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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 06.02.2004
Aktenzeichen: 2 L 247/00
Rechtsgebiete: ÄAppO, GG
Vorschriften:
ÄAppO § 14 VI | |
GG Art. 12 I |
Dieser ist bei einem Frage-Antwort-Verfahren dann nicht verletzt, wenn die vorgegebenen Antworten alle Möglichkeiten einfangen, so dass der Prüfling ohne besondere Begründung die "richtige" Antwort finden kann.
2. Die vorgegebene Antwort muss verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig sein.
Lässt die Frage mehrere vertretbare Antworten zu, so ist sie in der Regel ungeeignet. Aus Gründen der Gleichbehandlung kann eine "Gutschrift" erforderlich sein, um den Prüfling mit anderen gleichzustellen, die ebenfalls eine nur "vertretbare" Lösung gefunden haben.
3. Für die "Vertretbarkeit" kommt es auf den Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Vorbereitung auf die Prüfung an.
4. Sachverständigen-Gutachten sind in dem Rahmen unerheblich, in welchem der prüfenden Behörde der Beurteilungsspielraum zusteht.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL
Aktenz.: 2 L 247/00
Datum: 06.02.2004
Tatbestand:
Die Klägerin absolvierte ... 1996 die zweite Wiederholungsprüfung für den ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung. Mit Ergebnismitteilung vom ... eröffnete ihr die Beklagte, dass sie nur 162 Fragen richtig beantwortet und die Bestehensgrenze von 166 richtigen Fragen nicht erreicht habe. Ihre Prüfungsleistung werde mit der Note "mangelhaft" und mit "nicht bestanden" bewertet.
Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag teilte die Beklagte ihr mit, dass nach Nichtbestehen der zweiten Wiederholungsprüfung die Prüfung zum Ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung endgültig nicht bestanden sei und auch nach Wiederholung des Studiums nicht zulässig sei.
Die dagegen erhobenen Widersprüche (...) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom ... zurück.
Am ... hat die Klägerin dagegen Klage vor dem Verwaltungsgericht Halle erhoben. Unter Vorlage verschiedener Lehrbuchauszüge und bestätigender Stellungnahmen von Professoren hat sie die Bewertung von sechs Aufgaben der schriftlichen Prüfung gerügt; bei diesen handelte es sich um folgende Fragen:
1. Frage A 8 vom ersten Prüfungstag:
Bei welcher der nachstehend aufgeführten Veränderungen ist die Inzidenz kolorektaler Karzinome am größten ?
Mögliche Antworten:
A solitäres, tubuläres Adenom
B solitäres, villöses Adenom
C Colitis ulcerosa
D M. Crohn
E familiäre Adenomatosis coli
Lösung des IMPP: E
Die Antwort der Klägerin: C
2. Frage A 23 vom ersten Prüfungstag:
X-chromosomal-gebundene Agammaglobulinämie (Bruton) verursacht eine besondere Gefährdung bei Infektionen mit
Mögliche Antworten:
(A) Haemophilus influenzae
(B) Mycobakterium tuberculosis
(C) Candida albicans
(D) Masernvirus
(E) Epstein-Barr-Virus
Lösung des IMPP: A
Die Antwort der Klägerin: B
3. Frage A 5 vom zweiten Prüfungstag:
Die antiemetische Wirkung ist typisch für
Mögliche Antworten:
A ß-Adenozeptorantagonisten
B Opioide vom Morphintyp
C Neuroleptika vom Phenothiazintyp
D Calciumkanalblocker vom Nifedipintyp...
E herzwirksame Glykoside...
Lösung IMPP: C
Die Antwort der Klägerin: B
4. Frage A 8 vom zweiten Prüfungstag:
Voraussetzung für die Wirkung des Magensekretionshemmstoffes Omeprazol ist seine
Mögliche Antworten:
A hohe Affinität zu m-Cholinozeptoren....
B bevorzugte Bindung an den Ulkusgrund.....
C Aktivierung durch hohe Wasserstoffionenkonzentration
D bevorzugte Resorption bei niedrigem pH-Wert
E keine der in (A) bis (D) genannten Mechanismen trifft zu ......
Lösung des IMPP: C
Die Antwort der Klägerin: E
5. Frage A 79 vom zweiten Prüfungstag:
Das Antazidum Aluminiumhydroxid
1. wirkt laxierend....
2. hat eine geringere Säurebindungskapazität als Magnesiumhydroxid
3 hemmt die enterale Phosphatresorption
4 vermindert die Resorption von Tetracyclinen
Mögliche Antworten:
nur 1 ist richtig
nur 1 und 2 sind richtig
nur 3 und 4 sind richtig
nur 2,3 und 4 sind richtig
1-4 = alle sind richtig
Lösung des IMPP: D
Die Antwort der Klägerin: C
6. Frage A 97 vom zweiten Prüfungstag:
Ein systematischer Fehler liegt vor, wenn z. B. der Nullpunkt einer Waage verstellt ist kann in der klinischen Chemie mit Hilfe von Kontrollkarten erkannt werden kann durch Wiederholungsmessungen im Prinzip beliebig klein gemacht werden ist im Prinzip korrigierbar
Mögliche Antworten:
Keine der Aussagen 1-4 ist richtig.
nur 1 und 2 sind richtig
nur 3 und 4 sind richtig
1,2 und 3 sind richtig
nur 1,2 und 4 sind richtig
Lösung des IMPP: E
Die Antwort der Klägerin: B
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen: Die Frage A 23 vom 1. Prüfungstag (2.) könne nicht allein so verstanden werden, dass ein an Agammaglobulinämie (Bruton) leidender Patient der Gefahr eines erhöhten Ausbruchs der unter A bis E aufgeführten Krankheiten unterliege, sondern anhand ihrer Formulierung auch so, ob eine besondere Gefährdung eines an Agammaglobulinämie leidenden Patienten eintrete, wenn bei diesem darüber hinaus eine der unter A bis E aufgeführten Krankheiten ausbreche. Dann sei neben der von der Beigeladenen vorgegebenen Antwort auch die von ihr gewählte Antwort B richtig. Die Frage sei missverständlich formuliert. Bei der Frage A 97 vom zweiten Prüfungstag (6.) sei die von der Beigeladenen vorgegebene Antwort falsch, weil ein systematischer Fehler nicht korrigierbar sei. Systematische Fehler könnten nicht (oder fast nicht) bearbeitet, eliminiert und nicht berechnet werden, da mit dem Begriff "im Prinzip" der Begriff "grundsätzlich" gemeint sei, sei festzustellen, dass systematische Fehler nur in Ausnahmefällen korrigierbar seien, grundsätzlich jedoch nicht. Hinsichtlich der Frage A 5 vom zweiten Prüfungstag (3.) sei zu berücksichtigen, dass mit dieser nicht nach einem Antiemetikum gefragt worden sei, sondern nach der typischen antiemetischen Wirkung eines der aufgeführten Medikamente. Eine derartige antiemetische Wirkung sei nach der medizinischen Fachliteratur sowie nach den von ihr vorgelegten Gutachten insbesondere auch typisch für Opioide vom Morphintyp (Spätwirkung, welche ein Erbrechen häufig nahezu unmöglich mache). Bei der Frage A 79 vom zweiten Prüfungstag (4.) sei die von der Beigeladenen vorgegebene Antwort D nicht richtig bzw. unlösbar, weil in der Mehrzahl der gängigen Lehrbücher und der Fachliteratur zwischen der Wertigkeit von Aluminiumhydroxid und Magnesiumhydroxid hinsichtlich der Säurebindungskapazität nicht unterschieden bzw. dazu keine Angaben gemacht würden. Deshalb sei auch von einem Prüfling nicht zu erwarten, dass er über solche Kenntnisse verfüge. Die Frage A 8 vom ersten Prüfungstag (1.) sei nicht eindeutig formuliert und deshalb nicht zu beantworten. Die Beigeladene habe den Begriff Inzidenz bei der Fragestellung falsch gebraucht, so dass die Frage missverständlich und deshalb nicht zu beantworten sei. Inzidenz sei ein eindeutig epidemisch determinierter Begriff, der die Anzahl der Neuerkrankungen an einer bestimmten Krankheit in einem Jahr pro 100.000 Einwohner meine. So sei der Begriff an der Martin-Luther-Universität von den dort lehrenden Dozenten verstanden und ihr vermittelt worden. Auch die Frage A 8 vom zweiten Prüfungstag (4.) sei ohne weitere Zusätze missverständlich. Der medizinischen Fachliteratur sei zu entnehmen, dass der ungeschützte Wirkstoff Omeprazol durch die Magensäure, also durch eine hohe Wasserstoffkonzentration, zerstört werde und keine Wirkung mehr entfalten könne. Deshalb müsse Omeprazol mit einem magensaftresistenten Überzug versehen werden. Erst nach dem Erreichen der Belegzellen würde Omeprazol infolge der hohen Wasserstoffionenkonzentration chemisch umgewandelt und damit aktiviert. Aus der Fragestellung sei nicht erkennbar, dass damit nur die Reaktion von Omeprazol in der Belegzelle gemeint sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Bescheide des Beklagten vom ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihre Prüfung im Ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung ... für bestanden zu erklären.
