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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 2 L 278/03
Rechtsgebiete: BImSchG, BauGB, ROG


Vorschriften:

BImSchG § 67 Abs. 9 S. 1
BImSchG § 67 Abs. 9 S. 3
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 6
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5
BauGB § 35 Abs. 3 S. 3
BauGB § 204 Abs. 1 S. 1
BauGB § 204 Abs. 1 S. 4
ROG § 3 Nr. 2
1. Das Rechtsschutzinteresse an der Weiterverfolgung einer Klage auf Erteilung eines vor dem 01.07.2005 beantragten baurechtlichen Vorbescheids zur Errichtung zweier Windenergieanlagen ist nicht dadurch entfallen, dass nach der Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) durch Verordnung vom 20.06.2005 Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m seit dem 01.07.2005 (generell) einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen.

2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung einem Vorhaben entgegen gehalten werden können (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 27.01.2005 - 4 C 5.04 -, BVerwGE 122, 364).

3. Die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB dürfte nicht schon einer Vereinbarung nach § 204 Abs. 1 Satz 4 BauGB zukommen. Erst die auf Grund dieser Vereinbarung beschlossenen konkreten Darstellungen in einem wirksamen Flächennutzungsplan können diese Wirkung haben.

4. Bei der Frage, ob Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) einem privilegierten Vorhaben entgegen stehen, kommt es nicht darauf an, ob eine förmliche Unterschutzstellung des betroffenen Gebiets stattgefunden hat; maßgebend ist vielmehr ob die Ziele und Grundsätze der Landschaftspflege im Sinne des §§ 1 und 2 BNatSchG negativ betroffen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.04.1984 - 4 C 69.80 -, NVwZ 1985, 340). Einen Anhalt, bei welchen Abständen Naturschutzgebiete von benachbarten Windenergieanlagen negativ betroffen werden, bietet Nr. 3.2 der Richtlinie zur Standortplanung und -beurteilung von Windenergieanlagen vom 29.04.1996 (LSA-MBl 1423).

5. Zur Frage der Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswerts und der Verunstaltung des Landschaftsbilds im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB durch Windenergieanlagen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 278/03

Datum: 17.11.2006

Gründe:

Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Zur Klarstellung ist das angefochtene Urteil für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Billigem Ermessen im Sinne von § 161 Abs. 2 VwGO entspricht es bei Orientierung am mutmaßlichen Prozessausgang, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen; denn die Berufung hätte ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses, den Erlass der auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 LPlG LSA ergangenen Untersagungsverfügung der Beigeladenen zu 2 vom 21.11.2005, voraussichtlich Erfolg gehabt.

Die Berufung ist bis zu diesem Zeitpunkt zulässig gewesen, soweit sie sich auf den auch schon im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Hauptantrag bezieht, mit der die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass des begehrten Bauvorbescheids zur Errichtung von zwei Windenergieanlagen begehrt hat. Insbesondere ist das Rechtsschutzinteresse an der Weiterverfolgung des baurechtlichen Vorbescheids nicht bereits dadurch entfallen, dass nach der Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) durch Verordnung vom 20.06.2005 Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m seit dem 01.07.2005 (generell) einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen. Nach der Übergangsregelung des § 67 Abs. 9 Satz 3 BImSchG werden Verfahren auf Erteilung einer Baugenehmigung, die - wie hier - vor dem 01.07.2005 rechtshängig geworden sind, nach den Vorschriften der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImschV) und der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der bisherigen Fassung abgeschlossen. Da die zwei streitigen Anlagen nach der bis zum 01. Juli 2005 geltenden Fassung der 4. BImSchV nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig waren, kam die Erteilung eines positiven Bauvorbescheids weiterhin in Betracht, der nach seiner Erteilung entsprechend § 67 Abs. 9 Satz 1 BImSchG als immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG gilt (vgl. OVG RP, Urt. v. 16.01.2006 - 8 A 11271/05 - Juris).

