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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 04.05.2004
Aktenzeichen: 2 L 9/02
Rechtsgebiete: BlmSchG, 4.BlmSchV


Vorschriften:

BlmSchG § 3 I
BlmSchG § 4 I
BlmSchG § 5 I 1
BlmSchG § 6 I
BlmSchG § 16 I
BlmSchG § 67a
4.BlmSchV § 2 I 1a
1. Der Bestandsschutz aus § 67a BImSchG entfällt bei einer wesentlichen Änderung der Anlage.

2. Die Anwendbarkeit des § 16 BImSchG hängt nicht davon ab, ob die durch das BImSchG geschützten Belange tatsächlich verletzt sind, sondern lediglich, ob eine Berührung dieser Belange in Betracht kommt.

Der Übergang von einer Käfighaltung im Flüssigmistverfahren auf eine Mehretagenhaltung im Trockenkotverfahren ist wesentlich i. S. dieser Bestimmung.

3. Erheblich i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind Emissionen, die den davon Betroffenen nicht zumutbar sind. Die Zumutbarkeit bestimmt sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter. Die VDI-Richtlinie 3472 ist dabei eine Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsbelastungen aus der Tierhaltung.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 9/02

Datum: 04.05.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 1 S. 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.

Im Ortsteil S. der Stadt O. wurde seit 1969 eine Legehennenanlage mit zuletzt 60.000 Legehennen betrieben. Nach 1990 wurde die Anlage gemäß § 67a BImSchG angezeigt und durch die Agrargenossenschaft "B. " O. e. G. zunächst weiterbetrieben mit Käfigbatterien im Flüssigkotverfahren und einer Flüssigkotlagerung außerhalb des Stalls. Im Zuge der Gesamtvollstreckung der Agrargenossenschaft erwarb die Klägerin 1997 die Anlage, die dann mit einer entsprechenden Anzeige zunächst außer Betrieb gesetzt wurde. Seit 1998 betreibt die Klägerin in einem der fünf Ställe in Boden- und Freilandhaltung in einer Besatzdichte von 18.200 Legehennen die Anlage weiter. Am 26.01.2000 beantragte die Klägerin eine Genehmigung für eine Legehennenanlage mit 60.000 Hennenplätzen einschließlich der dazugehörigen Nebenanlagen. Der Genehmigungsantrag sieht eine Mehretagenhaltung mit Kotbandlüftung (Trockenkot) durch Boden- (2/3) und Freilandhaltung (1/3) vor. Verbunden damit ist die Umstellung von Flüssigkot- auf Trockenkotverfahren und der Einbau von Unterdruck-Lüftungsanlagen.

Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich, dass die Legehennenfarm an der S-Straße, der ehemaligen B 189, im Ortsteil S. liegt. In der näheren Umgebung befinden sich mehrere Wohnhäuser: ein Wohnhaus, S-Straße 46 (ein Geschoss, ausgebautes Dachgeschoss, früheres Gewerbeobjekt), ein Wohnhaus S-Straße 45 ("..." zweigeschossiges Wohnhaus), ein Wohnhaus S-Straße 47 (ein Geschoss, ausgebautes Dachgeschoss), zwei weitere Wohnhäuser, S-Straße 34 (zweigeschossiges Wohnhaus, ehemalige Betriebswohnung sowie dahinter ein Büro-/Wohnhaus der Molkereigenossenschaft O. e.G.). Des Weiteren befindet sich in der näheren Umgebung ein Gewerbebetrieb "... GmbH" (Verkauf, Service), ein Gewerbebetrieb "..." (Autohandel, Werkstatt) ein Gewerbebetrieb frühere Optische Werke ..., z. Z. Bildungswerk ..., Kaufmännisches Trainingszentrum. Nördlich der strittigen Anlage wurden 1993 ein "A."-Verbrauchermarkt und 1997 ein "M."-Verbrauchermarkt genehmigt und errichtet. Der Abstand der Anlage zum nächstgelegenen Wohnhaus beträgt 98 m und zu dem nächsten Verbrauchermarkt 77,5 m. Mit Bescheid vom 26.07. 2000 lehnte der Beklagte die beantragte Genehmigung ab. Dagegen betrieb die Klägerin erfolglos das Widerspruchsverfahren. Die dagegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19.11.2001 abgewiesen.

Der fristgerecht gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung ist erfolglos.

