe sie eine Infektion der zugekauften Rinder beim Transport ausgeschlossen. Der die Klägerin betreuende Hoftierarzt habe am 18.02.2004 einen Befundbericht abgegeben, der die Entwicklung in der Rinderzuchtanlage der Klägerin seit seinem Tätigwerden in diesem Bestand dokumentiere und einen Überblick über das Verlustgeschehen im Zeitraum 01.09.2002 bis zum Berichtsdatum gebe. Die Klägerin habe den Rinderbestand am 16.12.2002 übernommen. Aus dieser Aufstellung sei ersichtlich, dass im Rinderbestand im gesamten Jahr 2002 eine erhebliche Kälbersterblichkeit mit Spitzen in den Monaten August und September aufgefallen sei. Die vermutlichen Ursachen seien stallklimatische Verhältnisse sowie Managementprobleme gewesen. In den Folgemonaten habe sich die Kälbersterblichkeit reduziert. Nach Übernahme des Betriebes durch die Klägerin sei es in den Monaten Februar, März und April 2003 wiederum zu erhöhten Verlusten gekommen. Diese seien von der Klägerin auf ein seuchenhaftes BVD-Erkrankungsgeschehen zurückgeführt worden, das sich auf den BVD-Virusnachweis vom 23.04.2003 bei einem verendeten Kalb stütze. Nach den nunmehr vorliegenden Unterlagen ergebe sich für das gesamte Erkrankungsgeschehen ein anderes Bild als zunächst angenommen. Ein Zusammenhang mit dem am 23.04.2003 erhobenen BVD-Befund sei auf Grund der Vielzahl negativer BVDV-Antigen-Befunde zwischen Oktober 2002 und April 2003 auszuschließen. Nach Wertung aller Befunde und den durchgeführten umfangreichen Recherchen sei davon auszugehen, dass das erhöhte Verlustgeschehen im Zeitraum 2002 bis April 2003 "crowding-assoziiert" gewesen sei. Ursächlich dafür sei vermutlich der vorgenommene erhebliche Tierzukauf aus unterschiedlichen Beständen gewesen. Derartige Erkrankungen seien einschlägig bekannt und träten dann auf, wenn Tiere aus verschiedenen Herkünften zusammengeführt würden und ein Austausch der stallspezifischen Keimflora, die die einzelnen Tiere mitbrächten, unter den Tieren stattfinde. Im Zusammenhang mit den von der Tierhalterin selbst als unzulänglich erkannten Haltungsbedingungen spreche dies insbesondere für die erhöhte Kälbersterblichkeit.

Am 14.06.2004 hat die Klägerin Klage erhoben und zunächst schriftsätzlich beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 17.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2004 zu verpflichten, der Klägerin den beantragten Härtebeihilfebescheid gemäß ihrem Antrag vom 27.05.2003 zu erteilen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen Härtebeihilfebescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen: Es treffe nicht zu, dass der Zukauf von Tieren oder mangelnde Sorgfalt zum Ausbruch der BVD geführt hätten. Es entspreche der üblichen und fachlichen Praxis, im Rahmen einer ordnungsgemäßen Landwirtschaft Kälber und Jungtiere nicht allein aus dem eigenen Bestand aufzuziehen, sondern häufiger neue Tiere aus anderen Herden zuzukaufen, um den Bestand resistenter und genetisch vielfältiger zu erhalten. Um jedoch die lnfektionsmöglichkeit untereinander so gering wie möglich zu halten, sei es im Rahmen der ordnungsgemäßen Landwirtschaft geboten, amtstierärztliche Bescheinigungen hinsichtlich der Unbedenklichkeit der hinzugekauften Tiere erstellen zu lassen, um dadurch eine Infektion u. a. auch mit der Viruserkrankung BVD auszuschließen. Genau dies habe sie getan. Missmanagement könne ihr nicht vorgeworfen werden. Sowohl die amtstierärztliche Stellungnahme des Tierseuchenbekämpfungsdienstes vom 29.04.2003 als auch der umfassende Bericht des behandelnden Tierarztes vom 18.02.2004 zeigten klar auf, dass sie und der vorhergehende Betreiber sehr daran interessiert gewesen seien, krankheitsfreie Bestände zu halten. Man habe regelmäßig an lmpfprogrammen teilgenommen, und die Tiere seien ordnungsgemäß im Rahmen der sachgemäßen tierärztlichen Behandlungen geimpft worden. Es sei das Wesen der BVD-Erkrankung, dass sie auch in Beständen auftreten könne, die als BVD-frei gelten. Die Übertragungswege seien vielfältig. Die Tiere könnten das Virus beispielsweise auch über die Nahrung aufgenommen haben. Ebenso sei die Aufnahme des Virus im Freiland möglich. Auszuschließen sei die Behauptung der Beklagten, die Seuche sei allein durch das Zusammenstellen von mehreren BVD-freien Beständen verursacht worden. Diese Feststellung sei tiermedizinisch ausgeschlossen. Ein Zusammenhang zwischen den Sterblichkeitsfällen vor der Übernahme im Dezember 2002 und den in Rede stehenden Todesfällen im Frühjahr 2003 bestehe nicht; denn die BVD-Erkrankung werde nicht erst Monate später übertragen, sondern trete spontan innerhalb einer möglichen Infektionszeit von ein bis zwei Tagen auf. Damit habe die Beklagte den Sachverhalt und die ihrer Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen nicht ausreichend ermittelt mit der Folge eines Ermessensdefizits bei ihrer Ablehnungsentscheidung. Ferner habe sie den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Sie habe in ständiger Verwaltungspraxis großzügig Härtebeihilfen sowohl für Tierverluste durch Seuchen als auch zum Ausgleich von Schäden durch Bekämpfungsmaßnahmen gewährt, und zwar immer auch dann, wenn sie zu einer Entschädigung oder Beihilfe nicht verpflichtet gewesen sei. Damit habe sie sich selbst gebunden.