Die Berufung wäre auch begründet gewesen. Die Klägerin hätte ohne den Erlass der Untersagungsverfügung einen Anspruch auf den beantragten baurechtlichen Vorbescheid gehabt, da ihrem Vorhaben keine öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstanden (§ 70 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. § 74 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA -, in der hier noch anwendbaren Fassung des Gesetzes über die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 23.06.1994 [LSA-GVBl., S. 723], zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.11.1995 [LSA-GVBl., S. 339]).

Der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der geplanten Windkraftanlagen konnte nicht entgegengehalten werden, dem raumbedeutsamen Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB stünden gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB öffentliche Belange entgegen, weil als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt sei. Zwar dürfte es sich bei der Errichtung von zwei Windenergieanlagen der hier in Rede stehenden Art um ein "raumbedeutsames" Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB handeln (vgl. hierzu die Urteile des Senats vom 11.09.2003 - 2 L 456/00 - ZNER 2003, 51, und vom 22.06.2006 - 2 L 23/04 -, Juris, m. w. Nachw.). Allerdings ist eine solche "Ausweisung an anderer Stelle" bislang nicht wirksam erfolgt, insbesondere nicht durch die Festlegung von Eignungsgebieten im Sinne von § 7 Abs. 4 Nr. 3 ROG in der Änderung des Regionalen Entwicklungsprogramm für den Regierungsbezirk Halle vom 21.03.2000 [LSA-MBl 331, 333]); denn der Senat hat diese Änderungsnormen durch Urteil vom 11.11.2004 für nichtig erklärt, das seit dem 01.03.2005 rechtskräftig ist.

Dem Vorhaben der Klägerin standen voraussichtlich auch nicht die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung entgegen, wie sie im Entwurf des Regionalen Entwicklungsplans der Beigeladenen zu 2 vom 26.08.2005 ihren Niederschlag gefunden haben. Der Standort des Vorhabens der Klägerin befindet sich zwar in einem Bereich, der außerhalb eines der im Entwurf dargestellten Eignungs- oder Vorranggebiete für die Windenergienutzung liegt. Auch können in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung als nicht benannter öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB im Rahmen des § 35 Abs. 1 BauGB von rechtlicher Bedeutung sein, wenn den Gegenstand des Genehmigungsverfahrens eine raumbedeutsame Maßnahme im Sinne des § 3 Nr. 6 ROG bildet; dies gilt unabhängig davon, ob der Planungsträger gegenüber der Genehmigungsbehörde eine (befristete) Untersagung der Genehmigung von Maßnahmen ausgesprochen hat (BVerwG, Urt. v. 27.01.2005 - 4 C 5.04 -, BVerwGE 122, 364). Allerdings muss ein in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung bestimmten Anforderungen genügen, um im Zulassungsregime des § 35 BauGB relevant zu sein. Das BVerwG fordert im genannten Urteil vom 27.01.2005 zunächst ein Mindestmaß an inhaltlicher Konkretisierung. Dazu hat es ausgeführt:

