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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 2 L 523/02
Rechtsgebiete: LSA-BauO, VwGO, FGO, BGB


Vorschriften:

LSA-BauO § 53 I 1
LSA-BauO § 53 I 3
LSA-BauO § 53 II 3
LSA-BauO § 53 VII
LSA-BauO § 53 VIII
LSA-BauO § 58
LSA-BauO § 59 I 2
LSA-BauO § 70 I
LSA-BauO § 70 IV 1
VwGO § 79 I Nr 1
VwGO § 108
FGO § 44 II
BGB § 164 II
1. Bei der Stellplatzablösung ist maßgeblich die Sach- und Rechtlage zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung; Änderungen zwischen Leistungs- und Widerspruchbescheid sind noch zu beachten, nicht hingegen Änderungen zwischen Widerspruchsbescheid und der letzten mündlichen Verhandlung. Ohne Bedeutung sind Rechtsänderungen, die zwar bereits verkündet sind, aber erst in der Zukunft in Kraft treten.

2. Bauherr ist, wer ein Bauvorhaben vorbereitet, ausführt oder es vorbereiten bzw. ausführen lässt. Als Bauherr behandeln lassen muss sich auch, wer gegenüber der Baubehörde durch Einreichen des Bauantrags als Bauherr auftritt.

3. Der Ablösebetrag ist als Surrogat der Herstellung von Stellplätzen zweckgebunden.

4. Die Ablösepflicht nimmt nicht an der dinglichen Verpflichtung der Baugenehmigung teil.

Sie ist unabhängig von der Person des Bauherrn oder Grundstückseigentümers.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 2 L 523/02

Datum: 16.10.2003

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Stellplatzablösebetrag für das Bauvorhaben Um- und Ausbau eines Wohn- und Geschäftshauses, Neuerrichtung eines Anbaus in Bernburg.

Am 02.07.1996 erteilte der Landkreis Bernburg der Firma "M." auf den Antrag vom 11.07.1994 eine Baugenehmigung zum Um- und Ausbau eines Wohn- und Geschäftshauses, ..., in der Gemarkung Bernburg. Die Baugenehmigung enthält u. a. die Bedingung, dass bis zur In-Betrieb-Nahme der Gebäude zehn Stellplätze bei der Beklagten abzulösen seien. Mit Schreiben vom 24.07.1996 wies die o. g. Firma den Landkreis Bernburg darauf hin, dass nicht sie, sondern der Kläger Bauherr sei; die Baugenehmigung wurde nicht geändert. Die Baumaßnahmen wurden 1998 abgeschlossen. Mit Schreiben vom 13.11.2000 teilte der Landkreis Bernburg der Beklagten mit, dass entsprechend der jetzigen Nutzung fünf Stellplätze erforderlich seien, die auf dem Grundstück jedoch nicht errichtet werden könnten und deswegen abzulösen seien.

Mit Leistungsbescheid vom 08.08.2001 forderte die Beklagte den Kläger auf der Grundlage ihrer Satzung über die Stellplatzablösebeträge und Garagen vom 23.06.1999, bekannt gemacht im Amtsblatt der Beklagten vom 01.07.1999 und in Kraft getreten am 02.07.1999, auf, für das Bauvorhaben an sie einen Stellplatzablösebetrag in Höhe von 37.875,00 DM (= 19.365,18 €) zur Ablösung von fünf Stellplätzen zu zahlen. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Grundstück des Klägers liege in einem Bereich, der als Gebietszone I definiert sei. Der je Stellplatz zu zahlende Stellplatzablösebetrag betrage in dieser Gebietszone 7.575,00 DM (= 3.874,04 €).

Am 25.08.2001 trat die (neue) Satzung der Beklagten vom 28.06.2001 in Kraft, die den je Stellplatz zu zahlenden Stellplatzablösebetrag für die Gebietszone I nunmehr auf 3.002,00 DM bzw. ab 01.01.2002 auf 1.530,00 € festsetzte.

Am 30.08.2001 erhob der Kläger gegen den Leistungsbescheid vom 08.08.2001 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2002 zurückwies.

Am 13.02.2002 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Dessau Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, für den Erlass des angefochtenen Leistungsbescheids fehle es der Beklagten an einer Rechtsgrundlage. Im Übrigen sei er nicht Bauherr gewesen, sondern habe den Bauantrag für die Firma M. nur als zeitweilig Beauftragter unterzeichnet.