1. Die geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen nicht.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Frage der Erteilung der Genehmigung sich nach den §§ 16 Abs. 1; 6 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - i. d. F. d. Bek. v. 26.09.2002 (BGBl I 3830) richtet, weil die Klägerin die Änderung einer gemäß § 67a Abs. 1 BImSchG angezeigten Altanlage begehrt. Dass es sich bei der beantragten Anlage um eine genehmigungspflichtige Anlage im Sinne von § 4 Abs. 1 BImSchG i. V. m § 2 Abs. 1 Nr. 1a 4. BImSchV handelt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt.

Der Gesichtspunkt des Bestandsschutzes der Anzeige nach § 67a Abs. 1 BImSchG ist insoweit nicht einschlägig. Aus einem etwaigen Bestandsschutz könnte sich allenfalls ergeben, dass die Genehmigung erteilt werden muss oder dass doch bestimmte Versagungsgründe ausscheiden. Einen Schutz vor den Unbequemlichkeiten - und auch den "Gefahren" - eines Genehmigungserfordernisses bietet der Gesichtspunkt des Bestandsschutzes nicht.

Bei den von der Klägerin beabsichtigten Maßnahmen handelt es sich um wesentliche Änderungen. Dass das Merkmal der Änderung erfüllt ist, zieht die Klägerin selbst nicht in Zweifel. Diese Änderungen sind aber im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG auch wesentlich.

Nach der Legaldefinition des § 16 Abs. 1 S. 1 BImSchG ist eine Änderung wesentlich, wenn durch sie nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können.

Die Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage ist - in dem nach § 15 BImSchG das Erfordernis einer Änderungsgenehmigung auslösenden Sinne - wesentlich, wenn durch sie die Schutzgüter der §§ 5 f BImSchG in rechtserheblicher Weise berührt sein können. Die Anwendbarkeit des § 16 BImSchG hängt nicht davon ab, ob die durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz geschützten Belange tatsächlich berührt sind, sondern ausschließlich davon, ob eine Berührung dieser Belange in Betracht kommt. Wesentlich im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sind Änderungen bereits immer dann, wenn sie - bezogen auf die Schutzgüter der §§ 5 f. BImSchG - nach ihrer Art oder nach ihrem Umfang zu einer erneuten Prüfung Anlass geben, d. h. wenn sie die Genehmigungsfrage erneut aufwerfen; und das eben trifft zu, sobald jene Belange in rechtserheblicher Weise berührt sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.07.1984 - BVerwG 7 C 71.82 -, BVerwGE 69, 351).

Bei der Aufgabe der reinen Käfighaltung im Flüssigmistverfahren, wie sie durch die Agrargenossenschaft "B. " O. e. G. betrieben wurde, und dem Übergang auf eine Mehretagenhaltung mit Kotbandbelüftung (Trockenkot) durch Boden- (2/3) und Freilandhaltung (1/3) werden solche Belange in rechtserheblicher Weise berührt. Schon die höhere Automatisierung und Mechanisierung der Anlage ermöglicht eine höhere Ausbeutung der Tiere. Ferner weist zwar die Auslauf-, Boden- oder Volierenhaltung, wie sie die Klägerin betreiben will, gegenüber der alten Käfighaltung aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht deutliche Vorteile auf, aus hygienischer und gesundheitlicher Hinsicht jedoch Nachteile. Bei der Käfighaltung befinden sich die Tiere in kleinen Gruppen mit stabiler Rangordnung, die Gefahr des "Kannibalismus" ist gering und der Befall mit Endoparasiten nahezu ausgeschlossen. Die Bodenhaltung kann dagegen insbesondere in gesundheitlicher Hinsicht (Parasitenbefall, Federpicken, gegenseitige Verletzungen) erhebliche Nachteile für die Tiere mit sich bringen (vgl. BVerfG, Urt. v. 06.07.1999 - 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 ff.). Damit wird die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen.

Die Klägerin benötigt zur Legalisierung ihres Vorhabens eine Änderungsgenehmigung.

Auf die Änderungsgenehmigung hat sie keinen Anspruch.

Der von der Klägerin beantragten Änderungsgenehmigung steht § 16 i. V. m. § 6 Nr. 1 und den §§ 5 Nr. 1 und 3 Abs. 1 und 2 BImSchG entgegen. Die Anlage der Klägerin verursacht in dem von diesen Vorschriften untersagten Sinn "auf Menschen ... einwirkende Luftverunreinigungen ... , die nach Art" und "Ausmaß" und "Dauer geeignet sind", zumindest "erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit" und auch für "die Nachbarschaft herbeizuführen".