"Der Gesetzgeber lässt es nicht mit der Aufstellung eines Raumordnungsplans bewenden. Es genügt nicht der Hinweis des Trägers der Raumordnungsplanung, einen Aufstellungsbeschluss gefasst oder einen sonstigen Akt vollzogen zu haben, der sich als Einleitung eines Planungsverfahrens werten lässt. Der Gesetzgeber knüpft nach Maßgabe des § 4 Abs. 4 Satz 1 ROG Rechtsfolgen allein an die Zielaufstellung. Dabei kommen aus dem Kreis etwaiger in Aufstellung befindlicher Ziele nur solche als Zulassungshindernis in Betracht, die geeignet sind, ohne weiteren planerischen Zwischenschritt unmittelbar auf die Zulassungsentscheidung durchzuschlagen. Das zukünftige Ziel muss bereits so eindeutig bezeichnet sein, dass es möglich ist, das Bauvorhaben, das den Gegenstand eines bauordnungsrechtlichen Zulassungsverfahrens bildet, an ihm zu messen und zu beurteilen, ob es mit ihm vereinbar wäre. Die insoweit erforderliche Detailschärfe weist es erst auf, wenn es zeichnerisch oder verbal so fest umrissen ist, dass es anderen Behörden und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden kann. Dieses Stadium der Verlautbarungsreife ist regelmäßig erreicht, wenn es im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden kann." Eine Konkretisierung der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung dürfte zwar in einer solchen Weise eingetreten sein. Der Entwurf des Regionalen Entwicklungsplans des Beigeladenen zu 2 mit Stand vom 26.08.2005 sieht eine Ausweisung von Eignungs- und Vorrangflächen für Windenergie mit der Folge des Ausschlusses von Windkraftanlagen an anderer Stelle als Ziel vor. Dieses Ziel ist im Entwurf zeichnerisch oder verbal fest umrissen mit der Folge, dass es anderen Behörden und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden konnte. Der Entwurf wurde unter Datum vom 09.09.2005 den nach § 7 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 LPlG LSA zu beteiligenden Stellen zugeleitet und wurde laut Beschluss der Regionalversammlung gemäß § 7 Abs. 4 LPlG LSA in den Kreis- und Gemeindeverwaltungen der Planregion öffentlich ausgelegt. Das BVerwG fordert aber weiter, dass der inhaltlich konkretisierte Entwurf der Zielfestlegung die hinreichend sichere Erwartung rechtfertigen lassen muss, dass er über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen Vorgabe im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG erstarken wird. Hierzu hat es weiter ausgeführt:

"Es würde dem Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zuwider laufen, ein ansonsten zulässiges Vorhaben an Zielvorstellungen des Planungsträgers scheitern zu lassen, bei denen noch nicht absehbar ist, ob sie je als zukünftiges Ziel der Raumordnung Außenwirksamkeit entfalten werden. Die Planung muss ein genügendes Maß an Verlässlichkeit bieten, um auf der Genehmigungsebene als Versagungsgrund zu dienen. Diesem Erfordernis ist erst dann genügt, wenn ein Planungsstand erreicht ist, der die Prognose nahe legt, dass die ins Auge gefasste planerische Aussage Eingang in die endgültige Fassung des Raumordnungsplans finden wird. Davon kann keine Rede sein, solange der Abwägungsprozess gänzlich offen ist. Gerade bei Plänen, die auf der Grundlage des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB aufgestellt werden, bedarf es eines Gesamtkonzepts, das dadurch gekennzeichnet ist, dass eine positive Ausweisung, die für eine bestimmte Nutzung substanziellen Raum schafft, mit einer Ausschlusswirkung an anderer Stelle kombiniert wird. Diese Wechselbezüglichkeit von positiver und negativer Komponente bringt es in der Regel mit sich, dass der Abwägungsprozess weit fortgeschritten sein muss, bevor sich hinreichend sicher abschätzen lässt, welcher der beiden Gebietskategorien ein im Planungsraum gelegenes einzelnes Grundstück zuzuordnen ist.