Die Klägerin hat (in der mündlichen Verhandlung) beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 17.12.2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 19.05.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über ihren Antrag vom 27.05.2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und ergänzend ausgeführt, der hier in Rede stehende Beihilfefall sei nicht mit anderen Vorgängen vergleichbar. Voraussetzung für eine Härtebeihilfe sei ein fehlender Entschädigungsanspruch; ferner müsse eine unbillige Härte dargelegt werden.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Härtebeihilfe unter Beachtung seiner Rechtssauffassung neu zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die von der Beklagten angeführten Gründe für ihren Ablehnungsbescheid hielten der gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Im Ergebnis der Beweisaufnahme und der mündlichen Verhandlung stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin weder gegen Vorschriften der Tierhaltung noch gegen tierseuchenrechtliche Vorschriften verstoßen habe. Fest stehe auch, dass ein Verhalten der Klägerin nicht ursächlich für den eingetretenen Seuchenfall gewesen sei und die ihr von der Beklagten vorgehaltenen Verstöße gegen Vorschriften der Tierhaltung sowie tierseuchenrechtliche Vorschriften nicht zuträfen. Dies ergebe sich aus den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommenen Tierärzte.

Es bestehe auch kein Zweifel daran, dass eine BVD-lnfektion die Ursache für die Tierverluste der Klägerin gewesen sei. Der Zeuge M. habe dazu erklärt, dass der BVD-Virus-Nachweis bei einem unbehandelten Kalb bei der Sektion nachgewiesen und dieses Kalb nicht behandelt worden sei, um eine Verfälschung der Laborbefunde zu verhindern. Dieser Zeuge habe als Ursache der Kälbersterblichkeit im Frühjahr 2003 eine BVD-Virusinfektion festgestellt und diese Feststellung aus dem Laborbefund gezogen, bei dem der elektronenmikroskopische Nachweis des Virus erbracht worden sei. Auch der Zeuge R. habe ausgesagt, dass das nachgewiesene BVD-Virus und das ferner nachgewiesene BRSV-Virus im Zusammenhang mit anderen bakteriellen Erregern ursächlich für das Krankheitsgeschehen gewesen seien. Es bestünden keine vernünftigen Zweifel mehr daran, dass der Seuchenfall aufgrund einer BVD-lnfektion mit darauf folgenden Sekundärinfektionen zu einer so genannten Superinfektion geführt habe. Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung dürfte die vorgenannte Primärinfektion eine solche mit dem BVD-Virus gewesen sein, auch wenn der Nachweis des BVD-Virus nur bei dem zur Sektion eingeschickten verendeten Kalb habe geführt werden können.

Die vom Senat zugelassene Berufung hat die Beklagte wie folgt begründet: Die Klägerin habe weder vorgetragen noch in sonstiger Weise erkennen lassen, dass einzelfallbedingt die Nichtgewährung der begehrten Beihilfe für sie eine "unbillige Härte" entstehen lassen würde. Wesentliche Voraussetzung für eine solche Beihilfe sei eine Existenzbedrohung des von Tierverlusten betroffenen Tierhalters. Weder die eher unterdurchschnittliche Kälbersterblichkeit im Jahre 2002 noch die auffällig hohe Zahl von Kälberverlusten (53) im Zeitraum von Februar bis April 2003 habe bei der Klägerin eine solche Existenzbedrohung ausgelöst. Von einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung, wie die Klägerin sie im erstinstanzlichen Verfahren behauptet habe, könne keine Rede sein. Ob ein Verstoß gegen tierseuchenrechtliche Vorschriften oder Tierhaltungsvorschriften vorgelegen habe, sei nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht sei zudem fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Verluste der Klägerin auf einen Ausbruch der Tierseuche BVD zurückzuführen seien. Mit Ausnahme eines Kalbs, das nicht behandelt worden sei, seien die unter die Härtebeihilfe gestellten Tiere an mannigfachen Erkrankungen verendet, die allesamt keine Tierseuchen darstellten. Der vom Verwaltungsgericht gezogene Schluss einer BVD-Primärinfektion zu einer Sekundärinfektion mit einer Superinfektion werde weder durch die Zeugenaussagen noch durch die Erkenntnisse und Diagnosen sämtlicher Voruntersuchungen getragen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, die im Frühjahr 2003 aufgetretene hohe Kälbersterblichkeit sei für ihren Betrieb existenzbedrohend gewesen. Von einer solchen Existenzbedrohung sei in der Regel auszugehen, wenn 50 % der zuletzt aktivierten Werte von der Vernichtung betroffen seien. Bei dem in ihrem Betrieb vorhandenen Bestand von 240 Kühen und einer Abkalbungsrate von üblicherweise 100 % hätten in den Monaten Februar bis April 2003 etwa 60 Kälber geboren werden müssen. Der prozentuale Anteil der verendeten 53 Kälber liege damit bei 88 %. Hätte sie keine Sofortmaßnahmen zur Eindämmung der Seuche unter amtsärztlicher und tierärztlicher Beratung getroffen, wäre mit einem Ausfall von bis zu 90 % der Kälber zu rechnen gewesen. Im Einzelnen verweise sie auf das von ihr eingeholte Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. Schulze vom 12.06.2007. Daraus ergebe sich weitergehend der ihr entstandene Schaden in Höhe von netto 27.081,48 €.