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.

Den in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, dem "Schutzgebot" aufgestellten Anforderungen an eine genehmigungsbedürftige Anlage wird die Klägerin nicht gerecht.

Das Vorsorgegebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unabhängig von den geltenden Schädlichkeitsgrenzen das an Umweltqualität durchsetzen helfen, was im Hinblick auf ein vorhandenes Potential an Vermeindungstechnologie realisierbar erscheint (BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 - BVerwG 7 C 8.82 -, BVerwGE 69, 37 [43]). Mit § 5 Abs. 1 BImSchG wird sichergestellt, dass der integrative Ansatz bei behördlichen Entscheidungen über die Anlage auch dann zum Tragen kommt, wenn konkrete integrative Anforderungen fehlen (BT-Drs. 14/4599). Erheblich im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind solche Emissionen, die den davon Betroffenen nicht zuzumuten sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1975 -, BVerwG IV 71.73 -, Buchholz 406.25 [BImSchG] § 5 Nr. 1, S. 1 [4] und v. 21.05.1976 -, BVerwG IV C 80.74 -, BVerwGE 51, 15 [28]). Die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit bestimmt sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die ihrerseits - abgesehen zunächst vom möglichen Einfluss eines Bestandsschutzes - erstens von der bebauungsrechtlichen Prägung der Situation und zweitens von den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen abhängen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.05.1976 [a. a. O., S 29 ff]).

Bei dieser Prüfung ist von 3.3.7.1.1 der TA Luft 1986 auszugehen.

Die normkonkretisierende Funktion der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz - Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft 1986) - vom 27.02.1986 (GMBl. 1986, 95) muss in der Rechtsprechung als geklärt angesehen werden:

"Die Fülle komplexer technischer, das Umweltrecht weitgehend beherrschender Fragen hat es erforderlich gemacht, die in unbestimmten Gesetzesbegriffen zum Ausdruck kommende Regelungsschwäche der Gesetzgebung umsetzungsfähig zu konkretisieren und der anwendenden Behörde für den Regelfall vorzugeben, von welchen Grenzwerten an Immissionen/Emissionen etc. sie auszugehen hat. Ohne normkonkretisierende Regelungen wäre eine Bestimmung wie § 5 BImSchG praktisch vollzugsunfähig (Franßen, in: Festschrift für Zeidler, S. 429 [452]). Dabei können konkretisierende Regelungen durch Rechtsverordnungen oder aber durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften erfolgen. Innerhalb der vom jeweiligen Gesetzgeber festgesetzten Grenzen sind die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften wie die verschiedenen Technischen Anleitungen für die Verwaltungsgerichte verbindlich (BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - BVerwG 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300 [320]). Dies u. a. deshalb, weil der Konkretisierungsbedarf von Umweltgesetzen mitunter nicht nur über die Leistungs- und Problemverarbeitungsfähigkeit eines Parlaments hinausgeht, sondern auch zu einer Überforderung der Verwaltungsgerichte führen müsste, die nur unter immensem Zeitaufwand und unter Anhörung zahlreicher Gutachter eine Entscheidung herbeiführen könnten, wobei es eher unwahrscheinlich ist, daß die Qualität einer derartigen Entscheidungsfindung den Sachverstand in Anspruch nehmen kann, den auf der Grundlage der §§ 48, 51 BImSchG erlassne Verwaltungsvorschriften in sich vereinigen (Sendler, UPR 1993, 321 [325]). Der Gesetzgeber, der zum Erlaß administrativen Ergänzungsrechts beauftragt ist, ermächtigt die Exekutive insoweit zur letztverbindlichen Konkretisierung. Indiz für die Annahme einer derartigen administrativen Letztverantwortlichkeit ist regelmäßig die Komplexheit und Eigenart der Sachbereiche. Diese exekutivische Risikoermittlung und -abschätzung (notwendig wegen prinzipieller Erkenntnisdefizite im Umweltbereich) ist abhängig von der Erfüllung von Voraussetzungen und steht insoweit - trotz der partiellen Bindungswirkung - der Rechtskontrolle durch die Gerichte offen. Diese Prüfung beschränkt sich im wesentlichen darauf, ob die Verwaltungsvorschrift auf den jeweiligen konkreten Fall anwendbar ist, ob sie sich an die im Gesetz getroffene Wertung hält und ob sich nicht zwischenzeitlich entscheidende Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik ausmachen lassen (BVerwG, Urt. v. 13.07.1989 - RdL 1990, 34) Technische Risikobewertungen in normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften sind somit so lange für Gerichte und Behörden bindend, als nicht ein veränderter Sachstand von Wissenschaft und Technik klar erkennbar ist" (vgl. BayVGH, Urt. v. 20.07.1994 - 20 A 92.40087 -, BayVBl. 1995, S.497).

