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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 06.02.2004
Aktenzeichen: 2 L 5/00
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, BlmSchG, BauGB, LSA-BauO, BNatSchG, EUR79/409/EWG


Vorschriften:

VwGO § 42 II
VwGO § 91
VwGO § 113 I 4
VwGO § 113 V
ZPO § 264 Nr. 3
ZPO § 267 Nr. 2
4.BlmSchV § 1 I
4.BlmschV § 2 I
BlmSchG § 3 I
BlmSchG § 13 I
BauGB § 1 V
BauGB § 29 II
BauGB § 35 I Nr. 1
BauGB § 35 I Nr. 4
BauGB § 35 III
BauGB § 36
BauGB § 201
LSA-BauO § 2 I 1
LSA-BauO § 5
LSA-BauO § 66 I
LSA-BauO § 68
LSA-BauO § 69
LSA-BauO § 77 I 1
BNatSchG § 1
BNatSchG § 2
EUR79/409/EWG
1. Der Kläger kann auch dann, wenn der Gegner die Berufung führt, seinen Klageantrag einschränken oder auf den Fortsetzungsfeststellungsantrag umstellen, wenn der Beklagte des Verfahrens wegen einer Rechtsänderung nicht mehr in die Erteilung der Baugenehmigung verurteilt werden kann.

2. Putenmastanlagen sind zwar nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, aber nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert.

3. Die Erschließung für solche Vorhaben ist gesichert, wenn sie einen "außenbereichsmäßigen" Standard erreicht oder wenn der Kläger die notwendige Erschließung anbietet.

4. Das Recht der Gemeinde, eine Baugenehmigung anzufechten, geht über die eigentliche Planungskompetenz hinaus und umfasst den durch § 36 BauGB definierten Bereich.

5. Zur gutachterlichen Erhebung von schädlichen Umwelteinwirkungen und Gesundheitsgefährdungen.

Nach gegenwärtigen Erkenntnissen sind Keime aus der Stallluft nach einer Entfernung von 500 m nicht mehr nachweisbar. Zur Bedeutung des Gebietscharakters für kürzere Abstände.

6. Wohnnutzung ist nicht schutzwürdig, wenn sie nicht "legal" ist (nur 2 L 7/00).

7. Zur Bedeutung von "faktischen Vogelschutzgebieten" nach Europarecht.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 2 L 5/00

Datum: 06.02.2004

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Putenmastanlage.

Die Klägerin beantragte am 04.03.1997 bei dem Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau einer Putenmastanlage bestehend aus vier Ställen mit 19.200 Tierplätzen auf zwei im Außenbereich gelegenen Grundstücken der Flur ..., Flurstücke ..., der Gemarkung Rossau. Ausweislich der vorgelegten Pläne, Zeichnungen, Skizzen und Lichtbilder, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, befinden sich die Flurstücke südlich der Ortschaft Rossau; die Entfernung zwischen der Ortschaft Rossau und den geplanten Stallanlagen beträgt ca. 450 bis 500 Meter.

Der Beklagte holte im Genehmigungsverfahren die Stellungnahmen der Unteren Naturschutz-, Wasser- und Immissionsschutzbehörden ein, die übereinstimmend von der Unbedenklichkeit der geplanten Anlage ausgingen. Demgegenüber verweigerte die Beigeladene mit Schreiben vom 02.06.1997 ihr gemeindliches Einvernehmen zu dem Neubau der Putenmastanlage am geplanten Standort, da bei einer Voranfrage nur von einem Standort für eine Putenmastanlage die Rede gewesen sei, die Klägerin nunmehr aber drei Putenmastanlagen an unterschiedlichen Standorten plane; insbesondere seien ihr in den vorangegangenen Gesprächen die Größe und Bauart der Anlagen nicht näher erläutert worden. Durch das Bauvorhaben seien für den Fremdenverkehr negative Auswirkungen zu befürchten, zumal in der Region ohnehin schon ein hoher Viehbestand vorhanden sei. Auch würden Arbeitsplätze nicht in der erhofften Anzahl geschaffen, und eine Zersiedlung des Territoriums sei zu befürchten. Außerdem entstehe eine starke Belastung der Straßen durch den aufkommenden Futter- und Tiertransport, die zudem durch die Lage und die Anordnung der Ställe einhergehe mit negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild. Schließlich gebe es Bürgerproteste gegen den Bau der Putenmastanlagen.

Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.07.1997 die beantragte Baugenehmigung unter Hinweis auf das fehlende Einvernehmen der Beigeladenen ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium Magdeburg mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.1997 zurück.

Am 11.12.1997 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben (Az: A 4 K 513/97) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem von ihr beantragten Vorhaben stünden keinerlei öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen; insbesondere würden die Planungshoheit der Beigeladenen oder andere nachbarliche Belange nicht beeinträchtigt, so dass das gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen sei. Der Auffassung der Beigeladenen, sie sei nur von einer Putenmastanlage ausgegangen, stünden schon die drei (ursprünglich erteilten) Einvernehmenserklärungen vom 13.07.1995 entgegen. Auch sei die Beigeladene frühzeitig und umfassend mit den Bauplänen vertraut gemacht worden. Die angeblich negativen Auswirkungen auf den Fremdenverkehr seien ebenso spekulativ und unbegründet wie die befürchteten Beschädigungen von Gebäuden innerhalb des Dorfgebiets aufgrund von Säurebildung als Folge von Nitratbelastungen. Weder Luftverunreinigungen noch Geräusche seien nach den Stellungnahmen der zuständigen Träger öffentlicher Belange zu befürchten. Die Anzahl der zu schaffenden Arbeitsplätze oder der hohe Viehbestand fielen nicht unter die schutzwürdigen Belange des § 35 Abs. 1 und 3 BauGB. Auch sei durch die Errichtung einer Putenmastanlage mit vier Ställen die Entstehung einer Splittersiedlung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nrn. 1, 5 BauGB nicht zu befürchten. Darüber hinaus sei auch die Erschließung gesichert. Die Annahme negativer Auswirkungen auf das Landschaftsbild erscheine im Hinblick auf die rücksichtsvolle Planung des beantragten Vorhabens haltlos. Auch Bürgerproteste könnten nicht als öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB von der Gemeinde eingewendet werden. Etwaige unverbindliche Planungen der Gemeinde seien für den vorliegenden Fall unerheblich.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Magdeburg vom 2. Dezember 1997 zu verpflichten, ihr eine Baugenehmigung für den Neubau einer Putenmastanlage (vier Ställe) mit 19.200 Tierplätzen auf den Flurstücken ... der Flur ... der Gemarkung Rossau zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat auf seinen Vorlagebericht vom 03.11.1997 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Magdeburg vom 02.12.1997 Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, die Einverständniserklärungen der Beigeladenen vom 13.07.1995 seien für das vorliegende Baugenehmigungsverfahren unbeachtlich. Er sei vielmehr durch das am 02.06.1997 verweigerte Einvernehmen gebunden.

