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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 02.02.2004
Aktenzeichen: 2 L 462/03
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 68 | |
VwGO § 70 | |
VwGO § 73 |
2. Dies gilt nicht, wenn und soweit Rechte Dritter betroffen sind, denen der angefochtene Verwaltungsakt eine Vergünstigung gewährt.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 2 L 462/03
Datum: 02.02.2004
Gründe:
Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf §§ 154 Abs. 2; 162 Abs. 3 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.
1. Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen; denn das Vorliegen einer "Divergenz" hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.
Die von dem Kläger behauptete Abweichung des angefochtenen Urteils von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 27.02.1963 - BVerwG V C 105.61 -, BVerwGE 15, 306 [310]; Urt. v. 13. 12.1967 - BVerwG IV C 124.65 -, BVerwGE 28, 305 [310]; Urt. v. 21.03.1979 - BVerwG 6 C 10.78 -, BVerwGE 57, 342 [344]) liegt nicht vor. Zwar eröffnet nach der vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtsauffassung die sachliche Bescheidung eines verspätet erhobenen Widerspruchs die verwaltungsgerichtliche Klagemöglichkeit. Dies kann jedoch auch und gerade unter Berücksichtigung der diese Rechtsansicht tragenden maßgeblichen Gründe jedenfalls nicht für den vorliegenden Sachverhalt gelten, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Grenzfeststellung ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung ist: Aus dem Wesen der Grenze als nachbartrennender Linie liegt folgt notwendig, dass sie den einen Grundstückseigentümer begünstigt und den benachbarten belastet, wenn eine für ihn nachteilige Grenze festgestellt wird (Kummer/Möllering, Vermessungs- und Katasterrecht, Kommentar, 2. Aufl., § 16 Anm. 5.3.4 Nr. 2).
Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt nämlich die maßgebliche Erwägung zugrunde, dass in Widerspruchsverfahren, die (nur) das Verhältnis zwischen der Behörde und dem durch den Verwaltungsakt Betroffenen berühren, die Widerspruchsfrist vornehmlich dem Schutz der Behörde selbst dient mit der Folge, dass es ihr freisteht, sich entweder mit dem Ergebnis der Unzulässigkeit des Widerspruchs auf die Fristversäumnis zu berufen oder aber unter Außerachtlassung der Fristversäumnis zur Sache selbst zu entscheiden. Dieser Grundsatz passt aber dann nicht mehr, wenn die Widerspruchsfrist - wie hier - auch dem Schutz der Rechtsposition eines durch den unanfechtbaren Verwaltungsakt Begünstigten dient. In einem solchen Fall darf die Widerspruchsbehörde auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl v. 29.10.1968 - BVerwG IV B 7.68 -, DÖV 1969, 142; Urt. v. 04.08.1982 - BVerwG 4 C 42.79 -, NVwZ 1983, 285) einen verfristeten oder zurückgenommenen Widerspruch nicht mehr sachlich entscheiden.
Dies hat das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend erkannt, so dass von einer Abweichung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht die Rede sein kann.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen; denn diese sind nicht hinreichend dargelegt worden (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
"Darlegen" bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als ein lediglich allgemeiner Hinweis; "etwas darlegen" verlangt vielmehr soviel wie "erläutern", "erklären" oder "näher auf etwas eingehen" (BVerwG, Beschl. v. 02.10.1961 - BVerwG VIII B 78.61 -, BVerwGE 13, 90 [91]; Beschl. v. 09.03.1993 - BVerwG 3 B 105.92 -, Buchholz 310 [VwGO] § 133 [n. F.] Nr. 11).