Derartige Erkenntnisfortschritte sind nicht ersichtlich.

Die Bedeutung der TA Luft 1986 erstreckt sich auch auf die Anforderungen, die die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG an die Errichtung und den Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen stellt (BVerwG, Beschl. v. 21.03.1996 - BVerwG 7 B 164.65 -, nach juris).

In Anwendung dieser Grundsätze über die Bedeutung technischer Anleitungen ist hier von Folgendem auszugehen:

Nach 3.3.7.1.1 der TA Luft 1986 sollen bei der Errichtung von Anlagen zum Halten von Geflügel die sich aus dem Diagramm (Abb. 5) ergebenden Mindestabstände zur nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung nicht unterschritten werden. Für eine Anlage mit 60.000 Legehennenplätzen ergibt dies auch unter Berücksichtung der Minderung durch Kotbandbelüftung immer noch einen Mindestabstand von 322 m.

Nichts Anders ergibt sich aus der bei der im Rahmen einer Verpflichtungsklage maßgeblichen TA Luft 2002 in der Fassung vom 24.07.2002 (GMBl. S. 511) aus 5.4.7.1 (bei einer Tierlebendmasse bei 60.000 Legehennen von 204 m).

Der Abstand der Anlage der Klägerin zur "nächsten vorhandenen Wohnbebauung" wird, dies folgt aus dem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachten der LMS ... GmbH, ..., bei mehreren Wohnhäusern nicht eingehalten.

Bei diesen Wohnhäusern handelt es sich um "Wohnbebauung" im Sinne von 5.4.7.1 TA Luft 2002.

Die nähere Umgebung der Anlage der Klägerin ist, ohne dass es dazu einer Beweisaufnahme bedarf, als ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil im Sinne von § 34 BauGB und damit als unbeplanter Innenbereich einzustufen. Ein Ortsteil ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Ein Bebauungszusammenhang ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Unter einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil fällt eine Bebauung, die, wäre sie aufgrund eines Bebauungsplans entstanden, bei einheitlicher Gebietsstruktur auch ein Baugebiet i. S. d. Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung sein könnte. Den Charakter einer Ansiedlung als Splittersiedlung ergibt sich aus dem Gegensatz zum Ortsteil. Die Splittersiedlung ist dadurch gekennzeichnet, dass ihr mangels einer angemessenen (Bau-)Konzentration das für die Annahme eines Ortsteils notwendige Gewicht fehlt und sie damit Ausdruck einer unorganischen Siedlungsstruktur ist. (BVerwG, Beschl. v. 20.08.1988 - BVerwG 4 B 79.98 -, NVwZ-RR 1998, 157, m. w. N.). Unter Berücksichtigung dessen ist die nähere Umgebung der klägerischen Anlage als im Zusammenhang bebauter Ortsteil anzusehen. Dass es sich dabei um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil handelt, ergibt sich aus der Massivität der Bebauung und ohne dass es einer In-Augenscheins-Nahme der Örtlichkeit bedarf, aus den Gutachten, fachlichen Stellungnahmen sowie den Plänen und Skizzen in den Verwaltungsvorgängen.