Der Kläger hat beantragt,

den Leistungsbescheid der Beklagten vom 8. August 2001 und deren Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2002 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Bauherreneigenschaft des Klägers ergebe sich einerseits aus der tatsächlichen Durchführung der Maßnahme durch ihn und andererseits aus dem Schriftverkehr mit der unteren Bauaufsichtsbehörde und mit ihr, in dem er als Bauherr auftrete. Zumindest werde er aber als Rechtsnachfolger des Bauherrn zu Recht durch den Leistungsbescheid vom 08.08.2001 in Anspruch genommen.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 6. November 2002 (1 A 48/02 DE) den Leistungsbescheid der Beklagten vom 08.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2002 insoweit aufgehoben, als Auslagen in Höhe von 11,00 DM gefordert worden sind, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage des angefochtenen Leistungsbescheids seien § 53 Abs. 7 BauO LSA und §§ 1 bis 4 der Ablösesatzung der Beklagten vom 23.06.1999. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts sei grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, so dass bei Leistungsbescheiden, die die Ablösung der Stellplatzpflicht ermöglichten, auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ablöseverlangens abzustellen sei. Die Zahlung des Ablösebetrags sei das Surrogat für die Herstellung realer Stellplätze, die dem Bauherrn primär obliege. Im Baugenehmigungsverfahren bewirke das Zahlungsverlangen, dass der Bauherr in den Bauvorlagen Stellplätze nicht darzustellen brauche. Die Baugenehmigung könne und müsse daher ohne inhaltliche Beschränkungen erteilt werden. Insofern sei auch die Baugenehmigungsbehörde an die Entscheidung der Gemeinde, einen Ablösebetrag zu verlangen, bzw. an die Zustimmung zur Ablösung gebunden. Da der Wegfall der Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen unmittelbar mit der Bekanntgabe des Zahlungsverlangens eintrete, sei für die Rechtmäßigkeit dieses Verlangens die Sach- und Rechtslage maßgebend, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe bestehe. Dies gelte auch dann, wenn - wie hier - das Zahlungsverlangen in Form eines Leistungsbescheids erhoben werde. Im Übrigen sei das Gericht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass seinerzeit der Kläger Bauherr für die genehmigte Baumaßnahme gewesen sei. Dieser habe den Bauantrag vom 11.07.1994 in dem Feld "Bauherr" des Antragsvordrucks unterzeichnet. Desgleichen habe er die Baubeschreibung an der für den Bauherrn vorgesehenen Stelle unterschrieben. Ferner habe die Firma, die den Bauantrag gestellt habe, kurz nach Erteilung der Baugenehmigung dem Bauordnungsamt mit Schreiben vom 24.07.1996 mitgeteilt, dass der Kläger der Bauherr sei.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, weil die für die Entscheidung erhebliche Frage, ob bei der Überprüfung von Ablöseverlangen auf die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verlangens bestehende Sach- und Rechtslage abzustellen sei, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.

Am 06.12.2002 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt vor, in Bezug auf die Frage, welche Sach- und Rechtslage bei der Beurteilung des Sachverhalts zu Grunde zu legen sei, müsse auf den die Stellplatzablösung bedingenden Verwaltungsakt, die Erteilung der Baugenehmigung vom 04.07.1996, abgestellt werden. Im Übrigen strebe er an, die notwendigen Stellplätze auf seinem Grundstück selbst zu schaffen, so dass der Erlass des Stellplatzablösebescheids unzulässig sei.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 6. November 2002 - 1 A 48/02 DE - zu ändern und den Leistungsbescheid der Beklagten vom 8. August 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei für die hier vorliegende Anfechtungssituation der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung und meint damit den Erlass des Leistungsbescheids vom 08.08.2001.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 [BGBl I 686] - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 [BGBl I 3987]).

Die Berufung des Klägers ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Leistungsbescheid der Beklagten vom 08.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2002 ist hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 11.715,18 € rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); hinsichtlich eines Teilbetrags von 7.650,00 € ist der Leistungsbescheid der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.