Die Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, die von der Klägerin geplante Putenmastanlage sei kein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 BauGB; denn die Ansiedlung einer industriellen Produktion von Puten stelle an sich schon keinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dar. Ferner werde die gesamte Betriebsfläche zur Bebauung herangezogen. Sie habe ihr Einvernehmen aber auch deshalb verweigern können, weil dem Bauvorhaben öffentliche Belange entgegen stünden: Die beabsichtigte Bebauung widerspreche der Darstellung in dem gegenwärtig in Arbeit befindlichen Flächennutzungsplan; denn sie habe nicht die Absicht, am geplanten Standort eine derartige Bebauung zuzulassen. Es stelle sich insoweit ein negativer Planungswille der Gemeinde heraus. Auch seien durch die geplante Bebauung schädliche Umwelteinwirkungen gemäß § 3 BImSchG zu befürchten, weil nämlich Luftverunreinigungen und Gerüche in einem Ausmaß die Folge seien, die über das Maß dessen hinausgingen, was sie aufgrund der unmittelbaren Nähe von Wohnbebauung dulden müsse. Die Schädlichkeitsgrenze der Immissionen (u. a. Nitratbelastung, Staubentwicklung, Grundwassergefährdung) für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Nachbarn werde überschritten. Hier müsse insbesondere berücksichtigt werden, dass der Tierbesatz in Rossau und Umgebung bereits sehr hoch sei. Ein weiteres Problem sei die Beeinträchtigung des Naturschutzes und des Landschaftsbildes; denn im Landesentwicklungsplan sei für Rossau der Aufbau eines ökologischen Verbundsystems vorgesehen, im regionalen Entwicklungsplan des Regierungsbezirks Magdeburg sei das Gebiet als reines Erholungsgebiet ausgewiesen und die Tourismuskonzeption des Landkreises Stendal weise in diesem Gebiet die Orientierung auf Tourismus aus. Die beabsichtigte Bebauung, die mit zwölf Bauwerken erheblich sei und dem optischen und funktionellen Landschaftsschutz zuwider laufe, "erschlage" das Dorf, da in Rossau lediglich 152 Einwohner auf 52 Hofstellen verteilt lebten. Der so entstehende Gesamteindruck verunstalte das Landschaftsbild. Auch sei das Entstehen einer Splittersiedlung zu befürchten, weil durch das Bauvorhaben eine Zersiedlung in die Wege geleitet werde. In Rossau arbeiteten zudem ein Reihe von landwirtschaftlichen Betrieben als Wiedereinrichter, deren Pläne akut gefährdet würden. Sie sei als Gemeinde berechtigt, auch deren Interessen wahrzunehmen.

Mit Urteil vom 19.10.1999 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg der Klage stattgegeben und ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, da dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstünden. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens beurteile sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, da die Anlage wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung nur im Außenbereich errichtet werden solle. Dem gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegierten Vorhaben stünden keine öffentlichen Belange entgegen. Planbeeinträchtigungen lägen nicht vor, da die Beigeladene über keinen verbindlichen Flächennutzungsplan verfüge, sondern dieser erst in Aufstellung sei. Nach dem Studium der in den Akten befindlichen Berechnungen, Karten, Pläne und Zeichnungen sowie nach den Ausführungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung sei das erkennende Gericht der Überzeugung, dass der Neubau der Putenmastanlage keine unzumutbaren Umwelteinwirkungen hervorrufe. Es stehe außer Frage, dass gerade die von Nutztierställen ausgehenden Luftverunreinigungen Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen seien. Jedoch sei das Gericht der Auffassung, dass es insbesondere für die Keimbelastung von Massentierställen derzeit keine gesicherten Erkenntnisse gebe, die auf einen allgemeinen Erkenntnisstand schließen ließen. Die VDI-Richtlinie 3472 "Emissionsminderung Tierhaltung Hühner" könne im vorliegenden Fall Anwendung finden und als Orientierungshilfe dienen. Der sich aus dieser VDI-Richtlinie ergebende Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung betrage 365 m, der bei Dorfgebieten - wie hier - auf die Hälfte verringert werden könne, so dass sich für den vorliegenden Fall ein Mindestabstand von rund 183 m ergebe. Der Abstand zwischen den Ställen und der Dorfbebauung betrage vorliegend aber mindestens 450 m, so dass der nach der VDI-Richtlinie einzuhaltende Wert bei Weitem überschritten werde. Auch die Tatsache, dass die Klägerin insgesamt drei Putenmastanlagen plane, ändere an diesem Ergebnis nichts, da die Entfernung zwischen den einzelnen Anlagen so groß sei, dass eine gegenseitige Beeinflussung nicht stattfinde. Auch die Vorbelastung durch andere vorhandene Stallanlagen in Rossau und Umgebung sei berücksichtigt worden. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege seien ebenfalls nicht beeinträchtigt. Schließlich sei die Errichtung der Putenmastanlage mit der natürlichen Eigenart der Landschaft und dem Landschaftsbild in Einklang zu bringen, stelle keine Gefährdung der Wasserwirtschaft dar und fördere nicht das Entstehen einer Splittersiedlung.

Auf den Antrag der Beigeladenen hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 05.07.2000 zugelassen. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beigeladene vor, der Erteilung einer Baugenehmigung stünden öffentliche Belange entgegen, da durch die geplante Bebauung der Klägerin schädliche Umwelteinwirkungen gemäß § 3 BImSchG zu befürchten seien. Bei dem geplanten Stallsystem handele es sich um sog. Louisianaställe, die einfachere Konstruktionen darstellten, die bau- und ingenieurtechnisch weniger aufwändig ausgestattet seien und die Kosten in der industriellen Massentierhaltung weiter optimierten. Diese Ställe emittierten in erhöhtem Maße Keime, Pilze, Stäube und Sporen, welche bei den geplanten Abständen zu einer Gesundheitsgefahr für die Allgemeinheit würden. Nach den Erkenntnissen von Prof. Dr. Hartung, Institut für Tierhygiene und Tierschutz der Tierärztlichen Hochschule Hannover, werde die Umwelt außerhalb von Geflügelmastanlagen, wie sie hier geplant seien, von einer gefährlichen Konzentration von Luftkeimen auch auf Entfernungen von über 500 m akut gefährdet. Dabei sei zu berücksichtigen, dass insbesondere bei Geflügelhaltungen die Staubkonzentration um das Achtfache, die Luftkeimgehalte um das Vierzehnfache und der aveole Staub um das Achtunddreißigfache höher sei als bei der Rinderhaltung. Die in Luftkeimen enthaltenen Schimmelpilze führten nach Aussagen in Fachkreisen zu einer erheblichen Zunahme der Atemwegserkrankungen und allergischen Reaktionen. Weiter sei die tatsächlich bereits vorhandene Vorbelastung in der Region nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es gehöre zum Allgemeingut der Wissenschaft, dass gerade bei Keimbelastungen ländliche Gebiete infolge des Tierbestandes eine höhere Vorbelastung durch Keime aufwiesen als städtische Gebiete. Zudem sei das hier zu beurteilende Gebiet außerordentlich stark durch industrielle Tierhaltung vorbelastet. Eine unkritische Anwendung der VDI-Richtlinie in Bezug auf Louisianaställe sei daher nicht angezeigt, zumal die geplante Lüftungsanlage schon nicht der DIN 18910 entspreche und die größtmögliche Trockenheit und Sauberkeit im Stall nicht gewährleistet sei. Die erforderlichen Abstandsflächen seien schließlich auch deswegen falsch ermittelt worden, weil der Louisianastall fehlerhaft als 100-Punkte Stall bewertet worden sei. Zudem werde wegen der besonderen Bedeutung des Bieselaufes einschließlich des Stausees gerügt, dass die Belange des Wasserschutzes gefährdet seien. Das geplante Bauwerk verletze die Belange des Tierschutzes, da nicht gewährleistet sei, dass eine Pute mindestens 1,5 bis 1,8 m² Fläche beanspruchen könne. Auch werde die Art und Weise der geplanten Fütterung dem Tierschutz nicht gerecht. Im Gebiet des geplanten Bauvorhabens lebten außerdem geschützte Vogelarten, die standorttreu seien und dort ihren Nest- und Brutplatz hätten. Diese sowie auch andere geschützte Tierarten würden durch die Putenmastanlage gefährdet, da diese die Verbreitung von Geflügelkrankheiten fördere. Ferner werde durch die geplante Bebauung die natürliche Eigenart der Landschaft verletzt. Auch sei die Erschließung nicht gesichert, da als Zuwegung lediglich Sandwege dienten und ein Anschluss an Gas, Wasser und Strom nicht vorhanden sei. Zudem könne die Klägerin nicht zur Baustelle gelangen, ohne das Grundstück des Herrn Schindler und Gemeindeland zu überqueren. Eine Genehmigung hierfür werde aber nicht erteilt.