Das bedeutet freilich nicht zwangsläufig, dass die zukünftige Ausschlusswirkung eines in Aufstellung befindlichen Ziels einem Außenbereichsvorhaben erst dann entgegengehalten werden kann, wenn der Planungsträger die abschließende Abwägungsentscheidung getroffen hat und es nur noch von der Genehmigung und der Bekanntmachung abhängt, dass eine Zielfestlegung entsteht, die die in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB genannten Merkmale aufweist. Lässt sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt absehen, dass die Windkraftanlage auf einem Grundstück errichtet werden soll, das in einem Raum liegt, der für eine Windenergienutzung von vornherein tabu ist oder aus sonstigen Gründen erkennbar nicht in Betracht kommt, so ist das insoweit in Aufstellung befindliche Ziel der Raumordnung schon in dieser Planungsphase im Baugenehmigungsverfahren berücksichtigungsfähig. Ob und wie lange vor der abschließenden Beschlussfassung sich die Planung gegebenenfalls in Richtung Ausschlusswirkung verfestigen kann, beurteilt sich nach den jeweiligen Verhältnissen vor Ort. Je eindeutiger es nach den konkreten Verhältnissen auf der Hand liegt, dass der Bereich, in dem das Baugrundstück liegt, Merkmale aufweist, die ihn als Ausschlusszone prädestinieren, desto eher ist die Annahme gerechtfertigt, der Plangeber werde diesem Umstand in Form einer negativen Zielaussage Rechnung tragen."

Eine in diesem Sinne hinreichend sichere Erwartung, dass die hier in Rede stehenden Festlegungen des Regionalen Entwicklungsplans über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen Vorgabe im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG erstarken wird, liegt allerdings noch nicht vor, da der Abwägungsprozess noch offen ist. Die für eine sachgerechte Abwägung notwendigen Stellungnahmen der zu beteiligenden Stellen liegen noch nicht vor.

Die beiden Standorte der Anlagen liegen auch in keiner so genannten Tabuzone. Nach dem Gutachten der BPI-Consult vom 03.08.2004, auf die sich die Beigeladene in der Begründung ihres Untersagungsbescheids vom 21.11.2005 berufen hat, befindet sich der Bereich um die Standorte, was die Landschaftsverträglichkeit von Windenergieanlagen betrifft, zwar nicht in einem "Gunstbereich", aber auch nicht in einem "Tabubereich", sondern in einem "Abwägungsbereich". Allein aus der Tatsache, dass die Abstände nach dem "Kriterienkatalog-Wind" nicht eingehalten würden, wenn die streitigen Anlage in der Nähe der im Planentwurf bereits vorgesehenen Vorrang- und Eignungsgebiete errichtet würden, kann nicht geschlossen werden, dass der von der Klägerin vorgesehene Standort von vorn herein nicht für die Windenergienutzung in Betracht kommt; denn im Rahmen der Abwägung können die im Entwurf vorgesehenen Eignungs- und Vorranggebiete verschoben oder gestrichen werden.

Es liegen auch sonst keine Gründe vor, die den Schluss nahe legen, dass der Bereich um die beiden Standorte der Anlagen für die Nutzung der Windenergie erkennbar nicht in Betracht kommt.

Die Aussicht, dass die Bundesautobahn 71 über das künftige Autobahndreieck Oberröblingen hinaus bis zur Bundesautobahn 14 nach Bernburg verlängert wird, dürfte noch so vage sein, dass sie dem Vorhaben der Klägerin nicht hätten entgegen gehalten werden kann. Im Bundesverkehrswegeplan in der letzten Fassung ist die Verlängerung der A 71 bis zur A 14 nicht (mehr) enthalten, so dass völlig offen ist, ob und wann diese Verlängerung jemals gebaut wird. Nur vage planerische Zukunftserwägungen für anderweitige Nutzungsmöglichkeiten können der Darstellung einer sonst durchaus geeigneten Fläche für Windkraftnutzung nicht entgegen gehalten werden (vgl. OVG NW, Urt. v. 19.05.2004 - 7 A 3368/02 -, NuR 2004, 690). Im Übrigen befinden sich die beiden Standorte der geplanten Windkraftanlagen nach der "Arbeitskarte" in einem deutlichem Abstand zu der im Entwurf dargestellten Trassenverlängerung.