I. Rechtsgrundlage des angefochtenen Leistungsbescheides vom 08.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2002 ist § 53 Abs. 7 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA - (= Art. 1 des Gesetzes über die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt und zur Änderung des Ingenieurgesetzes und des Vermessungs- und Katastergesetzes vom 23.06.1994 [LSA-GVBl., S. 723], geändert durch Gesetz vom 24.11.1995 [LSA-GVBl., S. 339], i. d. F. des Gesetzes zur Vereinfachung des Baurechts in Sachsen-Anhalt vom 09.02.2001 [LSA-GVBl., S. 50]), zum hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 07.12.2001 (LSA-GVBl., S. 540 [545]), i. V. m. §§ 1 bis 4 der Satzung der Beklagten über die Stellplatzablösebeträge für Stellplätze und Garagen vom 09.07.2001 - Stellplatzablösesatzung 2001 -, die am 25.08.2001 in Kraft getreten ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten seiner Anfechtungsklage nicht der Erlass der Baugenehmigung am 02.07.1996, sondern - wovon auch das Verwaltungsgericht im Ansatz zutreffend ausgeht - der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt bei Anfechtungsklagen in erster Linie nach dem materiellen Recht, wobei unter materiellem Recht sowohl das Verwaltungsverfahrensrecht als auch das materielle Recht im engeren Sinne zu verstehen ist (BVerwG, Urt. v. 29.09.1982 - BVerwG 8 C 138.81 -, BVerwGE 66, 178 [182]), und, wenn diesem keine Anhaltspunkte für den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt zu entnehmen sind, grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (vgl. dazu im einzelnen insbesondere die Urteile v. 14.02.1975 - BVerwG IV C 21.74 -, Buchholz 407.4 [FStrG] § 17 Nr. 19, S. 1 [3 f.], v. 28.11.1975 - BVerwG IV C 45.74 -, BVerwGE 50, 2 [9 f.], v. 18.05.1982 - BVerwG 7 C 42.80 -, BVerwGE 65, 313 [315], v. 27.09.1982 - BVerwG 8 C 145.81 -, Buchholz 406.11 [BBauG] § 130 Nr. 26, S. 1 [5], v. 29.03.1996 - BVerwG 1 C 28.94 -, InfAuslR 1997, 24; Urt. vom 27.04.1990 - BVerwG 8 C 87.88 -, NVwZ 1991, 360, und zuletzt Beschl. v. 06.03.2003 - BVerwG 9 B 17.03 - [juris]).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lassen sich vorliegend auch dem (materiellen) Bauordnungsrecht ausreichende Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich die Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides vom 08.08.2001 in jeder Hinsicht nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung beurteilt (1.). Allerdings ist dem Verwaltungsgericht nicht zu folgen, soweit es schon die Bekanntgabe des Ablöseverlangens - hier des Leistungsbescheides vom 08.08.2001 - als letzte Behördenentscheidung ansieht; prozessrechtlich ist in Anfechtungsverfahren - wie hier - vielmehr auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen (2.).