Die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts sei nicht zu beanstanden. Der Zeuge Dr. Zehle habe plausibel und nachvollziehbar erläutert, dass die nachgewiesene BVD-Erkrankung bei einem - unbehandelten - Kalb ausreiche, um die Annahme der BVD als Tierseuche im Gesamtbestand nachzuweisen, und dass bei sofortiger Behandlung der anderen Tiere mit Antibiotika und anderen Medikamenten der Nachweis von BVD schwierig sei oder gar nicht gelinge. Aus diesem Grund habe sie sich seinerzeit mit den Tierärzten und dem Amtstierarzt darauf verständigt, einige Tiere unbehandelt zu lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Klägerin ihre Klage bereits im erstinstanzlichen Verfahren zurückgenommen hat. Die Klägerin hat in der Klageschrift ursprünglich die Verpflichtung der Beklagten zum "Erlass des beantragten Härtebeihilfebescheids" und (nur) hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung beantragt. Erst in der mündlichen Verhandlung hat sie den bisherigen Hilfsantrag als (alleinigen) Hauptantrag formuliert. Begehrt ein Kläger statt der Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsakts nur die Verpflichtung zur Neubescheidung, entspricht zwar der Streitgegenstand einer solchen Klage im Wesentlichen demjenigen der Verpflichtungsklage, so dass der Übergang von einem Verpflichtungs- zu einem Bescheidungsantrag keine Klageänderung darstellt (BVerwG, Beschl. v. 24.10.2006 - 6 B 47.06 -, NVwZ 2007, 104, m. w. Nachw.). Eine solche Beschränkung des Klageantrags auf die Neubescheidung in der mündlichen Verhandlung stellt aber eine teilweise Klagerücknahme dar. Zwar ist das Gericht nach § 88 VwGO bei der Erfassung des Klagebegehrens an die Fassung der Anträge nicht gebunden ist, sondern hat das tatsächliche Rechtsschutzziel zu ermitteln. Maßgebend ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt. Der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Ergänzend ist die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 17.05.2004 - 9 B 29.04 - Juris, m. w. Nachw.). Der Klagebegründung läst sich aber nicht entnehmen, dass die Klägerin von Anfang an in Wahrheit nur eine Neubescheidung begehrt hat. Sie hat die Klage (durch ihren ursprünglichen Prozessbevollmächtigten) mit Schriftsatz vom 13.10.2004 u. a. damit begründet, dass sich die Beklagte auf Grund ständiger Verwaltungspraxis gebunden habe und daher auch ihr eine Härtebeihilfe gewähren müsse. Damit hat sie hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie ein Verpflichtungs- und nicht nur ein Bescheidungsurteil begehrt. Die vom Verwaltungsgericht unterlassene Teileinstellung und die Rücknahmefolgen nach § 92 VwGO sind im Berufungsverfahren auszusprechen (vgl. HessVGH, Urt. v. 31.10.1974 - VII OE 45/74 -, VerwRspr 27, 239).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Die Beklagte hat die Gewährung einer Härtebeihilfe zu Recht abgelehnt; die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die hier begehrte Härtebeihilfe kommt allein § 6 der Satzung der Beklagten über die Gewährung von Beihilfen vom 08.12.1999 (Bek. d. ML v. 28.02.2000 [MBl LSA S. 430]), geändert durch Beschluss vom 11.10.2001 (Bek. d. MRLU v. 01.11.2001]) - Beihilfesatzung (BS) - in Betracht. Danach kann die Tierseuchenkasse zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall Härtebeihilfe für Tierverluste durch Seuchen (Todesfälle oder Notschlachtung) oder zum Ausgleich von Schäden durch Bekämpfungsmaßnahmen in den Fällen gewähren, in denen sie zu einer Entschädigung oder Beihilfe nicht verpflichtet ist. Diese Vorschrift beruht auf § 10 Abs. 2 des Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt über die Tierseuchenkasse und zur Ausführung des Tierseuchengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.07.2002 (GVBl LSA S. 308) - AG TierSG LSA. Danach kann die Tierseuchenkasse in einzelnen besonderen Härtefällen, in denen sie zu einer Entschädigung sonst nicht verpflichtet ist, Beihilfen für Tierverluste durch Seuchen und seuchenartige Erkrankungen oder zum Ausgleich von Schäden bei Bekämpfungsmaßnahmen gewähren.

Die Vorschrift des § 6 BS ist auf den hier zu entscheidenden Fall weiter anzuwenden, auch wenn sie durch die elfte Änderung der BS vom 17.10.2006 (Bek. des MLU v. 06.11.2006 [MBl. LSA S. 765]) aufgehoben wurde. Aus § 113 Abs. 5 VwGO folgt zwar, dass einer Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage nur dann stattgegeben werden darf, wenn der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf den mit der Klage begehrten Verwaltungsakt hat. Nicht aus dem Prozessrecht, sondern ausschließlich aus dem materiellen Recht ergibt sich allerdings, ob der vom Kläger mit der Verpflichtungsklage geltend gemachte Anspruch besteht und welcher Beurteilungszeitpunkt maßgebend ist. Ändert sich während des gerichtlichen Verfahrens das materielle Recht, so ist auf der Grundlage dieser Änderung zu entscheiden, ob das neue Recht einen durch das alte Recht begründeten Anspruch beseitigt, verändert oder unberührt lässt. Entscheidend ist, ob sich das geänderte Recht nach seinem zeitlichen und inhaltlichen Geltungsanspruch auf den festgestellten Sachverhalt erstreckt (BVerwG, Urt. v. 11.02.1999 - 2 C 4.98 -, Buchholz 239.2 § 28 SVG Nr. 2). Ob ein Anspruch auf einen begünstigenden Verwaltungsakt besteht, richtet sich grundsätzlich nach dem Recht, das zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts gilt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.03.2006, - 7 B 90.05 -, Juris; Urt. v. 03.11.1994 - 3 C 30.93 -, DVBl 1995, 925; Urt. v. 18.07.2002 - 3 C 54.01 -, DVBl 2003, 139). Das gegenwärtig geltende Recht kann seinerseits ausdrücklich oder stillschweigend auf früheres - das heißt, außer Kraft getretenes - Recht verweisen und dieses für anwendbar erklären. Die Frage, ob das geltende Recht auf Rechtsvorschriften der Vergangenheit verweist, zielt auf den zeitlichen Geltungsbereich der in Betracht kommenden Rechtsnormen und beantwortet sich nach materiellem Recht einschließlich des Verwaltungsverfahrensrechts (BVerwG, Urt. v. 03.11.1994, a. a. O.).

