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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 15.04.2004
Aktenzeichen: 2 L 274/03
Rechtsgebiete: LSA-KAG, LSA-AbfG


Vorschriften:

LSA-KAG § 2 I 2
LSA-KAG § 5 I 1
LSA-KAG § 5 I 2
LSA-KAG § 5 II
LSA-KAG § 5 IIb
LSA-AbfG § 6 II 1
LSA-AbfG § 6 II 2 Nr. 5
LSA-AbfG § 6 II 3
LSA-AbfG § 6 II 4
LSA-AbfG § 6 VI
1. Wegen des Kostenüberschreitungsverbots des Kommunalabgabenrechts sind nur die für die Leistungserbringung erforderlichen Kosten der Einrichtung gebührenpflichtig.

2. Der Kostenbegriff des Gebührenrechts nach dem Kommunalabgabengesetz wird durch das Abfallgesetz des Landes Sachsen-Anhalt erweitert, indem die Bildung von Rücklagen für die vorhersehbaren späteren Kosten der Nachsorge als berücksichtigungsfähig anerkannt werden.

3. Bis zum In-Kraft-Treten des Zweiten Investitionserleichterungsgesetzes 2003 durften nur solche Kosten der Nachsorge eingestellt werden, die - "leistungsbezogen" - für eine noch im Betrieb befindliche Deponie entstehen (betriebsbedingte Kosten).

4. Die Rechtsänderung durch das Zweite Investitionserleichterungsgesetz 2003 enthält keine Rückwirkung.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 2 L 274/03

Datum: 15.04.2004

Gründe:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Benutzungsgebühren für die Restabfallentsorgung im Abfallentsorgungsgebiet des Beklagten.

Der Beklagte betreibt als Entsorgungsträger nach Maßgabe seiner am 21.12.1998 beschlossenen Satzung über die Abfallentsorgung (Abfallentsorgungssatzung) - AbfS - die für die Abfallbeseitigung in seinem Gebiet erforderliche öffentliche Einrichtung (§ 2 Abs. 2 AbfS), zu der auch die im Abfallentsorgungsgebiet gelegenen Deponien Z. und D. gehören. Die Kapazität dieser Deponien war Ende 1999 durch Verfüllen der Ablagerungsfläche zu 94 % erschöpft.

Mit Bescheid vom 09.01.2001 zog der Beklagte die Klägerin auf der Grundlage seiner Satzung über die Gebühren zur Abfallentsorgung (Abfallgebührensatzung) vom 10.07.2000, veröffentlicht im Amtsblatt des Beklagten am 18.11.2000, zu einer Benutzungsgebühr für die Restmüllentsorgung im Kalenderjahr 2001 in Höhe von 415,00 DM (= 212,19 €) heran, wobei der Beklagte seiner Berechnung fünf 1,1-m³-Container à 83,00 DM zu Grunde legte. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 23.01.2001 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2002 zurückwies.

Am 15.05.2002 hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht Dessau Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, der Beklagte habe die Kosten für die Nachsorge der Deponien und die zu bildenden Rücklagen nicht ermessensfehlerfrei ermittelt. Darüber hinaus seien die vom Kreistag beschlossenen Gebührensätze rechtswidrig, weil sie auf einer fehlerhaften Kalkulation beruhten. Eine Vielzahl von Kostenpositionen in der Kalkulation für das Jahr 2001 sei unberechtigt oder zumindest nicht nachvollziehbar, so u. a. im Hinblick auf den Bedarf an Rücklagen für die Nachsorge und Rekultivierung. Für das Jahr 2000 sei der Gesamtbedarf noch mit 19.450.000,00 DM veranschlagt worden, während in der Kostenkalkulation für 2001 von insgesamt 54.229.000,00 DM ausgegangen worden sei. Dieser Rücklagenbedarf entspreche nicht den Nachsorgekosten, sondern umfasse gleichzeitig auch in willkürlicher Weise solche Kosten für die Sanierung und Rekultivierung, die noch bis zur Schließung der Deponien entstünden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2002 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, die kalkulatorisch eingestellten Rücklagen für die Sicherung und Sanierung der Deponien entsprächen der Summe der Aufwendungen sowie der noch vorhandenen Rücklage. Der in die Kalkulation der Leistungsgebühr für die Hausmüllentsorgung in 2001 eingeflossene Betrag für "Sonderleistungen Deponien" sei gerechtfertigt. Der Gesamtbedarf für die Deponien Z. und R. sei nämlich bereits in der Kosten- und Gebührenkalkulation für 2000 mit 54.228.000,00 DM aufgezeigt worden. Davon seien ab 2001 noch 43.753.443,00 DM zu decken gewesen und dementsprechend auf den Zeitraum von 2001 bis 2010 umgelegt worden. Zwar sei man in der Kalkulation für 2000 nur von einem Rücklagebedarf für die Restkapazität in Höhe von 19.458.00,00 DM ausgegangen. Dabei sei jedoch nicht der Anteil für die bis Ende 1990 eingelagerten Abfallmengen berücksichtigt worden, weil man damit gerechnet habe, dass hierfür Fördermittel zur Verfügung gestellt würden. Da Letzteres nach neueren Erkenntnissen nicht der Fall sei, habe man diesen Anteil in der Kalkulation wieder zu dem Gesamtbedarf hinzugerechnet.