1. Grundsätzlich ist die Erfüllung der Stellplatzpflicht gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung; denn nach dieser Vorschrift dürfen bauliche Anlagen, bei denen ein Zugangs- und Abgangsverkehr zu erwarten ist, nur errichtet werden, wenn Stellplätze in ausreichender Größe sowie in geeigneter Beschaffenheit hergestellt werden. Da die Zahlung des Ablösebetrags - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - das Surrogat für die Herstellung realer Stellplätze ist, die dem Bauherrn primär obliegt, muss die grundsätzliche Entscheidung über die Ablösung bei Erteilung der Baugenehmigung getroffen werden (so schon OVG LSA, Beschl. v. 24.09.2003 - 2 L 247/01 -); denn die nach § 53 Abs. 7 BauO LSA zulässige Ablösung von Stellplätzen begründet eine Zahlungspflicht des Bauherrn als Gegenleistung für den Verzicht auf die Erfüllung der Rechtspflicht zur Herstellung der realen Stellplätze, die sich bei Ausnutzung der Baugenehmigung für das geplante Bauvorhaben ergeben würden. Die Zahlung bewirkt, dass der Gemeinde ein von ihr nach der gesetzlichen Regelung in § 53 Abs. 8 BauO LSA zweckgebunden zu verwendender und als Sonderabgabe zu wertender Geldbetrag zufließt (so auch OVG NW, Urt. v. 05.09.1996 - 7 A 958/94 -, BRS 58 Nr. 122). Dies bedeutet allerdings nicht zugleich, dass bei der Geltendmachung des Ablösebetrags nunmehr auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung abzustellen ist. Da § 53 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA es zulässt, dass die Realherstellung zeitlich nach der Fertigstellung der Anlage erfolgen kann, muss auch das Surrogat der Herstellung - die Zahlung des Ablösebetrags - erst nach Erteilung der Baugenehmigung erfolgen dürfen. Demnach ist es nicht zu beanstanden, dass das Ablösungsverlangen unter der (aufschiebenden Bedingung) der Erteilung der Baugenehmigung gestellt und der Leistungsbescheid - wie hier - später erteilt wird (OVG LSA, Beschl. v. 24.09.2003 - 2 L 247/01 -, m. w. N.); insbesondere wird die Zahlungspflicht nicht unmittelbar durch die Bauordnung begründet; diese hat die Ablösung nur als eine besondere Art der Erfüllung der Stellplatzpflicht ausgestaltet. Da die Zahlung weder von der Person des Bauherrn noch des Grundstückseigentümers abhängig ist, ist ferner die Ablöseverpflichtung - anders als die Baugenehmigung - auch nicht grundstücksbezogen und nimmt nicht an der dinglichen Verpflichtung teil (Jäde, in: Jäde/Weinl/Dirnberger/Riedel, Kommentar zur BauO LSA, § 52 RdNr. 150). Wird die Entscheidung über die Ablösung aber in diesem Sinne selbständig getroffen, kann für den die Ablöseverpflichtung aussprechenden Leistungsbescheid auch nicht die Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung gelten; vielmehr ist die letzte Behördenentscheidung maßgeblich.

2. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist allerdings nicht der Leistungsbescheid vom 08.08.2001 die letzte Behördenentscheidung, sondern der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14.01.2002; denn gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich die rechtlichen Wirkungen, die sich aus einem bestimmten Sachverhalt ergeben, nach denjenigen Rechtsvorschriften beurteilen, die im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhalts gegolten haben. Daraus folgt für die rechtliche Beurteilung von Verwaltungsakten, die der Anfechtung unterliegen, dass sich deren Rechtmäßigkeit im Grundsatz nach der Rechtslage beurteilt, die im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts für den betreffenden Sachverhalt maßgebend war. Von diesem Rechtsgrundsatz sind jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 29.11.1979 - BVerwG 3 C 103.79 -, BVerwGE 59, 148 [159 ff.]) drei Ausnahmen zu machen, und zwar wenn eine nachträglich ergangene Rechtsvorschrift rückwirkend in Kraft tritt, wenn eine nachträglich ergangene Rechtsvorschrift einen "Dauersachverhalt" betrifft, der in einem sog. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung geregelt worden ist, und wenn eine nachträglich ergangene Rechtsvorschrift, ohne rückwirkend in Kraft zu treten, auch bereits vorher verwirklichte Sachverhalte erfasst.

Für den vorliegenden Fall, in dem die am 28.06.2001 beschlossene Stellplatzablösesatzung 2001 weder rückwirkend in Kraft getreten ist noch einen "Dauersachverhalt" betrifft, der in einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung geregelt worden ist, kommt demnach eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz, dass sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens durch den Widerspruchsbescheid beurteilt, nur insoweit in Betracht, als sich nunmehr die Frage stellt, inwieweit die nachträgliche Gesetzesänderung die rechtlichen Wirkungen eines vor ihrem In-Kraft-Treten verwirklichten und durch einen Verwaltungsakt geregelten Sachverhalts mit Wirkung für die Zukunft ("ex nunc") ändert. Für die sich demnach stellende Frage, ob ein angefochtener Verwaltungsakt, der zur bisherigen Rechtslage erging, aufrecht zu erhalten ist oder aufgehoben werden muss, ist darauf abzustellen, wie sich nach dem anzuwendenden materiellen Recht die Neuregelung auf einen vor ihrem In-Kraft-Treten verwirklichten Sachverhalt auswirkt. In den Fällen, in denen eine spätere Rechtsänderung (Neuregelung) die rechtlichen Wirkungen eines vor der Rechtsänderung verwirklichten Sachverhalts unverändert bestehen lässt, muss auch der diese Rechtswirkungen bestimmende Verwaltungsakt unverändert bestehen bleiben und darf nicht aufgehoben werden. Nur wenn die Rechtsänderung auch die rechtlichen Wirkungen eines vorher verwirklichten Sachverhalts "ex nunc" verändert, kann der die früheren Rechtswirkungen bestimmende Verwaltungsakt für die Zukunft nicht mehr aufrecht erhalten werden. Dies bedeutet nicht, dass ein angefochtener Verwaltungsakt, der im Zeitpunkt seines Ergehens rechtmäßig war, vom Zeitpunkt der Rechtsänderung an, also "ex nunc" rechtswidrig wird. Vielmehr hat in diesen Fällen die Rechtsänderung nur zur Folge, dass der rechtmäßig bleibende Verwaltungsakt von der Behörde - entsprechend der neuen Rechtslage - mit Wirkung "ex nunc" aufzuheben bzw. anzupassen ist (BVerwGE 59, 148 [159 ff]).