Die Beigeladene beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Inhalt der Klage ist: festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Magdeburg vom 2. Dezember 1997 rechtswidrig war und der Klägerin die Baugenehmigung für den Neubau einer Putenmastanlage mit vier Ställen und 19.200 Tierplätzen auf den Flurstücken ... der Flur ... der Gemarkung Rossau hätte erteilt werden müssen; den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin eine Baugenehmigung für den Neubau einer Putenmastanlage mit vier Ställen und 14.999 Tierplätzen auf den vorgenannten Flurstücken zu erteilen.

Sie erwidert, das streitgegenständliche Vorhaben sei planungsrechtlich zulässig, weil weder seine Ausführung noch seine Benutzung öffentliche Belange beeinträchtige; insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB würden durch die Stallanlage in der Gestalt sog. Louisiana-Ställe nicht hervorgerufen. Das nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich zulässige Vorhaben überschreite unter keinen Umständen die Zumutbarkeitsschwelle des § 3 BImSchG, was nicht zuletzt im Hinblick auf die gebietstypischen Vorbelastungen infolge landwirtschaftlicher Nutzung gelte. Es sei zwar zweifelhaft, ob und inwieweit die VDI-Richtlinie 3472 als Orientierungshilfe anwendbar sei; denn der Louisiana-Stall verfüge nicht über eine Lüftungsanlage nach DIN 18910. Allerdings sei die Lüftungskonzeption dieses Stalltyps zumindest ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen. Auf jeden Fall seien die Abstände zur vorhandenen Wohnbebauung so groß, dass schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu befürchten seien. Die von der Beigeladenen geschilderte Vorbelastung würde sogar zu einer Anhebung der Zumutbarkeitsschwelle des § 3 BImSchG führen, mit der Folge, dass die Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung im Dorfgebiet und im Außenbereich entsprechend reduziert werde. Die Ansiedlung vergleichbarer Stallanlagen in der näheren Umgebung des Gemeindegebiets der Beigeladenen einerseits und im gesamten Bundesgebiet andererseits habe gezeigt, dass auch keinerlei Gesundheitsgefährdungen durch in der Stallluft vorhandene Bestandteile wie Staub, Keime, Pilzsporen, Endotoxine oder Ammoniak zu befürchten seien. Nicht einmal bei dem sich unmittelbar am Standort aufhaltenden Bedienungspersonal der Louisiana-Ställe seien bisher Gesundheitsgefährdungen bekannt geworden. Im Übrigen sei eine Gesundheitsgefährdung schon deswegen auszuschließen, weil die Abstände zu den bauaufsichtlich genehmigten Wohnhäusern ausreichend seien. Eine betriebsbedingte Gefährdung des Grundwassers, natürlicher Flussläufe oder künstlich angelegter Wasserflächen komme ebenfalls nicht in Betracht. Auch Belange des Tierschutzes würden nicht verletzt. Dass der Bau der zur Genehmigung gestellten Putenmastanlage geschützte Vogelarten gefährde, sei nicht erkennbar und stehe zudem im Widerspruch zum Vortrag der Beigeladenen, wonach das Rossauer Gebiet "außerordentlich stark durch industrielle Tierhaltung vorbelastet" sei. Auch hier dränge sich - wie beim Tierschutz - der Verdacht einer reinen Schutzbehauptung auf, die durch nichts bewiesen sei.

Der Beklagte willigt in die Klageänderung ein und stellt keinen Antrag. Er führt aus, eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange sei für ihn nicht erkennbar; insbesondere die Untere Naturschutzbehörde habe das Vorkommen geschützter Arten bzw. geschützter Biotope geprüft und am 28.04.1997 eine positive Stellungnahme zum geplanten Vorhaben der Klägerin abgegeben. Soweit die Beigeladene sich unter Auflistung einiger Vogel- und Tierarten auf Belange des Artenschutzes berufe, sei festzustellen, dass sich der angegebene Kranichbrutplatz an der Düpte in einer Entfernung von mindestens 1,5 km zu den geplanten Stallanlagen befinde und dazwischen zwei landwirtschaftliche Wege verliefen, die teilweise als Ortsverbindungswege genutzt würden. Von einer Beeinträchtigung des Brutplatzes sei nicht auszugehen. Singschwäne gäbe es im gesamten Landkreis Stendal nicht, und Weißstörche brüteten häufig in unmittelbarer Nähe des Menschen. Alle übrigen angeführten Arten kämen im gesamten Landkreis vor. Außerdem sei im Landschaftsrahmenplan eine flächendeckende Bewertung der Flächen für den Arten- und Biotopschutz vorgenommen worden, der im Bereich südlich Klein Rossau als Fläche mit geringer Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz eingeordnet sei. Die Auswertung der vorliegenden faunistischen Daten liefere keinen Hinweis dafür, dass geschützte Arten durch die Stallanlagen erheblich beeinträchtigt würden. Schließlich sei auch eine Verunstaltung der Landschaft nicht zu befürchten.

Der Senat hat mit Beschluss vom 21.06.2001 Beweis erhoben über die Fragen, ob der zwischen der Putenmastanlage, die auf den Flurstücken ... der Flur ... der Gemarkung Rossau errichtet werden soll, und der Ortschaft Rossau bestehende Abstand bei einer Anlage der beantragten Art ("Louisiana-Ställe") ausreicht, um unzumutbare Geruchsbelästigungen auszuschließen, und ob der zwischen obiger Putenmastanlage und der Ortschaft Rossau vorhandene Abstand genügt, um Gesundheitsgefährdungen durch in der Stallluft vorhandene Bestandteile wie z. B. Staub, Keime, Pilzsporen, Endotoxine und Ammoniak auszuschließen, durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K. vom 16.08.2002 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet.

A. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung für die Errichtung einer Putenmastanlage (vier Ställe) mit 19.200 Tierplätzen auf den Flurstücken ... der Flur ... der Gemarkung Rossau hatte. Der den Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung ablehnende Bescheid des Beklagten vom 29.07. 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Magdeburg vom 02.12.1997 war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686), in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987).

I. Die Klägerin hat gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 3 ZPO zulässigerweise neben ihrem Verpflichtungsantrag (B.) einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt; denn § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO findet auf Verpflichtungsklagen entsprechende Anwendung, mit der Folge, dass auch bei solchen Klagen das Verfahren trotz Erledigung mit dem Ziel fortgesetzt werden kann, die Rechtswidrigkeit der Ablehnung des beantragten Verwaltungsakts feststellen zu lassen (BVerwG, Urt. v. 24.01.1992 - BVerwG 7 C 24.91 -, BVerwGE 89, 354). Das erledigende Ereignis liegt hier in der Änderung des Genehmigungsverfahrens und beruht auf dem Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27.07.2001 (BGBl I 1950). Das Vorhaben der Klägerin bedarf nunmehr nach § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. der Anlage Nr. 7.1 a), dd) Spalte 2 der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV -) vom 14.03.1997 (BGBl I 504), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.08.2003 (BGBl I 1614), der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Sie schließt nach § 13 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - i. d. F. d. Bek. v. 26.09.2002 (BGBl I 3830) die Baugenehmigung und damit die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens ein. Der Erlass einer Baugenehmigung scheidet deshalb aus (vgl. zu allem BVerwG, Urt. v. 13.12.2001 - BVerwG 4 C 3.01 -, BauR 2002, 751); vielmehr kommt auf einen entsprechenden Antrag nur noch der Erlass einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach §§ 4; 19 BImSchG in Betracht, für deren Erteilung der Beklagte nicht zuständig ist.