Der Beklage hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und hat im Übrigen wegen der inhaltlichen Bewertung der Prüfung auf die Stellungnahme der Beigeladenen verwiesen.
Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die gerügten Fragen für unmissverständlich und die von ihr vorgegebenen Antworten unter Hinweis auf Lehrbücher und Stellungnahmen medizinischer Sachverständiger für fehlerfrei gehalten. Bei der Frage A 23 vom ersten Prüfungstag (2.) werde eindeutig nach dem erhöhten Risiko des Ausbruchs der aufgeführten Krankheiten bei einem unter Bruton leidenden Patienten gefragt. Bei der Frage A 97 vom zweiten Prüfungstag (6.) ergebe sich schon aus der Fragestellung und den übrigen vorgegebenen Antworten (z. B.: Nullpunktverstellung der Waage), dass ein systematischer Fehler im Prinzip korrigierbar sei. Bei der Frage A 5 des zweiten Prüfungstags (3.) sei die von der Klägerin gewählte Antwort schon deshalb falsch, weil Opioide typischerweise zunächst Erbrechen auslösten, so dass Antiemetika verabreicht werden müssten und erst später unter Umständen eine erbrechensverhindernde Wirkung auslösten. Neuroleptika vom Phenothiazintyp würden dagegen gerade als Antiemetikum eingesetzt. Bei der Frage 79 vom zweiten Prüfungstag (5.) könne der Vortrag der Klägerin keinen Erfolg haben. Die Neutralisationskapazität von Antazidia werde in vitro bestimmt. Selbst in den von der Klägerin zitierten Lehrbüchern würde teilweise auf die geringe Säurebindungs- und Neutralisationskapazität hingewiesen. Die Begriffe Säurebindungs- und Neutralisationskapazität würden in der Medizin synonym gebraucht. Hinsichtlich der Frage A 8 vom ersten Prüfungstag (1.) dürfe der Begriff Inzidenz nicht losgelöst, sondern müsse im Zusammenhang mit der Fragestellung betrachtet werden. Dem Aufgabenstamm sei eindeutig zu entnehmen, dass Bezugsgruppe nicht die Allgemeinbevölkerung, sondern die jeweilige Gesamtheit von Personen sei, die an einer der aufgeführten Veränderungen leiden würden. Bei der Frage A 8 vom zweiten Prüfungstag (2.) sei nicht nach dem Abbau oder der Darreichungsform von Omeprazol gefragt worden, sondern allein nach der Voraussetzung für dessen Wirkung. Omeprazol werde allein durch eine hohe Wasserstoffionenkonzentration aktiviert. Selbst wenn es ungeschützt verabreicht werde, entfalte es noch in den Belegzellen Wirkung.
Zu den von der Klägerin gerügten Fragen hat das Verwaltungsgericht mit Beweisbeschluss vom 25.05.1999 verschiedene Sachverständigengutachten eingeholt.
Mit Urteil vom 25.05.2000 hat es der Klage stattgegeben:
Die Klägerin habe fünf der sechs gerügten Fragen erfolgreich beanstandet. Sie habe damit die relative Bestehensgrenze erreicht. Die Frage A 8 vom ersten Prüfungstag (4.) sei infolge falscher Begriffswahl nicht geeignet gewesen, eine eindeutige Antwort zu liefern. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen sei der Begriff der Inzidenz nicht identisch oder gleichzusetzen mit dem Begriff Risiko. Es handle sich vielmehr um einen epidemischen Begriff. Der Gutachter Prof. A. habe überzeugend dargelegt, dass eine Gleichsetzung der Begriffe nicht dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspreche und im Ergebnis in der Praxis schwerwiegende Folgen hätte. Der Sachverständige Prof. B. und Prof. C. als wissenschaftlicher Beistand der Klägerin hätten sich diesen Ausführungen angeschlossen. Die Frage A 97 vom zweiten Tag (6.) sei von der Klägerin, ein systematischer Fehler sei im Prinzip nicht korrigierbar, richtig beantwortet worden. Der Gutachter Prof. B. habe in seinem Gutachten ausgeführt, bei dieser Fragestellung sei die Person des Betrachters entscheidend. Ein Techniker könne selbstverständlich einen systematischen Fehler im Messsystem korrigieren; einem Arzt sei das nicht möglich, weil er den Fehler im System gar nicht erkennen könne. Aus der Frage ergebe sich nicht, ob sie an einen Techniker oder an einen Mediziner gerichtet sei. Diesen Ausführungen hätte der Sachverständige Prof. A. zugestimmt. In der medizinischen Biometrie sei der systematische Fehler nicht korrigierbar. Es sei dem Arzt nicht möglich, die Richtigkeit von vorgegebenen Daten zu überprüfen. Auch die Frage A 5 vom zweiten Prüfungstag (3.) habe die Klägerin erfolgreich gerügt. Der zwischenzeitlich verstorbene Gutachter Prof. D. habe ausgeführt, die Verabreichung von Opioiden des Morphintyps hemme das Brechzentrum, bei späterem Entzug trete Erbrechen auf. Die antiemetische Wirkung der Opioide würde neben der schmerzstillenden Wirkung bei der Therapie krebskranker Patienten (Chemotherapie) gezielt genutzt. Der Sachverständige Prof. A. habe erklärt, im Tumor- und Krebszentrum seiner Universität würden Opioide neben dem Schmerzeffekt auch wegen der antiemetischen Wirkung eingesetzt. Vom Prüfling könne nicht von verschiedenen, möglichen Antworten nur die am ehesten richtige verlangt werden. Übten sowohl Opioide als auch Neuroleptika typischerweise eine antiemetische Wirkung aus, so sei die Antwort der Klägerin richtig. Auch die Frage A 23 vom ersten Prüfungstag (2.) habe die Klägerin erfolgreich gerügt. Diese Frage sei so, wie sie gestellt sei, missverständlich. Sowie sie gestellt sei, könne man auch davon ausgehen, dass nach der erhöhten Gefährdung eines an Bruton leidenden Patienten gefragt sei, bei dem darüber hinaus noch eine der weiteren in den Antworten aufgeführten Krankheiten ausbreche. Dem könne die Beigeladene nicht entgegen halten, aus den Antworten hätte sich der Klägerin erschließen müssen, dass die Frage anders hätte verstanden werden müssen. Soweit die Beigeladene ausgeführt habe, dass gerade bei Agammaglobulinämie wegen der Schwäche nur eines Teils des Immunsystems, die erhöhte Gefahr der Infektion mit Haemophilius influenzae bestehe, habe der Sachverständige Prof. E. erklärt, dass nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand bei Bruton auch eine erhöhte Gefährdung der Infektionen mit anderen Krankheiten bestehe. Die von der Klägerin gewählte Auslegung