Der Umstand, dass der Standort in der Nähe des im Entwurf vorgesehenen Vorbehaltsgebiets für den Aufbau eines ökologischen Verbundsystems liegt, stellt ebenfalls kein im Rahmen der Abwägung unüberwindbares Hindernis dar. Der Standort liegt gerade nicht innerhalb dieses Verbundsystems. Nach den Ausführungen im Untersagungsbescheid ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass die Vorbehaltsfunktion beeinträchtigt wird. Diese (bloße) Möglichkeit der Beeinträchtigung ist erst im Rahmen der Abwägung nach den erforderlichen Stellungnahmen insbesondere der Naturschutzbehörden zu würdigen, führt aber nicht dazu, dass der Standort von vornherein nicht für die Windenergienutzung in Frage kommt. Dies gilt umso mehr, als die Trasse für die möglicherweise in (ferner) Zukunft zu errichtende Verlängerung der A 71 nicht nur in unmittelbarer Nähe des Vorbehaltsgebiets verlaufen, sondern dieses Gebiet sogar durchschneiden würde. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass sich der streitige Standort nach dem Entwurf des Regionalen Entwicklungsplans innerhalb eines Vorbehaltsgebiets für Wiederbewaldung/Aufforstung bzw. in der Abstandzone befindet. Auch die Größe und Lage dieses Gebiets steht unter dem Vorbehalt der abschließenden Abwägung. Gleiches gilt schließlich für mögliche Sichtbeeinträchtigungen bezüglich regional bedeutsamer Standorte für Kultur- und Denkmalpflege. Im Übrigen liegen die Standorte nach dem Gutachten der BPI-Consult vom 03.08.2004 - wie das im Planentwurf vorgesehene und wenige Kilometer entfernte Vorrangebiet für Windenergie "S..." - im Bereich der mittelstarken Einsehbarkeit.

Schließlich dürfte auch der Umstand, dass der Raum um die beiden Standorte in westlicher, östlicher und südöstlicher Richtung von (kleineren) Naturschutzgebieten umgeben ist, nicht zu der Annahme führen, dass der fragliche Bereich für die Windenergienutzung von vorn herein nicht in Betracht kommt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch kleinere oder "schmale" Eignungs- oder Vorranggebiete ausgewiesen werden. Nr. 2.2 Abs. 2 der Richtlinie zur Standortplanung und -beurteilung von Windenergieanlagen (RdErl. des MU v. 29.04.1996 [LSA-MBl] 1423) enthält immerhin die Empfehlung, dass die Standorte für Windparks unter Beachtung notwendiger Abstände möglichst für mehr als fünf Einzelanlagen mittlerer Größe geeignet sein und daher mindestens 20 bis 50 Hektar umfassen sollten. Dass solche Größenordnungen an dem in Rede stehenden Bereich nicht zu erreichen sind, ist nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass in nördlicher Richtung genügend Raum zur Verfügung stehen dürfte, der im Gutachten der BPI-Consult in Bezug auf die Landschaftsverträglichkeit sogar als "Gunstbereich" dargestellt ist.

Dem Vorhaben hätte voraussichtlich auch nicht entgegen gehalten werden können, es widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans der Beigeladenen zu 1 in der Fassung der ersten Änderung, nach der im gesamten Gebiet der Beigeladenen zu 1 die Errichtung von Windenergieanlagen unzulässig sein soll; denn das Regierungspräsidium H-Stadt hat mit Bescheid vom 24.02.2000 die nach §§ 2 Abs. 4, 6 Abs. 1 BauGB erforderliche und am 26.11.1999 beantragte Genehmigung dieser Änderung (zu Recht) versagt, da dies auf eine unzulässige Negativplanung hinausliefe. In seiner ursprünglichen Fassung vom 09.10.1997 enthielt der Flächennutzungsplan keine für die Windenergienutzung relevanten Darstellungen, die dem Vorhaben der Klägerin entgegenstehen könnten.