Die am 17.10.2006 beschlossene Änderung der BS enthält zwar ebenso wenig wie das Tierseuchengesetz (TierSG) und AG TierSG LSA ausdrückliche Regelungen darüber, ob Ansprüche auf Gewährung einer Härtebeihilfe bestehen bleiben oder entfallen sollen, wenn über sie noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Dass für die Beurteilung der Ansprüche nach tierseuchenrechtlichen Vorschriften nach Maßgabe des materiellen Rechts die Rechtslage im Zeitpunkt des Tierverlustes zu entscheiden ist, ergibt sich aber aus der gesetzlich geregelten Organisation und Funktionsweise der Tierseuchenentschädigung (vgl. § 71 TierSG i. V. m. §§ 8 ff. AG TierSG LSA), die über die Tierseuchenkassen der Bundesländer erfolgt (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 23.04.1996 - 2 A 2592/94 -, Juris). Nach § 71 Abs. 1 i. V. m. § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AG TierSG LSA erhebt die Beklagte, um die Mittel für ihre Leistungen, ihre Verwaltungskosten und die notwendigen Rücklagen aufzubringen, Beiträge von den Tierbesitzern. Die Tierseuchenkasse kann auch Beiträge für Tierarten erheben, die in § 71 Abs. 1 TierSG nicht genannt sind, sowie für Maßnahmen, die der vorbeugenden Bekämpfung von Tierseuchen oder von seuchenartigen Erkrankungen dienen. Für die Berechnung der Beiträge ist nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AG TierSG LSA maßgebend, wie viele Tiere am Tage der von der Beklagten durchgeführten amtlichen Erhebung vorhanden waren. Dem entsprechend kalkuliert die Beklagte diese Beiträge. Dass die Tatbestandsvoraussetzungen in einem früheren Zeitpunkt erfüllt waren, ist insbesondere in den Fällen von Bedeutung, in denen die maßgeblichen Vorschriften für das Entstehen eines Anspruchs an einen ganz bestimmten Zeitpunkt anknüpfen und ihm nicht zu entnehmen ist, dass bei rechtswidriger Nichterfüllung dieses Anspruchs ein solcher Anspruch wegen einer späteren Veränderung der Sach- oder Rechtslage untergehen soll (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113 RdNr. 220 f.). Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 AG TierSG LSA ist die Beklagte im Einzelfall zur Entschädigung von Tierverlusten oder zu Beihilfen (nur) verpflichtet, wenn sich das Tier zur Zeit des Todes oder sonstigen Schadensfalls in Sachsen-Anhalt befand. Den tierseuchenrechtlichen Bestimmungen lässt sich auch nicht entnehmen, dass ein bestehender Beihilfeanspruch bei Aufhebung der Anspruchsgrundlage entfallen soll.

Die Voraussetzungen für eine Härtebeihilfe haben im Zeitraum, in dem die Tiere der Klägerin verendeten (Frühjahr 2003), indes nicht vorgelegen.

Zwar war die Beklagte weder zu einer Entschädigung noch zu einer Beihilfe verpflichtet.

Gemäß § 8 Abs. 1 AG TierSG LSA gewährt die Beklagte den Berechtigten die in den §§ 66 bis 72b TierSG vorgeschriebenen Entschädigungen. Nach § 66 Nr. 2 TierSG wird - vorbehaltlich der in diesem Gesetz bezeichneten Ausnahmen - eine Entschädigung in Geld geleistet für Tiere, bei denen eine anzeigepflichtige Seuche nach dem Tode festgestellt worden ist, sofern die Voraussetzungen gegeben waren, unter denen die Tiere auf behördliche Anordnung hätten getötet werden müssen. Bei den Tieren der Klägerin wurde keine Seuche festgestellt, die in diesem Zeitpunkt anzeigepflichtig war. Die Tierseuche "BVD", die lediglich bei einem verendeten Kalb festgestellt wurde, wurde erst durch Verordnung vom 03.11.2004 mit Wirkung vom 10.11.2004 in die Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen (Nr. 8a) aufgenommen. Die übrigen Tatbestände des § 66 TierSG, in denen eine Entschädigung gewährt wird, sind offensichtlich nicht erfüllt.

Die Beklagte war auch nicht zur Gewährung einer (allgemeinen) Beihilfe gemäß §§ 1 ff. BS verpflichtet. Nach § 10 Abs. 1 AG TierSG LSA kann der Verwaltungsrat der Beklagten durch Satzung bestimmen, dass die Tierseuchenkasse Beihilfen für Tierverluste durch Tierseuchen und seuchenartige Erkrankungen, zu den Kosten der Verhütung und Bekämpfung von Tierseuchen und seuchenartigen Erkrankungen sowie für Schäden infolge von Verhütungs- und Bekämpfungsmaßnahmen gewährt. Für Pferde, Rinder, Schweine und Schafe soll er Beihilfen für den Fall vorsehen, dass vorbeugende Maßnahmen gegen einzelne Tierseuchen für das ganze Land oder Teile des Landesgebietes angeordnet werden, die dem einzelnen Tierbesitzer Kosten verursachen. Die auf dieser Grundlage erlassene BS bestimmt in § 1 Abs. 1, dass die Beklagte Tierbesitzern Beihilfen nach Maßgabe der Anlagen zu dieser Satzung gewährt. Gemäß § 9 BS sind die Anlagen 1, 3 bis 7 und 9 bis 16 der außer Kraft getretenen Beihilfesatzung vom 02.03.1992 (MBl LSA S. 891) Bestandteil der (neuen) BS. Für Maßnahmen zur Bekämpfung der BVD/MD war nach der durch die am 22.03.1994 beschlossenen Änderung der BS (Bek. d. ML v. 16.05.1994 [MBl LSA S. 1462]) die Anlage 8 eingefügt worden; diese trat aber nach dem Beschluss vom 11.04.1995 (Bek. d. ML v. 18.07.1995 [MBl LSA S. 1561]) am Tage nach der Bekanntmachung außer Kraft. Die BS in der Fassung vom 08.12.1999 hat diese Anlage 8 ausdrücklich nicht (wieder) übernommen. Die übrigen im Zeitpunkt der Tierverluste gültigen Anlagen zur BS, auch die durch Beschluss vom 05.10.2000 (Bek. d. MRLU v. 14.11.2000 [MBl LSA S. 1440]) angefügten Anlagen 17 und 18, enthalten keine Regelungen, auf deren Grundlage die Beklagte wegen der hier in Rede stehenden Tierverluste und Maßnahmen zur Ermittlung und Bekämpfung der aufgetretenen Erkrankungen zu Beihilfeleistungen nach den §§ 1 ff. BS verpflichtet gewesen wäre.

Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der von der Klägerin angezeigte Verlust der in Rede stehenden 53 Kälber (insgesamt) auf einer Seuche im Sinne des § 6 BS beruht.

