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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: 2 L 86/04
Rechtsgebiete: BauNVO


Vorschriften:

BauNVO § 12
Zur näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB zählen nicht solche Grundstücke, die von dem Baugrundstück durch einen stark frequentierten Hauptstraßenzug getrennt sind, der die eigentliche, durch Gewerbegrundstücke geprägte Innenstadt von dem diesseitigen, durch Wohnbebauung geprägten Gebiet abtrennt.

Stellplätze auf dem Baugrundstück, die einem in der Innenstadt liegenden Grundstück dienen sollen, entsprechen in einem solchen Fall nicht dem durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf im Sinne des § 12 Abs. 2 BauNVO.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 86/04

Datum: 07.02.2006

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert>.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Kläger auf die begehrte Baugenehmigung zur Errichtung von PKW-Stellplätzen keinen Anspruch haben.

Ohne Erfolg rügen die Kläger, das Verwaltungsgericht hätte hinsichtlich des am Baugenehmigungsverfahren zunächst nicht beteiligten Klägers zu 3) nicht bereits die Zulässigkeit der Klage verneinen dürfen. Insoweit kann dahinstehen, ob auf der Klägerseite tatsächlich die Kläger als natürliche Personen beteiligt sind oder diese Beteiligtenstellung stattdessen der aus ihnen als Gesellschaftern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Firma "Bauherrengemeinschaft Zentraler Platz W.-Stadt GbR" zukommt; denn das Verwaltungsgericht hat die Klage auch hinsichtlich des Klägers zu 3) zusätzlich als unbegründet abgewiesen. Jedenfalls diese Abweisung als unbegründet ist frei von Rechtsfehlern, weil die sachlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch nicht vorliegen.

Gemäß § 77 Abs. 1 BauO LSA darf die Baugenehmigung nur erteilt werden, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Ein derartiges Entgegenstehen öffentlich-rechtlicher Vorschriften ist hier aber deshalb zu bejahen, weil die beabsichtigte Stellplatzerrichtung den Bestimmungen der §§ 34 Abs. 2 BauGB, 12 Abs. 2 BauNVO widerspricht. Nach der zuletzt genannten Vorschrift sind Stellplätze und Garagen u.a. in (faktischen) allgemeinen Wohngebieten nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Diesen Anforderungen wird das Bauvorhaben der Kläger, nämlich die Errichtung von elf Stellplätzen auf dem Grundstück mit der Straßenbezeichnung "Farsleber Straße 22" in W.-Stadt, nicht gerecht.

Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 BauNVO ist anwendbar, weil die nähere Umgebung des Baugrundstücks einem allgemeinen Wohngebiet und nicht - wie die Kläger vortragen - einem Mischgebiet entspricht. Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet insoweit die Annahme des Verwaltungsgerichts, die für die Bestimmung des Gebietscharakters maßgebliche nähere Umgebung des Baugrundstücks werde im Süden durch die nördliche Bebauung der "Bahnhofstraße" begrenzt. Die Kläger machen hiergegen ohne Erfolg geltend, zur näheren Umgebung müssten stattdessen auch die großflächig gewerblich genutzten Grundstücke südlich der "Bahnhofstraße" gezählt werden, weil auch diese Grundstücke in der Nähe des Baugrundstücks lägen und damit eine prägende Wirkung hierauf ausübten. Eine derartige Prägung hat das Verwaltungsgericht zu Recht mit der Begründung verneint, die "Berliner Straße" habe eine trennende Wirkung, weil sie einen stark frequentierten Hauptstraßenzug darstelle, der an der eigentlichen Innenstadt von W.-Stadt vorbeiführe. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden und lässt sich noch mit dem Argument untermauern, dass einer Straße, die zwei unterschiedliche Baugebiete voneinander abgrenzt, regelmäßig trennende Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.07.1984 - 4 C 28/83 - NJW 1985, 1569). Als solchermaßen unterschiedlich sind die Gebiete nördlich und südlich der "Berliner Straße" hier auch einzustufen, weil dieses durch Wohnbebauung außerhalb des Stadtkerns und jenes durch großflächige Gewerbenutzung innerhalb dieses Bereichs geprägt ist.

Entgegen dem Vorbringen der Kläger stehen der Einstufung der nähren Umgebung des Baugrundstücks als faktisches allgemeines Wohngebiet auch nicht die in der Umgebung vorhandenen Verwaltungs-, Verkehrs- und sonstigen Gewerbegebäude und -anlagen entgegen. Dies gilt insbesondere für das östlich des Baugrundstücks gelegene Bahnhofsgelände nebst zentralem Omnibusbahnhof, das aufgrund seiner verhältnismäßig großen Entfernung zum Baugrundstück, seiner Lage am Rande des streitgegenständlichen Wohngebiets und seines eigenständigen Charakters keine entscheidende Prägung auf das Baugrundstück ausübt. Die verbleibenden Grundstücke sind ausweislich der Niederschrift der gerichtlichen Inaugenscheinnahme vom 18.09.2003 und den in den Akten vorhandenen Plänen, Lichtbildern und Erklärungen der Beigeladenen durch überwiegende Wohnnutzung gekennzeichnet. Die Wohnnutzung einerseits und die gewerbliche Nutzung andererseits sind auch nicht deshalb gleichgewichtig, weil nach der Niederschrift vom 18.09.2003 24 Grundstücke ausschließlich für Wohnen und weitere 24 Grundstücke gewerblich genutzt werden. Die zuletzt genannten Grundstücke werden nämlich, wie die Beigeladene mit Schriftsatz vom 22.09.2003 geltend gemacht hat, mehrheitlich nur teilweise gewerblich und im Übrigen ebenfalls zu Wohnzwecken genutzt, so dass insgesamt von einer überwiegenden Wohnnutzung auszugehen ist.

Die beantragten elf Stellplätze übersteigen auch "den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf" (§ 12 Abs. 2 BauNVO). Hiergegen wenden die Kläger ohne Erfolg ein, sie hätten ihren Bauantrag nachträglich dahingehend konkretisiert, von den elf beantragten Stellplätzen sollten sechs als notwendige Stellplätze des Gebäudekomplexes "Zentraler Platz" dienen. Zwar ist zur Bestimmung des durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarfs im Sinne des § 12 Abs. 2 BauNVO nicht nur auf das Baugrundstück selbst, sondern darüber hinaus auf das zugehörige Baugebiet abzustellen (vgl. Ziegler, in: Brügelmann, BauGB, § 12 BauNVO, RdNr. 45). Nicht zu diesem Baugebiet gehören aber Gebiete mit einer anderen Nutzungsart (vgl. Ziegler, in: Brügelmann, BauGB, § 12 BauNVO, RdNr. 46). Als derartiges Gebiet mit anderer Nutzungsart ist - wie dargelegt - der Bereich südlich der "Berliner Straße" einzustufen, zu dem auch der Gebäudekomplex "Zentraler Platz" zählt.

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