Das Verwaltungsgericht Dessau hat durch Urteil vom 14. Mai 2003 - 1 A 328/02 DE - den Gebührenbescheid des Beklagten vom 09.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2002 mit der Begründung aufgehoben, die festgelegten Gebührensätze für Restabfallbehälter mit 1,1 m³ Füllraum verstießen gegen das Kostenüberschreitungsverbot und seien daher unwirksam. Ausgangspunkt für die Überprüfung sei die Kosten- und Gebührenkalkulation für die Abfallgebührensatzung für das Jahr 2001, die der Kreistag des Beklagten am 10.07.2000 beschlossen habe. In diese Kalkulation habe der Beklagte bereits deshalb in erheblichem Umfang nicht gebührenfähige Kosten in Ansatz gebracht, weil er darin für die hier im Streit stehenden Benutzungsgebühren für die Restabfallbehälter (Hausmüll) zu hohe Rücklagen für die Deponienachsorge eingestellt habe. Der Umfang der Rückstellungen für die Deponiefolgekosten, die der Beklagte in der Gebührenkalkulation in Ansatz gebracht habe, insbesondere die Berücksichtigung derjenigen Kostenanteile für die Deponienachsorge, die durch die Verfüllung in der Vergangenheit verursacht worden seien, sei vom Gesetz nicht gedeckt, weil die ermittelten Kosten nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 AbfG LSA periodenbezogen auf die Restlaufzeit der Deponien - und damit nur anteilig - auf die heutigen Nutzer der Abfallentsorgungseinrichtung umgelegt werden dürften. Der Beklagte habe demnach nur den Kostenanteil berücksichtigen dürfen, welcher der in dem künftigen Zeitraum (2001 bis 2010) voraussichtlich anfallenden Abfallmenge im Verhältnis zu der Gesamtlagermenge entspreche. Der kommunale Entsorgungsträger sei richtigerweise darauf beschränkt, Rücklagen nur anteilig für den auf die Restkapazität der Deponie entfallenden Anteil zu bilden. Für diese Auslegung spreche zum einen der Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 AbfG LSA, der ausdrücklich das Postulat der Periodenbezogenheit beinhalte, zum anderen eine systematische Betrachtung des Gesetzes: Entsprechend dem allgemeinen gebührenrechtlichen Verständnis könne das Erfordernis der Periodenbezogenheit auch in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 AbfG LSA nur dahin interpretiert werden, dass die in einer bestimmten Periode entstehenden oder verursachten späteren Kosten der Nachsorge lediglich (anteilig) für die Periode kalkulatorisch in Ansatz gebracht werden dürfen. Aus der Periodenbezogenheit folge, dass der leistungsbezogene Werteverzehr gerade in der Rechnungsperiode erwartet werden müsse. An dieser Leistungs- oder Periodenbezogenheit fehle es dementsprechend, soweit Deponien bereits in zurückliegenden Perioden verfüllt worden seien. Rückstellungen für vorhersehbare Nachsorgemaßnahmen noch in Betrieb befindlicher Abfalldeponien dürften daher nur in dem Maße anteilig auf einen bestimmten Zeitraum umgelegt werden, wie sie als periodenbezogener Werteverzehr in diesem Zeitraum anzusehen seien. Soweit die Verursachung der Kosten in der Vergangenheit liege und/oder soweit die Bildung von Rücklagen in der Vergangenheit versäumt worden sei, dürfe dies nicht den künftigen Benutzern der Einrichtung angelastet werden. Um Ausfälle zu vermeiden, hätten andere Bundesländer Regelungen in ihren Abfallgesetzen geschaffen, wonach zu den ansatzfähigen Kosten auch die Rückstellungen bzw. Kosten für bereits stillgelegte Deponien gehörten; in Sachsen-Anhalt gebe es eine entsprechende Regelung nicht. Auch ergebe sich nichts Gegenteiliges aus § 6 Abs. 2 Nr. 4 AbfG LSA; denn diese Vorschrift erfasse lediglich diejenigen Nachsorge- und Rekultivierungskosten, die fortwährend mit der sukzessiven Verfüllung einer Deponie in deren Betriebszeit anfallen, und ermögliche es lediglich, diese laufenden Kosten in der Kalkulation der jeweiligen Rechnungsperiode zu berücksichtigen. Demnach habe der Beklagte nicht den Anteil der prognostizierten Nachsorge- und Rekultivierungskosten berücksichtigen dürfen, der auf die Nutzung der Deponien bis Ende 1990 entfallen sei, zumal die Deponien zu diesem Zeitpunkt nicht Teil der öffentlichen Einrichtung gewesen seien, da der Beklagte sie zu DDR-Zeiten nicht betrieben habe. Der verbleibende Betrag von 14.962.443,00 DM sei weiter zu kürzen, da auch der Restbedarf zum überwiegenden Teil auf die Verfüllung der Deponien in der Zeit von 1991 bis Ende 1999 zurückzuführen sei.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, weil der Rechtsfrage, ob nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 AbfG LSA Rücklagen für die späteren Kosten der Deponienachsorge gebildet und kalkulatorisch berücksichtigt werden dürfen, wenn die Verfüllung der Deponien bereits ganz oder teilweise in abgelaufenen Rechnungsperioden erfolgt ist, grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Am 16.06.2003 hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die insgesamt ermittelten Deponiefolgekosten zunächst auf eine Zeitachse übertragen gedacht und dann den verbleibenden Zeitraum für die Restverfüllung heraus geschnitten. Diese Restverfüllungszeit habe das Verwaltungsgericht ins Verhältnis zur früheren Verfüllzeit gesetzt und sei so zu einer gebührenrechtlich relevanten Teilmenge an den Deponienachsorgekosten gekommen: Diese vom Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung entwickelte "Theorie der doppelten Periodenrelevanz" lasse sich aus der Rechtsquellensituation nicht entwickeln. Vielmehr müsse nach der Gesetzeslage auf die gesamten Nachsorgekosten der noch im Betrieb befindlichen Deponien abgestellt werden, und zwar kalkulatorisch betrachtet hinsichtlich der gesamten Nachsorgekosten. Der Gesetzgeber habe dieses Verständnis durch den neu gefassten § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, Satz 4 AbfG LSA im Rahmen des 2. Investitionserleichterungsgesetzes, das am 01.09.2003 in Kraft getreten und vom Gericht zu berücksichtigen sei, deutlich zum Ausdruck gebracht, insbesondere lasse sich der Gesetzesbegründung entnehmen, dass die Gesetzesänderung rein deklaratorischen Charakter habe und der Gesetzgeber schon immer davon ausgegangen sei, dass alle Kosten für Nachsorge und Stilllegung einer Deponie in die Entgelte einzustellen seien.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 14. Mai 2003 - 1 A 328/02 DE - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Unter Bezugnahme auf das verwaltungsgerichtliche Urteil trägt sie ergänzend vor, "periodenbezogen" im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 AbfG LSA sei in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht dahingehend auszulegen, dass die Gesamtlaufzeit der Deponie und nicht lediglich einzelne Teilzeiträume in Perioden unterteilt werde und die Gesamtkosten der Nachsorge auf diese verteilt umgelegt würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen sind in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten über die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Restabfallentsorgung vom 09.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2002 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Erhebung der Gebühr ist § 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes - KAG-LSA - i. d. F. d. Bek. v. 13.12.1996 (LSA-GVBl., S. 405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 (LSA-GVBl., S. 158 [158 <Art. 3>]), i. V. m. § 1 Satz 1 der Satzung des Beklagten über die Gebühren zur Abfallentsorgung (Abfallgebührensatzung) - AbfGebS - vom 10.07.2000. Danach erhebt der Beklagte für die In-Anspruch-Nahme der öffentlichen Einrichtung Abfallentsorgung zur Deckung der Aufwendungen für die von ihm selbst oder im Auftrag wahrgenommenen abfallwirtschaftlichen Aufgaben Abfallgebühren. Für Grundstücke, die zu Wohnzwecken genutzt werden, setzen sich die zu zahlenden Abfallgebühren u. a. aus den eigentlichen Benutzungsgebühren zusammen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AbfGebS), die im Einzelnen in § 2 Abs. 3 AbfGebS beziffert werden.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass sich der Gebührenbescheid des Beklagten vom 09.01.2001 auf diese Vorschriften nicht stützen lässt, weil die hier gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 AbfGebS maßgeblichen Gebührensätze für Restabfallbehälter mit 1,1 m³ Füllraum je Abfuhr gegen das in § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 KAG-LSA geregelte Kostenüberschreitungsverbot verstoßen und daher nichtig sind.