Der Begriff der "Tierseuche" war im TierSG oder sonstigen Gesetzen bis zum Inkrafttreten des dritten Gesetzes zur Änderung des Tierseuchengesetzes (BGBl I 1248) am 26.06.2004 nicht normativ bestimmt. Er war daher für den hier maßgeblichen Zeitpunkt des Seuchenfalls (Frühjahr 2003) nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln. Der allgemeine Sprachgebrauch versteht unter einer "Seuche" das gehäufte Auftreten einer auf einen Krankheitserreger zurückgehenden schweren Erkrankung, die übertragbar ist und sich schnell ausbreitet (vgl. OVG NW, Beschl. v. 21.05.1997 - 13 B 561/97 -, NVwZ 1997, 809; OVG Hamburg, Beschl. v. 28.11.1997 - Bs III 60/97 - Juris). Nach der Begründung zur Neufassung des Viehseuchengesetzes im Jahre 1980 sind Tierseuchen "übertragbare Krankheiten", die auf natürlichem Wege mittelbar oder unmittelbar durch ein übertragbares Agens übertragen werden und vermehrt am gleichen Ort zur gleichen Zeit auftreten können (BT-Drs. 8/2646, S. 11; vgl. auch Rojahn, RdL 1980, 197; OVG NW, Beschl. v. 21.05.1997, a. a. O.; VGH BW, Urt. v. 07.12.1999 - 10 S 2690/98 -, DVBl 2000, 921).

Diese Voraussetzungen erfüllt die BVD. Zu dieser Viruserkrankung heißt es im Lexikon des Landesuntersuchungsamts Rheinland-Pfalz (veröffentlicht im Internet unter http://www lua.rlp.de/Lexikon/B/BVD):

"Das Virus der Bovinen Virusdiarrhoe (BVD) verursacht in jedem Fall schwere wirtschaftliche Verluste, wenn es in einen empfänglichen oder teilempfänglichen Bestand eingeschleppt wird. Es gehört zur gleichen Virusfamilie wie das Virus der Schweinpest. Es ruft zwei unterschiedliche Krankheitsbilder hervor, die eigentliche BVD, eine i.d.R. mild verlaufende Durchfallerkrankung, sowie die schwere, immer tödlich endende Mucosal disease (Schleimhautkrankheit, MD). Das Virus schädigt neben den Schleimhäuten des Verdauungstraktes auch das System der weißen Blutzellen und damit die Infektionsabwehr. Andere im Bestand vorhandene Krankheitserreger werden dadurch in ihrer krank machenden Wirkung gesteigert. BVD-Virus-bedingte Erkrankungen treten daher in den Beständen unter vielfältigen Symptomen auf. Wird die Erkrankung neu in einen Bestand eingeschleppt, sind Fruchtbarkeitsstörungen wie häufiges Umrindern oft die ersten Anzeichen der Erkrankung. In vielen Fällen verläuft die Erkrankung aber auch subklinisch, d h. ohne sichtbare Krankheitszeichen...

Trächtigkeit und MD (Mucosal disease)

BVD-Viren sind nicht einheitlich, es sind zahlreiche unterschiedliche Virusstämme bekannt. Werden tragende Tiere infiziert, die selbst noch keinen Kontakt mit BVD-Virus hatten, kommt es zur Infektion der Frucht im Mutterleib. Je nach Stadium der Trächtigkeit sind dabei unterschiedliche Ausgänge möglich. Im ersten Drittel der Trächtigkeit wird das BVD-Virus wie ein Körperbestandteil behandelt Das Kalb bleibt lebenslang ("persistent") von dem Virus besiedelt, bildet auch im späteren Leben keine Antikörper gegen dieses Virus (Immuntoleranz) und scheidet ständig BVD-Virus in hohen Konzentrationen aus. Die betroffenen Tiere werden als Dauerausscheider, persistent infiziert ("Pl-Tiere") oder auch als "Virämiker" bezeichnet. Erfolgt die Infektion des Kalbes im Mutterleib etwas später, d. h. im ersten Monat des zweiten Drittels der Trächtigkeit, treten Missbildungen auf. Betroffene Kälber können nach der Geburt meist nicht stehen, saufen aber zum Teil noch. Sie leiden häufig an Augen- und Kleinhirnschäden, oft auch an einem Wasserkopf. Kopfnackenhaltung oder Festliegen in Seitenlage sind typische Symptome. Im letzten Drittel der Trächtigkeit ist das Kalb im Mutterleib bereits in der Lage, sich wie ein erwachsenes Tier mit der Infektion auseinander zu setzen. Es bildet bereits im Mutterleib Antikörper gegen das Virus. Anstelle der beschrieben Krankheitsbilder können durch die Infektion in der ersten Trächtigkeitshälfte auch Verkalbungen ausgelöst werden.

Diese Dauerausscheider, die im ersten Drittel der Trächtigkeit mit BVD Virus persistent (fortwährend) infiziert wurden, und nur diese können an der schweren Verlaufsform der Erkrankung, der Mucosal disease, erkranken (s. Abbildung). Ausgelöst wird die Mucosal disease durch eine Zweitinfektion mit einem zellzerstörendem (zytopathogenem) BVD-Virus. Gegen die zellzerstörende Wirkung des zweiten Virus kann sich das Tier aufgrund seiner lmmuntoleranz nicht wehren und verendet schließlich. Das zweite Virus kann dabei von außen in den Bestand eingeschleppt werden, kann aber auch spontan durch Umwandlung aus dem ersten im Tier selbst entstehen.

Krankheitsbild

Typisch für Mucosal disease sind Todesfälle innerhalb weniger Tage in Verbindung mit schwerem Durchfall. Oft sind Blut oder weißliche Fibringerinnsel im Kot zu finden. Weiterhin sind typisch Geschwüre an Flotzmaul, Zahnfleisch, Zunge, Gaumen, Nasenschleimhaut und z. T. auch im Zwischenklauenspalt. Die Geschwüre sind oft auf der unpigmentierten Nasenschleimhaut am besten zu finden. In den meisten Fällen sterben die Dauerausscheider innerhalb der ersten zwei Lebensjahre, oft sind es Kümmerer mit großem Kopf, gedrungenem Leib und struppigem Haarkleid. Einige Tiere können aber auch die Zuchtreife erreichen und die Infektion an ihre Nachkommen weitergeben. Persistent infizierte Kuhfamilien können so entstehen.

