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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 21.02.2006
Aktenzeichen: 2 L 251/04
Rechtsgebiete: KrW-/AbfG


Vorschriften:

KrW-/AbfG § 36
1. § 36 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG stellt lediglich zusätzliche rechtliche Regeln für die von der hierfür abfallrechtlich zuständigen Behörde zu erlassenden Anordnungen nach § 36 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG auf, weshalb bis zum Ende der Nachsorgephase (§ 36 Abs. 5 KrW-/AbfG) auf der Grundlage des § 36 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG nur die Deponieinhaber und nicht auch andere in § 4 Abs. 3 BBodSchG genannte Personen herangezogen werden können.

2. Hat sich jemand gegenüber der zuständigen Behörde z.B. durch eine entsprechende Anzeige selbst als Inhaber einer Deponie im Sinne des § 36 KrW-/AbfG bezeichnet, muss er sich zumindest dann als Inhaber behandeln lassen, wenn auch weitere gewichtige Umstände für seine Inhaberstellung sprechen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 251/04

Datum: 21.02.2006

Gründe:

Der gemäß § 124a VwGO zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid, mit dem der Beklagte der Klägerin die Rekultivierung einer stillgelegten Deponie aufgab, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin stützte der Beklagte den Bescheid zu Recht auf § 36 Abs. 2 Satz 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) und nicht auf § 10 Abs. 1 des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG), auf dessen Grundlage ihre Verantwortlichkeit allerdings zweifelhaft wäre. Die Anwendbarkeit der zuletzt genannten Norm folgt insbesondere nicht aus § 36 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG. Nach dieser Vorschrift finden zwar für die Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung die Vorschriften des Bundesbodenschutzgesetzes Anwendung, wenn der Verdacht besteht, dass von einer stillgelegten Deponie nach Absatz 1 schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen. Diese Norm ist aber nicht dahingehend zu verstehen, dass die Stilllegung einer Deponie den Schnittpunkt zwischen dem Regime des Abfallrechts und demjenigen des Bodenschutzrechts bildet, also Anordnungen zur Erfassung, Untersuchung, Bewertung oder Sanierung nach der (tatsächlichen) Stilllegung einer Deponie ausschließlich auf der Grundlage des Bundesbodenschutzgesetzes getroffen werden könnten (so aber: OVG NRW, Urt. v. 16.11.2000 - 20 A 1774/99 -, NVwZ 2001, 1186, vgl. auch ThürOVG, Urt. v. 11.06.2001 - 4 KO 52/97 - NuR 2002, 172). Der Senat schließt sich vielmehr der gegenteiligen Auffassung an, wonach § 36 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG lediglich zusätzliche rechtliche Regeln für die von der hierfür abfallrechtlich zuständigen Behörde zu erlassenden Anordnungen nach § 36 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG aufstellt, weshalb bis zum Ende der Nachsorgephase (§ 36 Abs. 5 KrW-/AbfG) auf der Grundlage des § 36 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG nur die Deponieinhaber und nicht auch andere in § 4 Abs. 3 BBodSchG genannte Personen herangezogen werden können (vgl. Paetow, in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., § 36 RdNr. 27; Schäfer, NVwZ 2001, 1133). Für diese Auslegung spricht nicht nur der entsprechende Wille des Gesetzgebers (vgl. Schäfer, NVwZ 2001, 1133), sondern auch der systematische Zusammenhang zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BBodSchG und den übrigen Regelungen des § 36 KrW-/AbfG. Nach der zuerst genannten Vorschrift findet das BBodSchG Anwendung, soweit Vorschriften des KrW-/AbfG über die Stilllegung von Deponien Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. Die genannten Bestimmungen des KrW-/AbfG enthalten aber eine umfassende Ermächtigung zur Regelung der Stilllegung und zur Anordnung von (auch den Boden betreffenden) Maßnahmen wie die Rekultivierung und das Treffen sonstiger Vorkehrungen bis zum Abschluss der Nachsorgephase.