Das für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse ist zu bejahen; denn die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 28.01.2004 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihre ernsthafte Absicht bekräftigt, Schadensersatzansprüche gegen die Beigeladene geltend zu machen. Würde die von der Klägerin beantragte Feststellung durch den Senat getroffen, so stünde zugleich für einen etwaigen Zivilrechtsstreit zwischen ihr und der Beigeladenen bindend fest, dass die Versagung des Einvernehmens durch den Gemeinderat der Beigeladenen rechtswidrig war; denn rechtskräftige Urteile der Verwaltungsgerichte über die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts binden die Zivilgerichte in nachfolgenden Rechtsstreitigkeiten zwischen denselben Beteiligten über Schadensersatzansprüche auch, soweit sie einer Fortsetzungsfeststellungsklage stattgeben, da auch die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils, soweit sich erst aus ihnen der tragende Grund für die festgestellte Rechtswidrigkeit erkennen lässt, an der Bindungswirkung teilnehmen (BVerwG, Urt. v. 16.10.1987 - BVerwG 4 C 35.85 -, Buchholz 406.10 [BBauG] § 15 Nr. 4).

II. Die von der Klägerin erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Das gemäß § 66 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA - in der hier anwendbaren Fassung vom 09.02.2001 (LSA-GVBl., S. 50) genehmigungsbedürftige - nicht nach §§ 68, 69 BauO LSA genehmigungsfreie - Vorhaben der Klägerin war vor In-Kraft-Treten des o. g. Gesetzes vom 27.07.2001 mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften i. S. v. § 77 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA vereinbar.

Die geplante Errichtung einer Putenmastanlage an dem von der Klägerin vorgesehenen Standort war aufgrund ihrer Privilegierung im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 des Baugesetzbuchs - BauGB 98 - i. d. F. d. Bek. v. 27.08.1997 (BGBl I 2141, ber.: BGBl. 1998 I 137), geändert durch Gesetz vom 27.07.2001 (BGBl I 1950), planungsrechtlich zulässig; denn dem Bauvorhaben der Klägerin standen keine öffentlichen Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB entgegen.

1. Der Standort des Vorhabens der Klägerin, mit dem sie beabsichtigte, durch die Errichtung von vier neuen Stallanlagen die Aufzucht und Mast von 19.200 Puten zu betreiben, liegt im Außenbereich gemäß § 35 BauGB. Die Beteiligten gehen einvernehmlich davon aus, dass die Gegend um den geplanten Standort wegen der vorhandenen weitläufigen Besiedlung nicht die Merkmale einer dem Innenbereich zuzurechnenden Dorflage erfüllt. Das dem Senat vorliegende Karten- und Bildmaterial zum geplanten Standort bestätigt diese Einschätzung.

Im Außenbereich war das Vorhaben der Klägerin gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB bevorrechtigt zulässig, weil die geplante Putenmastanlage mit 19.200 Mastplätzen in Intensivtierhaltung wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung, insbesondere der zu erwartenden Geruchs- und Geräuschbelästigungen, nur im Außenbereich ausgeführt werden soll (vgl. OVG LSA, Urt. v. 12.09.2002 - A 2 S 458/99 -; BVerwG, Urt. v. 27.06.1983 - BVerwG 4 B 206.82 -, BRS 40 Nr. 74; Taegen, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 2. Aufl., § 35 RdNr. 51; Söfker, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Band II, § 35 RdNr. 57).

Ob ein Vorhaben "nur im Außenbereich" ausgeführt werden soll, hängt nämlich entscheidend davon ab, ob es nicht auch im Innenbereich ausgeführt werden kann. Dies entscheidet sich nicht nach der Beschaffenheit von Innenbereichen im Allgemeinen, sondern konkret mit dem Blick auf den Innenbereich der jeweiligen Gemeinde (BVerwG, Urt. v. 09.06.1976 - BVerwG IV C 42.74 -, BRS 30 Nr. 57). Vorliegend gibt es in der Gemeinde Rossau keinen Innenbereich, in dem die geplante Putenmastanlage gemäß §§ 30 oder 34 BauGB hätte zugelassen werden können; auch ein entsprechender künftiger Planbereich im Sinne des § 33 BauGB liegt nicht vor.

Dass Anlagen für die Tierhaltung Vorhaben sein können, die wegen ihrer "nachteiligen Wirkungen auf die Umgebung" nur im Außenbereich ausgeführt werden können, kann nicht zweifelhaft sein, weil die mit der Anlage verbundenen Emissionen unvermeidbar und im Innenbereich der Gemeinde eine unzumutbare Belästigung darstellen würden (BVerwG, Beschl. v. 27.06.1983 - BVerwG 4 B 201.82 -, BRS 40 Nr. 74).

Schließlich war das Vorhaben der Klägerin in einer Weise billigenswert, die es rechtfertigt, es bevorzugt im Außenbereich zuzulassen ("ausgeführt werden soll"). Dabei setzt der Begriff des "Sollens" nicht voraus, dass allgemeine oder gar öffentliche Interessen für das Vorhaben sprechen; billigenswerte private, auch wirtschaftliche Interessen - wie hier die Massentierhaltung - reichen aus (BVerwG, Urt. v. 04.11.1977 - BVerwG IV C 30.75 -, BRS 32 Nr. 64).

2. Die ordnungsgemäße Erschließung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB war ebenfalls gewährleistet.

Die Anforderungen an die ausreichende wegemäßige Erschließung eines Außenbereichsgrundstücks für eine bauliche oder gewerbliche Nutzung ergeben sich grundsätzlich daraus, welchen Zu- und Abgangsverkehr das jeweilige Vorhaben auslöst (BVerwG, Urt. v. 30.08.1985 - BVerwG 4 C 48.81 -, DVBl. 1986, 186). Bei Vorhaben, die - wie hier - wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen, schlägt sich die Privilegierung (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB) auch in den Anforderungen daran nieder, was zur wegemäßigen Erschließung ausreicht; das bedeutet, dass bei Vorhaben, die von der Natur der Sache oder von ihrer Zweckbestimmung her bevorzugt in den Außenbereich gehören, ein dem Verkehrsbedarf des Vorhabens noch genügender, aber "außenbereichsgemäßer" Standard ausreicht (BVerwG, Urt. v. 07.02.1986 - BVerwG 4 C 30.84 -, BVerwGE 74, 19 [25]). Soweit es um die wegemäßige Erschließung geht, zählt zu diesen Mindestanforderungen, dass das Baugrundstück mit Kraftfahrzeugen erreichbar sein muss, die wie Polizei-, Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge im öffentlichen Interesse im Einsatz sind, dass die vorhandenen Wege nicht überlastet werden und der Verkehr nicht zur Schädigung des Straßenzustands führt (BVerwG, Urt. v. 13.02.1976 - BVerwG IV C 53.74 -, NJW 1976, 1855). Grundsätzlich gilt, dass bei landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieben die Erschließung herkömmlicherweise über landwirtschaftliche Wirtschaftswege, auch über Feld- und Waldwege, erfolgt; sie sind nicht generell auf betonierte oder asphaltierte Wege angewiesen. Je nach den örtlichen Gegebenheiten können auch ein nur geschotterter Weg oder ein Feldweg ausreichen (BVerwG Urt. v. 30.08.1985, a. a. O.). Dieser land- und forstwirtschaftliche Betriebe im Außenbereich begünstigende Maßstab an die Sicherung einer ausreichenden Erschließung ist auf die hier streitgegenständliche Putenmastanlage übertragbar. Zwar war das Vorhaben nicht als landwirtschaftlicher Betrieb gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 201 BauGB einzuordnen, weil der Betrieb nach Aktenlage nicht auf eine überwiegend eigene Futtergrundlage hätte zurückgreifen können (BVerwG, Beschl. v. 06.01.1997 - BVerwG 4 B 256.96 -, NVwZ-RR 1997, 590). Dennoch wäre vorliegend die befahrbare Verkehrsfläche - die Gemeindestraße von ...-Rossau nach R. -, an die das streitgegenständliche Baugrundstück angrenzt, aufgrund ihres Ausbauzustands für die Aufnahme des von dem Vorhaben ausgelösten Erschließungsverkehrs ausreichend gewesen. Neben den notwendigen Versorgungs- und Güllefahrten durch landwirtschaftliche Fahrzeuge wären zwar auch gewerbliche Fahrzeuge zur Anlieferung des Geflügels und zum Fleischabtransport zum Einsatz gekommen. Das Fahrzeugaufkommen wäre aber nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht geeignet gewesen, die Eignung der ausgebauten Gemeindestraße zur Aufnahme des Verkehrs in Frage zu stellen.