Werden dagegen erwachsene Tiere mit dem BVD-Virus infiziert, erkranken sie am vergleichsweise milden Krankheitsbild der BVD. In vielen Fällen verläuft die Infektion subklinisch: Die Tiere haben vorübergehend BVD-Virus im Blut und entwickeln dann Antikörper, die ab etwa 2-3 Wochen nach der Infektion im Blut nachweisbar sind. Sie sind dann nahezu lebenslang gegen die Infektion geschützt. Treten Durchfallerkrankungen auf, sind diese i. d. R. mild und heilen innerhalb weniger Tage ab. In den letzten Jahren sind allerdings neue BVD-Virusstämme (Typ II) aufgetreten, die im Rahmen der eigentlichen BVD auch zu schweren Darmerkrankungen mit erhöhter Blutungsneigung und Todesfällen führen können.

Wird BVD-Virus frisch in einen empfänglichen Bestand eingeschleppt, wird eine über mehrere Jahre ablaufende Kaskade von Krankheitserscheinungen ausgelöst. Fruchtbarkeitsstörungen (Verkalbefälle, Umrindern, frühembryonaler Fruchttod) oder andere Infektionen, die durch die immunschwächende Wirkung der BVD-Viren begünstigt werden - z. B. Atemwegserkrankungen oder Neugeborenendurchfall stehen dabei oft zeitweise im Vordergrund.

Dies steht in Einklang mit den Angaben, die der (sachverständige) Zeuge Dr. Zehle in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gemacht hat. Dieser hat dort angegeben, bei der BVD handele es sich um eine Viruserkrankung, die verwandt sei mit der Schweinepest. Durch die Mutterkuh werde das Kalb im Mutterleib infiziert, und zwar vornehmlich im ersten Drittel der Trächtigkeit. Das Kalb im Mutterleib bilde in diesem Fall keine Antikörper, sei folglich Dauervirusträger und Dauervirusausscheider sein Leben lang. Die Viruserkrankung führe vornehmlich zu Epiteldefekten (Schleimhautdefekte), zu Zielyendefekten (Flimmerhaare), zu deren vollständigem Verlust und habe die Übertragung des Virus zur Immunsuppression (lmmunschwäche) zur Folge, ähnlich wie bei menschlichem HIV-Virus im Vollbild Aids. Sobald das Kalb im Mutterleib etwa nach dem ersten Drittel mit dem Virus im Mutterleib infiziert werde, bilde es Antikörper und werde immunkompetent, d. h. immunisiert, und im Falle einer Übertragung des Virus werde das Jungtier mit Antikörpern geboren, aber in der Regel virusfrei. Dies sei die vertikale Übertragung des Virus vom Muttertier zum Jungrind. Die Infektion auf horizontalem Wege, also von Tier zu Tier verlaufe im Wesentlichen durch Tröpfcheninfektion, insbesondere durch Lecken, Saugen, andere Tierkontakte sowie über so genannte Vektoren, also Gegenstände oder auch Menschen.

Damit erfüllt die BVD die Kriterien für eine "Seuche" im Sinne des TierSG. Durch ein übertragbares Agens (BVD-Virus), das auf natürlichem Wege unmittelbar (vertikal von Muttertier auf Jungrind/Kalb oder horizontal von Tier zu Tier [Dauerausscheider]) übertragen wird, können vermehrt am gleichen Ort zur gleichen Zeit Krankheiten verschiedener Art auftreten. Wird das Virus von persistent infizierten Tieren ausgeschieden, wirkt es innerhalb eines Bestands hoch ansteckend. Für die Eigenschaft als "Tierseuche" spricht auch, dass die BVD seit dem 10.11.2004 durch die Verordnung vom 03.11.2004 (BGBl I 2764) in die Liste der anzeigepflichtigen Tierseuchen aufgenommen wurde. Allerdings wurde nur bei einem der verendeten Kälber bei einer Sektion des Tiers das BVD-Virus positiv festgestellt. Dass auch die übrigen 52 Kälber auf Grund einer Infektion mit diesem Virus verendeten, lässt sich hingegen nicht feststellen. Der (sachverständige) Zeuge Dr. Zehle hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärt, er habe - bis auf den Nachweis bei dem einen untersuchten Kalb - keine Infektion von BVD im Bestand der Klägerin feststellen können. Vor dem Fall habe er etwa 400 Proben aus dem Betrieb ohne BVD-Virusnachweis und danach etwa 1.400 Proben ohne BVD-Nachweis bis einschließlich 05.10.2005 erhalten. Soweit die zugekauften Rinder das BVD-Virus getragen hätten, hätte dies durch die nach dem Seuchenfall durch die Klägerin eingereichten Proben nachgewiesen werden können. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen, sodass es aus seiner Sicht keinen Nachweis dafür gebe, dass der Zukauf von etwa 20 Kühen mitursächlich gewesen sei für die Einschleppung des BVD-Virus in den Bestand der Klägerin. Er könne auch nicht sagen, dass es sich bei dem sezierten Kalb um ein persistent virämisches Tier gehandelt habe, also um ein solches, das bereits im ersten Drittel der Trächtigkeit von der Mutter mit dem BVD-Virus infiziert worden sei. Bei den von ihm durchgeführten Nachweisverfahren handele es sich um eine solches mit absoluter Sicherheit. Auch der Amtstierarzt Dr. R. erklärte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, er können nicht sagen, ob die verendeten Kälber, ausgenommen dasjenige, bei dem BVD festgestellt worden sei, auch an BVD erkrankt und daran verendet seien.