der Frage sei die richtigere. Dies hätte auch der wissenschaftliche Beistand der Klägerin bestätigt. Die Frage A 79 vom zweiten Prüfungstag (5.) sei richtig beantwortet. Für den Arzt seien nur die "in vivo"-Bedingungen maßgeblich, die Säurebindungskapazität sei nur bei "in vitro"-Bedingungen bestimmbar. Die richtige Antwort der Klägerin ergebe sich aus der medizinischen Fachliteratur. In den Lehrbüchern "Taschenatlas der Pharmakologie", "Pharmakologie und Toxikologie" (Kuschinsky u.a.), und "Pharmakologie und Toxikologie" (Küttler) werde zwischen Aluminiumhydroxid und Magnesiumhydroxid nicht unterschieden. Nach dem Lehrbuch "Allgemeine und spezielle Pharmakologie" (Forth u.a.) sei eine genaue Wirkungsbemessung von Antacida nicht möglich. Demgegenüber sei nach den Lehrbüchern "Pharmakologie und Toxikologie" (Wellhörner), "Pharmakologie und Toxikologie" (Estler) und "Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie" die Wirkung von Aluminiumhydroxid geringer als Magnesiumhydroxid. Damit würden unterschiedliche, aber medizinisch vertretbare Auffassungen gelehrt. Damit sei die von der Klägerin gewählte Antwort vertretbar und somit richtig. Darauf, ob die Frage A 8 vom zweiten Prüfungstag (4.) richtig oder falsch beantwortet sei, komme es nicht mehr an, weil die Klägerin mit vier als richtig gewerteten Fragen 166 Punkte erreicht und damit die relative Bestehensgrenze (165) übertroffen habe.
Die Beklagte und die Beigeladene haben gegen das Urteil den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.
Mit Beschluss vom 08.08.2002 hat der Senat die Berufungen nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen.
Die Berufungsklägerinnen haben die Berufungen wie folgt begründet:
Die gerügten Aufgaben seien weder fehlerhaft gestellt noch von der Klägerin richtig oder vertretbar beantwortet worden. Die Frage A 23 vom 1. Prüfungstag (2.) sei nicht missverständlich formuliert, sie sei schlicht so gemeint, wie sie heißt: X-chromosonal gebundene Agammaglobulinämie (Bruton) verursacht eine besondere Gefährdung bei Infektionen mit Haemophilus influenzae, weil Gammaglobuline für dessen Bekämpfung sehr wichtig sei und so die Infektion mit Haemophilus influenzae bei diesen Patienten einen längeren bzw. rekurrierenden und überhaupt schweren Verlauf nehme. X-chromosonal gebundene Agammaglobulinämie (Bruton) verursache dagegen keine besondere Gefährdung bei Infektionen mit Mykobacterium tuberculosis, weil Gammaglobuline bei dessen Abwehr keine wesentliche Rolle spielen, so dass Bruton-Patienten genauso gefährdet seien wie andere auch. Dies ergebe sich aus im Fachschrifttum veröffentlichten, gesicherten medizinischen Erkenntnissen. Zur Frage A 97 vom zweiten Prüfungstag (6.) sei anzumerken, dass ein systematischer Fehler auf einer Fehlerquelle beruhe, die identifizierbar sei. Nach einer Identifizierung könne der Fehler korrigiert werden. Ein Beispiel für diese Korrigierbarkeit sei in der Aufgabe selbst angegeben: die Nullpunktverstellung einer Waage. Die Klägerin habe sich über den Begriff "im Prinzip" geirrt, er bedeute nicht "immer", sondern "möglich mit Ausnahmen". Wenn die gutachtliche Stellungnahme von Prof. B. ausführe, der systematische Fehler sei vom Techniker stets, vom Biostatiker im Prinzip nicht korrigierbar, dann nehme er eine Einschränkung vor, die in der Frage nicht enthalten gewesen sei.
Bei der Frage A 5 vom 2. Prüfungstag (3.) könne die vorgetragene Behauptung, die brechreizhemmende Wirkung der Opioide vom Morphintyp sei unstreitig um ein Vielfaches stärker als die der Neuroleptika vom Phenothiazintyp, durch Literaturangaben nicht belegt werden. Der Fachliteratur sei vielmehr zu entnehmen, dass Neuroleptika zu den bei starkem Erbrechen eingesetzten Antiemetika gehörten, während Opioide eine ambivalente Wirkung auf Übelkeit und Erbrechen hätten und somit nicht zu den wesentlichen antiemetisch wirkenden Arzneistoff-Gruppen zählten. Dies ergebe sich aus der Fachliteratur. Bei der Frage A 79 vom zweiten Prüfungstag (5.) habe sie als Antwort festgelegt, Aluminiumhydroxid habe eine geringere Säurebindungskapazität als Magnesiumhydroxid. Literaturzitate, in denen die Säurebindungskapazität von Aluminiumhydroxid im Vergleich mit derjenigen von Magnesiumhydroxid explizit als größer oder gleich groß beschrieben würde, wie die Klägerin behaupte, könne sie nicht vorweisen. Lehrbuchzitate belegten hingegen, dass sich die Säurebindungskapazität von Antazida einfach numerisch ablesen lasse. Die Frage A 8 vom ersten Prüfungstag (1.) sei eindeutig gestellt und beantwortbar. Sie sei von 65 % der Prüflinge und von 72,9 % der Referenzgruppenteilnehmer richtig beantwortet worden. Die Klägerin habe sich den Anforderungen des Antwort-Wahl-Verfahrens entzogen und versucht, einen Unterschied zwischen den Begriffen "Inzidenz" und "Risiko" zu belegen. Richtig sei hingegen, dass Patienten mit einer "Adenomatosis coli" eine zahlenmäßig definierte Population sei. Bei keiner der anderen genannten Erkrankungen kämen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne mehr kolorektale Karzinome vor. Für die betroffenen Adenomatosis-coli-Kranken ergebe sich folglich, dass im Vergleich zu den anderen Befunden höchste Risiko, und zwar unabhängig davon, ob man "Inzidenz" und "Risiko" gleichsetze oder Letzteres aus Ersterem berechne. Bei der Frage A 8 vom 2. Prüfungstag (4.) werde die fehlende Stichhaltigkeit der klägerischen Argumentation deutlich, wenn man sich die Bedeutung des Begriffs "Voraussetzung" vergegenwärtige. Der Terminus bezeichne eine Bedingung, ohne die etwas bestimmtes Anderes nicht möglich sei. Dies bedeute, dass die Wirkung von Omeprazol nur nach Aktivierung des Arzneistoffs durch eine hohe Wasserstoffionenkonzentration zustande kommen könne, während sie ohne dieses Milieu ausbleibe. Dies lasse sich eindeutig aus der Literatur entnehmen. Da in der Aufgabe nicht von einer "einzigen" oder "hinreichenden" Voraussetzung die Rede sei, werde keine Aussage über weitere Randbedingungen für die Wirkung von Omeprazol getroffen. Entgegen der Auffassung der Klägerseite sei es für die Richtigkeit des vorgesehenen Lösungstexts ohne Belang, in welchem Kompartiment des Organismus das Omeprazol auf die hohe Wasserstoffionenkonzentration zu treffen habe.