Diese ausreichende Erschließung war auch gesichert im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB; denn das Grundstück liegt an einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Gemeindestraße, so dass die Zugänglichkeit zum Bauvorhaben gewährleistet und zudem eine Zufahrt von Rettungsfahrzeugen zum Bauvorhaben gemäß § 5 BauO LSA (sog. Binnenerschließung BVerwG, Urt. v. 11.04.1990 - BVerwG 4 B 62.90 -, ZfBR 1990, 202) sichergestellt war (vgl. Bestätigung vom 17.02.1997, Anlage 5, Blatt 2 zum Bauantrag).

3. Dem so privilegierten Vorhaben stand keiner der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten öffentlichen Belange entgegen.

Der Senat ist bei der gerichtlichen Überprüfung der von der Beigeladenen geltend gemachten Beeinträchtigungen nicht auf die Prüfung beschränkt, ob die Beigeladene durch die Planungen der Klägerin in ihrer Planungshoheit verletzt wird. Zwar ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass Gemeinden als Hoheitsträger Planfeststellungsbeschlüsse nicht mit der Begründung angreifen können, öffentliche, nicht ihre Planungshoheit betreffende Belange, wie solche des Umweltschutzes oder ihrer Gemeindebürger, seien nicht oder nicht ausreichend in die Planungsabwägung eingestellt worden (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.02.1997 - BVerwG 11 A 62.95 -, UPR 1997, 294, sowie Urt. v. 21.03.1996 - BVerwG 4 C 26.94 -, DVBl. 1996, 914). Für die Klage einer Gemeinde gegen die Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens ergibt sich indes aus § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB ein weitergehendes, über die Rüge der Verletzung der eigenen Planungshoheit hinausgehendes Klagerecht der Gemeinde. Diese Vorschrift bestimmt, dass u.a. die Gemeinde ihr Einvernehmen "nur aus den sich aus den §§ 31; 33; 34 und 35 (BauGB) ergebenden Gründen" versagen darf. Danach kann die Gemeinde, wie gerade die Bezugnahme auf § 35 BauGB zeigt, sich einem Vorhaben auch aus Gründen widersetzen, die nicht aus einer Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit herrühren.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich die Errichtung einer Putenmastanlage als privilegiertes Vorhaben im Konflikt mit öffentlichen Belangen eher durchsetzt, als dies bei sonstigen Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB der Fall ist (vgl. Taegen, a. a. O., § 35 RdNr. 11). Als möglicherweise auch einem privilegierten Vorhaben entgegenstehende öffentliche Belange sind zunächst die in § 35 Abs. 3 BauGB aufgezählten in Erwägung zu ziehen; da es sich insoweit aber nur um eine Beispielsaufzählung handelt, kommen auch andere, insbesondere die in § 1 Abs. 5 BauGB genannten Planungsgrundsätze, als entgegenstehende Belange in Betracht (vgl. Taegen, a. a. O., § 35 RdNr. 56, sowie Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 RdNr. 53).

Im Ausgangspunkt zutreffend konzentriert sich der Streit zwischen den Beteiligten um die Zulässigkeit des Vorhabens auf die mit der Neuerrichtung der Putenmastanlage sich stellenden Fragen, ob dadurch schädliche Umwelteinwirkungen (§ 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB) hervorgerufen (3.1.), die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB) beeinträchtigt (3.2.) oder die Wasserwirtschaft gefährdet (§ 35 Abs. 3 Nr. 6 BauGB) werden (3.3.). Diese Belange erweisen sich indes bei der im Rahmen des § 35 Abs. 1 BauGB stets vorzunehmenden Abwägung zwischen dem privilegierten Vorhaben und den mit ihm in Konflikt stehenden öffentlichen Belangen (vgl. dazu Taegen, a. a. O., § 35 RdNr. 9, sowie Söfker, a. a. O., § 35 RdNr. 63, m. w. N.) als nicht vorrangig; denn sie werden ungeachtet ihrer hohen Wertigkeit durch das Vorhaben nicht oder jedenfalls nicht nennenswert beeinträchtigt.

3.1. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, die in Anwendung des § 3 Abs. 1 BImSchG als Immissionen zu bestimmen sind, welche nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - BVerwG IV C 22.75 -, BVerwGE, 52, 122 [126]), ruft die Errichtung und der anschließende Betrieb der Putenmastanlage ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens vom 16.08.2002 nicht hervor.

Der Senat geht mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K. vom 16.08.2002 davon aus, dass die Putenmastanlage, die in ihren ursprünglichen Ausmaßen südlich von Klein Rossau geplant war, nicht zu ungesunden Wohnverhältnissen geführt hätte, weil die errechneten Geruchswahrnehmungshäufigkeiten in den in dem Gutachten zu Grunde gelegten Immissionsbereichen Io bis I3 in einer Größenordnung liegen, die nicht als umweltschädigend einzustufen (Beweisfrage 1; 3.1.1.) und Gesundheitsgefährdungen durch die in der Stallluft vorhandenen Bestandteile nicht zu erwarten gewesen wären (Beweisfrage 2; 3.1.2.).

3.1.1. Der Gutachter hat zur Erfassung der Emissionen aus der geplanten Putenmastanlage (hier E1) auf die festgelegten Immissionsbereiche (I) der Gemeinde Rossau zunächst allein die von der streitgegenständlichen Putenmastanlage ausgehenden Emissionen geprüft, um dann im Zusammenwirken mit den übrigen beiden geplanten Putenmastanlagen eine Gesamtbelastung zu ermitteln. Zur Beantwortung der Beweisfrage 1 wurden dabei drei verschiedene (anerkannte) Methoden angewandt, da in der Bundesrepublik Deutschland kein Konsens darüber besteht, wie die immissionsseitigen Auswirkungen geruchsemittierender Betriebe festgestellt werden können. Der Gutachter ist danach zu dem Ergebnis gelangt, dass nach der Richtlinie VDI 3471 bzw. VDI 3474 die Mindestabstände zwischen geplanter Tierhaltung und vorhandener Wohnbebauung eingehalten werden, nach EMIAK (Empirisches Modell zur Immissionshäufigkeitsbestimmung nach Abshoff und Krause) der hier streitgegenständliche Emissionsstandort bezüglich der Nachbarschaft unproblematisch ist und auch nach BAGEG (Begehungskalibrierte Ausbreitungssimulation von Geruchsstoffen mit erweitertem Gauß-Modell) die Geruchsbelästigungen nicht als umweltschädlich einzustufen sind. Der Senat macht sich diese Feststellungen des Gutachters zu eigen; denn die Ergebnisse des Gutachtens sind verständlich und basieren auf einer nachvollziehbaren Methodik.