Es bestehen keine Gründe an der Glaubhaftigkeit dieser Aussagen zu zweifeln. Auch muss der Senat diese Zeugen nicht nochmals vernehmen. Es liegt grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es einen im ersten Rechtszug gehörten Zeugen erneut vernimmt. Es kann dessen schriftlich festgehaltene Aussage auch ohne nochmalige Vernehmung zu dem unverändert gebliebenen Beweisthema selbständig würdigen; es darf von der persönlichen Anhörung eines Zeugen oder Beteiligten nur dann nicht absehen, wenn es eine von der Vorinstanz abweichende Glaubwürdigkeitsbeurteilung vornehmen will und es für diese Beurteilung auf den persönlichen Eindruck von dem Zeugen oder Beteiligten ankommt (BVerwG, Beschl. v. 31.08.2006 - 1 B 24.06 - Juris, m. w. Nachw.).

Bei der Verpflichtungsklage - und der Bescheidungsklage als "Minus" der Verpflichtungsklage - geht es indes zu Lasten des Klägers, wenn sich das Gericht vom Vorliegen der den geltend gemachten Anspruch begründenden Tatsachen nicht überzeugen kann (vgl. VGH BW, Beschl. v. 27.07.1989 - 7 S 328/89 -, VBlBW 1990, 154).

Auch die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins können hier nicht herangezogen werden. Der Beweis des ersten Anscheins kommt bei typischen Geschehensabläufen in Betracht, und zwar in Fällen, in denen ein Sachverhalt nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Ursachenzusammenhang hinweist, und infolgedessen wegen des typischen Charakters des Geschehens die konkreten Umstände des Einzelfalls für die tatsächliche Beurteilung ohne Bedeutung sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. Oktober 1981 - 2 C 17/81 -, NJW 1982, 1893; Beschl. v. 11. März 1997 - 2 B 127/96 -, JURIS; Urt. v. 24. August 1999 - 8 C 24.98 -, NVwZ-RR 2000, 256; Beschl. v. 19. März 1996 - 4 B 30.96, - JURIS, m. w. N.). Ein solcher typischer Geschehensablauf ist hier nicht anzunehmen. Einen Erfahrungssatz des Inhalts, dass verendete Kälber an BVD erkrankt waren, wenn im selben Bestand ein BVD-infiziertes Tier verendet war, gibt es nicht, insbesondere dann, wenn - wie hier - bei keiner einzigen weiteren Probe aus dem Bestand (sowohl von Kühen als auch von Kälbern) dieses Virus nachgewiesen werden konnte. Nach der oben zitierten sachverständigen Darstellung kann die Infektion und Erkrankung an BVD auf unterschiedlichen Wegen erfolgen. Soweit es sich bei dem BVD-positiv untersuchten Kalb um ein sog. pesistentes bzw. virämisches Tier (Dauerausscheider) gehandelt haben sollte, war die Gefahr einer Übertragung auf andere Tiere im Bestand zwar verhältnismäßig hoch; in diesem Fall wäre aber nur schwer zu erklären, weshalb es keine weiteren positiven BVD-Nachweise bei Proben aus dem Bestand der Klägerin gab. Im oben bereits zitierten Lexikon des Landesuntersuchungsamts Rheinland-Pfalz wird hierzu im Abschnitt "Bekämpfung" ausgeführt:

"Für die Aufrechterhaltung und Verbreitung der BVD in den Beständen sind in erster Linie die Dauerausscheider verantwortlich, die sich im ersten Drittel der Trächtigkeit mit BVD-Virus infiziert haben. Sie scheiden ständig BVD-Virus in großen Mengen aus und stellen die Hauptinfektionsquelle dar. Wird ein normales erwachsenes Tier infiziert, wird nur wenig BVD-Virus ausgeschieden. Untersuchungen haben ergeben, dass durchschnittlich nur 0,3 weitere Tiere infiziert werden. Die Infektionen erwachsener Tiere führt damit nicht zur Durchseuchung eines Bestandes, wohingegen bei Vorhandensein von Dauerausscheidern i. d. R. der gesamte Bestand durchseucht ist..."

Sofern es sich bei dem sezierten Kalb um ein Tier handelte, das im zweiten Drittel der Trächtigkeit im Mutterleib infiziert wurde, hätten Missbildungen festgestellt werden müssen; dafür gibt es keine Hinweise. Wurde das Kalb im Mutterleib im letzten Drittel der Trächtigkeit oder nach der Geburt infiziert, hätte es Antikörper gegen das Virus gebildet mit der Folge, dass es sich wie ein erwachsenes Tier mit der Infektion hätte auseinandersetzen können; die Erkrankung wäre dann voraussichtlich "mild" verlaufen. Zwar können auf Grund der Schwächung des Immunsystems andere Infektionen, insbesondere Atemwegserkrankungen oder Neugeborenendurchfall auftreten; auch soll es - wie sich den Ausführungen des Landesuntersuchungsamts Rheinland-Pfalz entnehmen lässt - neue Virusstämme geben, die im Rahmen der eigentlichen BVD auch bei einer Infektion im Erwachsenenalter zu schweren Darmerkrankungen mit erhöhter Blutungsneigung und Todesfällen führen können. Schwere Erkrankungen können aber auch ohne eine vorherige BVD-Infektion auftreten.