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihre bisherige Begründung sowie das erstinstanzliche Urteil und trägt weiter vor: Mit der Stellungnahme vom 20.03.2003 bestätige der von der Beigeladenen selbst vorgeschlagene Gutachter Prof. A. erneut, dass die Frage A 8 vom ersten Prüfungstag (1.) falsch oder zumindest nicht korrekt formuliert worden sei. Dies bestätige er auch für die Frage A 97 vom zweiten Prüfungstag (6.). Die Gesellschaft für deutsche Sprache habe mit Schreiben vom 10.11.1998 bestätigt, dass die Formulierung im "Prinzip korrigierbar" im Deutschen üblicherweise so verstanden werde, dass etwas in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle korrigierbar sei, Ausnahmefälle seien möglich. Die Auslegung der Formulierung "im Prinzip korrigierbar" in dem Sinne, dass ein systematischer Fehler von seinem Prinzip (seiner Grundbeschaffenheit) her korrigierbar sei, d. h. auch dann nicht völlig unkorrigierbar sei, wenn er in der Mehrzahl aller Fälle nicht korrigierbar sei, d. h. auch dann nicht völlig unkorrigierbar sei, wenn er in der Mehrzahl aller Fälle nicht korrigiert werden könne, so wäre die Formulierung "im Prinzip" nicht mehr phrasematisch (als Ganzes) verstanden, sondern das Wort "Prinzip" wäre kontextisoliert in einer bestimmten lexikalischen Bedeutung gemeint und damit nicht sprachüblich. Opioide vom Morphintyp hätten nicht nur eine antiemetische Wirkung, sondern würden sogar gezielt als Antiemetika eingesetzt (A 23 vom ersten Prüfungstag [2.]). Dies belegten Literaturstellen und die Stellungnahmen von drei Professoren. Bei der Frage A 23 vom ersten Prüfungstag (2.) sei die Wortwahl der Beigeladenen falsch. So wie die Frage formuliert worden sei, habe sie dahingehend verstanden werden müssen, dass ausschließlich nach der Gefährdung derjenigen Brutonerkrankten gefragt worden sei, bei denen bereits eine Infektion mit den unter A bis E genannten Erregern vorliege. Dies werde ebenfalls von drei Professoren bestätigt. Hinsichtlich der Frage A 79 des zweiten Prüfungstags (5.) komme sie zu dem Ergebnis, dass Aluminiumhydroxid eine höhere Säurebindungskapazität habe als Magnesiumhydroixid. Die gewählte Antwort sei angesichts der medizinischen Fachliteratur auch vertretbar. Die Frage A 8 vom zweiten Prüfungstag (4.) sei auf die Voraussetzung der Wirkungen eines Magensekretionshemmstoffs (Omeprazol) gerichtet. Nach der Antwort der Beigeladenen sei dies die Aktivierung durch hohe Wasserstoffionenkonzentration. Allerdings könne eine hohe Wasserstoffionenkonzentration die gewünschte Wirkung von Omeprazol sowohl aufheben als auch hervorrufen. Eine Aufhebung erfolge im sauren Milieu des Magens, eine Hervorrufung im Dünndarm (in den Belegzellen). Feststehe aber, dass eine hohe Wasserstoffionenkonzentration sich an beiden Orten befinde. Demnach sei bei Omeprazol für seine Wirkungsentfaltung wichtig, dass die Aktivierung ausschließlich in der Belegzelle des Dünndarms, nicht dagegen bereits im Magen erfolge. Dies folge aus der Fachliteratur. Vor diesem Hintergrund könne nach der Aktivierung von Omeprazol durch hohe Wasserstoffionenkonzentration verständlicherweise nur mit der zusätzlichen Angabe "in den Belegzellen" gefragt werden; dieser Zusatz fehle in der Fragstellung. Die Frage sei daher nicht ausreichend konkretisiert. Hieraus folge entgegen der Auffassung der Beigeladenen, dass die Frage nicht eindeutig zu beantworten gewesen sei. Ihre Antwort sei daher richtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind begründet.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig, die Klage ist daher abzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der erste Abschnitt ihrer Ärztlichen Prüfung mit "ausreichend" für bestanden erklärt wird.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 14 Abs. 6 der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.07.1987 (BGBl. I S. 1593) - ÄAppO-Bek87 - hier maßgeblich in der Fassung vom 21.12.1989 (BGBl. I S. 2549) - ÄApprO-Änd89 -. Danach ist die schriftliche Prüfung in der Ärztlichen Vorprüfung bestanden, wenn der Prüfling mindestens 60 v. H. der gestellten Prüfungsfragen zutreffend beantwortet hat oder wenn die Zahl der vom Prüfling zutreffend beantworteten Fragen nicht mehr als 22 v. H. die durchschnittlichen Prüfungsleistungen der Prüflinge unterschreitet, die nach der Mindeststudienzeit von drei Jahren bei dem Ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung erstmals an der Prüfung teilgenommen haben.
I. Die Bewertung von Leistungen in einer Berufszugangsprüfung, wie sie auch die Ärztliche Vorprüfung darstellt (BVerfG, Beschl. v. 17.04.1991 - 1 BvR 1529/94 -, BVerfGE 84, S. 59 ff.), enthält einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl. Daraus folgt, dass die Leistungen, die in einer solchen Prüfung gefordert werden, und die Maßstäbe, nach denen die erbrachten Leistungen zu bewerten sind, einer gesetzlichen Grundlage bedürfen und das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist (BVerfG, Beschl. v. 14.03.1989 80 - 1 BvR 1033/82, 174/84 -, BVerfGE 80, 1 [24]). Der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG bezieht sich auch auf die Durchführung des Prüfungsverfahrens (BVerfG, Beschl. v. 13.11.1979 - 1 BvR 1022/78 -, BVerfGE 52, 380 [389]). Der Bürger hat nach Art. 19 Abs. 4 GG einen Anspruch darauf, dass diese Rechtsstellung durch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle gewährleistet wird. Das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) gilt nicht nur für die inhaltliche Ausgestaltung von berufsbezogenen Prüfungen, sondern auch für die Durchführung des Prüfungsverfahrens (BVerwG, Urt. v. 17.05.1995 - BVerwG 6 C 8.94 -, Buchholz 421.0 [Prüfungswesen] Nr. 348, S. 71).