Die Klägerin kann sich mit Erfolg nicht darauf berufen, dass es sich nur um vereinzelte Wohnhäuser handele und diese keine Wohnbebauung darstellten. Zum einen trifft die Annahme schon von der Quantität her nicht zu. Zum anderen kommt dem Wohnen im Innenbereich (abgesehen von Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten) eine besondere Bedeutung zu. Während im Innenbereich das Wohnen entsprechend dem jeweiligen Gebietstyp schutzwürdig ist, sind im Außenbereich umgekehrt auch Nutzungen privilegiert, die wegen ihrer umweltbelastenden und mit den Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse unvereinbaren Wirkungen im Innenbereich nicht zugelassen werden können; das Wohnen ist dort hingegen nur ausnahmsweise zulässig. Aufgrund dieser unterschiedlichen rechtlichen Konstellation kann die Klägerin sich auch nicht mit Recht auf die Entscheidung des Nieders. Oberverwaltungsgerichts vom 18.02.1998 (- 7 L 2108/96 -, NuR 1998, 661) berufen. Diese Ausführungen beziehen sich ersichtlich auf vereinzelte Wohnhäuser im Außenbereich.

Auch die Berücksichtigung der VDI-Richtlinie 3472 führt zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis.

Nicht nur die nach § 48 BImSchG als Verwaltungsvorschriften erlassenen TA-Lärm bzw. TA-Luft, sondern auch DIN-Normen, VDI-Richtlinien oder LAI-Hinweise und -Beurteilungsmaßstäbe können zur Konkretisierung immissionsschutzrechtlicher Grundanforderungen herangezogen werden. Letztere Regelwerke, die weder die Qualität einer Rechtsverordnung beanspruchen können, noch über eine gesetzliche Regelung, wie z. B. § 48 BImSchG, mit Bindungswirkung nach außen für die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe ausgestattet sind, dürfen jedoch nicht in gleicher Weise wie diese Rechtsverordnungen oder normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften zur Bestimmung immissionsschutzrechtlicher Zumutbarkeitsschwellen herangezogen werden (BVerwG, Urt. v. 19.01.1989 - BVerwG 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197 [205]). Das gilt unabhängig davon, ob derartige Regelwerke zum Zwecke der Konkretisierung gesetzlicher Anforderungen auf staatliche Initiative ergangen sind oder ob es sich um Regelwerke rein privater Normungsgremien handelt, wie etwa DIN-Normen des Deutschen Instituts für Normung e. V. oder VDI-Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure.

Demnach ist die VDI-Richtlinie 3472 zwar nicht als solche rechtlich verbindlich, sie ist jedoch eine Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsbelastungen aus der Tierhaltung (BVerwG, Urt. v. 14.01.1993 - BVerwG 4 C 19.90 -, DVBl. 1993, 652).

Die VDI-Richtlinie Hühner (VDI 3472) bildet fachtechnische Anhaltspunkte für die Bewältigung eines Konflikts zwischen immissionsträchtigen Betrieben und Wohnbebauung bzw. einer Bebauung, bei der mit dem dauernden Aufenthalt von Menschen zu rechnen ist. Gemäß Nr. 2.1.2 der VDI-Richtlinie 3472 wird zur Vermeidung belästigender Immissionen durch Staub und Geruch bei der Bauleitplanung und der Planung von Neuanlagen empfohlen, die in Bild 11 angegebenen Abstände zur Wohnbebauung einzuhalten. Diese gilt nach Nr. 2.1.2 im gegenseitigen Abstand zwischen Bauvorhaben und bestehender Wohnbebauung sowie dem Gebiet rechtskräftiger Bauleitplanung im Sinne der Baunutzungsverordnung. Einzeln stehende Wohngebäude, Dorfgebiete (MD), Gewerbegebiete (GE), Industriegebiete (GI) und Sondergebiete (SO) sind einer gesonderten Beurteilung zu unterziehen. Gemäß 3.2. der VDI-Richtlinie 3472 wurde, um vertretbare Immissionsverhältnisse sicherzustellen, für diese Richtlinie auf der Grundlage von betrieblichen Maßnahmen eine Abstandsregelung zur Wohnbebauung entwickelt, wobei nach einer Anmerkung zu Bild 11 der VDI-Richtlinie 3472 bei der Planung von Wohnbebauung und der Errichtung von Stallanlagen im gegenseitigen Nahbereich von ca. 200 m eine Sonderbeurteilung durch Sachverständige empfohlen wird.