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Beurteilung ergibt sich im Fall des Klägers, dass der angefochtene Leistungsbescheid vom 08.08.2001 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2002 - der Höhe nach rechtswidrig geworden und auf Grund der Neufassung der Stellplatzablösesatzung 2001 zu ändern ist; denn diese Satzung enthält - ebenso wie der neu gefasste § 53 Abs. 7 BauO LSA - keine Übergangsregelung und auch keine sonstige Bestimmung über die rechtliche Behandlung bisher nicht abgeschlossener Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Sie ist daher - dem Wortlaut des § 5 Stellplatzablösesatzung 2001 entsprechend - ab dem Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens anzuwenden. Dies bedeutet, dass bei Begehren, die auf die Aufhebung eines auf der Grundlage des § 53 Abs. 7 BauO LSA ergangenen Leistungsbescheides gerichtet sind, im laufenden Verwaltungsverfahren die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage zu berücksichtigen ist. Die Beklagte hätte also bei Erlass des Widerspruchsbescheides die Stellplatzablösesatzung 2001 auf den vorliegenden Fall anwenden müssen.

Hingegen kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht (mehr) darauf an, dass er nunmehr eine Realherstellung der Stellplätze beabsichtigt; denn die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist - wie oben bereits erläutert - gerade nicht maßgeblich. Auch die Änderung des § 53 BauO LSA durch Art. 5 des Zweiten Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen im Land Sachsen-Anhalt (Zweites Investitionserleichterungsgesetz) vom 16.07.2003 (LSA-GVBl., S. 158 [161]), der die Stellplatzablösung in § 53 Abs. 2 Satz 3 BauO LSA insoweit neu regelt, als zukünftig bei der Ermittlung des Geldbetrages die ersten acht Stellplätze außer Betracht zu bleiben haben, führt schon deshalb zu keiner Verbesserung der Rechtsstellung des Klägers, weil Art. 5 des Zweiten Investitionserleichterungsgesetzes erst am 01.03.2004 in Kraft treten wird (vgl. Art. 15 Abs. 3 dieses Gesetzes).

Schließlich führt auch der von der Beklagten gezogene Vergleich mit dem Steuerrecht zu keinem anderen Ergebnis; denn gemäß § 44 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ist Gegenstand der vor dem Finanzgericht zu erhebenden Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ebenfalls der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat, so dass auch in steuerrechtlichen Streitigkeiten auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen ist (BGH, Beschl. v. 02.03.1971 - VII R 74/68 -, BFHE 102, 7).

Nach § 2 Abs. 1 der Stellplatzablösesatzung 2001 beträgt der vom Zahlungspflichtigen zu zahlende Stellplatzablösebetrag je Stellplatz für die hier maßgebliche Gebietszone I ab 01.01.2002 1.530,00 €. Da der Kläger unstreitig fünf Stellplätze gemäß § 53 Abs. 7 BauO LSA abzulösen hat, war der Leistungsbescheid vom 08.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2002 in Höhe des überschießenden Betrags von 11.715,18 € aufzuheben; die Zahlungsverpflichtung des Klägers bleibt hingegen in Höhe von 7.650,00 € bestehen.