Die Feststellungen des Gutachters greift die Beigeladene nicht substantiiert an; insbesondere kann sie mit ihrem Einwand, in dem Gutachten fehle bereits eine Analyse darüber, welche Bestandteile die Stallluft enthalte, insbesondere welche Keime, welcher Art, welche Stäube, welcher Art, welche Pilzsporen, welcher Pilze usw. und in welcher Konzentration sie in der Stallluft vorhanden seien, nicht gehört werden; denn der Gutachter stellt zutreffend auf S. 11 seines Gutachtens fest, dass die Auswirkungen auf die Immissionsseite nur durch Simulationen ermittelt werden können, da die Anlagen erst geplant seien. Eine an den tatsächlichen Gegebenheiten orientierte Ermittlung der Zusammensetzung der Stallluft ist daher tatsächlich nicht möglich, so dass der Gutachter insoweit auf allgemeine Erfahrungswerte bzw. die im Gutachten erwähnten "emissionsseitigen Regelungen" abstellen konnte. Insoweit stellt der Gutachter hinsichtlich des möglichen Gefahrenpotenzials in nicht zu beanstandender Weise fest, dass der Ammoniakemissionsfaktor in der TA Luft mit 0,7286 kg pro Tierplatz und pro Jahr angegeben wird, und kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass die Ammoniakkonzentration in der Putenmastanlage im Mittel des Mastdurchgangs deutlich unter den geforderten 14 mg/m³ (laut Maximale Arbeitsplatz-Konzentrationen [MAK]) liegt. Entsprechendes gilt nach dem Gutachten auch für Stäube, deren Konzentrationswert für den einatembaren Staub von 4 mg/m³ (MAK-Wert) in der Putenmast als Tagesmittelwertkonzentration deutlich unterschritten wird. Schließlich gibt es laut Gutachter für Geruchsstoffe keine emissionsseitigen Einschränkungen.

Die Feststellungen des Gutachters auf S. 11 und 12 entkräften zugleich den Einwand der Beigeladenen, es seien keine Aussagen zum Ammoniak getroffen worden. Gleiches gilt für die Feststellung der Beigeladenen, der Gutachter habe die Ausbreitung von Pilzen und Keimen gar nicht erst untersucht; denn auf S. 12 und 13 des Gutachtens finden sich Ausführungen zu den Bioaerosolen, worunter Keime, Pilzsporen und Endotoxine subsummiert werden (S. 8 des Gutachtens).

Soweit die Beigeladene auf eine Vorbelastung des streitgegenständlichen Baugebiets hinweist, hat auch dieser Einwand keine Auswirkungen auf die Ergebnisse des Gutachtens; denn zum einen befinden sich in unmittelbarer Nähe des geplanten Standorts und der Gemeinde keine weiteren Stallanlagen oder sonstigen landwirtschaftlichen Betriebe, die die Immissionssituation zusätzlich belasten könnten, und zum anderen hat der Gutachter die tatsächlich vorhandene Vorbelastungssituation bei der Erstellung des Gutachtens berücksichtigt. Dies ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Gutachters (vgl. S. 186) und der immissionsschutzrechtlichen Stellungnahme des Fachamtes des Beklagten vom 29.04.1997.

3.1.2. Schließlich sind auch die Feststellungen des Gutachters zu den möglichen Gesundheitsgefährdungen (Beweisfrage 2) nicht in Zweifel zu ziehen. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass von der geplanten Anlage keine Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten seien. Der Jahresgrenzwert auf der Immissionsseite betrage nach der TA Luft (2002) 40 µg/m³. Der von der EU-Kommission zur Diskussion vorgeschlagene Grenzwert ab 01.01.2005 belaufe sich auf 30 µg/m³. Die Simulation für die begutachtete Fabrikationsanlage liefere Ergebnisse im Nanogrammbereich. Nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen seien bei Endotoxin-Werten zwischen 0,01 und 0,1 ng/m³ (10 x 10-12 g/m³) Auswirkungen auf die Gesundheit wenig plausibel (Danuser B, Monn C [1999]: Endotoxine in der Arbeitswelt und Umwelt, Schweiz. Medizinische Wochenschrift 129, S. 475-483). Die Simulationen zeitigten beim Wirken der o. g. Anlage sowie zwei weiteren in unmittelbarer Nähe befindlichen Anlagen auf die Wohnbebauung Werte von 0,01 ng/m³.

Auch diese Erkenntnisse macht sich der Senat zu eigen, da sowohl die Berechnungsmethode als auch die Berechnungsergebnisse auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnislage basiert. Den Feststellungen des Gutachters stehen insbesondere auch nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Prof. Dr. Hartung, Institut für Tierhygiene und Tierschutz der Tierärztlichen Hochschule Hannover, auf die sich die Beigeladene bezieht, entgegen. Danach sei zwar bisher nur unzureichend untersucht worden, wie weit Mikroorganismen, wie Bakterien, Pilze und Viren, vom Stall transportiert werden, weil die Keime in der Außenluft rasch absterben, es stehe aber fest, dass nach einer Entfernung von ca. 250 m vom Stall bei Anwendung üblicher kultureller Nachweisverfahren kein quantitativer Unterschied mehr zum Keimgehalt der Außenluft feststellbar sei (Hartung, Deutsche tierärztliche Wochenschrift 105 [1998], S. 213 ff.).

Dies besagt allerdings noch nicht, dass der Keimtransport aus Massentierhaltungsanlagen nach 250 m nicht mehr stattfindet; denn wie weit der Staub und Endotoxine der Stallluft getragen werden, ist nach dem Stand der derzeitigen Wissenschaft nicht bekannt (Hartung, a. a. O., S. 215 f.). Mit den bekannten Nachweisverfahren sind diese Keime ab 250 m lediglich nicht mehr nachweisbar. Die Behauptung der Beigeladenen, dass die Keime aus der Stallluft auch noch nach mehr als 500 m Entfernung Wirkung zeigten, ist somit zwar nicht widerlegt - dafür könnten beispielsweise die Ergebnisse der sog. Morbus-Studie (Deutsche tierärztliche Wochenschrift 105 [1998], S. 235 ff.) sprechen, wonach in kinderärztlichen Praxen der Region Südoldenburg (einer "Hochburg" der Massentierhaltungsproduktion) es zu häufigeren Arztkontakten jüngerer Kinder mit Asthma bronchiale als in Hannover, Braunschweig und Verden gekommen sei -; es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass durch künftige Studien möglicherweise weitergehende Gefährdungen durch die Massentierhaltung nachgewiesen werden.

Die Auffassung der Beigeladenen lässt sich anderseits aber nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen schlechterdings auch nicht verifizieren; denn es gibt zur Zeit keine nachgewiesenen neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse, die für die Ansicht der Beigeladenen sprechen. Bei einer solchen Sachlage besteht keine Pflicht des Staates zur Vorsorge gegen rein hypothetische Gefährdungen. Die bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigungspraxis der Verwaltungsbehörden kann nur dann rechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar wird, dass die menschliche Gesundheit dabei völlig unzureichend geschützt wird. Davon kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit größerer Abstände zwischen Wohnbebauung und rechtlich nach wie vor zulässiger Massentierhaltung mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt. Es obliegt allein der Legislative und der Exekutive in einer solchen Situation der Ungewissheit, Vorsorgemaßnahmen sozusagen "ins Blaue hinein" zu ergreifen. Bei komplexen Gefährdungslagen, über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, kommt den staatlichen Einrichtungen ein angemessener Erfahrungs- und Anpassungsspielraum zu. In einer solchen Situation der Ungewissheit verlangt die staatliche Schutzpflicht von den Gerichten weder, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts zur Durchsetzung zu verhelfen, noch, die Vorsorgeentscheidung des Staates unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung von Abständen und Grenzwerten jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache der staatlichen Gremien, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen (BVerfG, Beschl. v. 28.02.2002 - 1 BvR 1676/01 -, NJW 2002, 1638-1640; OVG LSA, Beschl. v. 05.02. 2003 - 2 M 370/02 -). Der Senat geht jedenfalls angesichts der vorliegenden Erkenntnisse des Gutachters Dr. K. davon aus, dass von der geplanten Anlage keine Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten sind.