Unter Anwendung dieser Regeln ergibt sich auch unter Berücksichtigung der Kotbandbelüftung für die hier einschlägige Anlage ein noch einzuhaltender Mindestabstand von 270,8 m. Die VDI Richtlinie 3472 lässt zwar eine Verringerung bis auf die Hälfte gegenüber Dorfgebieten und Wohnhäusern im Außenbereich zu. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin hier von einer Dorfgebietslage ausgehen und nach VDI-Richtlinie 3472 den halben Abstand von 165 m zugrundelegen würde, lägen immer noch drei Wohnhäuser sowie die beiden SB-Märkte im halbierten Abstandskreis. Zudem wurde die Abstandproblematik - von der Klägerin selbst in Auftrag gegeben - begutachtet. Auch auf der Grundlage dieses Gutachtens ist die klägerische Anlage nicht genehmigungsfähig. Zwar kommt das Gutachten der LMS ... GmbH in seiner Zusammenfassung zu dem Schluss, dass "gegenüber der angrenzenden vorhandenen Wohnbebauung Schutz vor und Vorsorge gegen erhebliche Geruchsbelastungen bei einer reinen Stallhaltung gegeben sei". Diese Aussage basiert aber auf einer rechtlichen Bewertung durch den Gutachter, der die Auffassung vertritt, dass eine direkte Zuordnung der Grundstücke zum Außenbereich und die Vorbelastung durch die vorhandene Leghennenanlage Berücksichtigung finden müsse. Eine derartige Einschätzung des Gutachters ist jedoch irrelevant, da es sich insoweit um reine Rechtsfragen handelt und diese allein von den Gerichten zu beurteilen sind.

Die Annahme, das Grundstück der Klägerin liege im Außenbereich, ist - wie dargelegt - schon unzutreffend.

Im Übrigen können auch die Vorbelastungen des Gebiets durch die DDR-Altanlage dem Vorhaben der Klägerin - wie das Gutachten meint - keine günstigere Vorsorgeeinschätzung verschaffen.

Der für die Altanlage der Agrargenossenschaft "..." O. e.G. aus dem Staatsvertrag und dem Einigungsvertrag sowie aus § 67a Abs. 3 BImSchG herzuleitende Bestandsschutz ist nämlich durch die wesentliche Änderung der Anlage entfallen. Der Bestandschutz für eine vor der Vereinigung mit ihren Teilen betriebene Gesamt-Anlage geht nicht auf die Teile über, wenn die Haupt-Anlage stillgelegt wird, sofern sich der Weiter-Betrieb der Teile als "wesentliche Änderung" der jeweiligen Einzel-Anlage darstellt (vgl. Beschl. des Senats v. 02.08.1993 - 2 M 13/93 -).

Mithin kann die Klägerin sich auch nicht auf § 67a Abs. 2 BImSchG berufen.

Bei den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BImSchG sind die von der gesamten Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen daher zu berücksichtigen und die dadurch verursachten Belästigungen als erheblich anzusehen. Unmittelbar abzustellen ist bei der Entscheidung über die Erteilung einer Änderungsgenehmigung zwar nur auf die Emissionen, die mit der Änderung ursächlich verbunden sind. Das bedeutet für einen Fall, in dem sich die Änderung auf hinzutretende Emissionen beschränkt, dass es zunächst und unmittelbar allein auf die hinzutretenden Emissionen ankommt. Daraus folgt freilich nicht, dass die unverändert bleibenden vorherigen Emissionen völlig außer Betracht zu bleiben hätten. Ob weitere Emissionen "erheblich" sind, hängt unter anderem von der ihnen vorgegebenen Situation und damit insbesondere vom Ausmaß der vorgegebenen Immissionsbelastung ab (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.05.1976, BVerwGE 51, 15 [30 ff]). Zu dieser vorgegebenen Belastung gehören in Fällen echter Erweiterung auch die von den unberührt bleibenden Teilen der Anlage ausgehenden Emissionen; sie sind bei einer rein quantitativen Erweiterung nicht anders zu beachten, als sie beachtlich wären, wenn ein hinzutretender Antragsteller um eine neue Genehmigung für eine Anlage mit Emissionen des der Erweiterung entsprechenden Umfangs nachsuchte. Auch bei Änderungen, die kennzeichnend nicht von quantitativer, sondern von qualitativer Art sind, hat sich die Prüfung (unmittelbar) auf die mit der Änderung ursächlich verbundenen Emissionen zu beziehen. Das führt jedoch bei derartigen Änderungen - im Unterschied zu echten Erweiterungen - dazu, dass in der Reichweite der qualitativen Änderung sämtliche von der Anlage ausgehenden Emissionen als unmittelbarer Prüfungsgegenstand zu würdigen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.02.1977 - BVerwG IV C 9.75 -, DVBl. 1977, 770).