Allein die Vereinbarung zwischen der - nunmehr zum Gebiet der Beigeladenen zu 1 gehörenden - Gemeinde O. und der Nachbargemeinde E. von 20./26.07.2000 über die gemeinsame Planung eines Bereichs für die Nutzung von Windenergie auf dem Gebiet der Gemeinde E. konnte - auch wenn die Vereinbarung mit der Beigeladenen zu 1 weiter galt - dem Vorhaben der Klägerin in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nicht entgegen gehalten werden. Gemäß § 204 Abs. 1 Satz 1 BauGB sollen benachbarte Gemeinden einen gemeinsamen Flächennutzungsplan aufstellen, wenn ihre städtebauliche Entwicklung wesentlich durch gemeinsame Voraussetzungen und Bedürfnisse bestimmt wird oder ein gemeinsamer Flächennutzungsplan einen gerechten Ausgleich der verschiedenen Belange ermöglicht. § 204 Abs. 1 Satz 4 BauGB sieht ferner vor, dass im Falle der Erforderlichkeit einer gemeinsamen Planung nur für räumliche oder sachliche Teilbereiche anstelle eines gemeinsamen Flächennutzungsplans eine Vereinbarung der beteiligten Gemeinden über bestimmte Darstellungen in ihren Flächennutzungsplänen genügt. Auch dürfte es nicht ausgeschlossen sein, dass benachbarte Gemeinden auf dieser rechtlichen Grundlage eine Vereinbarung hinsichtlich der Planung von Windenergieflächen für ihre Gebiete treffen, die die Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeiführen kann (vgl. OVG RP, Urt. v. 26.11.2003 - 8 A 10814/03 -, UPR 2004, 198; Söfker in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB, § 35 RdNr. 125). Allerdings kommt die Ausschlusswirkung nicht schon einer Vereinbarung nach § 204 Abs. 1 Satz 4 BauGB zu, sondern erst die auf Grund dieser Vereinbarung beschlossenen konkreten Darstellungen in einem wirksamen Flächennutzungsplan (vgl. Söfker, a. a. O., m. w. Nachw.); denn § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verlangt insoweit, dass eine Ausweisung für ein solches Vorhaben an anderer Stelle (bereits) erfolgt ist. Eine Vereinbarung nach § 204 Abs. 1 Satz 4 BauGB bedeutet nur eine Absprache zwischen den beteiligten Gemeinden, ihre Flächennutzungspläne entsprechend ändern zu wollen (vgl. Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 204 RdNr. 33, m. w. Nachw.). Der Flächennutzungsplan der Gemeinde E., der im Südwesten ihres Gemeindegebiets ein Sondergebiet für Windenergieanlagen ausweist und festlegt, dass dieses Sondergebiet den Anteil der Beigeladnen zu 1 einschließlich des Ortsteils O. mit abdeckt, erlangt erst mit der (ordnungsgemäßen) Bekanntmachung der Genehmigung Wirksamkeit (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BauGB), die hier (frühestens) am 14.07.2006 erfolgte.

Auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB), insbesondere die Nähe der beiden Standorte zu Naturschutzgebieten standen dem - auf zwei Windkraftanlagen beschränkten - Vorhaben der Klägerin voraussichtlich nicht entgegen. Zwar kommt es insoweit nicht darauf an, ob eine förmliche Unterschutzstellung des betroffenen Gebiets stattgefunden hat; maßgebend ist vielmehr ob die Ziele und Grundsätze der Landschaftspflege im Sinne des §§ 1 und 2 BNatSchG negativ betroffen werden (BVerwG, Urt. v. 13.04.1984 - 4 C 69.80 -, NVwZ 1985, 340). Einen Anhalt, bei welchen Abständen Naturschutzgebiete von benachbarten Windenergieanlagen negativ betroffen werden, bietet Nr. 3.2 der bereits genannten Richtlinie zur Standortplanung und -beurteilung von Windenergieanlagen. Danach sind die Abstände von durch naturschutzrechtliche Vorgaben geschützten Gebieten so zu bemessen, dass der Schutzzweck nicht gefährdet wird. Dies sei in der Regel anzunehmen, wenn ein Abstand des Vierfachen der Nabenhöhe der jeweiligen Windenergieanlage eingehalten wird. Bei den hier streitigen Anlagen mit einer Nabenhöhe von 66 m, entspräche dies einer Entfernung von 264 m. Diesen Abstand hätten die beiden, nach der Teilrücknahme vom 10.09.2002 noch streitigen Anlagen WEA 2 und WEA 3 eingehalten. Das Naturschutzgebiet "Hopptal" liegt in westlicher Richtung etwa 500 vom geplanten Standort der WEA 2 entfernt. Der Abstand des östlich bzw. südöstlich gelegenen Naturschutzgebiets "Kirschberg und Handkante" zur WEA 3 beträgt etwa 1.500 m bzw. 800 m.

