Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: 2 L 419/00
Rechtsgebiete: VermG, LSA-VwKostG, LLSA-VermKostV, LSA-VwVfG


Vorschriften:

VermG § 1
VermG § 3
VermG § 31 I 2
VermG § 31 VII
VermG § 34 II
VermG § 38 I
LSA-VwKostG § 3
LSA-VwKostG § 4
LLSA-VermKostV § 1 I
LSA-VermKostVO § 2
LSA-VwVfG § 9
1. Die im Rahmen des Vermögensrechts von der Landkreisverwaltung beantragte Liegenschafts-vermessung ist nach § 38 Abs. 1 VermG kostenfrei.

2. Zum Verwaltungsverfahren im Rahmen des Vermögensrechts gehört auch die Vermessung als Teil der Ermittlung des Sachverhalts.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 419/00

Datum: 25.02.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf §§ 124a; 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, geändert durch Gesetz vom 01.11.1996 (BGBl I 1626) und zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.07.2001 (BGBl I 1543) - wegen der durch das Änderungsgesetz vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) als § 194 Abs. 1 VwGO eingefügten Übergangsregelung auf diesen Fall noch anwendbar -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO (Kosten) und hinsichtlich des Streitwerts auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.07.2002 (BGBl I 2850 [2860]).

1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, denn diese sind nicht hinreichend dargelegt worden (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Der Darlegungslast genügt nur, wer den "Grund" benennt, der ausnahmsweise die Zulassung rechtfertigt, und dessen Voraussetzungen "schlüssig" beschreibt. Dazu gehört bei § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass belegt wird, es beständen gerade "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit" der angefochtenen Entscheidung. Dies verlangt zunächst, dass der Antrag einzelne tatsächliche Feststellungen des Gerichts oder Elemente der rechtlichen Ableitung konkret bezeichnet, die beanstandet werden sollen, sowie zusätzlich, dass aufgezeigt wird, aus welchem Grund die konkrete Passage ernstlichen Zweifeln begegnet. Da § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO außerdem verlangt, dass ernstliche Zweifel an der "Richtigkeit" des Ergebnisses bestehen, muss der Zulassungsantragsteller ferner darlegen, dass das Gericht bei Vermeidung der gerügten Fehler zu einer anderen, für den Rechtsmittelführer positiven Entscheidung gelangt wäre. Daran fehlt es hier.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die von dem Kläger beantragte Liegenschaftsvermessung der Kostenfreiheit gemäß § 38 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.12.1998 (BGBl I 4026), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.05.2002 (BGBl I 1580), unterliegt. Nach dieser Vorschrift ist das Verwaltungsverfahren bei den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen einschließlich des Widerspruchsverfahrens nach dem Vermögensgesetz kostenfrei. Derartige - nicht zu erhebende - Kosten sind Verwaltungsgebühren und Auslagen; auch Vermessungskosten sind Kosten (Gebühren und Auslagen) in diesem Sinne, da sie auf der Grundlage der §§ 3, 4 des Verwaltungskostengesetzes des Landes Sachsen Anhalt - VwKostG LSA - vom 27.06.1991 (LSA-GVBl., S. 154), zuletzt geändert durch Gesetz vom 07.12.2001 (LSA-GVBl., S. 540), sowie §§ 1 Abs. 1; 2 der Kostenverordnung für das amtliche Vermessungswesen - VermKostVO - vom 15.12.1997 (LSA-GVBl., S. 1048) erhoben werden.

Was zum kostenfreien Verwaltungsverfahren im Sinne des § 38 Abs. 1 VermG gehört, ergibt sich einerseits aus dem Vermögensgesetz selbst und andererseits aus § 9 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt i. d. F. d. Bek. v. 07.01.1999 (LSA-GVBl., S. 3) - VwVfG LSA -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 07.12.2001 (LSA-GVBl., S. 540 [542]), das gemäß § 31 Abs. 7 VermG subsidiär anwendbar ist. Nach Abschnitt VI (Verfahrensregelungen) des Vermögensgesetzes gehören neben der Aufnahme bzw. Entgegennahme und Registrierung des Antrags und der Bestätigung des Antragseingangs bei der Behörde gegenüber dem Antragsteller (§§ 30, 30a VermG) auch die Ermittlung des Sachverhalts gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 VermG, d. h. die Klärung sämtlicher für den konkreten Antrag entscheidungserheblicher Tatsachen, zum kostenfreien Verwaltungsverfahren. Hierzu zählt z. B. die Einholung von Grundbuchauszügen und Bestandsblättern, von Katasterunterlagen sowie von Erbscheinen, die Befragung von Zeugen und die Einnahme eines Augenscheins (Jäckle, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Stand: Oktober 1997, [VermG] § 38 RdNrn. 3, 4).

Zutreffend führt das Verwaltungsgericht aus, dass zur Sachverhaltsermittlung in diesem Sinne auch die Liegenschaftsvermessung zu rechnen ist, wenn - wie hier - lediglich eine unvermessene Teilfläche des Gesamtgrundstücks restituiert und eine andere Teilfläche von der Restitution ausgeschlossen worden ist (hier die mit einem Sozialgebäude bebaute Grundstücksfläche). Grundsätzlich gehört die Feststellung der Grundstücksverhältnisse - so wie sie früher bestanden haben - zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und ist sachliche Voraussetzung für den Erlass eines Restitutionsbescheids der Behörde. Dazu gehört unzweifelhaft auch die Ermittlung der tatsächlich zurückzuübertragenden Grundstücksfläche, wenn sich - wie hier - das zu restituierende Grundstück kataster- und grundbuchmäßig vor und nach dem schädigenden Ereignis im Sinne des § 1 VermG verändert hat; denn nur durch die Vermessung kann der zu restituierende Vermögenswert ermittelt werden. Ohne entsprechende Vermessung können die Vermögensämter häufig nicht feststellen, welcher Teil der Erdoberfläche vom Restitutionsverfahren erfasst wird und ob die Restitution rechtlich möglich ist. Die Vermessung ist aber Voraussetzung, um beim Grundbuchamt die entsprechenden Eintragungsanträge stellen zu können (§ 34 Abs. 2 VermG). Die Vermögensämter sind daher in diesen Fällen verpflichtet, auf ihre Kosten eine Vermessung und die katasteramtliche Erfassung durchführen zu lassen (Jäckle, a. a. O., [VermG] § 38 RdNr. 7; Redeker/Hirtschulz, in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Stand: Juni 2002, [VermG] § 34 RdNr. 2; Schmidt, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Stand: Juni 1998, [VermG] § 38 RdNr. 10).