Auch eine Bewertung des Vorhabens nach EMIAK (Empirisches Modell zur Immissionshäufigkeitsbestimmung nach Abshoff und Krause) macht den hier streitgegenständliche Emissionsstandort bezüglich der Nachbarschaft nicht zulässig.

Eine Berechnung der von der klägerischen Anlage ausgehenden Geruchsbelastung unter Rückgriff auf die Geruchsimmissions-Richtlinie - GIRL - würde schließlich ebenfalls zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen. Zum einem gibt das Ermittlungsverfahren der GIRL, sei es in Form einer olfaktorischen Begehung, sei es in Form einer Ausbreitungsberechnung, keine verlässliche Immissionsbewertung (vgl. Hansmann, Rechtsprobleme der Bewertung von Geruchsimmissionen, NVwZ 1999, 1158). Zum anderen führen diese mit GIRL ausschließlich vorgegebenen Modelle zu Ergebnissen, die im Vergleich zu den Mindestabständen der TA-Luft oder VDI-RL weit erhöhte Abstände erforderlich machen (Gutachten, LMS ... GmbH, Nov. 1999, S. 51).

2. Die Zulassung der Berufung ergibt sich auch nicht aus § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Für die Darlegung des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist zumindest erforderlich, dass der Antragsteller klarstellt, hinsichtlich der Beantwortung welcher Fragen und aus welchen Gründen die Rechtssache seiner Ansicht nach besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist.

Die von der Zulassungsschrift aufgeführten Fragen weisen solche Schwierigkeiten indes nicht auf. Weder auf die Frage, ob die südliche Umgebung der klägerischen Anlage als Mischgebiet einzuschätzen ist noch auf die Stellungnahme des Hygieneinstituts Sachsen-Anhalt kommt es in diesem Verfahren entscheidend an. Der Begriff "Wohnbebauung" in Ziffer 3.3.7.1 der TA-Luft 1986 bzw. Ziffer 3.2.3 der VDI-Richtlinie 3472 bedarf für den unbeplanten Innenbereich keiner besonderen Auslegung, sondern ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik des Baugesetzbuches.

3. Aus den dargelegten Gründen ist auch die Frage, wie der Begriff "Wohnbebauung" in den genannten Regelwerken auszulegen ist weder in Sachsen-Anhalt noch sonst irgendwo klärungsbedürftig (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

4. Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers des Verwaltungsgerichts zuzulassen.

Das Verwaltungsgericht war nicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären; denn auf die Frage, ob sich die vorhandene Wohnbebauung als "vereinzelt" darstellt oder nicht, kommt es - wie ausgeführt - nicht an.

Nichts Anderes gilt, wenn man die Einlassung der Klägerin dahin versteht, das Verwaltungsgericht sei seiner Verpflichtung zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung nicht nachgekommen, indem es von einer weiteren (hilfsweise beantragten) Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Prof. Dr. ... für die Beurteilung der Tatsache, ob von dem beantragten Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG durch etwaige Keimbelastungen ausgehen, abgesehen habe. Während sich die Voraussetzungen für die Ablehnung eines unbedingt gestellten Beweisantrags aus § 86 Abs. 2 i. V. m. § 86 Abs. 1 VwGO ergeben, wird mit einem fürsorglich oder hilfsweise gestellten Beweisantrag nur eine weitere Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO angeregt. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht ist unter diesen Umständen nur dann begründet, wenn sich dem Gericht von Amts wegen eine weitere Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschl. v. 09.12.1997 - BVerwG 9 B 505.97 - [juris]).

Ein Gericht verstößt deshalb grundsätzlich nicht gegen seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine von einem Rechtsanwalt vertretene Partei nicht beantragt hat (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. u. a. Beschl. v. 22.02.1988 - BVerwG 7 B 28.88 -, NVwZ 1988, 1019; Beschl. v. 24.11.1977 - BVerwG VI B 16.77 -, Buchholz 310 [VwGO] § 132 Nr. 161, VGH BW, Beschl. v. 30.04.1997 - 8 S 1040/97 -, DVBl 1997, 1343).

Das von der Klägerin hilfsweise beantragte Beweisthema ist für die Entscheidung dieses Verfahrens indes weder tauglich noch erheblich noch musste sich dem Verwaltungsgericht eine solche weitere Beweisaufnahme aufdrängen.