1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 KAG-LSA sollen die Benutzungsgebühren grundsätzlich so bemessen werden, dass das Gebührenaufkommen die Kosten der jeweiligen Einrichtung deckt, jedoch nicht übersteigt. Daraus folgt - neben einem Kostendeckungsgebot - ein Kostenüberschreitungsverbot in dem Sinne, dass nur die für die Leistungserbringung erforderlichen Kosten der Einrichtung gebührenfähig sind. Dieser Kostenbegriff wird im Abfallgebührenrecht durch die Regelung in § 6 Abs. 2 des Abfallgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt in der hier anzuwendenden Fassung vom 10.03.1998 (LSA-GVBl., S. 112) - AbfG LSA - erweitert (OVG LSA, Beschl. v. 09.03.2004 - 2 L 259/03 -), indem die Zuführung von Rücklagen für die vorhersehbaren späteren Kosten der Nachsorge bei Abfallverwertungs- und Abfallbeseitigungsanlagen als berücksichtigungsfähig anerkannt werden. Unter Berücksichtigung dieses erweiterten Kostenbegriffs sind die erforderlichen Kosten regelmäßig im Rahmen einer Gebührenkalkulation für einen Kalkulationszeitraum, der drei Jahre nicht überschreiten soll (§ 5 Abs. 2b KAG-LSA), nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen (§ 5 Abs. 2 KAG-LSA) zu ermitteln (so schon OVG LSA, Beschl. v. 09.03.2004 - 2 L 259/03 -; VGH BW, Beschl. v. 07.10.2002 - 2 S 2643/01 - [juris]).