Genügte allein die herkömmliche Art der Rechtsmittelbegründung, dann bedürfte es der Zulassungsgründe nicht. Der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist vor der Zulassung des Rechtsmittels noch nicht, die angegriffene Entscheidung auf ihr Ergebnis hin zu kontrollieren, sondern ausschließlich die Frage, ob das Rechtsmittel zugelassen werden kann. Ob dies der Fall ist, prüft das Gericht nicht von Amts wegen; auch wenn nach der Zulassung im Rechtsmittelverfahren die "Amtsmaxime" des § 86 Abs. 1, 3 VwGO entsprechend gilt (vgl. § 125 Abs. 1 VwGO), hat der Gesetzgeber dem Rechtsmittelführer für das vorgeschaltete Antragsverfahren die besondere "Darlegungslast" nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO 02 auferlegt. Aus dem deutlichen Unterschied dieser Regelung im Vergleich zu der über die Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 S. 1, 4 VwGO 02) folgt, dass sich die "Gründe" i. S. des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO 02 auf die Zulassungsfragen beziehen müssen und nicht lediglich die angefochtene Entscheidung selbst in Frage stellen dürfen; erst die Berufungsbegründung des § 124a Abs. 3 VwGO 02 ist mit der früheren Art einer Rechtsmittelrechtfertigung vergleichbar.
Das gilt auch für § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; er hat nicht etwa die Bedeutung, Anträgen, welche aus anderen Gründen nicht zur Zulassung führen, sozusagen auffangweise zur Zulassung zu verhelfen, sondern ist Teil des Systems, das grundsätzlich keine Rechtsmittelinstanz eröffnet und die Zulassung nur ausnahmsweise ermöglicht, indem es die Durchführung des Rechtsmittels von dessen Zulassung abhängig macht. Auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann sich nicht schon berufen, wer die angefochtene Entscheidung mit Hilfe einer "Rechtsmittelbegründung alten Rechts" in Frage stellen will, indem er sich mit der Entscheidung auseinander setzt und Gegenpositionen bezieht. Der Darlegungslast genügt vielmehr nur, wer den "Grund" benennt, der ausnahmsweise die Zulassung rechtfertigt, und dessen Voraussetzungen "schlüssig" beschreibt.
Dazu gehört bei § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass belegt wird, es beständen gerade "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit" der angefochtenen Entscheidung. Dies verlangt zunächst, dass der Antrag einzelne tatsächliche Feststellungen des Gerichts oder Elemente der rechtlichen Ableitung konkret bezeichnet, die beanstandet werden sollen, sowie zusätzlich, dass aufgezeigt wird, aus welchem Grund die konkrete Passage ernstlichen Zweifeln begegnet. Da § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO außerdem verlangt, dass ernstliche Zweifel an der "Richtigkeit" des Ergebnisses bestehen, muss der Antragsteller ferner darlegen, dass das Gericht bei Vermeidung der gerügten Fehler zu einer anderen, für den Rechtsmittelführer positiven Entscheidung gelangt wäre.
Daran fehlt es; denn der Kläger setzt sich mit der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht detailliert auseinander, sondern bemängelt schlicht "die ordnungsgemäße Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Verwaltungsgericht"; damit ist die Antragsschrift aber nach Art einer Rechtsmittelschrift verfasst, wie sie ohne Zulassungspflicht vor dem 1. Januar 1997 statthaft war.
3. Schließlich greift auch die von dem Kläger erhobene Rüge der mangelnden Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO), mit der er (inzident) die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu erreichen sucht, nicht durch. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht ist nämlich nur dann anzunehmen, wenn sich die unvollständige oder fehlerhafte Sachverhaltsermittlung dem Verwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen und das angefochtene Urteil auf der unterlassenen Aufklärung beruhen kann (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 02.03.1978 - BVerwG 6 B 24.78 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall; denn das Verwaltungsgericht hat den Kläger hinsichtlich des Verlaufs des Wegs darauf verwiesen, eine Einigung über den Grenzverlauf auf zivilrechtlichem Wege zu suchen. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, hinsichtlich des streitgegenständlichen Wegs weitere Ermittlungen anzustellen.
Ende der Entscheidung
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