Auf die Frage des Keimgehalts von Stallluft kommt es nämlich nur in Verfahren an, in denen eine Anlage den Abstandsanforderungen der TA-Luft und denen der VDI-Richtlinie 3472 entspricht. Entspricht eine Anlage nicht einmal diesen umweltrechtlichen Minimalanforderungen, bedarf es keiner weiteren Untersuchungen, ob das Vorhaben auch aus anderen Gründen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BImSchG nicht erfüllt.

Im Übrigen ist die neuste wissenschaftliche Erkenntnislage zur Keimbelastung von Stallluft durch zahlreiche Gutachten und Verfahren in Bezug auf die Genehmigung von Massentierhaltungsanlagen gerichtsbekannt.

Diese Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Urt. des Senats v. 06.02.2004 - 2 L 5/00 -):

"Danach sei zwar bisher nur unzureichend untersucht worden, wie weit Mikroorganismen, wie Bakterien, Pilze und Viren, vom Stall transportiert werden, weil die Keime in der Außenluft rasch absterben, es stehe aber fest, dass nach einer Entfernung von ca. 250 m vom Stall bei Anwendung üblicher kultureller Nachweisverfahren kein quantitativer Unterschied mehr zum Keimgehalt der Außenluft feststellbar sei (Hartung, Deutsche tierärztliche Wochenschrift 105 [1998], S. 213 ff.).

Dies besagt allerdings noch nicht, dass der Keimtransport aus Massentierhaltungsanlagen nach 250 m nicht mehr stattfindet; denn wie weit der Staub und Endotoxine der Stallluft getragen werden, ist nach dem Stand der derzeitigen Wissenschaft nicht bekannt (Hartung, a. a. O., S. 215 f.). Mit den bekannten Nachweisverfahren sind diese Keime ab 250 m lediglich nicht mehr nachweisbar. Die Behauptung der Beigeladenen, dass die Keime aus der Stallluft auch noch nach mehr als 500 m Entfernung Wirkung zeigten, ist somit zwar nicht widerlegt - dafür könnten beispielsweise die Ergebnisse der sog. Morbus-Studie (Deutsche tierärztliche Wochenschrift 105 [1998], S. 235 ff.) sprechen, wonach in kinderärztlichen Praxen der Region Südoldenburg (einer "Hochburg" der Massentierhaltungsproduktion) es zu häufigeren Arztkontakten jüngerer Kinder mit Asthma bronchiale als in Hannover, Braunschweig und Verden gekommen sei -; es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass durch künftige Studien möglicherweise weitergehende Gefährdungen durch die Massentierhaltung nachgewiesen werden.

Die Auffassung der Beigeladenen lässt sich anderseits aber nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen schlechterdings auch nicht verifizieren; denn es gibt zur Zeit keine nachgewiesenen neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse, die für die Ansicht der Beigeladenen sprechen. Bei einer solchen Sachlage besteht keine Pflicht des Staates zur Vorsorge gegen rein hypothetische Gefährdungen. Die bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigungspraxis der Verwaltungsbehörden kann nur dann rechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar wird, dass die menschliche Gesundheit dabei völlig unzureichend geschützt wird. Davon kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit größerer Abstände zwischen Wohnbebauung und rechtlich nach wie vor zulässiger Massentierhaltung mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt. Es obliegt allein der Legislative und der Exekutive in einer solchen Situation der Ungewissheit, Vorsorgemaßnahmen sozusagen "ins Blaue hinein" zu ergreifen. Bei komplexen Gefährdungslagen, über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, kommt den staatlichen Einrichtungen ein angemessener Erfahrungs- und Anpassungsspielraum zu. In einer solchen Situation der Ungewissheit verlangt die staatliche Schutzpflicht von den Gerichten weder, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts zur Durchsetzung zu verhelfen, noch, die Vorsorgeentscheidung des Staates unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung von Abständen und Grenzwerten jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache der staatlichen Gremien, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen (BVerfG, Beschl. v. 28.02.2002 - 1 BvR 1676/01 -, NJW 2002, 1638-1640; OVG LSA, Beschl. v. 05.02. 2003 - 2 M 370/02 -)."

Einer weiteren Sachaufklärung durch das Verwaltungsgericht bedufte es daher zumindest in diesem Verfahren nicht.

Ende der Entscheidung

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