Über die Höhe des Gebührensatzes, dessen Festsetzung zum Mindestinhalt einer Abgabensatzung gehört (§ 2 Abs. 1 Satz 2 KAG-LSA), hat sodann der Kreistag als zuständiges Rechtssetzungsorgan (§ 33 Abs. 3 Nr. 6 der Landkreisordnung für das Land Sachsen-Anhalt - LKO LSA - vom 05.10.1993 [LSA-GVBl., S. 598], zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.11.2003 [LSA-GVBl., S. 318 (320)]) innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschließen. Der so festgelegte Gebührensatz ist fehlerhaft und mithin die entsprechende Satzungsbestimmung nichtig, wenn in die Gebührenkalkulation nicht gebührenfähige Kosten eingestellt worden sind, die zu einer erheblichen Kostenüberdeckung und damit zu einer Verletzung des Kostenüberschreitungsverbots geführt haben (Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, § 6 RdNr. 35, m. w. N. aus der Rechtsprechung).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist für den hier maßgeblichen Kalkulationszeitraum 2001 das Kostenüberschreitungsverbot verletzt, weil der Beklagte in die Kalkulation der hier im Streit stehenden Benutzungsgebühren für Restabfallbehälter zu hohe Rücklagen für die Deponienachsorge im Sinne des § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 5 AbfG LSA eingestellt hat. Diese Vorschrift bestimmt im Einzelnen:

"Zu den ansatzfähigen Kosten im Sinne des KAG rechnen alle Aufwendungen, für die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger selbst oder im Auftrag wahrgenommenen abfallwirtschaftlichen Aufgaben. Hierzu gehören insbesondere Aufwendungen für ...