Zwar mag der Umstand, dass ein Tier aus dem Bestand der Klägerin an BVD erkrankt war, einen gewissen Verdacht begründen, dass diese Infektion Ursache auch für das weitere Kälbersterben im Betrieb der Klägerin war, mehr aber nicht. Der als Zeuge vernommene Tierarzt M. erklärte zwar, er sehe in dem BVD-Virus die Ursache für die Kälbersterblichkeit im Betrieb der Klägerin im Frühjahr 2003. Er hat dies aus dem positiven BVD-Nachweis bei einem Kalb und aus der Tatsache geschlossen, dass sämtliche Untersuchungen vorher und nachher BVD-negativ verlaufen seien. Dieser Schluss ist jedoch nicht zwingend und wird durch nichts weiter erhärtet. Insbesondere der Umstand, dass keine weiteren positiven BVD-Befunde vorlagen, kann - wie schon dargelegt - auch als Anhaltspunkt dafür gewertet werden, dass die übrigen 52 verendeten Tiere nicht, zumindest nicht alle, an diesem Virus erkrankt waren. Die Beklagte führt das erhöhte Verlustgeschehen hingegen auf "crowding assoziierte" Erkrankungen zurück. Solche seien einschlägig bekannt und träten auf, wenn Tiere aus verschiedenen Herkünften zusammengeführt würden und ein Austausch der spezifischen Keimflora, welche die einzelnen Tiere mitbrächten, unter diesen stattfinde. Dies erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen. So ist bei der "enzootischen Bronchopneumonie der Rinder" (EBP), der sog. "Kälbergrippe" oder "Rindergrippe", eine "crowding assoziierte" Form bekannt (vgl. die Internetseite der Ludwigs-Maximilians-Universität München - tierärztliche Fakultät - Klinik für Wiederkäuer, http://www2.vetmed.uni-muenchen.de/med2/skripten/b4-4.html). Als unbelebte Faktoren komme eine Überbelegung der Ställe sowie unzureichende und/oder fehlende Belüftung mit der Folge ansteigender Luftfeuchtigkeit, steigendem Keimdruck und Anreicherung von Schadgasen in Betracht. Der Distress durch Transport und Crowding könne aber auch so überwältigend sein, dass die Krankheit auch unter idealen Klimabedingungen ausbrechen könne. Der Tierarzt M. erklärte, dass die Haltungsbedingungen zwar "nicht schlecht" bzw. "vertretbar" gewesen seien, das Entlüftungssystem der Stallanlage aber erneuerungsbedürftig gewesen sei. Ähnlich äußerte sich der Amtstierarzt, Dr. R.. Nach dem Bericht des Tierarzts M. vom 18.02.2004 über das Krankheitsgeschehen im Betrieb der Klägerin (Bl. 131 ff. des Verwaltungsvorgangs) blieben die Untersuchungen eingesandter Tupferproben an die Tierärztliche Hochschule Hannover lange Zeit ohne den erhofften Nachweis spezifischer Krankheitserreger. Nach der beigefügten Darstellung der Untersuchungsergebnisse wurden in den eingesandten, von Kälbern genommenen (Tupfer-)Proben meist unspezifische Keimgehalte und im Übrigen Krankheitserreger unterschiedlicher Art ermittelt.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die 52 Kälber, bei denen keine BVD/MD-Infektion positiv festgestellt wurde, an einer anderen Tierseuche erkrankt waren. Wie bereits dargelegt, wurden überwiegend unspezifische Keimgehalte und verschiedenartige Erreger ermittelt. Das Bovine Respiratorische Synzytial-Virus (BRSV), der als ein Auslöser der sog. "Kälbergrippe" oder "Rindergrippe" in Betracht kommt (vgl. die o. a. Internetseite der Uni München) wurde nach den Aussagen des sachverständigen Zeugen Dr. Zehle lediglich bei zwei Kühen festgestellt. Insoweit kann offen bleiben, ob es sich bei dieser Infektion um eine Tierseuche im Sinne der tierseuchenrechtlichen Bestimmungen handelt. Genügende Anhaltspunkte dafür, dass die 52 Kälber an einer anderen Krankheit litten, die den oben dargestellten Begriff der "Tierseuche" erfüllen würde, sind nicht vorhanden.

Es ist indessen nicht erkennbar, weshalb im Fall der Nichtgewährung einer Beihilfe für das eine Kalb, bei dem eine Infektion mit dem BVD/MD-Virus positiv festgestellt wurde, für die Klägerin eine unbillige Härte entstehen würde.

Hinsichtlich des Begriffs der "unbilligen Härte" kann auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die für die Auslegung des § 70 TierSG maßgebend sind. Nach dieser Vorschrift kann die Entschädigung in den Fällen des § 69 Abs. 1 und 3 TierSG u. a. dann teilweise gewährt werden, wenn die Versagung der Entschädigung für den Besitzer eine unbillige Härte bedeuten würde. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 11.09.2003 - 2 L 458/00 -, Juris) steht, sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, die Entscheidung über die Gewährung einer Entschädigung im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Erst das Vorliegen einer unbilligen Härte eröffnet den Weg zu einer entsprechenden Ermessensentscheidung. Die Härtefallregelung dient dazu, einer rechtlichen Unausgewogenheit zu begegnen, die sich ergeben kann, wenn auf Grund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls der Anwendungsbereich einer Vorschrift und deren materiellen Zielrichtung nicht miteinander übereinstimmen; in derartigen Ausnahmefällen soll der generelle und damit zwangsläufig auch schematische Geltungsanspruch der übrigen Entschädigungsvorschriften zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit durchbrochen werden können. Übertragen auf die Vorschrift des § 6 BS bedeutet dies, dass (nur) in solchen Ausnahmefällen - auch die Ermächtigungsnorm des § 10 Abs. 2 AG TierSG LSA spricht von "einzelnen besonderen" Härtefällen - eine Härtebeihilfe nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt werden kann, in denen die schematische Anwendung der übrigen tierseuchenrechtlichen Beihilferegelungen zu einem unbilligen Ergebnis führen würde. Die Versagung der Entschädigung oder Beihilfe für einen Tierbesitzer stellt jedenfalls dann keine unbillige Härte dar, wenn die begehrte Beihilfe gemessen am Gesamtumfang des landwirtschaftlichen Betriebs nur geringfügig ist (vgl. VGH BW, Urt. v. 10.05.2000 - 1 S 130/00 -, RdL 2000, 275). Der Wert eines Kalbes hat die Klägerin mit 190 € bis 250 € angesetzt (vgl. Bl. 5 des Verwaltungsvorgangs). Dieser Betrag ist, auch wenn man anteilig Tierarzt-, Labor- und Beratungskosten hinzurechnet, im Verhältnis zum Gesamtumfang des Betriebs der Klägerin nur geringfügig, so dass die Nichtgewährung eines entsprechenden Beihilfebetrags keine unbillige Härte für sie bedeutet.

Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 BS nicht vorliegen, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Klägerin die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe nach § 7 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 BS erfüllt, wonach der Tierhalter Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Tierseuchen sowie anderen seuchenartigen Erkrankungen in Zusammenhang mit der Beihilfe auslösenden Maßnahme in ihrem Betrieb durchgeführt und vom Land erlassene Bekämpfungsrichtlinien für die betreffende Tierseuche oder seuchenartige Erkrankung eingehalten haben muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 Satz 1, 708 Nr. 11 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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