1. Da der Prüfling beim Frage-Antwort-Verfahren nicht die Gelegenheit hat, seine Lösung zu begründen, hat er beispielsweise bei fachlichen Streitfragen nicht die Möglichkeit, sich in diesem Punkt mit dem Prüfer auseinander zu setzen. Sein Antwortspielraum ist auf die Auswahl zwischen den Antwortmöglichkeiten begrenzt. Daraus folgt, dass alle denkbaren Interpretationen der Frage und alle möglichen Antworten bereits bei der Abfassung der Fragestellung vorausgesehen und durch Formulierungsvarianten erfasst werden müssen. Nur wenn das gelingt, ermöglicht die Aufgabe zuverlässige Prüfungsergebnisse, wie es von § 14 Abs. 2 ÄAppO gefordert wird. Den Anforderungen dieser Norm genügt eine Aufgabe im Antwort-Wahl-Verfahren daher nur dann, wenn sie verständlich, widerspruchsfrei und eindeutig ist. Die Ungeeignetheit einer Prüfungsaufgabe ist auch dann anzunehmen, wenn sie auf mehrfache Weise vertretbar beantwortet werden kann (BVerwG, Urt. v. 17.05.1995, a. a. O., S. 69).
Außerdem müssen die vorgegebenen Antworten dem Prüfungsschema des hier gewählten Aufgabentyps A entsprechen, wonach der Prüfling in jeder Aufgabe eine richtige und vier falsche Antwortalternativen erwarten kann. Eine Aufgabe, die diese Merkmale nicht erfüllt, verletzt maßgebende Verfahrensvorschriften und ist deswegen rechtsfehlerhaft (BVerfG, Beschl. v. 17.04.1991, a. a. O., S. 78). Sie kann zu Irritationen des Prüflings führen, der sich darauf verlassen darf und muss, dass nur eine Antwort zutreffend ist, nicht aber, dass die Aufgabe mehrfach vertretbar gelöst werden kann. Darauf, ob sich die Fehlerhaftigkeit einer solchen Frage alsbald oder erst in einem gerichtlichen Verfahren nachträglich herausstellt, kommt es für die Annahme der "Offensichtlichkeit" ihrer Fehlerhaftigkeit nicht an. Für die Anwendung des § 14 Abs. 4 S. 3 ÄAppO ist es unerheblich, ob Prüflinge solche fehlerhaften Fragen vertretbar gelöst haben oder ob sie etwa bei einer dieser Aufgaben keine der vertretbaren Lösungen angekreuzt haben (BVerwG, Urt. v. 17.05.1995, a. a. O., S. 69; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl., RdNr. 261).
Nach § 14 Abs. 4 S. 6 ÄAppO darf sich allerdings die Verminderung der Zahl der Prüfungsfragen nicht zum Nachteil eines Prüflings auswirken. Mit Blick auf den das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Gleichbehandlung aller Prüflinge und unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um Prüfungen handelt, die über die Berufswahl und Berufschance entscheiden, hat in Anwendung von § 14 Abs. 4 S. 3 ÄAppO die Korrektur fehlerhafter Prüfungsfragen, bei denen mehr als eine Antwort vertretbar ist und der Prüfling eine davon angekreuzt hat, im Wege der Gutschrift zu erfolgen. Nur ein solches Verfahren bietet Gewähr, dass dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum verbleibt. Allein wenn die vertretene Antwort zugunsten des Prüflings gewichtet wird, steht er den Mitprüflingen gleich, die mit der ebenfalls vertretbaren amtlichen Lösung die Prüfung bestanden haben (BVerwG, Urt. v. 17.05.1995, a. a. O., S. 72).
2. Aus dem wertenden Charakter einer Prüfungsentscheidung, der regelmäßig komplexe Erwägungen der Prüfer zugrunde liegen, folgt, dass den Prüfern ein gerichtlich nicht nachprüfbarer prüfungsrechtlicher Bewertungsspielraum zusteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.12.1983 - BVerwG 7 C 99.82 -, Buchholz 421.0 [Prüfungswesen] Nr. 187 = DVBl. 1984, 479 = DÖV 1984, 804 = NJW 1984, 2650). Im Rahmen dieses Spielraums hat das Gremium auch über die Eignung der Prüfungsfragen und insbesondere darüber zu entscheiden, ob eine Prüfungsfrage zum vorgeschriebenen Prüfungsstoff gehört. Die fachwissenschaftliche Entscheidung hierüber ist eine Aufgabe, die in seiner alleinigen Zuständigkeit liegt. Ein Sachverständigengutachten zu einer in den prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum fallenden Frage würde, wenn es zu einer abweichenden Auffassung gelangt, lediglich die Vielfalt der wissenschaftlichen Auffassungen, nicht aber die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Sachverständigengremiums des IMPP beweisen; denn die Grenze des Beurteilungsspielraums wird nicht schon dann überschritten, wenn das Gremium eine Auffassung vertritt, die von anderen Sachverständigen nicht geteilt wird, selbst wenn diese Sachverständigen eine "herrschende Meinung" vertreten und dem Gremium vorwerfen, nicht "auf der sicheren Seite" zu stehen. Deshalb ist ein Sachverständigengutachten über eine Frage, die der Prüfer im Rahmen seiner Beurteilungsermächtigung zu beantworten hat, in aller Regel kein geeignetes Beweismittel, um die Überschreitung des Beurteilungsspielraums nachzuweisen. Eine Überschreitung liegt erst dann vor, wenn der Bereich des wissenschaftlich Diskutablen und damit der Bereich der fachwissenschaftlichen Erkenntnis, innerhalb dessen dem Prüfer die Entscheidung zusteht, verlassen wird. So ist eine Entscheidung durch den prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum dann nicht mehr gedeckt, wenn sie auf einer derart eklatanten und außerhalb jedes vernünftigen Rahmens liegenden Fehleinschätzung beruht, dass sich ihr Ergebnis einem unbefangenen Dritten als gänzlich unhaltbar aufdrängen muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.11.1979 - BVerwG 7 B 228.79 -, Buchholz, a. a. O., Nr. 121 = DÖV 1980, 380). In derartigen Fällen bedarf es jedoch in aller Regel nicht erst eines Sachverständigengutachtens, um die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung nachzuweisen (BVerwG, Beschl. v. 04.08.1989 - BVerwG 7 B 102.89 -, NVwZ 1990, 66; die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 15.07. 1991 - 1 BvR 686/89 - nicht zur Entscheidung angenommen).
Wenn die nach dem Lösungsmuster als "zutreffend" anzukreuzende Antwort in Wahrheit falsch ist, handelt es sich um eine ungeeignete Frage im Sinne des § 14 Abs. 4 S. 3 ÄAppO (BVerwG, Urt. v. 17.05.1995, a. a. O., S. 68 f.).
3. Im Frage-Antwort-Verfahren darf eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung, die nicht dem Lösungsmuster entspricht, nicht als falsch gewertet werden (BVerfG, Beschl. v. 17.04.1991, a. a. O., 55). Diese prüfungsrechtlichen Grundsätze finden auch auf das Antwort-Wahl-Verfahren Anwendung, in dem der Prüfling unter mehreren vorgegebenen Antworten (nur) eine Antwort als richtig ankreuzen kann und muss. Die prüfungsspezifische Wertung, die nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist hier aber zeitlich vorverlagert. Sie findet bei der Formulierung der Prüfungsfragen und der Antwortalternativen statt. Daraus ergibt sich, welche Kenntnis von einem Medizinstudenten im entsprechenden Ausbildungsstadium gefordert wird und welches Gewicht Wissenslücken und Fehler haben sollen. Die Auswertung der Prüfungsleistung selbst besteht dann nur noch in einem Rechenvorgang. Dabei verbleibt dem Prüfling nach Art. 12 Abs. 1 GG ein angemessener Antwortspielraum, der durch die Bedingung des Antwort-Wahl-Verfahrens nicht beschränkt werden darf.