II. In dieser Höhe begegnet der angefochtene Leistungsbescheid auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken; insbesondere ist der Kläger richtiger Adressat des Leistungsbescheids vom 08.08.2001; denn als Bauherr trägt er nach dem allgemeinen Grundsatz des § 58 BauO LSA die Verantwortung für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Hierzu gehört auch die Verpflichtung zur Herstellung der notwendigen Stellplätze gemäß § 53 Abs. 1 BauO LSA bzw. zur Zahlung diesbezüglicher Ablösungsbeträge gemäß § 53 Abs. 7 BauO LSA. Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, nicht er, sondern die in der Baugenehmigung benannte Firma "M." sei Bauherrin. Zutreffend hat bereits das Verwaltungsgericht dargelegt, dass hier ausschließlich dem Kläger eine Bauherreneigenschaft zukommt. Bauherr im Sinne von § 59 Abs. 1 BauO LSA, der allerdings keine Legaldefinition des Bauherrenbegriffs enthält, ist nämlich derjenige, der ein Bauvorhaben vorbereitet oder ausführt oder vorbereiten oder ausführen lässt, d. h. auf dessen Veranlassung bzw. mit dessen Willen eine Baumaßnahme durchgeführt wird. Mit der in § 59 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA normierten Pflicht, die nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlichen Anzeigen und Nachweise an die Bauaufsichtsbehörde zu machen, ist klargestellt, dass zunächst der Bauherr dafür verantwortlich ist, die formelle Legalität der Baumaßnahme herzustellen (Michel, in: Jäde/Weinl/Dirnberger/Riedel, Kommentar zur BauO LSA, § 58 RdNr. 6). Die Person des Bauherrn ergibt sich dabei aus dem Bauantrag, der nach § 70 Abs. 1 BauO LSA schriftlich einzureichen und nach § 70 Abs. 4 Satz 1 BauO LSA vom Bauherrn zu unterschreiben ist. Diese Unterschrift ist auch dann maßgebend, d. h. eine Person ist auch dann Bauherr, wenn der Bau nicht in ihrem Auftrag und für ihre Rechnung ausgeführt werden soll. Als Bauherr muss sich auch derjenige behandeln lassen, der sich gegenüber der Baurechtsbehörde durch Einreichen eines Bauantrages als solcher ausgibt (so auch VGH BW, Urt. v. 26.11.1980 - 3 S 2005/80 -, VBlBW 1981, 187). Im vorliegenden Fall hat der Kläger den Bauantrag vom 11.07.1994 und die Baubeschreibung vom gleichen Tage als Bauherr unterschrieben. Damit wurde er alleiniger Bauherr des Bauvorhabens "Um- und Ausbau eines Wohn- und Geschäftshauses und Neuerrichtung eines Anbaus" in Bernburg.

Der Einwand des Klägers, er sei nur als zeitweilig Beauftragter der Firma "M." aufgetreten, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, da er die Vertretung nicht gegenüber der Bauaufsichtsbehörde angezeigt hat; insoweit ist der in § 164 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs normierte Grundsatz, dass der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht kommt, wenn der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervortritt, auch auf die Abgabe von Willenserklärungen im Verwaltungsrecht anzuwenden, die - wie hier der Bauantrag - auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet sind. Im Übrigen ist die Stellung als Bauherr gemäß § 58 BauO LSA mit derart umfangreichen öffentlich-rechtlichen Pflichten verbunden, dass selbst eine auf die Bestellung eines Vertreters gerichtete Erklärung eines Dritten nur dann zur Begründung der Bauherreneigenschaft geeignet ist, wenn die vom Kläger genannte Firma "M." ihm hierfür eine Vollmacht erteilt hätte. Dies ist offensichtlich nicht geschehen, und auch die Voraussetzungen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht sind nicht erfüllt. Unter diesen Umständen ist auch die Ausstellung der Baugenehmigung auf die o. g. Firma ohne die vom Kläger für sich in Anspruch genommenen Rechtswirkungen; insbesondere konnte das an sich fehlerhafte Verwaltungshandeln kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers dahin begründen, seine Pflichten als Bauherr seien endgültig auf die Firma übergegangen; denn es hätte ihm angesichts seines Auftretens als Bauherr klar sein müssen, dass Pflichten Dritter nicht begründet werden konnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und über die Abwendungsbefugnis folgen aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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