Nichts anderes kann aber gelten, wenn die Vermögensämter, die das Risiko tragen, eine kostenintensive und arbeitsaufwendige Vermessung wiederholen zu müssen, wenn sich nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens herausstellt, dass die Teilfläche, die dem früheren Eigentümer bestands- bzw. rechtskräftig zugesprochen wurde, mit der vom Vermögensamt ursprünglich eingemessenen Fläche nicht identisch ist, aus fiskalischen und arbeitsökonomischen Gründen entsprechend einer Empfehlung des Bundesministeriums der Justiz vom 05.10.1992 (V 5 3440/4-7 II 14 - 2390/92; zitiert nach Kimme, a. a. O., [VermG] § 38 RdNr. 10) auf eine Vermessung bereits vor Erlass des Restitutionsbescheids verzichten (vgl. auch VG Leipzig, Beschl. v. 18.07.1997 - 6 K 501/97 -, VIZ 1997, 692, und nachgehend SächsOVG, Beschl. v. 20.02.1998 - 2 S 516/97 -, OV spezial 1998, 111; VG Magdeburg, Urt. v. 05.03.2002 - 5 A 327/01 MD -, Rü BARoV 2002, 17).

Der Senat befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 23.04.1998 - BVerwG 3 C 56.96 -, VIZ 1998, 568), der den Begriff des Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 38 Abs. 1 VermG ebenfalls weit auslegt :

"Unter "Verwaltungsverfahren" im Sinne von § 38 Abs. 1 VermG sind neben dem Restitutionsverfahren im engeren Sinne auch alle im Vermögensgesetz vorgesehenen und seiner Durchführung dienenden Annexverfahren zu verstehen. Hierzu gehört auch das "Vergewisserungsverfahren" gemäß § 3 Abs. 5 VermG. Das Vermögensgesetz dient in all seinen Bestimmungen dem Ziel, das Spannungsverhältnis zwischen Altberechtigten und jetzigen Verfügungsberechtigten zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Eine gedankliche Aufteilung dieses ganzheitlichen Komplexes in selbständige Einzelverfahren verbietet sich vor diesem Hintergrund; vielmehr sind die aus einzelnen Anspruchsgrundlagen abgeleiteten Verfahren lediglich Teilaspekte des Restitutionsverfahrens. Das so zu verstehende Verfahren wird insgesamt von § 38 Abs. 1 VermG erfaßt. Die Vergewisserungspflicht des Verfügungsberechtigten gemäß § 3 Abs. 5 VermG ist auf das engste mit dem eigentlichen Restitutionsverfahren verflochten. Die Bestimmung dient der Klarstellung der Pflichten des Verfügungsberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 VermG, die ihrerseits von einer Antragstellung des Berechtigten nach § 30 VermG abhängen. Nach Überzeugung des Senats kann es daher nicht entscheidend darauf ankommen, ob es sich bei dem Vergewisserungsverfahren um ein Verwaltungsverfahren im Sinne von § 9 VwVfG handelt."

Schließlich ist dem Verwaltungsgericht darin zu folgen, dass die Vermessung in einem untrennbaren rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang mit dem vermögensrechtlichen Verfahren, dessen rechtsgestaltenden Abschluss in Form eines begünstigenden Verwaltungsakts (§ 3 VermG) und der sich daran anschließenden deklaratorischen Grundbuchberichtigung (§ 34 Abs. 2 VermG), steht. Die Vermessung ist das Bindeglied zwischen beiden Verfahren und ohne sie ist der vermögensrechtlich ausdrücklich in § 34 Abs. 2 VermG geregelte "Nachvollzug der Rückübertragung im Grundbuch" nicht zu verwirklichen. Sowohl die Sachverhaltsermittlung im Sinne des § 31 Abs. 1 VermG als auch die Grundbuchberichtigung sind aber kostenfrei (§ 34 Abs. 2 Satz 3 VermG). Es ist daher sachlich nicht gerechtfertigt, die Vermessung als Bindeglied beider Verfahren kostenmäßig anders zu behandeln als die Verfahrensschritte, die sie verbindet. Richtigerweise ist die Vermessung eines Grundstücks für den Berechtigten daher kostenfrei, wenn sie - wie hier - dazu dient, die Restitution im Grundbuch eintragbar zu machen (VG Leipzig, a. a. O.).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen "grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache" gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen; denn die von dem Beklagten aufgeworfene Frage, ob das Verfahren der Liegenschaftsvermessung unter den Begriff des "Verwaltungsverfahrens" in § 38 Abs. 1 VermG als "Annex" fällt, lässt sich nach den obigen Ausführungen des Senats bereits nach den Regelungen des Vermögensgesetzes, insbesondere §§ 31; 34; 38 VermG, und mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten.

Ende der Entscheidung

Zurück