Deshalb genügt es, dass die angekreuzte Antwort gesicherten medizinischen Erkenntnissen entspricht, die im Fachschrifttum bereits vor der Prüfung veröffentlicht waren, das Kandidaten des entsprechenden Prüfungsabschnitts im Regelfall ohne besondere Schwierigkeit zugänglich war. Zu diesem Fachschrifttum zählt nicht allein die Lehrbuch- und Ausbildungsliteratur, sondern auch die sog. Primärliteratur einschließlich des fremdsprachigen Fachschrifttums unter der Voraussetzung, dass die dort veröffentlichten Erkenntnisse wenigstens von Teilen der medizinischen Lehrbuchliteratur aufgenommen und als zumindest vertretbar anerkannt worden sind. In jedem Fall muss der Prüfling substantiiert darlegen, dass und warum sich aus dem in Bezug genommenen Fachschrifttum die Richtigkeit oder zumindest Vertretbarkeit der von ihm gewählten Antwort ergibt (BVerwG, Urt. v. 26.03.1997 - BVerwG 6 C 7.96 -, Buchholz 421.0 [Prüfungswesen] Nr. 378, S. 173).
Lehrbücher genügen als Maßstab der Vertretbarkeitskontrolle nur dann nicht, wenn Prüfungsfragen keine allgemeinen medizinischen Aussagen verlangen, sondern deren Anwendung auf einen fiktiven Einzelfall. Es ist Sache der Gerichte, erforderlichenfalls mit Hilfe von Sachverständigen eine entsprechende Kontrolle der Prüfungsfrage und der gewählten Antwort vorzunehmen (BVerfG, Beschl. 17.04.1991, a. a. O.).
Der Prüfling darf in diesem Rahmen aber nicht seine eigene, abweichende Interpretation der Aufgabe seiner Antwort in Form einer Uminterpretation zugrunde legen. Der "Antwortspielraum", den das Bundesverfassungsgericht den Prüflingen gewährt, bezieht sich nur auf fachlich vertretbare Antworten bei zutreffend erfassten Fragen (so auch BayVGH, Urt. v. 19.06.1996 - 7 B 95.1598 -, nach juris).
II. In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für die sechs von der Klägerin gerügten Fragen, dass ihr allenfalls die Beantwortung einer Frage gutgeschrieben werden könnte; die übrigen Fragen aber zutreffend als falsch beantwortet gewertet worden sind.
Die Frage A 8 vom ersten Prüfungstag ist keine - wie vom Verwaltungsgericht Halle angenommen - ungeeignete Frage im Sinne des § 14 Abs. 4 S.3 ÄAppO.
Sie ist nicht missverständlich, wie die Klägerin darzulegen versucht hat. Die Verwendung des Begriffs "Inzidenz" macht die Frage nicht unbeantwortbar.
Der Begriff "Inzidenz" ist ein Fachbegriff und bedeutet nach "Psychrembel, Klinisches Wörterbuch", 256. Aufl., die Anzahl der Neuerkrankungen, epidemiologisches Maß zur Charakterisierung des Krankheitsgeschehens in einer Population sowie die Häufigkeit des Neuauftretens einer bestimmten Krankheit innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Dabei handelt es sich um einen Fachbegriff, den ein Medizinstudent kennen muss.
Der durch den Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts Halle bestellte Gutachter Prof. A. und andere von der Klägerin beigezogene Mediziner halten diese Frage für missverständlich, weil die Begriffe "Risiko" und "Inzidenz" nicht gleichgesetzt werden dürften. So führte Prof. A. aus, dass Inzidenz ein in der Epidemiologie wohldefinierter Begriff sei und sich herkömmlich auf die Population eines administrativ definierten Gebiets beziehe. Die Intention der Frage ziele aber offensichtlich auf die Prognose der formulierten alternativen "Veränderungen" und damit, statistisch gesprochen, auf eine bedingte Erkrankungswahrscheinlichkeit, also auf die Frage nach dem Risiko. Mit diesen Ausführungen belegt der Gutachter zwar, dass die Begriffe Inzidenz und Risiko nicht deckungsgleich sind, aber nicht - ebenso wenig wie die anderen Stellungnahmen -, dass die Frage A 8 des ersten Prüfungstags nicht beantwortbar ist, wenn nach der Inzidenz gefragt wird. Dies wäre aber die Voraussetzung für die Annahme der Ungeeignetheit der Frage. Das IMPP, welches gar nicht in Abrede stellt, dass die Begriffe "Risiko" und "Inzidenz" nicht gleichbedeutend sind, hat zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass Patienten mit einer Adenomatosis coli eine zahlenmäßig definierte Population sind und dass es bei keiner der anderen in der Fragestellung genannten Erkrankungen "innerhalb einer bestimmten Zeitspanne" zu mehr kolorektalen Karzinom-Erkrankungen kommt. Für die betroffenen Adenomatosis-coli-Kranken ergibt sich folglich das im Vergleich zu den anderen Befunden höchste Risiko. Das IMPP hat weiter dargelegt, dass der Begriff "Risiko" die Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs einer Krankheit bedeutet und dass "Inzidenz" dagegen der tatsächliche Ausdruck eines Risikos, nämlich die Häufigkeit des Auftretens einer Krankheit in einer Population ist. Diese Erkenntnis macht die Frage beantwortbar, gleich ob nach dem Risiko oder nach der Inzidenz gefragt wird. Die Auffassung des IMPP wird durch das Lehrbuch "Medizinische Statistik" von Guggenmos-Holzmann und Wenecke belegt. Danach wird mit dem Begriff der Inzidenz auch die Frage nach dem Risiko miterfasst. In diesem Lehrbuch heißt es auf Seite 50: "Wenn man etwa an einem bestimmten Stichtag die gesamte deutsche Bevölkerung auf Diabetis untersucht, dann bezeichnet man den relativen Anteil der Diabetiker an der Gesamtbevölkerung auch als Prävalenz. Im Unterschied hierzu bezieht sich die Inzidenz oder das Risiko einer Erkrankung auf eine im zeitlichen Verlauf untersuchte Teilpopulation: Es ist der relative Anteil der Neuerkrankungen, bezogen auf die Zahl derjenigen Personen, die unter Risiko stehen, die also erkranken können, aber zu Beginn des Zeitraums nicht erkrankt waren." Der Senat ist daher davon überzeugt, dass die Frage A 8 vom ersten Prüfungstag einzig richtig mit der Lösungsmöglichkeit "E" zu beantworten war, unabhängig davon, ob nach dem Risiko oder der Inzidenz gefragt wird. Die Klägerin vermochte nicht darzulegen, dass die von ihr angekreuzte Antwort "C" vertretbar ist, weil sie gesicherten medizinischen Erkenntnissen entspricht, die im Fachschrifttum bereits vor der Prüfung veröffentlicht und den Kandidaten ihres Prüfungsabschnitts ohne besondere Schwierigkeiten zugänglich waren.
Auch die Frage A 23 vom ersten Prüfungstag kann nicht für die Klägerin als richtig beantwortet gewertet werden.
Die Frage ist weder unverständlich noch widersprüchlich noch mehrdeutig noch kann sie in mehrfacher Weise vertretbar beantwortet werden. Sowohl das Privatgutachten der Klägerin von Prof. F. als auch das aufgrund des Beweisbeschlusses des Verwaltungsgerichts eingeholte Gutachten von Prof. E. halten zwar die Frage für missverständlich gestellt, bescheinigen der Klägerin aber nur, dass die Frage, wenn sie so gestellt worden wäre, wie sie die Klägerin verstanden hat, richtig beantwortet wäre.
