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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 2 L 257/07
Rechtsgebiete: VwVfG


Vorschriften:

VwVfG § 80
Ob ein fehlender Ausspruch im Sinne des § 80 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 VwVfG eine im Wege der Ergänzung nachholbare "Nichterklärung" darstellt oder stattdessen einer "Negativerklärung" gleichkommt, d.h. der bewussten, bestandskraftfähigen und einer Ergänzung entgegenstehenden Erklärung, dass die Zuziehung nicht notwendig gewesen sei, muss im Wege der Auslegung ermittelt werden.
Gründe:

Der gemäß § 124a Abs. 4 VwGO zulässige Antrag ist nicht begründet.

Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, die Zuziehung eines Bevollmächtigten in einem Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären und den an die Klägerin zu zahlenden Betrag auf 5.006,33 € festzusetzen. Der Beklagte macht dagegen geltend: Er habe in seinem Widerspruchsbescheid vom 20.07.2005 keine positive Entscheidung darüber getroffen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 80 Abs. 2 und 3 Satz 2 VwVfG notwendig gewesen sei. Das Fehlen einer solchen positiven Entscheidung komme der verneinenden Aussage gleich, dass die Zuziehung nicht notwendig gewesen sei. Diese negative Entscheidung sei mangels rechtzeitiger Rechtsbehelfseinlegung in Bestandskraft erwachsen, so dass die Klägerin nunmehr weder die begehrte Entscheidung im Sinne des § 80 Abs. 2 und 3 Satz 2 VwVfG noch die darauf beruhende Festsetzung eines Erstattungsbetrages verlangen könne. Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hat die Widerspruchsbehörde, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Bei dieser Grundregelung hat der Gesetzgeber die Frage der Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines im Vorverfahren tätig gewordenen Rechtsanwalts ausgeklammert und einer besonderen Entscheidung vorbehalten, wie die Spezialregelungen des § 80 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 VwVfG zeigen. Danach sind nämlich die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren nur dann erstattungsfähig, "wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war" (§ 80 Abs. 2 VwVfG); ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war, bestimmt die Kostenentscheidung, § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG, und zwar "auch", d.h. zusätzlich zu der in der Grundregelung des § 80 Abs. 1 VwVfG vorgesehenen Entscheidung über die zu erstattenden Aufwendungen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.10.1986 - 6 B 144/85 - BVerwGE 75, 107).

Den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem zitierten Beschluss lässt sich nur entnehmen, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines im Vorverfahren tätig gewordenen Rechtsanwalts von einer eigenen Entscheidung abhängt, wobei diese ausdrücklich im Tenor des Widerspruchsbescheides erfolgen oder sich auch konkludent aus seiner Begründung ergeben kann. Entgegen dem Antragsvorbringen enthält der zitierte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts hingegen keine Aussage darüber, ob ein fehlender Ausspruch im Sinne des § 80 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 VwVfG eine im Wege der Ergänzung nachholbare "Nichterklärung" darstellt oder stattdessen einer "Negativerklärung" gleichkommt, d.h. der bewussten, bestandskraftfähigen und einer Ergänzung entgegenstehenden Erklärung, dass die Zuziehung nicht notwendig gewesen sei. Diese Frage ist ebenso wie die Frage, ob der fehlende Ausspruch im Sinne des § 80 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 VwVfG als "Positiverklärung" zu werten ist, im Wege der Auslegung zu ermitteln. Von einer "Negativentscheidung" dürfte etwa in der Regel dann ausgegangen werden können, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Widerspruchsbehörde den Ausspruch erkennbar bewusst unterlassen hat (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 80 RdNr. 38). Gegebenenfalls muss der Widerspruchsführer auch rechtzeitig Klage erheben, wenn er das Erwachsen dieser "Negativentscheidung" in Bestandskraft verhindern will (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 80 RdNr. 38). Fehlt es demgegenüber an Anhaltspunkten dafür, dass die Widerspruchsbehörde überhaupt einen Erklärungswillen im Sinne des § 80 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 VwVfG hatte, d.h. den Ausspruch bewusst tätigen oder unterlassen wollte, liegt überhaupt keine entsprechende Entscheidung, mit anderen Worten also eine "Nichtentscheidung" im oben genannten Sinne vor. In solchen Fällen kann der fehlende Ausspruch auch dann, wenn die Widerspruchsentscheidung im Übrigen in Bestandskraft erwachsen ist, durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt werden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 80 RdNr. 38).

In Anwendung dieser Grundsätze kann der Beklagte seiner Verpflichtung zur Nachholung des Ausspruchs nach § 80 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 VwVfG nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sein Widerspruchsbescheid vom 20.07.2005 in Bestandskraft erwachsen sei. Der Widerspruchsbescheid ist einer Ergänzung in dem genannten Sinne zugänglich. Er enthält weder ausdrücklich noch konkludent eine bejahende oder verneinende Aussage darüber, ob die Gebühren und Auslagen des im Vorverfahren tätigen Rechtsanwalts notwendig waren. Anhaltspunkte für eine Auslegung dahingehend, dass der fehlende Ausspruch als (bewusste) "Negativentscheidung" anzusehen ist, sind nicht ersichtlich. Insoweit bleibt es bei dem von der Klägerin angeführten Grundsatz, wonach Schweigen keine Erklärung darstellt.

Soweit das Verwaltungsgericht die Notwendigkeit in materieller Hinsicht bejaht hat, hat der Beklagte auch hinsichtlich dieser Frage keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung geweckt. Im Begründungsschrift wird auf diese Frage nicht eingegangen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47, 52 GKG <Streitwert>.

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