Soweit die Beigeladene eine medizinische Beurteilung des Sachverhalts begehrt, ist festzustellen, dass der Senat eine derartige Beurteilung nicht zum Gegenstand seines Beweisbeschlusses vom 21.06.2001 gemacht hat. Eine Erweiterung des Beweisthemas ist vorliegend auch nicht notwendig; denn wenn ein Gutachter - wie hier - zu dem Ergebnis kommt, dass durch die Errichtung der Putenmastanlage am geplanten Standort schon keine Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten sind, bedarf es einer medizinischen Betrachtungsweise mangels einer konkreten Gefährdungssituation nicht.

3.2. Dem privilegierten Vorhaben hätten auch die in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB genannten Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere des Vogelschutzes, nicht entgegen gestanden.

3.2.1. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden beeinträchtigt, wenn die zum Schutze dieser Belange bereit gestellten Instrumente, also insbesondere die Schutzgebietsausweisungen der §§ 22 ff.; 30 des Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG - vom 25.03.2002 (BGBl I 1193) verletzt werden. Insoweit bewirkt der formell festgesetzte Landschafts- und Naturschutz, d. h. die Lage des Standorts innerhalb des Geltungsbereichs einer Schutzverordnung, ein der planungsrechtlichen Zulässigkeit striktes Entgegenstehen derartiger Belange (vgl. OVG LSA, Urt. v. 16.09.1999 - A 2 S 88/98 -). Die Beigeladene vertritt insoweit die Auffassung, das umstrittene Gebiet der Putenmastanlage bedürfe auf Grund seiner herausragenden Bedeutung als Brut- und Rastplatz für verschiedene Vogelarten eines besonderen Schutzes.

Dem ist nicht zu folgen; denn der Standort der umstrittenen Anlage liegt weder in einem festgesetzten Gebiet im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 02.04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (79/409/EWG) - Vogelschutz-Richtlinie - (ABl EG Nr. L 103/1 v. 25.04. 1979), noch lässt sich der Standort der Putenmastanlage als faktisches Vogelschutzgebiet im Sinne der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten qualifizieren.

Faktische Vogelschutzgebiete unterliegen dem unmittelbaren Schutz der Vogelschutz-Richtlinie (vgl. zu den rechtlichen Grundlagen: NdsOVG, Urt. v. 14.09.2000 - 1 L 2153/99 -, NuR 2001, 333). Die Vogelschutz-Richtlinie bezweckt den Schutz, die Pflege und Wiederherstellung einer ausreichenden Vielfalt und einer ausreichenden Flächengröße (Lebensräume) für die Erhaltung aller im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten wild lebenden Vogelarten (Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Vogelschutz-Richtlinie). Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 Vogelschutz-Richtlinie sind Beeinträchtigungen und Störungen der Lebensräume und Vogelarten in den geschützten Gebieten zu vermeiden. Für die in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführten Vogelarten sind besondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Insbesondere haben die Mitgliedstaaten die für die Erhaltung dieser Arten "zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete" zu Schutzgebieten zu erklären (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 und 4 Vogelschutz-Richtlinie). Die Mitgliedstaaten haben bei der Frage, welche Gebiete nach ornithologischen Kriterien für die Erhaltung der in Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie aufgeführten Vogelarten zahlen- und flächenmäßig am geeignetsten sind, einen fachlichen Beurteilungsspielraum (EuGH, Urt. v. 02.08.1993 - C 355/90 -, NuR 1994, 521; NdsOVG, Urt. v. 14.09.2000, a. a. O.). Zu den Bewertungskriterien gehören neben Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung einer Vogelart u.a. die Populationsdichte und Artendiversität eines Gebiets, sein Entwicklungspotenzial und seine Netzverknüpfung (Kohärenz) sowie die Erhaltungsperspektiven der bedrohten Art (BVerwG, Urt. v. 14.11.2002 - BVerwG 4 A 15.02 -). Der Senat kommt nach Würdigung sämtlicher Umstände zu dem Ergebnis, dass dem streitgegenständlichen Gebiet nicht die Eigenschaft eines "geeignetsten Gebiets" in diesem Sinne zukommt; denn nach den Feststellungen der Fachbehörden des Beklagten ist dessen ornithologische Bedeutung als gering zu bewerten.

Der Senat wird in seiner Auffassung bestätigt einerseits durch den Landschaftsrahmenplan des Landkreises Stendal, der das Gebiet, in dem die Gemeinde liegt, nicht als Naturschutzgebiet ausweist, und andererseits durch das Landschaftsprogramm des Landes Sachsen-Anhalt, das das Gebiet zwar hoch schätzt, aber (nur) als "potentielle Fläche für den Naturschutz (außerhalb von streng geschützten Gebieten)" auszeichnet.

3.2.2. Allerdings bedarf es nicht allein einer förmlichen Unterschutzstellung der Landschaft, um eine Beeinträchtigung der vorgenannten Belange annehmen zu können. Maßgebend ist vielmehr, ob die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne der §§ 1 und 2 BNatSchG negativ betroffen werden (BVerwG, Urt. v. 13.04.1984 - BVerwG 4 C 69.80 -, BauR 1984, 614 [615]), d. h. bei Vorhaben, die - wie hier - außerhalb eines Schutzgebiets verwirklicht werden sollen, kann eine Beeinträchtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch dann angenommen werden, wenn insbesondere aufgrund von Fernwirkungen des Vorhabens (hier der Putenmastanlage) nachhaltig in die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und die Tier- und Pflanzenwelt eingegriffen wird (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2; 2 Abs. 1 Nr. 10 BNatSchG). Ein derartiger Eingriff ist vorliegend nicht erkennbar: Der unstreitig vorhandene Kranichbrutplatz an der Düpte liegt mindestens 1,5 km von der geplanten Stallanlage entfernt und ist durch zwei landwirtschaftliche Wege getrennt, die teilweise als Ortsverbindungswege genutzt werden; von einer Beeinträchtigung des Brutplatzes kann mithin nicht ausgegangen werden kann. Auch der - von der Beigeladenen nur vage angegebene Brutplatz des Schwarzstorchs - liegt jedenfalls nach den Erkenntnissen des Beklagten in einer erheblichen Entfernung vom geplanten Standort, so dass auch insoweit von einer Beeinträchtigung dieser Vogelart nicht ausgegangen werden kann. Singschwäne gibt es nach den Feststellungen des Beklagten im gesamten Landkreis Stendal nicht. Auch wird die Inanspruchnahme der Ackerflächen durch eine Putenmastanlage keinen Einfluss auf die Population der Weißstörche in dem durch große Ackerflächen geprägten Raum haben, zumal diese häufig in unmittelbarer Nähe des Menschen brüten. Insgesamt ist festzustellen, dass sämtliche, von der Beigeladenen aufgeführten Vogelarten ebenso wie die Tierarten im gesamten Landkreis vorkommen. Dass das streitgegenständliche Gebiet in besonderer Weise als Lebensraum für besonders geschützte, vom Aussterben bedrohte Vogelarten (z. B. Eisvogel) oder Tierarten (z. B. Biber) bedeutsam ist, ergibt sich aber weder aus den tatsächlichen Feststellungen und Dokumentationen des Beklagten noch aus den gelegentlichen, nicht durch Lichtbilder oder schriftliche Aufzeichnungen dokumentierten Beobachtungen von Einwohnern, auf die sich die Beigeladene stützt. Das vereinzelte Auftreten von geschützten Vögeln und Tieren ist aufgrund der geringen Populationsdichte und Artenvielfalt jedenfalls nicht geeignet, das Gebiet als naturschutzrechtlich beachtlich zu qualifizieren und es insgesamt von einer Bautätigkeit auszunehmen. Der Senat hält daher aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse eine weitere Beweisaufnahme für nicht geboten.