Entscheidend für die Bewertung einer Prüfungsfrage als "ungeeignet" i. S. v. § 14 ÄAppO ist aber nicht die fachmedizinische Bewertung, sondern vielmehr, ob die Frage nach ihrem objektiven Erklärungswert tatsächlich sprachlich missverständlich formuliert worden ist. Berufen, dies zu entscheiden, scheint dem Senat eher ein Sprachwissenschaftler als ein Mediziner. Der Senat sieht sich allerdings aufgrund eigener Sachkompetenz in der Lage, die Verständlichkeit einer gestellten Frage zu beurteilen. Bei einer verständigen Würdigung, ausgehend von einem objektivierten Empfängerhorizont (entsprechend § 133 BGB), konnte die Frage nur so verstanden werden, wie sie vom IMPP gemeint war. Die Frage erfragt nämlich nicht die allgemeine Gefährdung eines Bruton-Erkrankten, der auch noch an einer anderen, beliebigen Infektion erkrankt, sondern verlangt von dem Prüfling durch das Eigenschaftswort "besondere" und der Verwendung des Begriffs "Verursachung" die Erkenntnis eines besonderen Zusammenhangs zwischen Bruton und einer der benannten Infektionen. Überzeugend hat das IMPP dargelegt, dass die Gefahr, die - im Fall der von der Klägerin gewählten Variante - für einen Patienten entsteht, der den Antikörpermangel Bruton aufweist, nicht signifikant anders ist, als für Menschen ohne diesen Antikörpermangel. Das Fehlen von Antikörpern durch Agammaglobulinämie ist bei der Bekämpfung extrazellulärer, bekapselter Bakterien wie Haemophilus influenzae sehr wichtig, weil diese Bakterien sonst leicht der Phagozytose entgingen, weshalb nicht nur eine Infektion leichter erfolgt, sondern diese auch einen längeren bzw. rekurrierenden und schwereren Verlauf nehmen. Die Klägerin vermochte nicht darzulegen, dass die Frage A 23 vom ersten Prüfungstag, mit der Lösungsmöglichkeit "A" beantwortet, eine eklatante und außerhalb jedes vernünftigen Rahmens liegende Fehleinschätzung des IMPP ist und damit außerhalb des ihm zuzumessenden Bewertungsspielraums liegt. Ebenso wenig vermochte die Klägerin darzulegen, dass die von ihr gewählte Lösungsmöglichkeit "B" gesicherten medizinischen Erkenntnissen entspricht, die im Fachschrifttum bereits vor der Prüfung veröffentlicht und den Kandidaten ihres Prüfungsabschnitts ohne besondere Schwierigkeiten zugänglich waren.
Die Frage A 5 vom zweiten Prüfungstag kann ebenfalls nicht als richtig beantwortet gewertet werden. Die Klägerin vermag weder darzulegen, dass die im Lösungsmuster des IMPP vorgesehene Antwort mit der Lösungsmöglichkeit "C" eine derart eklatante und außerhalb jeden vernünftigen Rahmens liegende Fehleinschätzung ist und damit außerhalb des Bewertungsspielraums liegt, noch dass diese Frage auf mehrfache Weise vertretbar beantwortet werden kann.
Das IMPP hat der Klägerin hat zwar eingeräumt, dass Opioide vom Morphintyp neben der allgemein bekannten schmerzlindernden Wirkung, zunächst eine emetische, später bei längerer Aufnahme auch eine antiemetische Wirkung aufweisen. Entscheidend für die Beantwortung der Frage A 5 ist aber, ob die antiemetische Wirkung für Opioide vom Morphintyp typisch ist. Das Wort "typisch", vom griechischen Wort t?p?? (= Gepräge) herrührend, bedeutet im deutschen Sprachgebrauch "einen bestimmten Typ verkörpernd, dessen charakteristische Merkmale in ausgeprägter Form aufweisend" (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 2. Aufl.). Die Opioide vom Morphintyp kennzeichnet die antiemetische Wirkung in einer solchen ausgeprägten Form nicht, weil die Opioide vom Morphintyp sowohl eine emetische als auch als Spätfolge eine antiemetische Wirkung haben; bei einer solchen Ambivalenz kann ein Teilelement nicht als typisch bezeichnet werden. Die Klägerin vermochte keine Stelle im Fachschrifttum anzugeben, die die Ansicht, die antiemetische Wirkung sei typisch für Opioide vom Morphintyp, belegt. Die Lehrbuchstellen, die sie anführt, enthalten andere Aussagen: Mutschler/Schäfer-Korting, Arzneimittelwirkungen, Lehrbuch der Pharmakologie, 7. Aufl., S. 188: "Opioid-Analgetika lösen u. a. zunächst vielfach Übelkeit und Erbrechen durch Stimulation des Brechzentrums (emetische Wirkung), später dagegen durch Hemmung des Brechzentrums einen antiemetischen Effekt aus". Kuschinsky, Lüllmann Mohr, Pharmakologie und Toxikologie, 13. Aufl., S. 315: "Dies führt in einem Teil der Fälle zu einer Erregung des eigentlichen Brechzentrums. Schon nach Gabe therapeutischer Dosen treten häufig Nausea und Erbrechen auf. Nach wiederholter Zufuhr von Morphin bildet sich jedoch eine Gewöhnung gegenüber dem emetischen Effekt aus. Morphin wirkt dann sogar antiemetisch durch eine direkte Hemmung des Brechzentrums". Wellhöner, Pharmakologie und Toxikologie, 5. Aufl., S. 340: "Übelkeit und Erbrechen durch Wirkung auf die chemoreceptive Triggerzone in der Area postrema. Diese Wirkung setzt sich oft nicht durch, weil gleichzeitig das höhergelegene Brechzentrum in seiner Funktion gehemmt wird". Zenz/Jurna, Lehrbuch der Schmerztherapie, 1993, S. 145: "Übelkeit, Erbrechen. Opioide wirken auf die chemosensitive emetische Triggerzone in der Area postrema und lösen als Früheffekt Übelkeit und Erbrechen aus. Als Späteffekt langzeitiger Opioidgabe stellt sich nach etwa 2 Wochen eine verminderte Erregbarkeit des Brechzentrums ein, so dass es kaum möglich ist, ein Erbrechen zu provozieren". Vergleichbare Aussagen enthalten sämtliche weiteren von der Klägerin zitierten Lehrbücher. Selbst das "Repetitorium" "Crashkurs Pharmakologie" von Claudia Dellas, S. 26 f., enthält die Angabe: "Morphin initial emetisch, später antiemetisch". Für die Richtigkeit der Antwort, die antiemetische Wirkung von Opioiden vom Morphintyp sei für diese typisch, spricht zwar die gutachtliche Stellungnahme von Prof. A.; er hält sowohl bei den Neuroleptika vom Phenothiazintyp als auch bei den Opioiden vom Morphintyp die antiemetische Wirkung für typisch. Diese Auffassung vertrat auch der wissenschaftliche Beistand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, Prof. G.. Seiner Auffassung nach trete die antiemetische Wirkung beim Morphium oft sofort ein und sei daher typisch". Diese beiden zuletzt genannten Auffassungen sind aber weder von diesem noch von anderen Wissenschaftlern vor der Prüfung der Klägerin im Fachschrifttum geäußert worden und damit nicht lehrbuchmäßig verobjektiviert. Dies ist aber - wie dargelegt - Voraussetzung für die Annahme der Vertretbarkeit einer Antwort (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.03.1997, a. a. O.). Ein Sachverständigengutachten zu einer in den prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum fallenden Frage, das zu einer abweichenden Auffassung gelangt, beweist allein lediglich die Vielfalt der wissenschaftlichen Auffassungen, nicht aber die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Sachverständigengremiums des IMPP (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.08.1989 - BVerwG 7 B 102.89 -, DVBl. 1989, 1196).