5. die Bildung von Rücklagen für die vorhersehbaren späteren Kosten der Nachsorge bei Abfallverwertungs- und Abfallbeseitigungsanlagen; diese Kosten sind periodenbezogen in Ansatz zu bringen."

Der Landesgesetzgeber hat sich damit zwar grundsätzlich auch für die Einbeziehung der Kosten der Nachsorge für Abfallentsorgungsanlagen, zu denen auch Deponien gehören, da sie ebenfalls der Rekultivierung, Grundwasserüberwachung, Sickerwasserableitung und Entgasung (als wesentliche Nachsorgemaßnahmen) bedürfen, in die Gebührenkalkulation entschieden. Da die durch Benutzungsgebühren zu deckenden Kosten aber leistungsbezogen im Hinblick auf das Benutzungsverhältnis sein und sich auf eine bestimmte Rechnungsperiode beziehen müssen, um den zu bewertenden Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen (Werteverzehr) kalkulierbar zu machen (so auch OVG SH, Urt. v. 24.06.1998 - 2 L 22/96 -, NVwZ 2000, 102 [103], m. w. N.), kann diese Vorschrift in der vor der Rechtsänderung vom 16.06.2003 geltenden Fassung nur insoweit Anwendung finden, als eine Deponie noch in Betrieb ist. Bei diesen vorhersehbaren späteren Kosten der Nachsorge für noch in Betrieb befindlichen Abfallentsorgungsanlagen handelt es sich unbestritten um betriebsbedingte Kosten, d. h. die durch die Leistungserstellung verursacht werden (Schulte/Wiesemann, a. a. O., § 6 RdNr. 54 m. w. N.): Da Kosten bereits in der Nutzungsphase der öffentlichen Einrichtung während des laufenden Kalkulationszeitraums verursacht werden, ist auch eine Leistung gegenüber den betroffenen Gebührenschuldnern vorhanden, da die Benutzer der Einrichtung unmittelbar noch Vorteile von dem Betrieb der Abfallbeseitigungsanlage haben. Dies berechtigt mit Blick auf den Werteverzehr und seine periodengerechte Zurechnung zum Kalkulationszeitraum sowie in Übereinstimmung mit dem im Gebührenrecht geltenden Äquivalenzprinzip dazu, die Gebührenschuldner während des noch laufenden Betriebes auch zu den Kosten für die spätere Nachsorge heranzuziehen, obwohl die Ausgaben erst später anfallen (Schulte/Wiesemann, a. a. O., § 6 RdNr. 197, 323; BayVGH, BayVBl. 1996, 532; VGH BW, Beschl. v. 07.10.2002, a. a. O.; OVG SH, Urt. v. 24.06.1998, a. a. O.).

Hingegen fehlt es für die Berücksichtigung von Kosten für Nachsorgemaßnahmen an alten Deponien, die ganz oder - wie hier durch das 94-%-ige Verfüllen - teilweise nicht mehr in Betrieb sind, an dieser Betriebsbedingtheit sowie Leistungs- und Periodenbezogenheit der Kosten; denn die Aufwendungen für Nachsorgemaßnahmen für bereits verfüllte, also faktisch stillgelegte, Deponien knüpfen an eine abgeschlossene Leistungserbringung an, mit der Folge, dass diese Aufwendungen ausgehend von dem betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff nicht (mehr) in künftigen Rechnungsperioden eingestellt werden dürfen, da die Kosten für nicht mehr in Betrieb befindliche Deponien oder Deponieflächen keine nach dem betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff ansatzfähigen betriebsbedingten Kosten darstellen.