Nach der mithin anwendbaren Bestimmung des § 36 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG hat die zuständige Behörde den Inhaber der Deponie zu verpflichten, auf seine Kosten das Gelände, das für eine Deponie nach Absatz 1 verwandt worden ist, zu rekultivieren (§ 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG) und alle sonstigen erforderlichen Vorkehrungen während der Nachsorgephase zu treffen (§ 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrW-/AbfG). Diese Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht zu Recht als erfüllt angesehen. Das Vorbringen der Klägerin begründet insbesondere keine ernstlichen Zweifel an der rechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts, sie sei zum Zeitpunkt der Stilllegung Inhaberin der Deponie gewesen. Als Inhaber ist der Betreiber der Deponie anzusehen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 29.12.1999 - B 2 S 73/99 - VwRR MO 2000, 196; SächsOVG, Urt. v. 18.10.2005 - 4 B 271/02 -, JURIS). Dies ist derjenige, der - unabhängig davon, ob der Betrieb legal erfolgt - nach den wirtschaftlichen, rechtlichen und sonstigen Gegebenheiten für die Anlage verantwortlich ist (vgl. Schoeneck, in: Jarass/Ruckay/Weidemann, KrW-/AbfG, § 36 Rn. 27, m.w.N.). Maßgeblich ist nicht ausschließlich die formale Zuordnung der Anlage, sondern eine Bewertung sämtlicher konkreten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten darauf hin, ob eine Person die tatsächliche und rechtliche Verfügungsmacht besitzt, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, und wirtschaftlich maßgeblich an den Nutzungen und Kosten der Anlage beteiligt ist; dabei ist eine Gesamtwürdigung der vertraglichen und tatsächlichen Beziehungen zwischen den in Frage kommenden Personen vorzunehmen (vgl. Schoeneck, aaO, Rn. 27 f., m.w.N.). Abfallrechtlich in Anspruch zu nehmen ist grundsätzlich der letzte Inhaber zum Zeitpunkt der Stilllegung, was allerdings die Möglichkeit nicht ausschließt, die Verantwortlichkeit des Inhabers auf einen Dritten zu übertragen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.12.2000 - 3 B 148/00 - ZOV 2001, 131). Hat sich jemand gegenüber der zuständigen Behörde z.B. durch eine entsprechende Anzeige selbst als Inhaber bezeichnet, muss er sich zumindest dann als Inhaber behandeln lassen, wenn auch weitere gewichtige Umstände für seine Inhaberstellung sprechen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 19.05.1999 - A 2 S 5/99; BVerwG, Beschl. v. 25.01.2000 - 3 B 1/00 -, Buchholz 451.221 § 36 KrW-/AbfG Nr. 2).

In Anwendung dieser Grundsätze begegnet es keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht die Inhaberschaft der Klägerin in erster Linie daraus hergeleitet hat, dass sie in ihrer Anzeige vom 19.12.1990 selbst als Betreiberin aufgetreten ist; denn auch die übrigen Umstände sprechen für ihre Inhaberschaft. So muss sie sich - wie auch das Verwaltungsgericht zu Recht betont hat - insbesondere entgegenhalten lassen, dass sie den durch die genannte Anzeige erweckten Eindruck, sie sei Betreiberin der Deponie, mit ihrem im Juli 1992 erhobenen Widerspruch gegen einen Bescheid vom 09.06.1992 zur Genehmigung des Weiterbetriebs der Deponie noch bekräftigte. Mit diesem von ihrem Geschäftsführer unterzeichneten Widerspruch wandte sie sich nicht etwa gegen diese Genehmigung als solche, sondern ausschließlich gegen bestimmte Terminvorgaben zur Beibringung eines Gutachtens und anderer Maßnahmen, woraus sich ohne weiteres der Schluss ziehen lässt, dass sie ihre Verantwortlichkeit als Inhaberin durchaus anerkenne.

2. Die geltend gemachten rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen ebenfalls nicht vor. Die insoweit von der Klägerin aufgeworfene Frage nach den Voraussetzungen des Inhaberbegriffs im Sinne des § 36 KrW-/AbfG ist - wie dargelegt - in der Rechtsprechung geklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG (a.F.).

Ende der Entscheidung

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