Nach dem Eindruck, den der Senat beim Ortstermin gewonnen hat, würden die beiden Anlagen auch nicht die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigen. Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung, einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung; der Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung soll für die Allgemeinheit erhalten bleiben; es sollen Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder die der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen (vgl. Söfker, a. a. O., § 35 RdNr. 96, m. w. Nachw.). Der Belang "natürliche Eigenart der Landschaft" kann zwar auch privilegierten Vorhaben entgegen gehalten werden; dabei ist allerdings das Gewicht der Privilegierung in der Regel höher zu veranschlagen als bei nicht privilegierten Vorhaben; auch Vorbelastungen sind zu berücksichtigen (Söfker, a. a. O., m. w. Nachw.). Der geplante Aufstellungsort und dessen nähre Umgebung werden intensiv landwirtschaftlich genutzt. Lediglich in der weiteren nordöstlichen Entfernung befinden sich auf den dortigen Höhen auch bewaldete Flächen. In der weiteren Umgebung sind Bergbauhalden, die Autobahn A 38 und die B 86n, weitere Windkraftanlagen sowie Hochspannungsleitungen vorhanden. In dieser Umgebung beeinträchtigen die Windenergieanlagen wegen ihrer geringfügigen Grundfläche die naturgegebene Bodennutzung nur unwesentlich (vgl. OVG RP, Urt. v. 24.05.2006 - 8 A 10892/05 -, ZfBR 2006, 571). Damit dürfte auch eine Verunstaltung des Landschaftsbilds im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB ausscheiden, was voraussetzen würde, dass das Bauvorhaben dem Orts- oder Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird (BVerwG, Beschl. v. 18.03.2003 - 4 B 7.03 -, BauR 2004, 295, m. w. Nachw.).

Es entspricht der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären. Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Kosten einer im Bauprozess beigeladenen Behörde selbst dann, wenn die Behörde notwendig beigeladen ist, nicht erstattungsfähig sind, weil die Behörde im Verhältnis zum Kläger als Teil der am baurechtlichen Verfahren zu beteiligenden, mit öffentlichen Aufgaben betrauten Stelle zu gelten hat und von der Stellung im anstehenden Interessenskonflikt der versagenden oder ge- oder verbietenden Bauaufsichtsbehörde zuzurechnen ist (vgl. Beschl. v. 29.11.1996 - B 2 S 319/96 -).

Die Streitwertfestsetzung für das Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in der im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung noch geltenden Fassung vom 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG a. F. -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), Danach bestimmt sich die Wertfeststellung nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache. Bei der Ausübung des ihm eingeräumten Ermessen folgt der Senat dem Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 13.12.2001 (4 C 3.01 -, UPR 2002, 194) und geht bei Baugenehmigungsverfahren für Windkraftanlagen von einem Streitwert von zehn Prozent der Herstellungskosten aus, wovon fünfundsiebzig Prozent für das Verfahren auf Erteilung des hier streitigen Bauvorbescheids anzusetzen sind. Der Senat schätzt die Herstellungskosten für eine Anlage der hier in Rede stehenden Art auf etwa 1.000.000,00 €. Daraus ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 150.000,00 €.

Ende der Entscheidung

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