3.2.3. Soweit sich die Beigeladene in diesem Zusammenhang auf Belange des Tierschutzes beruft, indem sie auf die mangelnde Platzkapazität pro Pute, die dem Tierschutz nicht gerecht werdende Fütterung und die Gefährdung geschützter Vogel- und anderer Tierarten durch Geflügelkrankheiten, die in einer Putenmastanlage erzeugt werden können, kann sie mit diesem Einwand nicht gehört werden; denn bisher hat der Gesetzgeber Belange des Tierschutzes in die Zulässigkeitskriterien des § 35 BauGB nicht aufgenommen.

3.2.4. Die Beigeladene kann sich ferner nicht mit Erfolg auf eine Verunstaltung des Landschaftsbildes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB berufen.

Eine Verunstaltung liegt vor, wenn ein Vorhaben dem Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird (BVerwG, Urt. v. 15.05.1997 - BVerwG 4 C 23.95 -, NVwZ 1998, 58; Urt. v. 22.06.1990 - BVerwG 4 C 6.87, - NVwZ 1991, 64; OVG NW, Urt. v. 12.06.2001 - 10 A 97/99 -, NWVBl. 2002, 67). Für diese Entscheidung spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der vorgesehene Standort in einem Natur- oder Landschaftsschutzgebiet liegt, denn auch eine naturschutzrechtlich nicht besonders geschützte Landschaft kann gegen ästhetische Beeinträchtigungen empfindlich sein (BVerwG, Urt. v. 15.05.1997, a. a. O.; Beschl. v. 29.04.1968 - BVerwG IV B 77.67 -, BRS 20 Nr. 59), und die Schutzwürdigkeit einer Landschaft kann nicht davon abhängen, ob die zuständige Naturschutzbehörde Anlass für eine Unterschutzstellung gesehen hat. Eine Verunstaltung des Landschaftsbildes kann allerdings nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein, nämlich wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handelt (BVerwG, Beschl. v. 18.03.2003 - BVerwG 4 B 7.03 -, Buchholz 406.11 [BauGB] § 35 Nr. 358). Daran fehlt es hier; denn das Bauvorhaben hätte sich aufgrund seiner eher langgestreckten Bauweise ohne wesentliche Erhöhungen gut in die vorhandene Landschaft, die überwiegend durch Ackerflächen gekennzeichnet ist, eingefügt. Insgesamt ergibt sich weder aus der Lage der Stallanlagen noch aus der Entfernung zur Ortslage ein Erscheinungsbild, das aus sich heraus als in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen zu bezeichnen wäre.

3.3. Schließlich hätten dem privilegierten Vorhaben auch die in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB genannten Belange der Wasserwirtschaft nicht entgegengestanden.

§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB hat im Verhältnis zu den wasserrechtlichen Vorschriften, die nach § 29 Abs. 2 BauGB unberührt bleiben, eine Auffangfunktion. Er hat einen eigenständigen städtebaulichen Regelungswert. Sein Zweck ist es, unabhängig von wasserrechtlichen Normierungen und Planungen ein Mindestmaß an Gewässerschutz zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.1972 - BVerwG 4 C 1.70 -, Buchholz 406.11 [BBauG] § 35 Nr. 100). Die Vorschrift greift als Zulassungshindernis ein, wenn die örtlichen Gegebenheiten außerhalb des Anwendungsbereichs etwaiger wasserrechtlicher Schutzvorschriften, die hier nicht vorliegen, die Annahme rechtfertigen, dass die Wasserwirtschaft gefährdet wird. Ist beispielsweise nach wasserwirtschaftlichen und technischen Erkenntnissen aufgrund der geologischen oder hydrologischen Verhältnisse, etwa der Geländegestaltung, des Grundwasserstandes und der Grundwasserfließrichtung oder der Wasserdurchlässigkeit des Bodens, davon auszugehen, dass ein Bauvorhaben geeignet ist, eine vorhandene Trinkwassergewinnungsanlage in ihrer Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen oder die künftige Wasserversorgung nachteilig zu beeinflussen, so erkennt der Gesetzgeber diesem Umstand die Qualität eines öffentlichen Belangs unabhängig davon zu, ob sich aus dem allgemeinen oder dem gebietsbezogenen besonderen Wasserschutzrecht bestimmte Handlungsgebote oder -verbote herleiten lassen oder nicht (BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - BVerwG 4 C 5.00 -, NVwZ 2001, 1048). Diese Voraussetzungen liegen hier indes nicht vor; denn ausweislich der wasserwirtschaftlichen Stellungnahmen der Unteren Wasserbehörde vom 20.05.1997 und des Amtes für Landwirtschaft und Flurneuordnung Stendal vom 28.05.1997 liegt der Standort nicht in einem Trinkwasserschutzgebiet und wäre eine ordnungsgemäße Verwertung der anfallenden organischen Wirtschaftsdüngers nach den von der Klägerin aufgeführten Abnahmebedingungen gewährleistet gewesen. Der Vortrag der Beigeladenen bietet keinen Anlass, an diesen fachlichen Stellungnahmen zu zweifeln.

3.4. Die Errichtung der Putenmastanlage hätte die Klägerin auch nicht in ihrer Planungshoheit verletzt; denn der von ihr im Klageverfahren erwähnte Flächennutzungsplan hat bisher keine Verbindlichkeit erlangt.

Standen mithin dem Vorhaben der Klägerin, nämlich der Errichtung und dem Betrieb einer Anlage zur Aufzucht und Mast von Puten mit 19.200 Tierplätzen, öffentliche Belange nicht entgegen und war auch die Erschließung gesichert, hätte die Beigeladene ihr gemeindliches Einvernehmen nicht verweigern dürfen, mit der Folge, dass der Klägerin die beantragte Baugenehmigung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA hätte erteilt werden müssen.

B. Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig; insbesondere liegt in der Beschränkung des Klageantrags keine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO, weil der Klagegrund - von der nachträglichen Veränderung abgesehen - derselbe geblieben ist (§ 173 VwGO i. V. m. § 267 Nr. 2 ZPO). Im Übrigen würde auch eine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO der Zulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens nicht entgegenstehen; denn der Senat hält die Änderung, die auch noch in der Rechtsmittelinstanz möglich ist (Kopp/Schenke, 13. Aufl. § 91 RdNr. 21), für sachdienlich, weil für die geänderte Klage der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und dazu beiträgt, dass ein weiterer, sonst zu erwartender Prozess vermieden wird.

Die Verpflichtungsklage ist auch begründet; denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung für die Errichtung einer Putenmastanlage (vier Ställe) mit 14.999 Tierplätzen auf den Flurstücken ... der Flur ... der Gemarkung Rossau, weil das gemäß § 66 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA - vom 09.02.2001 (LSA-GVBl., S. 50), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 (LSA-GVBl., S. 158 [161 <Art. 5>]), die hier Anwendung findet, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.01.1992 - BVerwG 7 C.24.91 -, BVerwGE 89, 354), genehmigungsbedürftige - nicht nach §§ 68, 69 BauO LSA genehmigungsfreie - Vorhaben der Klägerin mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften i. S. v. § 77 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA vereinbar ist. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats unter A. II. Bezug genommen, die angesichts der unveränderten Sach- und Rechtslage in gleicher Weise für das noch anhängige Baugenehmigungsverfahren gelten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und über die Abwendungsbefugnis folgen aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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