Auch die Frage A 8 vom zweiten Prüfungstag kann der Klägerin nicht gutgeschrieben werden. Sie vermag weder darzulegen, dass die im Lösungsmuster des IMPP vorgesehene Antwort mit der Lösungsmöglichkeit "C" eine derart eklatante und außerhalb jeden vernünftigen Rahmens liegende Fehleinschätzung ist und damit außerhalb des Bewertungsspielraums liegt noch dass diese Frage missverständlich oder mehrdeutig formuliert ist. Der Klägerin ist es nicht gelungen, darzulegen, dass das IMPP die als richtig vorgegebene Antwort, Voraussetzung für die Wirkung des Magensekretionshemmstoffs Omeprazol sei seine Aktivierung durch hohe Wasserstoffionenkonzentration im Rahmen seines prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraums falsch bewertet hat.
Sie vermochte auf keine fachmedizinische Darstellung zu verweisen, die aussagt, eine hohe Wasserstoffionenkonzentration aktiviere Omeprazol nicht. Letzteres wäre aber Voraussetzung, um ihre Antwort wenigstens noch als vertretbar werten zu können.
Die von Klägerin beschriebene unterschiedliche Reaktion von Omeprazol entweder im Magen, wo sie durch die Wasserstoffionenkonzentration (weil sauer) in dieser Körperpartie aufgehoben oder im Dünndarm, wo sie durch die auch dort bestehende Wasserstoffionenkonzentration hervorgerufen wird, mag zutreffen. Zutreffen mag auch, dass es für die Wirkungsentfaltung von Omeprazol wichtig ist, dass es erst in den Belegzellen des Dünndarms wirkt und nicht bereits im Magen. All dies wird vom IMPP auch nicht in Abrede gestellt. Unzweifelhaft zielt die Frage, die die Klägerin beantworten sollte, aber nicht auf die näheren Umstände des Ortes ab, an dem das Medikament zur Wirkung kommen soll, noch auf die Art seiner Darreichung, sondern allein darauf, welche Voraussetzung erfüllt sein muss, damit Omeprazol wirkt. Dass dies nur bei einer hohen Wasserstoffionenkonzentration der Fall ist, konnte die Klägerin nicht in Zweifel ziehen; sie versucht lediglich der Frage einen anderen Inhalt zu geben. Wie dargelegt, darf ein Prüfling eine Prüfungsfrage aber nicht uminterpretieren und seine eigene, abweichende Deutung der Frage seiner Antwort zugrunde legen.
Die Frage A 79 vom zweiten Prüfungstag kann der Klägerin ebenfalls nicht gutgeschrieben werden. Sie vermag auch insoweit weder darzulegen, dass die im Lösungsmuster des IMPP vorgesehene Antwort mit der Lösungsmöglichkeit "D" eine derart eklatante und außerhalb jeden vernünftigen Rahmens liegende Fehleinschätzung ist und damit außerhalb des Bewertungsspielraums liegt, noch dass die Frage missverständlich oder mehrdeutig ist. Nach Auffassung des Senats ist diese Frage nicht mehr-, sondern eindeutig. Mit ihr wird nicht nach der therapeutischen Wirkung von Aluminiumhydroxid gefragt, sondern nach seiner abstrakten Beschaffenheit. Wenn der wissenschaftliche Beistand der Klägerin, Prof. G., ausführt, in vivo gäbe es keinen Unterschied bei der Säurebindung zwischen Aluminium- und Magnesiumhydroxid, weil im Säureüberschuss des Magens kein Unterschied zwischen diesen beiden Medikamenten feststellbar sei, so handelt es sich auch hier um eine unzulässige Uminterpretation der Frage und nicht um eine mehrfach mögliche Deutung. Nach der Säurebindungswirkung "in vivo" war nicht gefragt. Die Richtigkeit des Lösungsmusters lässt sich sogar aus der von der Klägerin zitierten Literatur entnehmen. Sie wird durch Wellhöner, in: Allgemeine und systematische Pharmakologie und Toxikologie, 5. Aufl., 1990, S. 182 f.; Bader, in: Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie, 2. Aufl., S. 353, sowie Küttler, in: Pharmakologie und Toxikologie, 16. Aufl., S. 180, belegt. Die Klägerin vermag hingegen keine fachmedizinische Literatur anzugeben, die ihre Ansicht vertritt. Die von ihr angeführten Literaturstellen enthalten keine entsprechende Aussage. Soweit sie auf Bader, a. a. O., S. 355, verweist, wo ausgeführt ist, dass "die Säurebindungskapazität des Aluminiumhydroxids zwar hoch ist", vermeidet sie den unmittelbar folgenden Hinweis "(Tabelle B7.2)" auf S. 353 dieses Lehrbuchs. Dort lässt sich entnehmen, dass die Säurebindungskapazität von Magnesiumhydroxid bei "500" und die von Aluminiumhydroxid bei "380" liegt. Die von Prof. Hirschelmann in seinem Gutachten aufgrund des Beweisbeschlusses des Verwaltungsgerichts getätigte Aussage, "für den praktisch denkenden Studenten könne nur die Antwort der Klägerin richtig sein, bei der "in vivo" Bewertung sei eine geringere Säurebindungskapazität des Aluminiumhydroxids gegenüber dem Magnesiumhydroxid nicht festzustellen", gilt ebenfalls, dass nicht nach der therapeutischen Wirkung des Medikaments gefragt war, sondern nach seiner generellen Beschaffenheit. Ob es für die Leistungsbemessung in einer medizinischen Fachprüfung sinnvoll ist, abstrakt nach der Beschaffenheit von Stoffen zu fragen, kann vom Gericht nicht in Frage gestellt werden, sondern unterliegt dem Beurteilungsspielraum des Prüfungsgremiums des IMPP.
Der Klägerin könnte möglicherweise die Antwort auf die Frage A 97 vom zweiten Prüfungstag gutgeschrieben werden. Für ihre Argumentation, ein systematischer Fehler könne im Regelfall nur durch die Wiederholung einer Untersuchung nach seiner Entdeckung vermieden werden und eine solche Wiederholung sei keine Korrektur im Sinne der gestellten Frage, spricht Einiges. Die Argumentation des IMPP, sowohl beim Verstellen des Nullpunkts einer Waage als auch beim Erkennen eines Fehlers mittels Kontrollkarten handle es sich um Korrekturen eines systematischen Fehlers, daher sei der systematische Fehler "im Prinzip korrigierbar", muss hingegen entgegen gehalten werden, dass es sich insoweit um Korrekturen während des Untersuchungsvorgangs handelt und nicht um eine Wiederholung einer Untersuchung.
Diese Frage braucht allerdings nicht abschließend bewertet zu werden, weil die Klägerin mit der Gutschrift dieser Antwort nicht die relative Bestehensgrenze erreichen würde.
Demnach ist festzustellen, dass der Klägerin von den sechs gerügten Fragen nur die Frage A 97 vom zweiten Prüfungstag gutgeschrieben werden könnte. Dies hätte zur Folge, dass maximal 163 Fragen als richtig beantwortet gewertet werden könnten.
Dies reicht zum Bestehen der zweiten Wiederholungsprüfung nicht aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Gründe vorliegt.
Ende der Entscheidung
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