Will der Gesetzgeber in Erweiterung des o. g. Kostenbegriffs der §§ 5 Abs. 2 KAG-LSA; 6 Abs. 2 AbfG LSA auch die Kosten für die Nachsorge nach Beendigung der Ablagerungsphase in die Abfallgebühren einbeziehen, bedarf es einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Der sachsen-anhaltische Landesgesetzgeber hat mit Wirkung vom 22.07.2003 durch § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, S. 3, 4, Abs. 6 Abfallgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 16.07.2003 (LSA-GVBl., S. 158) - AbfG LSA 03 - ausdrücklich angeordnet, dass alle abfallwirtschaftlichen - einschließlich der stillgelegten, solange für sie nicht der Abschluss der Nachsorge festgestellt ist - Anlagen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gebührenrechtlich eine Einrichtung bilden. Im Einzelnen bestimmt diese Vorschrift nunmehr:

§ 6 Abs. 2 S. 2 - 4 AbfG LSA 03:

"Hierzu gehören insbesondere Aufwendungen für ...

5. die Bildung von Rücklagen für die vorhersehbaren späteren Kosten der Stilllegung und der Nachsorge bei Abfallverwertungs- und Abfallbeseitigungsanlagen, diese Kosten sind periodenbezogen in Ansatz zu bringen.

Alle abfallwirtschaftlichen Anlagen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bilden gebührenrechtlich eine Einrichtung. Dazu zählen auch stillgelegte Anlagen, solange für sie nicht der Abschluss der Nachsorge gemäß § 36 Abs. 5 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes festgestellt ist."

Zusätzlich bestimmt § 6 Abs. 6 AbfG LSA 03 seit dem 22.07.2003:

"Soweit die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger während der Betriebsphase der Deponie keine ausreichenden Rücklagen gebildet haben, können die Aufwendungen für Stilllegung und Nachsorge in einem Übergangszeitraum bis zum 1. September 2013 auch nach Beendigung der Ablagerungsphase in die Abfallgebühren einbezogen werden."

Damit können nunmehr in Sachsen-Anhalt neben den Aufwendungen für die aktuell betriebene Ablagerungsfläche auch die Aufwendungen für die Nachsorgemaßnahmen stillgelegter Deponien oder Deponieflächen in die Abfallgebührenkalkulation einbezogen werden. Diese Gesetzesänderung wirkt allerdings erst für den der Änderung nachfolgenden Kalkulationszeitraum, da sie ohne Rückwirkung versehen wurde. Da der von dem Beklagten am 10.07.2000 beschlossene Gebührensatz (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 AbfGebS) auf der Gebührenkalkulation für den Kalkulationszeitraum 2001 beruht, die gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 AbfG LSA nur die Kosten bzw. Aufwendungen im Sinne des § 5 KAG-LSA berücksichtigen konnte, die in § 6 Abs. 2 Satz 2 AbfG LSA näher bestimmt waren. Eine nachträgliche Ausweitung der (nunmehr) ansatzfähigen Kosten auf einen früheren Zeitpunkt würde dem gebührenrechtlichen Prinzip der Periodenbezogenheit widersprechen, wonach die durch Benutzungsgebühren zu deckenden Kosten leistungsbezogen im Hinblick auf das Benutzungsverhältnis sein müssen und sich auf eine bestimmte Leistungsperiode zu beziehen haben, um den zu bewertenden Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen (Werteverzehr) kalkulierbar zu machen. An dieser Periodenbezogenheit fehlt es aber, wenn die Bildung von Rücklagen nach der alten Rechtslage gar nicht vorgesehen und damit ein leistungsbezogener Werteverzehr nicht zu erwarten war. Im Übrigen steht der rückwirkenden Einbeziehung auch § 6 Abs. 6 AbfG LSA entgegen, der vorsieht, dass die Aufwendungen für Stilllegung und Nachsorge bei nicht ausreichender Rücklagenbildung während der Betriebsphase der Deponie in einem Übergangszeitraum bis zum 1. September 2013 auch nach Beendigung der Ablagerungsphase in die Abfallgebühren einbezogen werden können. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil aus Anlass dieses Falls keine weitere Klärung grundsätzlicher Fragen des Bundesrechts oder des Verwaltungsverfahrensrechts zu erwarten ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Senat von keiner Entscheidung im Instanzenzug abweicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und Verfahrensfehler nicht ersichtlich sind (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Ende der Entscheidung

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